Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401055/7/WEI/Ba

Linz, 24.03.2010

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerde des x, geb. x, nigerianischer Staatsangehöriger, dzt. in Schubhaft im Polizeianhaltezentrum Wels, vertreten durch (ausdrücklich ohne Zustellvollmacht) x, p.A. x, x, wegen Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Ried im Innkreis zu Recht erkannt:

 

 

I.                  Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und es wird festgestellt, dass die maßgeblichen Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen.

 

II.              Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei Bezirkshauptmann von Ried im Innkreis) den notwendigen Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 und 83 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit Bundesgesetz BGBl I Nr. 135/2009) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 (BGBl II Nr. 456/2008).

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht auf Grund der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde vom nachstehenden Sachverhalt aus:

 

1.1. Mit Bescheid vom 4. Februar 2010, Zl. Sich 41-179-2008, hat der Bezirkshauptmann von Ried im Innkreis auf der Rechtsgrundlage des § 76 Abs 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 135/2009) gegen den oben angeführten Beschwerdeführer (im Folgenden Bf) die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung wie folgt angeordnet:

 

"Sie werden mit Beendigung der gerichtlichen Anhaltung (Strafhaft) in Schubhaft genommen, um ihre Abschiebung zu sichern."

 

Der Bescheid wurde dem Bf noch am 4. Februar 2010 in der Justizanstalt Ried im Innkreis eigenhändig zugestellt. Er wurde nach der Entlassung aus der Strafhaft am 5. Februar 2010 um 08:00 Uhr in Schubhaft genommen und ins Polizeianhaltezentrum (PAZ) Wels zum Vollzug der Schubhaft überstellt, wo er sich derzeit noch befindet.

 

1.2. Aus dem Schubhaftbescheid und der Aktenlage ergibt sich der folgende wesentliche S a c h v e r h a l t :

 

1.2.1.Der Bf, ein angeblich nigerianischer Staatsangehöriger, reiste am 3. August 2001 ohne Reispass aus einem unbekannten Land illegal in Österreich ein und stellte einen Asylantrag, der mit Bescheid des Bundesasylamts (BAA), Außenstelle Eisenstadt, vom 10. September 2001, Zl. x, gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen wurde, wobei nach § 8 AsylG 1997 gleichzeitig festgestellt wurde, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria zulässig ist. Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit dem Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 6. März 2009, Zl. x, abgewiesen. Mit Zustellung am 17. März 2009 wurde das Erkenntnis rechtswirksam und die Asylsache rechtskräftig erledigt, womit auch die vorläufige Aufenthaltsberechtigung erlosch und der Aufenthalt des Bf unrechtmäßig wurde.

 

1.2.2. Die folgenden rechtkräftigen Verurteilungen des Bf scheinen bisher in Österreich auf:

 

  1. Jugendgerichtshof x vom 01.03.2002 (rk. 04.03.2002), Zl. x, wegen § 27 Abs 1 und 2 Z 2 SMG sowie §§ 15, 269 Abs 1 StGB: 5 Monate Freiheitsstrafe bedingt.
  2.  Jugendgerichtshof x vom 04.06.2002 (rk. 08.06.2002), Zl. x, wegen § 27 Abs 1 und 2 Z 2 SMG: 7 Monate Freiheitsstrafe, davon 5 Monate bedingt nachgesehen.
  3.  Landesgericht für Strafsachen x vom 13.01.2004 (rk. 13.01.2004), Zl. x, wegen § 27 Abs 1 und 2 Z 2 1. Fall iVm § 12 3. Fall StGB und § 27 Abs 1 SMG: 10 Monate Freiheitsstrafe und Widerruf der bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafen zu 1. und 2.
  4. Landesgericht für Strafsachen x vom 07.11.2005 (rk. 07.11.2005), Zl. x, wegen § 27 Abs 1 und 2 Z 2 1. Fall SMG: 12 Monate Freiheitsstrafe.
  5.  Landesgericht für Strafsachen x vom 23.02.2007 (rk. 23.02.2007), Zl. x, wegen § 27 Abs 1 und 2 Z 2 1. Fall SMG: 15 Monate Freiheitsstrafe.
  6. Landesgericht für Strafsachen x vom 27.08.2008 (rk. 25.11.2008), Zl. x, wegen § 27 Abs 3 SMG, § 15 StGB sowie § 27 Abs 1 Z 1 8. Fall SMG: 18 Monate Freiheitsstrafe.

