Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420629/3/WEI/Ba

Linz, 09.04.2010

B E S C H L U S S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß aus Anlass der Eingabe ("Maßnahmenbeschwerde") des x, x, x, vom 24. März 2010 wegen behaupteter Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt aufgrund eines "Ladungsbescheides" des Bürgermeisters der Statutarstadt Wels den Beschluss gefasst:

 

 

Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

 

Rechtsgrundlagen:

Art 129a Abs 1 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) iVm § 67 Abs 1 Z 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG; §§ 67c und 79a AVG

 

 

B e g r ü n d u n g:

 

1. Mit der beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich am 24. März 2010 per E-Mail eingebrachten Eingabe hat der Beschwerdeführer (im Folgenden nur Bf) Maßnahmenbeschwerde erhoben und wie folgt vorgebracht:

 

"Maßnahmenbeschwerde gem. §67a AVG

 

Ich erhebe Maßnahmenbeschwerde wegen Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt aufgrund des 'Ladungsbescheides' der Verwaltungspolizei Wels vom 22.2.2010, BZ-Pol-66017-2010.

 

 

Begründung:

 

Aufgrund des oben bezeichneten Bescheides wird offenbar bereits versucht, mich zwangsweise zu einer medizinischen Untersuchung nach dem SMG vorzuführen.

 

Davon gehe ich aus, weil in den vergangenen Tagen mehrmals von der Polizei an meiner Wohnungstüre geklingelt wurde und kurz darauf die Polizei versucht hat, mich auf meinem Handy zu kontaktieren.

 

Den Erfolg dieser Maßnahme konnte ich bisher nur dadurch abwenden, dass ich die Wohnungstüre nicht geöffnet habe bzw. den Anruf der Polizei nicht entgegengenommen habe.

 

In dem oben bezeichneten "Ladungsbescheid" wurde mir – ohne Rechtsgrundlage – für den Fall, dass ich der Ladung aus wichtigen Gründen (statt richtig: ohne wichtige Gründe; sh § 19 Abs. 3 AVG) nicht Folge leisten sollte, meine zwangsweise Vorführung angedroht.

 

Da mir für den Fall der unentschuldigten Nichtbefolgung keine Rechtsfolgen angedroht wurden, kommt der gegenständlichen behördlichen Erledigung kein Bescheidcharakter zu (VwGH 6.9.1994, 94/11/0228 ua.).

 

Die zwangsweise Vorführung aufgrund des gegenständlichen Bescheides ist daher rechtswidrig.

 

Antrag:

 

Ich beantrage, die gegenständliche Amtshandlung für rechtswidrig zu erklären und den 'Ladungsbescheid' ersatzlos zu beheben.

 

x"

 

2. In einem aus Anlass der vorliegenden Eingabe geführten Telefonat mit einer Mitarbeiterin des Magistrats der Stadt Wels, Verwaltungspolizei (vgl Aktenvermerk vom 9.04.2010), hat der Oö. Verwaltungssenat in Erfahrung gebracht, dass sich der Bf der ärztlichen Untersuchung offenbar nicht stellen will, weshalb man die Angelegenheit an die Staatsanwaltschaft x zurückschicken werde.

 

Dem per E-Mail übermittelten "Ladungsbescheid" ist zu entnehmen, dass der Bf am 16. März 2010 um 10:00 Uhr die Ordination des Dr. x zwecks Begutachtung durch einen ärztlichen Sachverständigen hätte aufsuchen sollen, damit eine Stellungnahme der Bezirksverwaltungsbehörde nach dem Suchtmittelgesetz (SMG) an die Staatsanwaltschaft erstattet hätte werden können. Als Rechtsgrundlage wird § 35 Abs 2 und 5 SMG iVm § 19 AVG angeführt.

