Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240723/2/BP/Eg

Linz, 18.03.2010

 

Mitglied:                                                                                                                                                                                               

Mag. Dr. Bernhard Pree                                                                                                                   

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns des Bezirks Perg vom 18. Februar 2010, GZ.: SanRB96-2-6-2010, wegen einer Übertretung nach dem Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz zu Recht erkannt:

 

 

I.       Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis   aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.     Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des          Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen    Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö.       Verwaltungssenat zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: §§ 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG

Zu II.:§ 65 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

 

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmanns des Bezirks Perg vom 18. Februar 2010, GZ.: SanRB96-2-6-2010, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) gemäß § 90 Abs. 1 Z. 1 Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz – LMSVG, BGBl. I Nr. 13/2006 in Verbindung mit § 5 Abs. 2 Z. 1 leg. cit. eine Geldstrafe in Höhe von 350 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 18 Stunden) verhängt, weil er als verantwortlicher Beauftragter für den Bereich Lebensmittelrecht bei der X, zu verantworten habe, dass von diesem Betrieb am 5. August 2009 eine Fleischzubereitung mit der Sachbezeichnung in großer Schrift "Frische Cevapcici brat- & grillfertig", mindestens haltbar bis 13.08.09, Chargen-Nr. X, verpackt in Kunststofftassen, verschweißt, 450 g, durch Lieferung an die X, geliefert und dadurch in Verkehr gebracht worden sei, wo am Etikett in direktem Zusammenhang mit der Zutatenliste in kleiner Schrift in weitaus geringerem Auffälligkeitswert als die Sachbezeichnung die Wortfolge "Frische Cevapcici gepökelt – Zutaten:..." angebracht gewesen sei, obwohl laut Österreichischem Lebensmittelbuch IV Auflage Codex Kapitel B 14 "Fleisch und Fleischerzeugnisse" Abschnitt A.6.3 Cevapcici nicht gepökelt würden und daher die Fleischzubereitung durch die Sachbezeichnung "Frische Cevapcici – brat- & grillfertig" eine zur Täuschung der Konsumenten geeignete Angabe über die Eigenschaft des Lebensmittels aufgewiesen habe und folglich dem Verbot des In-Verkehrbringens unterlegen sei.

 

Die Übertretung sei bei einer lebensmittelpolizeilichen Kontrolle am 5. August 2009 im Betrieb X durch ein Aufsichtsorgan der NÖ Landesregierung sowie durch die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH Lebensmitteluntersuchung Wien (Auftragsnummer: 09072444 vom 6. August 2009) festgestellt worden.

 

Nach Darstellung des bisherigen Verfahrensganges und der einschlägigen Rechtsgrundlagen bejaht die belangte Behörde in einer ausführlichen Begründung das Vorliegen sowohl der objektiven als auch der subjektiven Tatseite.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid, der dem Bw durch Hinterlegung am 22. Februar 2010 zugestellt wurde, richtet sich die rechtzeitig eingebrachte vorliegende Berufung vom 5. März 2010.

 

Darin führt der Bw unter anderem aus, dass eine Irreführung des Konsumenten im vorliegenden Fall nicht vorliege, da der Umstand, dass das Produkt "frische Cevapcici, brat- & grillfertig" gepökelt gewesen sei, allgemein verständlich und deutlich auf der Etikette sowohl unmittelbar vor der Zutatenliste mit dem Hinweis "gepökelt" als auch durch die Angabe von Nitritpökelsalz in der Zutatenliste kenntlich gemacht worden sei. Nach dem österreichischen Lebensmittelbuch IV Auflage, Kapitel B 14, würden zwar Cevapcici nicht gepökelt, es sei jedoch zulässig von dieser Vorgabe  abzuweichen, wenn dies allgemein verständlich und ausreichend kenntlich gemacht werde. Was konkret unter einer ausreichenden Kenntlichmachung zu verstehen sei, zeige der EuGH in diversen Urteilen, wonach Abweichungen von der Verkehrsauffassung ausreichend ausgewiesen seien, wenn die im Produkt verwendeten Zutaten in der Zutatenliste angeführt seien. Die Angabe "frische Cevapcici" sei bei einer gepökelten rohen Fleischzubereitung nicht irreführend, da das Eigenschaftswort "frisch" nicht auf gepökelt oder nicht gepökelt zu beziehen sei, sondern auf den Umstand hinweise, dass es sich um ein rohes, also um ein zubereitungsbedürftiges Produkt handle.