 

Der Bf wurde zuletzt am 6. August 2008 von Kriminalbeamten festgenommen und kam dann in Untersuchungshaft. Nach dem Schuldspruch der letzten Verurteilung hatte der Bf gewerbsmäßig einem verdeckten Ermittler 3,1 Gramm Kokain verkauft. Die einschlägigen Vorstrafen und der rasche Rückfall waren erschwerend. Über Berufung der Staatsanwaltschaft erhöhte das Oberlandesgericht Wien mit Urteil vom 25. November 2008, Zl. 20 Bs 427/08b, die unbedingte Freiheitsstrafe von 12 auf 18 Monate. Der Bf wurde während der Strafhaft am 22. Dezember 2008 von der JA Wien-Josefstadt in die JA Ried im Innkreis überstellt, das Strafende war 5. Februar 2010 um 08.00 Uhr.

 

Mit rechtskräftigem Bescheid vom 13. Mai 2003 hat die Bundespolizeidirektion (BPD) Wien ein unbefristetes Aufenthaltsverbot gegen den Bf erlassen, welches seit dem Inkrafttreten des Fremdenrechtspakets 2005 mit 1. Jänner 2006 als Rückkehrverbot weiter galt. Mit weiterem Bescheid vom 14. Jänner 2010, Zl. III-x, erließ die BPD Wien eine seit 2. Februar 2010 rechtskräftige Ausweisung gemäß § 53 Abs 1 FPG gegen den Bf.

 

1.2.3. Zu seinen persönlichen Verhältnissen gab der Bf bei seiner fremdenpolizeilichen Einvernahme am 4. Februar 2010 an, dass er seit 30. April 2008 mit Hauptwohnsitz in x gemeldet sei, wobei es sich um eine Einrichtung der Grundversorgung handle. Nur während seiner Gefängnisaufenthalte habe er legal gearbeitet und Arbeitslosengeld vom 6. bis 31. Mai 2008 bezogen. Darüber hinaus habe er nach eigenen Angaben auch schwarz gearbeitet.

 

Der Bf gab an, im Bundesgebiet keine Familienangehörigen zu haben. Über einen Reisepass oder sonstige Identitätsnachweise verfüge er nicht. Die belangte Behörde eröffnete ihm weiter, dass die Schubhaft zur Sicherung seiner Abschiebung in Aussicht genommen und man sich bemühen werde, ein Heimreisezertifikat für ihn zu erlangen. Er habe daher demnächst mit einer Anhörung durch die nigerianische Botschaft zu rechnen.

 

1.2.4. Mit Schreiben vom 3. Februar 2010, eigenhändig zugestellt am gleichen Tag, gab die belangte Behörde dem Bf gemäß § 67 Abs 3 FPG bekannt, dass er nunmehr nach rechtskräftiger Ausweisung zur unverzüglichen Ausreise verpflichtet sei. Er habe die Möglichkeit auf freiwilliger Basis in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren. Der Verein Menschenrechte Österreich in Linz x (Tel. x), würde ihn dabei unterstützen. Er wurde auf die Möglichkeit von Zwangsmaßnahmen hingewiesen, wenn er sich weiterhin in Österreich unerlaubt aufhalte. Er wurde auch ersucht, das Schreiben einer Grenzkontrollstelle anlässlich der Ausreise oder auch der österreichischen Botschaft im Heimatland (zwecks Verständigung der Behörde) zu übergeben.

 

Bei seiner fremdenpolizeilichen Einvernahme gab der Bf dazu an, sich mit dem Verein telefonisch in Verbindung gesetzt zu haben. Er halte aber fest, dass er nach seinem Strafende nicht der Fremdenpolizei übergeben und weder in Schubhaft kommen, noch abgeschoben werden wolle. Sein Leben sei in Nigeria in Gefahr, weil er dort Probleme mit Moslems habe. Er wolle nach Strafende entlassen werden und Österreich selbstständig verlassen.

 

1.3. Die belangte Behörde hat die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Bf im Wege des Bundesministeriums für Inneres (BMI) betrieben. Das BMI Abt. II/3 hat mit Schreiben vom 11. Februar 2010 an die Konsularabteilung der Botschaft von Nigeria das Heimreisezertifikat urgiert. Daraufhin wurde für 12. März 2010 ab 12:00 Uhr ein Termin zur Identitätsprüfung durch eine nigerianische Botschaftsdelegation im PAZ Wien anberaumt. Der Bf und zwei weitere Personen wurden über Ersuchen der belangte Behörde von Beamten der Polizeiinspektion (PI) Ried im Innkreis (vgl Bericht vom 15.03.2010) zur Identitätsprüfung vorgeführt.