 

In dem verwendeten Formblatt hat die belangte Behörde tatsächlich sinnwidrig angeführt, dass der Bf damit rechnen müsse, dass seine zwangsweise Vorführung veranlasst werde, wenn er dieser Ladung aus wichtigen Gründen – zB. Krankheit, Gebrechlichkeit, zwingende berufliche Behinderung, nicht verschiebbare Urlaubsreise – nicht Folge leistet.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die Beschwerde und der ergänzenden telefonischen Erhebung festgestellt, dass die Beschwerde schon nach der Aktenlage zurückzuweisen ist.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG iVm § 67a Abs 1 Z 2 AVG erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten durch Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein (sog. Maßnahmenbeschwerde), ausgenommen Finanzstrafsachen des Bundes.

 

Die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt setzt nach der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts die unmittelbare Anwendung physischen Zwanges oder die Erteilung eines Befehles mit unverzüglichem Befolgungsanspruch voraus (vgl VwGH 14.12.1993, 93/05/0191; VfSlg 11935/1988; VfSlg 10319/1985; VfSlg 9931/1984 und 9813/1983; zahlreiche weitere Judikatur bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 [1998] E 55 ff zu § 67a AVG). Die bloße Untätigkeit einer Behörde erfüllt diesen Begriff nicht (vgl VfSlg 9813/1983; VfSlg 9931/1984; VfSlg 10319/1985, VfSlg 11935/1988). Für die Ausübung von Zwangsgewalt ist im Allgemeinen ein positives Tun begriffsnotwendig (vgl VwGH 25.4.1991, 91/06/0052; VwSlg 9461 A/1977; VfSlg 6993/1973; VfSlg 4696/1964). Dieses kann auch in einem schlüssigen Tun iSd § 863 ABGB bestehen (vgl Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit [1983], 74).

 

Voraussetzung für die Zulässigkeit einer sog. Maßnahmenbeschwerde ist daher, dass gegen den Beschwerdeführer physischer Zwang ausgeübt wurde oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehles drohte (vgl mwN Walter/Mayer/Kuscko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10 [2007] Rz 610). Maßnahmen im Rahmen der schlichten Hoheitsverwaltung können daher grundsätzlich nicht mit einer Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt bekämpft werden.

 

Im Übrigen dient der subsidiäre Rechtsbehelf der Maßnahmenbeschwerde nur dem Zweck, Lücken im Rechtsschutzsystem zu schließen. Zweigleisigkeiten für die Verfolgung ein- und desselben Rechts sollten mit der Maßnahmenbeschwerde nicht geschaffen werden. Was im Verwaltungsverfahren ausgetragen werden kann, ist daher kein zulässiger Gegenstand einer Maßnahmenbeschwerde (vgl z.B. VwGH 18.3.1997, 96/04/0231; VwGH 17.4.1998, 98/04/0005). Das gilt auch dann, wenn das für die Rechtsdurchsetzung zur Verfügung stehende Verwaltungsverfahren allenfalls länger dauert (vgl VwGH 15.6.1999, 99/05/0072, 0073, 0074 mwN). Demnach sind auch Zwangsmaßnahmen kein tauglicher Beschwerdegegenstand, wenn sie im Verwaltungsverfahren bekämpft werden können (vgl VwGH 25.4.1991, 91/06/0052; VwSlg 9.461 A/1977 und VwSlg 9.439 A/1977).

 

4.2. Nach dem Inhalt der gegenständlichen "Maßnahmenbeschwerde" bekämpft der Bf nur die potentielle Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt auf Grund der an ihn ergangenen Ladung vom 22. Februar 2010. Er bringt dazu selbst vor, dass er deshalb von einer möglicherweise beabsichtigten Vorführung zur medizinischen Untersuchung ausgehe, weil die Polizei in den vergangenen Tagen mehrmals versucht hätte, ihn zu erreichen. Damit steht aber fest, dass eine faktische Amtshandlung, bei der physischer Zwang gegen den Bf tatsächlich ausgeübt wurde oder dem Bf unmittelbar bei Nichtbefolgung eines Befehles drohte, noch nicht stattgefunden hatte. Der Bf konnte sich nach eigenen Angaben einer solchen faktischen Amtshandlung mit Zwangscharakter erfolgreich entziehen, indem er die Wohnungstüre nicht öffnete bzw kein Telefonat entgegen nahm.

