Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-720265/3/SR/Sta

Linz, 06.04.2010

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des x, geboren am x, türkischer Staatsangehöriger, vertreten durch Rechtsanwalt x, x, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 9. November 2009, Sich40-10727, mit dem über den Berufungswerber ein auf drei Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das gesamte Gebiet der Republik Österreich verhängt worden ist, zu Recht erkannt:

1)        Die Berufung gegen Spruchpunkt I wird abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

2)        Die Berufung gegen Spruchpunkt II wird als unzulässig zurückgewiesen.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 9 Abs. 1 und 2, 86 Abs. 1, 63 und 66 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 135/2009).

 

 

 Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 9. November 2009, Zl. Sich40-10727, wurde gegen den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf der Grundlage des § 86 Abs. 1 iVm den §§ 63 und 66 Fremdenpolizeigesetz 2005 ein auf drei Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das gesamte Gebiet der Republik Österreich erlassen. Gleichzeitig wurde ein Durchsetzungsaufschub nicht erteilt.

 

Nach Darlegung des relevanten Sachverhaltes, der Beschreibung des Verhaltens des Bw, das zu seiner Verurteilung geführt hatte, und nach der umfassenden und konkreten Interessensabwägung zog die belangte Behörde den Schluss, dass sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde und zum Schutze des öffentlichen Wohles der Republik Österreich oder anderen, im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe.

 

2. Gegen den Bescheid der belangten Behörde, der dem Bw zu Handen seines Rechtsvertreters am 10. November 2009 zugestellt wurde, richtet sich die rechtzeitig durch seinen Rechtsvertreter mittels Telefax eingebrachte Berufung vom 24. November 2009.

 

Nach Bezugnahme auf den relevanten Sachverhalt und die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen brachte der Rechtsvertreter vor, dass der Bw seine Tat zutiefst bereue und seine Haftstrafe mit der Einsicht seiner Verfehlungen und der Überzeugung, künftig ein straffreies Leben zu führen, verbüße. Nicht nachvollziehbar sei daher, dass die belangte Behörde zum Schluss gelange, dass die Lebenseinstellung des Bw nicht ausschließe, dass der Bw bei passender Gelegenheit zukünftig wieder straffällig werde. Entgegen der Meinung der belangten Behörde liege die damals vorhandene kriminelle Energie nunmehr auf jeden Fall nicht mehr vor. Der Bw werde sich nach seiner Entlassung mit allen Kräften bemühen, eine entsprechende Arbeitsstelle zu finden und künftig ein gesetzestreues Leben zu führen. Ausgehend von diesen Umständen liege jedenfalls keine negative Zukunftsprognose beim Bw vor und die Verhängung des Aufenthaltsverbotes könne im § 86 Abs. 1 5. Satz FPG keinesfalls eine Deckung finden. Der Bw lebe seit seinem siebten Lebensjahr in Österreich. Er besitze zwar die türkische Staatsbürgerschaft, habe aber in den letzten Jahren kaum mehr Kontakt in sein Heimatland gehabt. Der Vater und zwei Geschwister seien österreichische Staatsbürger und die Freundin lebe mit dem gemeinsamen Kind in Deutschland. Im Falle der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes könne der Bw seine Freundin und die gemeinsame Tochter weder sehen noch besuchen. Die Lebenssphäre des Bw in Österreich sei schützenswert, da sich sämtliche Bekannte und Freunde des Bw und sein gesamtes soziales Umfeld in Österreich befinden würden. Die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes seien keinesfalls bedeutender als die eigene Interessens- und Lebenssphäre des Bw. Die nicht verhältnismäßige Verhängung des Aufenthaltsverbotes sei weder gerechtfertigt noch erforderlich. Sofern die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes tatsächlich erforderlich sein sollte, sei die Dauer des Aufenthaltsverbotes zu lang und es hätte mit der Befristung auf ein Jahr das Auslangen gefunden werden können. 