 

1.4. Mit Telefaxeingabe vom 18. März 2010 erhob der Bf durch seine Rechtsvertreterin Beschwerde wegen der Anhaltung in Schubhaft und beantragte die Verhängung und die Anhaltung seit dem 5. Februar 2010 für rechtswidrig zu erklären.

 

2.1. In der rechtlichen Begründung des Schubhaftbescheides führt die belangte Behörde aus, dass der konkrete Sicherungsbedarf beim Bf insofern vorliege, als er in Österreich keine maßgeblichen familiären, beruflichen oder sozialen Anknüpfungspunkte aufweise und keinerlei Bereitschaft zur Rückkehr in den Herkunftsstaat zeige. Außerdem sei sein Aufenthalt schon seit längerem als nicht rechtmäßig einzustufen. Durch das abweisende Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 6. März 2009 und das rechtskräftige Vorliegen von Aufenthaltsverbot sowie Ausweisung müsse der Bf nun zeitnah mit Abschiebung rechnen. Die Delikte nach dem Suchtmittelgesetz seien erfahrungsgemäß mit großer Rückfallsgefahr verbunden. Mit dem Grundinteresse der Gesellschaft an der Bekämpfung solcher Delikte sei auch ein erhöhtes Interesse an einer Außerlandesschaffung zu betonen.

 

Der Zweck der Schubhaft könne durch Anwendung eines gelinderen Mittels nicht erreicht werden, weil ein Untertauchen des Bf in die Anonymität zu befürchten sei, um sich der Abschiebung zu entziehen. Der Sicherungsbedarf im vorliegenden Fall habe sich erheblich verdichtet. Eine mögliche Rückkehr des Bf an die frühere Adresse biete keine hinreichende Gewähr, dass er dort greifbar wäre. Die Unterkunftnahme an der Grundversorgungsadresse der Diakonie in x komme auch wegen des rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens nicht ohne weiteres in Betracht. Es müsse angenommen werden, dass der Bf versuchen werde, sich abzusetzen oder illegal in einen anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union weiter zu reisen. Im konkreten Fall könne auch das Suchtgiftmilieu ein Untertauchen erleichtern. Schließlich dürfe nicht unerwähnt bleiben, dass die Identität des Bf nach wie vor nicht feststehe und er in Österreich keine sozialen Anknüpfungspunkte aufweise. Die ins Treffen geführte selbstständige Ausreise in ein anderes Land scheitere an den fehlenden Reisepapieren.

 

Im Übrigen würden auch die zahlreichen Straftaten des Bf die Anwendung eines gelinderen Mittels keinesfalls geboten erscheinen lassen. Von einem rechtskonformen Verhalten könne keine Rede sein. Die öffentlichen Interessen an einer effizienten Außerlandesschaffung würden bei der Delinquenz des Bf eine maßgebliche Verstärkung erfahren. Die Wahrscheinlichkeit des Untertauchens rechtfertige eine Ermessensübung dahin, die Schubhaft anstelle gelinderer Mittel zu verhängen. Die Schubhaft sei auch im Hinblick auf das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen und der Bekämpfung der Suchtgiftkriminalität verhältnismäßig.

 

2.2. Die Schubhaftbeschwerde bringt begründend im Wesentlichen vor, dass keinerlei Verdachtsmomente für ein Untertauchen des Bf vorlägen. Dieser sei im Grundversorgungssystem von x und habe entgegen der Meinung der belangten Behörde auch bei rechtskräftig negativ entschiedenem Verfahren Anspruch auf Grundversorgung. Er erhalte Versicherung, Essensgeld (5 Euro pro Tag) und ein monatliches Taschengeld von 40 Euro.

 

Die Notwendigkeit der Schubhaft müsse auf den Einzelfall bezogene, bestimmte Tatsachen gegründet sein. Der lediglich aus aneinandergereihten Textbausteinen bestehende Bescheid lasse ein Eingehen auf den Einzelfall nicht erkennen. Die Schubhaft sei weder notwendig, noch verhältnismäßig.