 

Eine Maßnahmenbeschwerde kann erst gegen eine bereits gesetzte, in der Rechtssphäre des Betroffenen wirksam gewordene Maßnahme erhoben werden. Gegen zu einem späteren Zeitpunkt allenfalls drohende Maßnahmen kann eine Beschwerde nicht erhoben werden (vgl VwGH 27.01.1995; Zl. 94/02/0442). Durch einen Ladungsbescheid mit Androhung von Zwang für den Fall der unentschuldigten Nichtbefolgung iSd § 19 Abs 3 AVG wird noch keine Befehls- und Zwangsgewalt ausgeübt bzw in die persönliche Freiheit noch nicht eingegriffen (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004] E 7 zu § 19 AVG). Die Androhung kann nämlich noch durch eine unwidersprochene Mitteilung über die Verhinderung am Erscheinen oder eine einvernehmliche Verlegung oder neuerliche Ladung gegenstandslos werden (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch6 E 8 ff zu § 19 AVG). Erst die tatsächliche Vorführung einer Person ist eine Maßnahme, die unabhängig vom Ladungsbescheid als Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt bekämpft werden kann (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch6, E 31 zu § 19 AVG).

 

4.3. § 35 SMG regelt den vorläufigen Rücktritt von der Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft bei bestimmten Straftaten nach dem SMG. Ein solcher Rücktritt setzt u.A. nach § 35 Abs 3 Z 2 SMG eine Stellungnahme der Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde voraus, wobei nach § 35 Abs 5 SMG die Bezirksverwaltungsbehörde vor Abgabe der Stellungnahme die Begutachtung des Beschuldigten durch einen mit Fragen des Suchtmittelmissbrauchs hinreichend vertrauten Arzt zu veranlassen hat. Zwangsmittel zur Erzwingung der Untersuchung bzw Begutachtung des Beschuldigten durch den Arzt sind nicht vorgesehen. Als Konsequenz der Nichtkooperation durch den Beschuldigten kommt nur in Betracht, dass ein vorläufiger Rücktritt von der Verfolgung durch den Staatsanwalt nicht möglich ist. Es erscheint daher bedenklich, dass die belangte Behörde einen Ladungsbescheid mit angedrohter Zwangsfolge erlassen wollte.

 

Für zutreffend hält der Oö. Verwaltungssenat die Kritik des Bf, dass im Ladungsbescheid offenbar irrtümlich entgegen der eindeutigen Regelung des § 19 Abs 3 AVG die Zwangsfolge der Vorführung für den Fall der Nichtfolgeleistung aus wichtigen Gründen anstatt für den Fall des Fernbleibens ohne Rechtfertigung durch wichtige Gründe androht wird. Dieser Mangel erscheint so evident und schwerwiegend, dass der Ladungsbescheid als nichtig und damit ohne Bescheidqualität angesehen werden kann. Ein Bescheid ist nur dann gegeben, wenn für den Fall der unentschuldigten Nichtbefolgung Rechtsfolgen angedroht werden (vgl etwa Hauer/Leukauf, Handbuch6, Anm 4 und E 2 zu § 19 AVG).

 

Der Bf hat dem gegenständlichen Ladungsbescheid Bescheidcharakter abgesprochen, will aber dennoch seine Behebung. Dies erscheint unschlüssig, zumal ein "Nichtbescheid" keine rechtliche Wirkung entfaltet und deshalb auch nicht behoben werden kann.

 

5. Im Ergebnis war die vorliegende Beschwerde aus den dargelegten Gründen als unzulässig zurückzuweisen Eine Kostenentscheidung zugunsten des Rechtsträgers der belangten Behörde, die gemäß § 79a Abs 3 AVG im Fall der Zurückweisung einer Beschwerde als obsiegende Partei anzusehen ist, war nicht zu treffen, weil die belangte Behörde noch nicht ins Verfahren eingebunden war und daher keine Kosten entstanden sind.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Bundestempelgebühren für die Beschwerde in Höhe von 13,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

Dr. W e i ß

 

 

 

 

 

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