 

Abschließend wurde beantragt,

"den angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 9.11.2009, GZ Sich40-10727, ersatzlos aufzuheben, ansonsten

den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass gegen den Bw ein auf ein Jahr befristetes Aufenthaltsverbot für das gesamte Gebiet der Republik Österreich erlassen wird, jedenfalls

den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass dem Bw ein Durchsetzungsaufschub von mindestens einem Monat erteilt wird."

 

3.1. Mit Schreiben vom 26. November 2009, Zl. Sich40-10727, legte die Bezirkshauptmannschaft Schärding den Verwaltungsakt samt Berufungsschrift dem Unabhängigen Verwaltungssenat vor.

 

Ergänzend zum Vorlageschreiben teilte die belangte Behörde mit, dass von einer weiteren Strafvollstreckung des Bw frühestens zum 1. Juni 2010 abgesehen werden könne und legte diesbezüglich das Schreiben der Stadtverwaltung Bayreuth samt Beilage vor.

 

3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den fremdenpolizeilichen Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Schärding zu Zl. Sich40-10727. Daraus ergab sich in Verbindung mit der Berufung der nachfolgend geschilderte, im Wesentlichen unstrittige Sachverhalt.

 

3.2.1. Der Bw, geboren am x in Cayiralan (Türkei), türkischer Staatsangehöriger, ist am 15. Oktober 1990 in das Bundesgebiet der Republik Österreich eingereist, war durchgehend bis zum 30. März 2007 in Österreich gemeldet und verfügt seit dem 28. Dezember 1998 über das unbefristete Niederlassungsrecht (Aufenthaltszweck: Familiengemeinschaft – ausgenommen unselbständiger Erwerb).

 

Das Verhältnis des Bw zu seinem Vater gestaltete sich in seiner Jugend als schwierig, da der Vater, ein Muslim, nach der Ansicht des Bw völlig veraltete Moralvorstellungen hatte. Aus diesem Grund lief der damals Minderjährige mehrmals von zu Hause weg.

 

Zum schulischen und beruflichen Werdegang führte die belangte Behörde wie folgt aus:

"Sie haben weder einen Hauptschul- noch einen Lehrabschluss. Als berufliche Qualifikation ist die erfolgreiche Absolvierung eines sechsmonatigen Schweißerkurses anzuführen. Vom 15.11.1999 bis 27.01.2000 bezogen Sie eine Beihilfe gemäß § 20 Abs. 2 AMFG (Arbeiter; samt Krankengeldbezug). Vom 09.03.2000 bis 05.12.2000 waren Sie Arbeiter der x und x, der x der x und der x. Vom 29.01.2001 bis 17.04.2001 bezogen Sie wiederum eine Beihilfe gemäß § 20 Abs. 2 AMFG (samt Krankengeldbezug). Vom 18.04.2001 bis 21.02.2002 waren Sie bei x, x und x, x und x und der x beschäftigt. Vom 05.08.2003 bis zum 23.11.2003 bezogen Sie wiederum Beihilfe gemäß §20 Abs. 2 AMFG (samt Krankengeldbezug). Vom 01.03.2004 bis 31.05.2004 waren Sie als Arbeiter der x und vom 01.06.2004 bis 23.06.2004 als Arbeiter der x tätig. Vom 07.07.2004 bis 13.02.2005 bezogen Sie Arbeitslosengeld (samt Krankengeld). Vom 14.02.2005 bis 17.03.2005 bezogen Sie Notstandshilfe (samt Krankengeld). Vom 18.03.2005 bis 08.06.2005 waren Sie bei der x beschäftigt. Vom 13.07.2005 bis 08.01.2006 bezogen sie Notstandshilfe. Vom 09.01.2006 bis 31.05.2006 waren Sie Arbeiter der x. Vom 01.06.2006 bis 31.08.2006 bezogen Sie wiederum Arbeitslosengeld (samt Krankengeld). Vom 01.09.2006 bis 06.11.2006 waren Sie bei der x beschäftigt. Schlussendlich bezogen Sie vom 22.11.2006 bis 28.02.2007 Arbeitslosengeld, Krankengeld sowie Notstandshilfe."