 

Zur Sicherung eines allfälligen Verfahrens hätte auch ein gelinderes Mittel angewendet werden können. In Betracht komme die Anordnung der Unterkunftnahme in von der Behörde bestimmten Räumen oder die Anordnung, eine Meldeadresse oder einen Zustellbevollmächtigten bekannt zu geben. Die belangte Behörde sei eine adäquate Erklärung schuldig geblieben, weshalb sie nicht mit einem gelinderen Mittel das Auslangen gefunden hat. Im konkreten Fall spreche für ein gelinderes Mittel, dass der Bf jederzeit wieder im Grundversorgungsquartier leben könne.

 

2.3. Die belangte Behörde hat die fremdenpolizeilichen Verwaltungsakten dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich am 22. März 2010 zur Entscheidung vorgelegt, ist im Vorlageschreiben der Beschwerde entgegen getreten und beantragte die kostenpflichtige Abweisung. Neben den schon im Schubhaftbescheid angeführten Argumenten weist die belangte Behörde noch auf weitere Umstände hin, die ein Untertauchen erwarten lassen würden. So habe der Bf am 9. Juni 2009 die Abnahme der Fingerabdrücke verweigert, offenbar um seine Identitätsfeststellung im Zusammenhang mit der Erlangung eines Heimreisezertifikat zu erschweren. In den Jahren 2003, 2006 und 2007 habe er wiederholt nur über eine sog. "Obdachlosenmeldung" verfügt. Im Jahr 2007 habe er auch eine Anhaltung in Strafhaft nicht bekannt gegeben, was zur vorübergehenden Einstellung des Asylverfahrens vom 25. Oktober 2007 bis 8. April 2008 führte (Hinweis auf AIS-Auszug). Im vorliegenden Fall sei von einer hohen Wahrscheinlichkeit des Untertauchens auszugehen, wobei dies speziell auch das Suchtgiftmilieu erleichtern könne. Nach der Identitätsprüfung durch die nigerianische Botschaftsdelegation am 12. März 2010 könne in absehbarer Zeit mit der Ausstellung eines Heimreisezertifikates gerechnet werden.

 

Die belangte Behörde reichte am 22. März 2010 noch per E-Mail einen Aktenvermerk des Referats II/3/c des BMI zum Vorführtermin am 12. März 2010  nach, aus dem hervorgeht, dass der Bf zunächst das Gespräch mit den Vertretern der nigerianischen Botschaft verweigerte und behauptete, dass er nicht die Person am angeschlossenen Foto des Antrags auf Ausstellung eines Heimreisezertifikats sei. Erst nachdem ihm klargemacht wurde, dass er in Österreich keine Zukunft habe, sprach er mit dem Vertreter der Botschaft.

 

3. Der erkennende Verwaltungssenat hat auf Grundlage der vorgelegten Verwaltungsakten und unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens festgestellt, dass bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der entscheidungswesentliche Sachverhalt hinreichend geklärt erscheint, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 9 Abs 2 FPG ist gegen die Anordnung der Schubhaft weder eine Vorstellung noch eine Berufung zulässig.

 

Gemäß § 82 Abs 1 FPG hat der Fremde das Recht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung den unabhängigen Verwaltungssenat anzurufen,

 

  1. wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;
  2. wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder
  3. wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs 1 FPG idF BGBl I Nr. 122/2009 ist zur Entscheidung über eine Beschwerde gemäß § 82 Abs 1 Z 2 oder 3 der unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel die Behörde ihren Sitz hat, welche die Anhaltung oder die Schubhaft angeordnet hat. In den Fällen des § 82 Abs 1 Z 1 richtet sich die Zuständigkeit nach dem Ort der Festnahme.

 

Nach § 83 Abs 2 FPG gelten die §§ 67c bis 67g sowie 79a AVG mit der Maßgabe, dass

  1. eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, und
  2. die Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates über die Fortsetzung der Schubhaft binnen einer Woche zu ergehen hat, es sei denn, die Anhaltung des fremden hätte vorher geendet.

 

Gemäß § 83 Abs 4 FPG hat der unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

Im vorliegenden Fall hat die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis den Schubhaftbescheid erlassen und die Anhaltung in Schubhaft angeordnet. Der Oö. Verwaltungssenat ist daher örtlich zuständig. Der Bf wurde nach Entlassung aus der Strafhaft am 5. Februar 2010 um 08.00 Uhr in Schubhaft genommen und wird im PAZ Wels für die belangte Behörde angehalten. Die Beschwerde ist grundsätzlich zulässig.