 

Unabhängig davon, sei auch die subjektive Tatseite nicht gegeben. Durch die Einholung von drei Sachverständigengutachten über die Verkehrsfähigkeit des in Rede stehenden Produktes habe der Bw als lebensmittelrechtlicher Verantwortlicher seine Sorgfaltspflicht erfüllt. Er habe zulässigerweise darauf vertrauen können, dass die Produktkennzeichnung sowie die Auszeichnung rechtmäßig gewesen sei, da ihm dies von drei amtlich anerkannten Sachverständigen bestätigt worden sei.

 

Abschließend beantragt der Bw das Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gegen ihn zur Einstellung zu bringen.

 

 

2. Mit Schreiben vom 10. März 2010 übermittelte die belangte Behörde den Bezug habenden Verwaltungsakt dem Oö. Verwaltungssenat.

 

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde.

 

Da sich daraus bereits der entscheidungswesentliche Sachverhalt – im Übrigen unwidersprochen – ergibt, im Verfahren lediglich eine Rechtsfrage zu klären war, keine 500 Euro übersteigende Geldstrafe im angefochtenen Bescheid verhängt wurde und auch kein diesbezüglicher Parteienantrag vorliegt, konnte gemäß § 51e Abs. 3 VStG auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung verzichtet werden.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von den unter den Punkten 1.1. und 1.2. dieses Erkenntnisses dargestellten entscheidungs­wesentlichen Sachverhalt aus:

 

2.3. Da im angefochtenen Straferkenntnis im Einzelnen keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

 

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 9 Abs. 2 VStG sind die zur Vertretung nach außen Berufenen berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung der Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.

 

Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass der Bw seiner Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten der in Rede stehenden Firma für die Belange des Lebensmittelrechts und der Lebensmittelkennzeichnung am 23. Jänner 1995 zustimmte und daher für die ggst. Verwaltungsübertretung verantwortlich wäre.

 

Weiters ist unbestritten, dass am 5. August 2009 eine Fleischzubereitung mit der Sachbezeichnung in großer Schrift "frische Cevapcici brat- & grillfertig", mindestens haltbar bis 13.08.09, Chargen-Nr. X, verpackt in Kunststofftassen, verschweißt, 450 g, mit direktem Zusammenhang am Etikett mit der Zutatenliste in kleinerer Schrift die Wortfolge "frische Cevapcici (gepökelt) – Zutaten" führend von dem in Rede stehenden Unternehmen in Verkehr gebracht wurde.  

 

3.2.  Gemäß § 5 Abs. 2 des Lebens- und Verbraucherschutzgesetzes - LMSVG, BGBl. I Nr. 13/2006 in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung BGBl. I Nr. 136/2006, ist es verboten, Lebensmittel mit zur Irreführung geeigneten Angaben in Verkehr zu bringen oder zu bewerben. Zur Irreführung geeignete Angaben sind insbesondere nach Z. 1. zur Täuschung geeignete Angaben über die Eigenschaften des Lebensmittels, wie Art, Identität, Beschaffenheit, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprung oder Herkunft und Herstellungs- oder Gewinnungsart.

 

Gemäß § 90 Abs. 1 Z. 1 LMSVG ist, wer Lebensmittel, die für den menschlichen Verkehr ungeeignet oder mit irreführenden oder krankheitsbezogenen Angaben versehen sind, oder in irreführender krankheitsbezogener Aufmachung, in Verkehr bringt, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 20.000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 40.000 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu 6 Wochen zu bestrafen.

 

3.3. Zur Beurteilung der Frage, ob im vorliegenden Fall eine Täuschung von Konsumenten gegeben ist stützte sich die belangte Behörde primär auf das Österreichische Lebensmittelbuch. 

 

Gemäß § 76 LMSVG obliegt die Herausgabe des Österreichischen Lebensmittelbuches (Codex Alimentarius Austriacus) der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen. Es dient der Verlautbarung von Sachbezeichnungen, Begriffsbestimmungen, Untersuchungsmethoden und Beurteilungsgrundsätzen sowie von Richtlinien für das Herstellen und Inverkehrbringen von Waren und kann in elektronischer Form veröffentlicht werden.

 

Nach dem Österreichischen Lebensmittelbuch, IV Auflage, Codexkapitel B 14, A.6.3 Fleischzubereitungen aus rohem Faschierten werden Cevapcici nicht gepökelt.

 

Zunächst ist also zu klären, welche rechtliche Qualifikation diese Bestimmung darstellt.