 

Der Bw ist ledig und hat eine knapp siebenjährige Tochter. x, geboren am x lebt bei ihrer Mutter x in x x; beide besitzen die deutsche Staatsbürgerschaft. Der Bw lebte mit seiner Freundin und der gemeinsamen Tochter nicht in einem gemeinsamen Haushalt zusammen; bis März 2006 besuchte der Bw seine Freundin regelmäßig in Deutschland. In der Folge kam es zur Trennung. Nach der Verhaftung im März 2007 nahm der Bw wieder Briefkontakt mit seiner Freundin auf und seit dem Beginn der Strafverbüßung besteht wieder ein regelmäßiger Kontakt in Form von Briefverkehr und Gefängnisbesuchen (einmal im Monat).

 

3.2.2. Aufgrund der Anfrage der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen teilte die Geschäftsstelle der Staatsanwaltschaft Wels mit Schreiben vom 9. Oktober 2001 mit, dass die (zur Anzeige gebrachte) Tat eine in die Zuständigkeit des Gerichts fallende strafbare Handlung gebildet hat und die Anzeige nach § 90 Abs. 1 StPO aus den Gründen des § 6 JGG zurückgelegt bzw. das Verfahren eingestellt worden ist.

 

3.2.3. Am 06. August 2003 wurde der Bw vom Amtsgericht Passau, Gz Cs 209 Js 9774/03, wegen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von
30 Tagessätzen zu je 15 Euro verurteilt. Das Urteil ist am 26. August 2003 in Rechtskraft erwachsen.

 

3.2.4. Am 13. Dezember 2005 reiste der Bw zusammen mit x in die Bundesrepublik Deutschland ein und verübte mit diesem am 14. Dezember 2005 in den frühen Morgenstunden unter Verwendung einer Waffe einen Raubüberfall auf die Tankstelle des x.

 

Nach der Festnahme des Bw am 13. März 2007 in Österreich erfolgte am
30. März 2007 die Auslieferung an die Bundesrepublik Deutschland und die Verbringung in die Justizvollzugsanstalt St. Georgen – Bayreuth.

 

3.2.5. Mit dem Urteil des Landgerichtes Deggendorf vom 22.10.2007, AZ 1 KLs 5 Js849/07 jug., ausgefertigt am 19. November 2007, rechtskräftig seit dem
1. April 2008, wurde der Bw wegen gemeinschaftlicher schwerer räuberischer Erpressung für schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 6 Monaten verurteilt.

Unter rechtlicher Würdigung führte die 1. Große Jugendkammer des Landesgerichtes Deggendorf wie folgt aus:

 

"Die Tat vom 14.12.2005 gegen 4.00 Uhr wurde auf Seiten des Angeklagten x gewürdigt als schwere räuberische Erpressung gemäß §§ 253 I, 255, 250 II Zif. 1, 25 II StGB. Der Angeklagte x hat bei Tatbegehung eine Schreckschusspistole Walther P 99 verwendet, indem er diese auf die Kassenkraft x richtete. Die Pistole war zuvor vom Angeklagten x geladen worden, was dem angeklagten x bei gemeinschaftlicher Tatbegehung zuzurechnen ist, nachdem er dieses zumindest billigend in Kauf genommen hat. Die verwendete geladene Pistole stellt sich als gefährliches Werkzeug im Sinne des § 250 II Ziff. 1 dar. Die Pistole wurde zum einen vom Angeklagten x zur Drohung eingesetzt und zum anderen von der Kassenkraft x erkannt. Die Schreckschusspistole stellt des Weiteren im geladenen Zustand einen objektiv gefährlichen Gegenstand dar, vgl. BGH Strafverteidigerforum 2006, S. 353, zitiert nach Tröndle/Fischer, StGB, 54. Auflage, § 250 Rdnr. 19. Das weitere Tatgeschehen in der Kantine der x-Tankstelle wurde von der Kammer als Mittäterexzess des Angeklagten x gewertet, welcher dem Angeklagten x nicht zuzurechnen ist. Aufgrund des vorher gefassten gemeinsamen Tatentschlusses war es die Aufgabe des Angeklagten x, die Tankstelle zu sichern. Die Begehung weiterer Eigentumsdelikte in Richtung anderer Geschädigter war von einem entsprechenden Gesamtvorsatz nicht umfasst."