 

4.2. Gemäß § 76 Abs 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft nur verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Nach § 76 Abs 3 FPG ist die Schubhaft mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

Gemäß § 80 Abs 1 FPG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Sie darf gemäß § 80 Abs 2 FPG nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Mit Ausnahme der Fälle des § 80 Abs 3 und 4 FPG darf die Schubhaft nicht länger als 2 Monate dauern.

 

4.3. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs verlangt die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit einer Schubhaft nach § 76 Abs 1 FPG eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Außerlandesschaffung und dem privaten Interesse an der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen. Dabei ist der Frage nach dem Sicherungsbedürfnis nachzugehen, was die gerechtfertigte Annahme voraussetzt, der Fremde werde sich dem Verfahren oder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen oder diese Maßnahmen zumindest wesentlich erschweren.

 

In der neueren Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs vermag die fehlende Ausreisewilligkeit eines Fremden für sich allein die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung nicht zu rechtfertigen. Deshalb kann auch die Nichtbefolgung eines Ausreisebefehls die Schubhaft noch nicht rechtfertigen. Es ist nämlich in einem zweiten Schritt die Frage des Bestehens eines Sicherungsbedarfes zu prüfen, der insbesondere im Fall mangelnder sozialer Verankerung im Inland in Betracht kommt. Dabei hat der Verwaltungsgerichtshof auch schon mehrfach betont, dass in Bezug auf die Annahme eines Sicherungsbedarfes aus Überlegungen zu einem strafgerichtlichen Verurteilungen zugrundeliegenden Fehlverhalten alleine nichts zu gewinnen sei (ständige Rspr; vgl ua. VwGH 8.9.2005, Zl. 2005/21/0301; VwGH 22.6.2006, Zl. 2006/21/0081; VwGH 27.3.2007, Zl. 2005/21/0381; VwGH 28.6.2007, Zl. 2005/21/0288 und Zl. 2004/21/0003; VwGH 30.8.2007, Zl. 2006/21/0107; VwGH 28.5.2008, Zl. 2007/21/0246).

 

Überdies ist nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs beim Sicherungserfordernis die konkrete Situation des Beschwerdeführers (Einzelfallprüfung) zu prüfen. Deswegen verbietet sich auch ein Abstellen auf allgemeine Erfahrungen im Umgang mit Asylwerbern oder aus anderen Fällen (vgl VwGH 28.6.2007, Zl. 2006/21/0051; VwGH 28.6.2007, Zl. 2006/21/0091).

 

4.4. In dem aus Anlass einer Amtsbeschwerde ergangenen Erkenntnis vom 17. März 2009, Zl. 2007/21/0542, hat der Verwaltungsgerichtshof zunächst wiederholt, dass die bloße Nichtbefolgung eines Ausreisebefehls die Schubhaft nicht zu rechtfertigen vermag, sondern der Sicherungsbedarf müsse in weiteren Umständen begründet sein, wofür etwa eine mangelnde soziale Verankerung in Österreich in Betracht komme (Hinweis auf VwGH vom 28.05.2008, Zl. 2007/21/0246). Für die Bejahung des Sicherungsbedarfs im Anwendungsbereich des § 76 Abs 1 FPG komme daher insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, welche das befürchtete Risiko des Untertauchens rechtfertigen können (Hinweis auf VwGH vom 28.05.2008, Zl. 2007/21/0162). Abgesehen von der Integration des Fremden sei bei Prüfung des Sicherungsbedarfs auch das bisherige Verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen (Hinweis auf VwGH 27.02.2007, Zl. 2006/21/0311; VwGH je vom 28.06.2007, Zl. 2006/21/0091 und Zl. 2006/21/0051). Auch wenn Gründe der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nach dem Gesetz keinen tauglichen Schubhaftzweck darstellen (vgl etwa VwGH 31.08.2006, Zl. 2006/21/0087; VwGH 27.02.2007, Zl. 2006/21/311) kann nach dem oben zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 17. März 2009 der Verurteilung eines Fremden im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung Bedeutung zukommen. Eine erhebliche Delinquenz des Fremden kann das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Effektivität seiner baldigen Abschiebung – in Abhängigkeit von der Schwere der Straftaten - maßgeblich vergrößern.

