Linz, 11.03.2010
E R K E N N T N I S
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn X, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Dr. X, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wels, vom 19.1.2010, Zl. 2-S-10.567/09/G, nach der am 10.3.2010 im Rahmen eines Ortsaugenscheins durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:
I. Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen;
II. Zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten werden dem Berufungswerber als Kosten für das Berufungsverfahren 30,00 Euro (20 % der verhängten Geldstrafe) auferlegt.
Rechtsgrundlagen:
Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. Nr. 20/2009 – AVG iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 20/2009 – VStG.
Zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG
Entscheidungsgründe:
2. Begründend wurde folgendes ausgeführt:
2.1. Der Berufungswerber erhob durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter gegen diesen Bescheid binnen offener Frist Berufung, welche er wie folgt begründet:
3. Die Behörde erster Instanz hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates ist somit gegeben.
Beweis erhoben wurde durch Einvernahme des Zeugen X und des anwaltlich vertretenen Berufungswerbers als Beschuldigten anlässlich der im Rahmen eines Ortsaugenscheins durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung. Daran nahm auch ein Vertreter der Behörde erster Instanz teil.
Vom Verhandlungsleiter wurde der Schutzwegbereich fotografisch dokumentiert. Ebenfalls wurde ein Luftbild aus dem System DORIS mit der darauf vermessenen Straßenbreite und der daraus ableitbaren Übersichtssituation beigeschafft.
3.1. Sachverhalt:
Der Berufungswerber lenkte zur fraglichen Zeit seinen Pkw auf der Wallerer Straße in nördlicher Richtung. Als er sich mit seinem Pkw etwa 60 m vor dem Schutzweg befand wurde er von X und deren Ehefrau wahrgenommen. Die Zeugen befanden sich zu diesem Zeitpunkt etwa zwei Meter vom Schutzweg entfernt um mit deren Kinderwagen diesen in westlicher Richtung hin zu überqueren. Die Straße ist an dieser Stelle etwa 11 m breit, wobei sich in der Mitte ein Fahrbahnteiler befindet. In Gehrichtung der Zeugen ist der Gehsteig bis zum Schutzweg durch Ketten gesichert, sodass ein Queren der Straße außerhalb des Schutzwegbereiches unterbunden wird. In Fahrtrichtung des Berufungswerbers kann die Sichtweite auf den Schutzweg mit deutlich mehr als 100 m angenommen werden (siehe Bild).
Der Zeuge beschreibt die Situation dahingehend, dass er mit Frau und Kind aus östlicher Richtung, vom Toiflweg kommend, sich dem Schutzweg näherte. Etwa zwei Meter vor Erreichen des Schutzweges habe er nach links geblickt und dabei den Pkw des Berufungswerbers im Bereich der Bushaltestelle im vorhin geschilderten Bereich wahrgenommen. Nachdem er sich zwischenzeitig überzeugte, dass von rechts kein Fahrzeug kommt, befuhr er (ragte er) mit dem Kinderwagen bereits (in) die Fahrbahn (er zeigt dies bis zum ersten weißen Markierungsstreifen des Schutzweges), als ihm seine Frau zurief, „pass auf“!
Er zog den Kinderwagen noch zurück und in diesem Moment querte der Berufungswerber mit seinem Pkw auch bereits den Schutzweg.
Das hierdurch die Fußgänger gefährdet wurden steht für die Berufungsbehörde demnach ebenso außer Zweifel, als der Berufungswerber bereits vorher die Fußgänger im un-mittelbarem Nahbereich des Schutzweges wahrgenommen haben musste. Durch ein Handzeichen versuchte der Zeuge X den Fahrer dieses Pkws auf sein gefährliches Fahrverhalten aufmerksam zu machen. Dieser wendete sodann sein Fahrzeug mit quietschenden Reifen auf Höhe des zwischen 50 und 70 m in seiner Fahrtrichtung links gelegenen Firmengebäudes. Vor dem Schutzweg hielt er schließlich an, wobei es zur verbalen Konfrontation der Beteiligten, seitens des Berufungswerbers jedoch zu unflätigen Beschimpfung der Fußgänger gekommen ist.