 

Zur Strafzumessung wurde ausgeführt:

 

"§ 250 II StGB sieht Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bis zu 15 Jahren vor. Ein minder schwerer Fall im Sinne des § 250 III StGB wurde von der Kammer nicht angenommen. Für die Annahme eines minder schweren Falles spräche, dass die verwendete geladene Schreckschusspistole ein deutlich geringeres Gefährdungspotential für Dritte aufweist als eine scharfe Waffe. Ferner kann zur Begründung eines minder schweren Falles herangezogen werden, dass der Angeklagte x vom Angeklagten x `verführt´ worden ist. Der Angeklagte x ist des Weiteren nicht wesentlich und insbesondere nicht einschlägig vorbestraft, geständig, zeigt Unrechtseinsicht und Reue und hat sich bei der Kassenangestellten x schriftlich entschuldigt. Er befand sich im Tatzeitpunkt infolge Arbeitslosigkeit in angespannten wirtschaftlichen Verhältnissen.

 

Aufgrund der Feststellungen zur begangenen Tat sah sich die Kammer jedoch veranlasst, einen minder schweren Fall auszuschließen. Hierfür waren die nachfolgenden Überlegungen für die Kammer maßgeblich. Auch bei dem Angeklagten x handelt es sich nicht um eine ungeplante Spontantat. Vielmehr wurde die Tat gemeinsam mit dem Angeklagten x umfangreich vorbereitet. Die Angeklagten stellten sicher, dass von ihnen ein erhebliches Drohungspotential ausging, indem sie sich für etwaige Tatopfer unkenntlich machten, sich vermummten und Pistolen verwendeten, welche von den Opfern als echt angesehen werden sollten und wurden.

 

Vor der Tatbegehung machte sich der Angeklagte x mit der Funktion der von ihm verwendeten Waffe vertraut. Es wurden umfangreiche Erkundungen angestellt, um eine Flucht und die endgültige Sicherung der Tatbeute zu ermöglichen. Schließlich wurde für einen längeren Zeitraum abgewartet, bis der zum Überfall geeignete Zeitpunkt gekommen war. Der Tat vorangegangen war eine Erkundung des Tankstelleninnenraums durch den Angeklagten x. In der Tankstelle übernahm der Angeklagte x eine tragende Rolle. Er richtete seine Pistole während des Überfalls direkt auf Frau x. Diese Art der Tatausführung rechtfertigt die Annahme einer gesteigerten erheblichen kriminellen Energie. Gegen die Begründung eines minderschweren Falles sprach weiter, dass die Tat von 2 Tätern begangen wurde. Gegen die Annahme eines minderschweren Falles sprach auch, dass mehrere Personen bedroht wurden und die Tat auf Seiten der Opfer nicht unerhebliche Folgen herbeigeführt hat. Die Kassenangestellte x erlitt im unmittelbaren Anschluss an den Überfall die unter Ziffer I dargestellten Beeinträchtigungen (Anmerkung: Schreikrampf, zitterte am ganzen Körper und war in erheblichem Maße mitgenommen). Die Reinigungskraft Frau x litt im Anschluss an den Überfall mehrere Wochen an Angstzuständen.

 

Innerhalb des vorgefundenen Strafrahmens sprach zugunsten des Angeklagten x dass er vom Angeklagten x zur Tat `verführt´ wurde und im Planungsstadium eine untergeordnete Rolle spielte. Ferner sprach zu seinen Gunsten, dass er nicht wesentlich und nicht einschlägig vorbestraft ist. Im Rahmen des Nachtatverhaltens war zugunsten des Angeklagten x zu berücksichtigen, dass er aus eigenem Antrieb von der Begehung weiterer gemeinsamer Überfälle mit dem Angeklagten x Abstand nahm. Der Angeklagte zeigte sich unrechtseinsichtig und reuig und hat sich bei seinem Opfer schriftlich entschuldigt. Zugunsten des Angeklagten x mag auch herangezogen werden, dass er sich in misslichen finanziellen Verhältnissen befand, die auf schwierige familiäre Verhältnisse zurückgeführt werden können.