 

4.5. Im gegenständlichen Fall durfte die belangte Fremdenpolizeibehörde gegen den Bf die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung auf der Grundlage des § 76 Abs 1 FPG anordnen. Seit Zustellung (17. März 2009) des abweisenden Erkenntnisses des Asylgerichtshofs vom 6. März 2009 war der Aufenthalt des Bf in Österreich unrechtmäßig, weil die vorläufige asylrechtliche Aufenthaltsberechtigung wegfiel.

 

Das Aufenthaltsverbot der BPD Wien vom 13. Mai 2003 (rechtskräftig seit 4. Juni 2003) galt zufolge der fragwürdigen Übergangsbestimmung des § 125 Abs 3 FPG idF BGBl I Nr 100/2005 seit 1. Jänner 2006 als Rückkehrverbot weiter. Mit Art 2 des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2009 (BGBl I Nr. 122/2009) wurde § 62 Abs 4 FPG geändert und das Problem insofern saniert, als nunmehr seit 1. Jänner 2010 das Rückkehrverbot wieder als Aufenthaltsverbot gilt, wenn eine Ausweisung durchsetzbar wird (vgl § 126 Abs 7 FPG). Mit dem seit 2. Februar 2010 rechtskräftigen Ausweisungsbescheid der BPD Wien vom 14. Jänner 2010. Zl. III-1084833/FrB/10, liegt somit auch wieder ein vollstreckbares unbefristetes Aufenthaltsverbot gegen den Bf vor.

 

Die belangte Behörde hat den Bf mit Schreiben vom 3. Februar 2010 auf seine Ausreiseverpflichtung hingewiesen, der er mit Hilfe des Vereins "Menschenrechte Österreich" freiwillig nachkommen hätte können. Er nahm diese Gelegenheit nicht wahr, sondern erklärte dezidiert, dass er nicht nach Nigeria zurückkehren wolle. Obwohl er über keinerlei Reisedokumente verfügt, meinte er, Österreich anderweitig und selbständig – offenbar auf illegale Weise - verlassen zu wollen. Bei der Identitätsprüfung durch Vertreter der nigerianischen Botschaft am 12. März 2010 zeigte er nach dem nachgereichten Aktenvermerk einer Mitarbeiterin des BMI unkooperatives Verhalten. Schon im Vorjahr verweigerte er am 9. Juni 2009 die Abnahme von Fingerabdrücken für einen Antrag auf Ausstellung eines Heimreisezertifikat (vgl Aktblatt 127).

 

Der erkennende Verwaltungssenat teilt die Ansicht der belangten Behörde, dass bei einer Gesamtbetrachtung der Umstände des Falles der Sicherungsbedarf bejaht werden muss. Abgesehen von der fehlenden Bereitschaft zur Rückkehr nach Nigeria kann der mittellose Bf auch keinerlei relevante Anknüpfungspunkte in sozialer Hinsicht vorweisen. Obwohl er sich bereits seit 3. August 2001 in Österreich aufhält, kann von einer Integration schon deshalb kaum die Rede sein, zumal er sich wegen seiner wiederholten Suchtmitteldelinquenz jahrelang in Gerichtshaft befand. Nach dem aktenkundigen Vorstrafenverzeichnis wurde er insgesamt zu 67 Monaten (über 5 1/2 Jahre) Freiheitsstrafe verurteilt. Die übrige Zeit war er in Grundversorgungseinrichtungen oder als obdachlos gemeldet.

 

Der sozial nicht integrierte, mittelose Bf, der sich häufig im Suchtgiftmilieu aufgehalten hat und durch regelmäßige Suchtgiftkriminalität auffällig geworden ist, wird voraussichtlich alles unternehmen, um die Abschiebung in sein Herkunftsland Nigeria zu vereiteln. Durch den negativen Abschluss des Asylverfahrens und die vollstreckbaren Bescheide zur Aufenthaltsbeendigung des Bf besteht nunmehr die zeitnahe Möglichkeit der Umsetzung durch Abschiebung. Im Bewusstsein dessen ist bei dem schon bisher öfter unkooperativ handelnden Bf nicht damit zu rechnen, dass er sich freiwillig zur Verfügung halten wird. Wie die belangte Behörde zutreffend ausführte, hat sich der Sicherungsbedarf erheblich verdichtet.