Den sachlich vorgetragenen Zeugenangaben war auch im Rahmen des Berufungsverfahrens durchaus zu folgen. Insbesondere gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Zeuge und seine Gattin, deren Aussage vor der Behörde erster Instanz wegen Verhinderung an der Berufungsverhandlung teilzunehmen verlesen wurde, diese etwa bloß erfunden hätten und der Berufungswerber zu Unrecht belasten werden sollte. Im Rahmen der Berufungsverhandlung erklärte X durchaus glaubwürdig, dass letztlich die als sehr feindselig empfundene Verbalaggression den Ausschlag für die Anzeige wegen des Fehlverhaltens am Schutzweg gegeben habe.
Dem gegenüber stellt der Berufungswerber die Darstellung über das Queren des Schutzweges im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit Passieren dieses Schutzweges in Abrede. Dies würde sich mit der von ihm behaupteten Fahrgeschwindigkeit von etwa 50 km/h vom Weg-Zeit-Diagramm her nicht ausgehen. Als er sich dem Schutzweg näherte sei keine Überquerungsabsicht der Fußgänger erkennbar gewesen, zumal die Fußgänger noch zwei Meter davon entfernt gewesen wären, so der Berufungswerber im Ergebnis mit seiner Verantwortung.
Eingeräumt wird jedoch die verbale Auseinandersetzung nachdem er sein Fahrzeug wendete, weil er angeblich sich erkundigen habe wollen was der Fußgänger mit dem Handzeichen gemeint hätte.
3.2. Geht man davon aus, dass der Berufungswerber am verkehrsarmen Sonntag Vormittag, durchaus mit höherer als der erlaubten Geschwindigkeit von 50 km/h befahren hat – sie wurde von den Zeugen auf bis zu 80 km/h geschätzt – lässt sich der Weg-Zeit-Ablauf mit den Aussagen der Fußgänger sehr gut in Einklang bringen. So erreichte der Berufungswerber vom Bereich der leichten Krümmung der Wallerer Straße mit einer Fahrgeschwindigkeit von 80 km/h (~ 22 m/sek), etwa auf Höhe der ca. 60 m südlich des Schutzweges befindlichen Haltestelle, diesen bereits nach drei Sekunden. Dort wurde er vom Zeugen etwa zwei Meter vor dessen Erreichen des Schutzweges bei einem Blick nach links wahrgenommen. Dabei ist es durchaus nachvollziehbar, dass der Zeuge vorerst noch mit einem vorschriftsmäßigen Verhalten des annähernden Fahrzeuglenkers rechnete bzw. rechnen durfte und so noch den Schutzweg betreten zu können glaubte, ehe er von seiner Frau auf die Gefahr aufmerksam wurde und auf den Gehsteig zurück wich. Geht man von einer Gehgeschwindigkeit mit einem Kinderwagen von etwa 1 m/sek (3,6 km/h) aus ist die Darstellung des Weg-Zeit-Verlaufs durch die Zeugen durchaus realistisch. Er musste den Kinderwagen auch noch um etwa 90 Grad nach links drehen, ehe er ihn auf den Schutzweg manövrieren konnte. Vor Ort wurde der Bewegungsablauf des X mit drei Sekunden als durchaus logisch nachempfunden.
Die Behinderung und Gefährdung ist jedenfalls durch das erzwungene Zurückweichen auf dem Gehsteig evident.
Den Angaben der Zeugen kann daher logisch gefolgt werden. Sie schienen darüber hinaus sachlich vorgetragen und es wird den Zeugen nicht zugesonnen die Situation und die nachfolgenden verbalen Ausrutscher des Berufungswerbers einfach erfunden zu haben.