 

In erheblichem Maß sprach zugunsten des Angeklagten x, dass das von ihm verwendete gefährliche Werkzeug im Sinn des § 250 II Ziff. 1 StGB im Rahmen der möglichen anderen gefährlichen Werkzeuge und seiner objektiven Gefährlichkeit betrachtet am unteren Ende anzusetzen war.

 

Zu Lasten des Angeklagten x war zu berücksichtigen die erhöhte kriminelle Energie, die sich im Rahmen der Tatausführung gezeigt hat. Ferner der Umstand, dass die Art und Weise der Begehung geeignet war, auf Seiten des Opfer erhebliche Folgen in Form von Angstzuständen herbeizuführen und auch Dauerfolgen nicht von vornherein auszuschließen waren.

 

In die Abwägung mit einzubeziehen war schließlich, dass bei Tatbegehung zwei Pistolen eingesetzt wurden, ebenso dass die Tatbeute mit 3.800 Euro nicht unerheblich war.

 

Unter Abwägung aller für und gegen den Angeklagten x sprechenden Gesichtspunkte, insbesondere der vorgenannten, hielt die Kammer eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten, welche sich im vorgefundenen Strafrahmen am untersten Ende bewegt, für tat- und schuldangemessen."

 

3.2.6. Über Ersuchen des Landratsamtes Bayreuth teilte die Bezirkshaupt­mannschaft Grieskirchen mit Schreiben vom 7. Juli 2008 mit, dass der Bw ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsrecht erworben hat.

 

3.2.7. Mit Bescheid der Stadt Bayreuth vom 21. April 2009, GZ ALA 166-1/2, wurde der Bw aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen und verpflichtet, die Bundesrepublik Deutschland unverzüglich zu verlassen. Gleichzeitig wurde die Abschiebung im Anschluss an die Haft in die Türkei oder in einen anderen Staat, in den der Bw einreisen darf oder der zu seiner Rücknahme verpflichtet ist, angeordnet.

 

Begründend führte das Ausländeramt aus, dass der Bw keinen Ausweisungsschutz genieße und mangels nachgewiesener familiärer oder sonstiger Bindungen im (deutschen) Bundesgebiet auch über keinen erhöhten Ausweisungsschutz verfüge. Nach Abwägung der privaten und öffentlichen Interessen kam die bescheiderlassende Behörde zum Ergebnis, dass die Ausweisungsentscheidung zu erlassen war.

 

3.2.8. Zur Anfrage der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen teilte das BM.I im Schreiben vom 19. Mai 2009, GZ BMI-1022209/0002-II/3/2009, mit, dass nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. April 2009, VwGH 2008/22/0666, die Frage der Zuständigkeit zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegenüber einem Fremden, der sich im Zeitpunkt des ersten behördlichen Einschreitens bzw. auch danach im Zeitpunkt der Bescheiderlassung nicht in Österreich aufhalte, nicht im FPG geregelt und angesichts dieser unvollständigen Regelung an die Kriterien des § 3 AVG anzuknüpfen sei. Im konkreten Fall sei daher die Bezirkshauptmannschaft Schärding für die Prüfung und allfällige Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zuständig.

 

Am 26. Mai 2009 übermittelte die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen den gesamten Fremdenakt der Bezirkshauptmannschaft Schärding.

 

3.2.9. Mit Schreiben vom 17. Juli 2009 teilte die belangte Behörde dem Rechtsvertreter und dem Bw das Ergebnis der Beweisaufnahme mit und setzte beide von der beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in Kenntnis.

 

3.2.10. Aufgrund der behördlichen Verständigung teilte der Bw im Schriftsatz vom 29. Juli 2009 nach Darlegung des privaten Umfeldes mit, dass er seine Tat zutiefst bereue und seine Verfehlungen eingesehen habe. Er werde künftig ein straffreies Leben führen und ersuche um Verständnis im Hinblick auf seine Familie.