 

4.6. Die belangte Behörde hat auch von der Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 FPG mit Recht Abstand genommen, zumal selbst eine mögliche Rückkehr an seine frühere Grundversorgungsadresse der Diakonie in Wien, Neu Albern 2, keinerlei Gewähr dafür bietet, dass sich der Bf dort den künftigen aufenthaltsbeendenden Maßnahmen der Fremdenpolizeibehörden stellen würde. Er könnte sich dort frei bewegen und weiterhin seine Kontakte zum Wiener Suchtgiftmilieu pflegen, was ihm auch ein Untertauchen in die Anonymität erleichtern würde. Der Bf, dessen Identität noch immer nicht gesichert erscheint, könnte jederzeit abtauchen, zumal er keinerlei familiäre, berufliche oder gesellschaftliche Bindungen in Österreich hat.

 

Die von der Beschwerde aufgestellten pauschalen Behauptungen verfehlen die besonderen Umstände des Einzelfalles. Entgegen der Beschwerde hat die belangte Behörde keineswegs einfach Textbausteine ohne konkreten Bezug für den Einzelfall aneinandergereiht. Sie hat vielmehr nachvollziehbar und fallbezogen die Notwendigkeit der Schubhaft begründet und dargelegt, dass nach wie vor Grund für die Anhaltung des Bf in Schubhaft besteht, zumal die Ausstellung eines Heimreisezertifikates intensiv betrieben wird.

 

Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist auch die erhebliche Delinquenz des Bf nach dem Suchtmittelgesetz mit ihrer großen Rückfallsgefahr bedeutsam. Sie hat das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Effektivität der baldigen Abschiebung des Bf maßgeblich vergrößert und spricht einmal mehr gegen die Anwendung gelinderer Mittel. Der mit der gegenständlichen Schubhaft verbundene Eingriff in die persönliche Freiheit des Bf ist im Interesse der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens notwendig und auch unter den gegebenen Umständen verhältnismäßig. Der Oö. Verwaltungssenat kann keine aktenkundigen Anhaltspunkte erkennen, wonach es auf Grund von fremdenpolizeilicher Versäumnisse zu unangebrachten Verzögerungen gekommen wäre.

 

Aus den dargelegten Gründen ist davon auszugehen, dass sowohl die Verhängung als auch die Aufrechterhaltung der Schubhaft des Bf rechtmäßig ist. Gemäß dem § 83 Abs 4 FPG hat der Oö. Verwaltungssenat daher auch festzustellen, dass die maßgeblichen Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft im Entscheidungszeitpunkt vorliegen.

 

5. Gemäß § 79a Abs 1 AVG 1991 iVm § 83 Abs 2 FPG hat die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wird die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen oder zurückgezogen, dann ist die belangte Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei (§ 79a Abs 3 AVG). Nach § 79a Abs 6 AVG 1991 ist Aufwandersatz nur auf Antrag der Partei zu leisten.

 

Nach § 79a Abs 4 AVG gelten als Aufwendungen gemäß Abs 1 neben Stempel- und Kommissionsgebühren sowie Barauslagen vor allem die durch Verordnung des Bundeskanzlers festgesetzten Pauschbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand. Nach der geltenden UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 (BGBl II Nr. 456/2008) betragen die Pauschbeträge für die belangte Behörde als obsiegende Partei für den Vorlageaufwand 57,40 Euro und für den Schriftsatzaufwand 368,80 Euro.

Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren war der Verfahrensaufwand der obsiegenden belangten Behörde mit insgesamt 426,20 Euro festzusetzen und dem Bf der Kostenersatz zugunsten des Bundes aufzutragen.

 

Analog dem § 59 Abs 4 VwGG 1985 war eine Leistungsfrist von 2 Wochen festzusetzen, zumal das Schweigen des § 79a AVG 1991 nur als planwidrige Lücke aufgefasst werden kann, sollte doch die Neuregelung idF BGBl Nr. 471/1995 im Wesentlichen eine Angleichung der Kostentragungsbestimmungen an das VwGG bringen (vgl Erl zur RV, 130 BlgNR 19. GP, 14 f).

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Bundesstempelgebühren für die Beschwerde von 13,20 Euro und für 1 Beilage (Vollmacht) von 3,60 Euro, insgesamt 16,80 Euro angefallen.

 

 

Dr. W e i ß

 

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