Dem gegenüber lässt das Verhalten des Berufungswerbers, der bereits neben mehrerer Parkvergehen auch wegen zwei Geschwindigkeitsübertretungen vorgemerkt ist, auf gewisses Aggressionspotential schließen. Dies gelangte auch im Rahmen der Berufungsverhandlung in seiner dargebrachten Fallschilderung zum Ausdruck. Dem vom unsachgemäßen Betrieb des Fahrzeuges (quietschende Reifen) begleiteten Umkehren kann letztlich nur das Motiv einer gesuchten Konfrontation mit den von ihm als bloßes Hindernis wahrgenommenen Fußgängern zugesonnen werden.
Seiner bestreitenden Verantwortung kann demnach lediglich der Charakter einer Schutzbehauptung zuerkannt werden.
4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:
Gemäß § 9 Abs.2 StVO 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges, das kein Schienenfahrzeug ist, einem Fußgänger oder Rollschuhfahrer, der sich auf einem Schutzweg befindet oder diesen erkennbar benützen will, das unbehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen. Zu diesem Zweck darf sich der Lenker eines solchen Fahrzeuges einem Schutzweg nur mit einer solchen Geschwindigkeit nähern, dass er das Fahrzeug vor dem Schutzweg anhalten kann und er hat, falls erforderlich, vor dem Schutzweg anzuhalten.
Der Zweck der Bestimmung des § 9 Abs.2 StVO ist es, Fußgängern das ungehinderte und ungefährliche Überqueren der Fahrbahn auf einem ungeregeltem Schutzweg zu ermöglichen. Den Fußgängern, die sich gemäß der für sie geltenden Bestimmungen der StVO rechtmäßig verhalten (kein plötzliches Betreten der Fahrbahn) und die sich schon am Schutzweg befinden, kommt ein Vorrecht gegenüber den Fahrzeuglenkern zu. Die Fahrzeuglenker haben die Verpflichtung, eine Annäherungsgeschwindigkeit einzuhalten, die es ihnen, falls erforderlich, mit Sicherheit erlaubt, noch vor dem Schutzweg ihr Fahrzeug anzuhalten.
Wenn hier die Annäherung an den Schutzweg mit unverminderter Geschwindigkeit erfolgte und der vom Fußgänger geschobene Kinderwagen sich bereits am Schutzweg befand, vom Fahrzeuglenker aber dennoch unbeachtet bliebt, ja gleichsam der Vorrang erzwungen wurde, sodass die schützende Verhaltensdisposition nur mehr beim Fußgänger in dessen erzwungenen Zurückweichen bestand, besteht an der Gefährdung des Fußgängers – hier konkret des Kindes im Kinderwagen - kein Zweifel. Vielmehr muss ein solches Fahrverhalten eines Pkw-Lenkers zusätzlich noch als besonders rücksichtslos bezeichnet werden.
Letztlich kommt es für die Beurteilung der Gefährdung nicht darauf an, ob es tatsächlich zu einem Verkehrsunfall gekommen wäre, wenn der Fußgänger nicht stehen geblieben wäre, sondern es ist eben ausreichend, dass der Fußgänger in seiner beabsichtigten Bewegung bloß behindert wurde.
Nach § 30a Abs.2 FSG Z4 ist eine Übertretung des § 9 Abs.2 StVO 1960 vorzumerken, wenn Fußgänger, die Schutzwege vorschriftsmäßig benützen, gefährdet werden;
6. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Nach § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Die von der Erstinstanz verhängte Geldstrafe ist daher trotz der zwischenzeitig durch Arbeitslosigkeit ungünstigeren Verhältnisses des Berufungswerbers dennoch erforderlich um ihn in Zukunft von ähnlichen Übertretungen abzuhalten und ein derartiges Verhalten aus generalpräventiven Überlegungen als entsprechend verkehrsgefährdend und sanktionsnotwendig aufzuzeigen.
Mit Blick auf den von € 72,- bis zu € 2.180,- reichenden Strafrahmen vermag jedenfalls ein Ermessensfehler nicht festgestellt werden.
Zu II.:
Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r