 

In der Stellungnahme vom 7. August 2009 brachte der Rechtsvertreter vor, dass "die mitgeteilten Daten richtig" seien, der vorliegende Sachverhalt jedoch die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht rechtfertigen würde. Der Bw lebe seit seinem siebten Lebensjahr in Österreich und habe keine Beziehungen mehr zu seinem Heimatland. Die Familienmitglieder würden ebenfalls in Österreich leben und der Vater und zwei Geschwister seien österreichische Staatsbürger. Die Freundin des Bw lebe in der Nähe von x und im Falle der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes könne der Bw seine Freundin und seine Tochter nicht sehen und nicht besuchen.

 

3.2.11. Der Bw befindet sich seit 30. März 2007 in deutschen Justizvollzugsanstalten (derzeit in der Justizvollzugsanstalt Bayreuth).  

 

Im Bescheid vom 22. September 2009, AZ 5 VRs 849/07, verfügte die Staatsanwaltschaft Deggendorf, dass von der weiteren Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 6 Monaten frühestens zum 1. Juni 2010 abgesehen werde. Begründend wurde u.a. ausgeführt, dass ein früheres Absehen von der Vollstreckung nicht erfolgen könne, da die Verurteilung aufgrund einer schwerwiegenden Straftat erfolgt sei. Die früheste Aussetzung zur Bewährung wäre erst am 10. November 2010 möglich. 

 

3.3. Der festgestellte Sachverhalt ist unstrittig.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 86 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen freizügigkeitsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige dann zulässig, wenn aufgrund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes ihren Hauptwohnsitz ununterbrochen seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. 

 

§ 86 FPG enthält Sonderbestimmungen für den Entzug der Aufenthaltsbe­rechtigung betreffend freizügigkeitsberechtigte EWR-Bürger. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtslage vor dem 1. Jänner 2006 durfte gegen einen EWR-Bürger oder begünstigten Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltsverbot nämlich nur erlassen werden, wenn die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Z 1 FrG erfüllt waren. Dabei war § 36 Abs. 2 FrG als "Orientierungsmaßstab" heranzuziehen (vgl. Verwaltungsgerichtshof vom
13. Oktober 2000, 2000/18/0013).

 

Demgemäß sind auch die §§ 60 ff FPG als bloßer Orientierungsmaßstab für § 86 FPG anzusehen. Die belangte Behörde hat sich bei der Verhängung des Aufenthaltsverbotes an § 60 Abs. 1 und Abs. 2 FPG orientiert. 

 

Gemäß § 60 Abs. 1 Z 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet.

 

Als bestimmte Tatsache im Sinne des Absatz 1 gilt gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 leg. cit. insbesondere, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als 3 Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als 6 Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.

 

Nach § 60 Abs. 3 leg. cit.  liegt eine gemäß Abs. 2 maßgebliche Verurteilung nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. Eine solche Verurteilung liegt jedoch vor, wenn sie durch ein ausländisches Gericht erfolgte und den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht.

 

§ 73 StGB bestimmt für den Fall, dass das Gesetz nicht ausdrücklich auf die Verurteilung durch ein inländisches Gericht abstellt, dass ausländische Verurteilungen inländischen gleichstehen, wenn sie den Rechtsbrecher wegen einer Tat schuldig sprechen, die auch nach österreichischem Recht gerichtlich strafbar ist, und in einem den Grundsätzen des Art. VI der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, entsprechenden Verfahren ergangen sind.