 

Diesbezüglich ist auf die Begründung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid zu verweisen:

 

Laut MANZ Kommentar Lebensmittelrecht, 3. Auflage, zu § 76 LMSVG sei die Rechtsnatur des ÖLMB nach ständiger veröffentlichter Judikatur aller Gerichte ein "objektiviertes Sachverständigengutachten". Als (objektiviertes) Sachverständigengutachten könne das ÖLMB keine zwingenden Anordnungen treffen. Es falle daher auch nicht unter den engen Begriff der "Lebensmittelrechtlichen Vorschriften" nach § 3 Z. 13, sondern wird als "Quasi-Vorschrift" dem so genannten "soft low" zugeordnet. Doch ist derjenige, der sich an die Regeln des Codex hält, solcherart "qualifiziert" sachverständig abgesichert, derjenige jedoch, der sich nicht an dieser "objektivierten Sachverständigenmeinung" orientieren will, sei aufgerufen, sich selbst fachlich so umfassend abzusichern, dass sein Vorgehen oder Verhalten im Lebensmittelverkehr (beispielsweise die Sicherheit der Lebensmittel betreffend, die Rezeptur, die Art des Inverkehrbringens und die Wahl der Sachbezeichnung uva) den gesetzlichen Anforderungen entspricht.

 

3.4. Der Bw führt nun an, dass er bei 3 anerkannten einschlägigen Instituten Sachverständigengutachten eingeholt habe, die die Zulässigkeit der von seinem Unternehmen gewählten Etikettierung bestätigten. Diese Vorgangsweise entspricht der oben dargestellten. Außer Zweifel steht, dass grundsätzlich die Pökelung von Faschiertem nach dem österreichischen Lebensmittelrecht nicht ausgeschlossen ist. Fraglich ist nun aber, ob die gewählte  Etikettierung geeignet ist, bei Konsumenten einen Irrtum über die Beschaffenheit des Produkts hervorzurufen.

 

Dem Bw ist vorerst – unabhängig von den Regelungen des Österreichischen Lebensmittelbuches - dahingehend zu folgen, dass bei grammatikalischer Interpretation des Adjektivs "frisch" nicht so sehr ein allfälliger Pökelungszustand eines Produkts angesprochen, sondern auf den Umstand hingewiesen werde, dass es sich um ein rohes, also um ein zubereitungsbedürftiges Produkt handelt. Ungeachtet des Lebensmittelcodex ist wohl auch der Schluss zulässig, dass  durchschnittliche österreichische Konsumenten unter dem Begriff Cevapcici durchaus stark gewürztes Faschiertes verstehen und daher der Täuschungsgrad bei gepökeltem – also gesalztem Fleisch nicht all zu hoch angesetzt werden könnte.

 

Ohne diese Frage abschließend zu klären, ist jedoch im in Rede stehenden Fall darauf hinzuweisen, dass die großgeschriebene Aufschrift nicht nur "Frische Cevapcici" sondern zusätzlich die Sachbeschreibung "brat- & grillfertig" beinhaltete, was eine alleinige Beurteilung nach dem Lebensmittelcodex als unzulässig scheinen lässt. Letztere Beschreibung ruft beim Konsumenten zweifellos den Eindruck hervor, dass das Produkt ohne weitere Behandlung seinerseits gebraten oder gegrillt werden kann. Unter einer derartigen Behandlung fällt wohl auch die nicht mehr erforderliche Würzung. Ein Konsument, der sich über diesen Umstand nicht sicher ist, wird – jeder Lebenserfahrung nach – die weitere (hier völlig klare) Etikettierung über die Zutaten konsultieren.

 

Wenn man aber – entgegen der Ansicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenates - annähme, die großgeschriebene Sachbeschreibung lasse mehrere Schlussfolgerungen zu, so würde dies noch keine Täuschung nach deren Wortsinn – also eine konkrete falsche Annahme über einen Sachverhalt – nach sich ziehen, sondern allenfalls eine Unsicherheit, die über die weiteren auf der Verpackung angegebenen Hinweise (gepökelt und Nitritpökelsalz) aufgeklärt werden hätte können.

 

In diesem Sinn orientiert sich auch die ständige Judikatur des EuGH, der in sämtlichen Urteilen vom "mündigen Konsumenten" als Bezugsperson ausgeht. Der erforderliche Nachweis der Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens des Bw, der hinsichtlich der objektiven Tatseite erbracht werden müsste, liegt nicht zuletzt unter Bedachtnahme auf den Rechtsgrundsatz "in dubio pro reo" nicht vor. Ein weitergreifendes Eingehen auf die jeweils im Akt befindlichen kontroversiellen Sachverständigengutachten erübrigt sich damit.

 

3.5. Im hier zu beurteilenden Fall mangelt es also schon bereits am Vorliegen der objektiven Tatseite, weshalb auf die Argumentation des Bw hinsichtlich der subjektiven Tatseite nicht weiter eingegangen werden muss.

 

Es war somit der Berufung stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.   

  

 

4. Bei diesem Ergebnis war dem Bw gemäß § 65 VStG kein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat aufzuerlegen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

Bernhard Pree

 

 

 

 

 

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