 

Nach § 56 Abs. 1 FPG dürfen Fremde, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen waren und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" oder "Daueraufenthalt -Familienangehöriger" verfügen, nur mehr ausgewiesen werden, wenn ihr weiterer Aufenthalt eine schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

 

Gemäß § 56 Abs. 2 leg. cit. hat als schwere Gefahr im Sinn des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht

1) wegen eines Verbrechens oder wegen Schlepperei, Beihilfe zu unbefugtem Aufenthalt, Eingehen oder Vermittlung von Aufenthaltsehen oder gemäß der     §§ 27 Abs. 2, 28 Abs. 1 und 32 Abs. 1 SMG oder nach einem Tatbestand des 16. oder 20. Abschnitts des Besonderen Teils des StGB oder

2) wegen einer Vorsatztat, die auf derselben schädlichen Neigung (§ 71 StGB) beruht, wie eine andere von ihnen begangene strafbare Handlung, deren Verurteilung noch nicht getilgt ist, zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten

rechtskräftig verurteilt worden ist.

 

Würde nach § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 1 FPG durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- und Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist ein solcher Entzug der Aufenthaltsberechtigung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Nach § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 2 leg.cit. darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung.

 

Gemäß § 66 Abs. 2 leg. cit. sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4. der Grad der Integration;

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren.

 

Gemäß § 61 Z. 3 FPG darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn dem Fremden vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 verliehen hätte werden können, es sei denn, der Fremde wäre wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig zu mindestens einer unbedingten einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden oder er würde einen der in § 60 Abs. 2 Z. 12 bis 14 bezeichneten Tatbestände verwirklichen.

 

4.2.1. Aus den jüngsten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes (3. April 2009, 2008/22/0913; 11. Mai 2009, 2007/18/0038 und 4. Juni 2009, 2006/18/0233) ist abzuleiten, dass auf türkische Staatsangehörige, die Rechte nach Art. 7 ARB 1/80 geltend machen können, die Sonderbestimmungen für den Entzug der Aufenthaltsberechtigung (§ 86 FPG) maßgeblich sind.

 

Der Bw kann, wie sich aus dem Schreiben des AMS vom 26. Juni 2008 ergibt, Rechte nach Artikel 6 Abs. 1 3. Untersatz und Art. 7 2. Untersatz des Assoziationsratsbeschlusses (ARB) 1/1980 geltend machen. In die Ihm dadurch zukommende Rechtstellung kann nach der Judikatur des Gerichtshofes der europäischen Gemeinschaft zu Artikel 14 ARB nur unter den gleichen Voraussetzungen eingegriffen werden, unter denen ein Eingriff in die gemeinschaftsrechtlich gewährleistete Freizügigkeit von Arbeitnehmern aus Mitgliedsstaaten zulässig ist. Die gemeinschaftsrechtlichen Beschränkungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes finden sich in § 86 FPG und sind im vorliegenden Fall anwendbar.

 

Zunächst ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 86 Abs. 1 (erster bis vierter Satz) vorliegen (vgl. VwGH vom 18. September 2008, 2007/21/0214). Danach ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur dann zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Bw die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

 

Die Erläuterungen zu § 86 FPG (22 GP, RV 952, 106)  verweisen auf die Art. 27
Abs. 2 und Art. 28 Abs. 3 Z. a der Richtlinie 2004/38/EG und die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 27.10.1977, Rs 30/77 - Fall Bouchereau).

 

Zur Beurteilung der Frage, ob ein bestimmter Sachverhalt die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen einen EWR-Bürger oder begünstigten Drittstaatsangehörigen  rechtfertigt, ist auf die demonstrative Aufzählung des     § 60 Abs. 2 FPG nur als "Orientierungshilfe" zurückzugreifen. Entgegenstehende europarechtliche Vorgaben sind dabei jedenfalls zu beachten.

 

Hinsichtlich der nach dem FPG anzustellenden Prognosebeurteilungen hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur ausgesprochen, dass es letztlich immer auf das in Betracht zu ziehende Verhalten des Fremden ankommt. Es ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Wie nachfolgend ausgeführt, legt das FPG, bezogen auf unterschiedliche Personenkreise oder nach bestimmter Aufenthaltsdauer, ein unterschiedliches Maß für die zu prognostizierende Gefährlichkeit des Fremden fest. So setzt § 60 Abs. 1 FPG ("Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit" oder "Zuwiderlaufen anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen") in Relation zu § 56 Abs. 1 FPG ("schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit") ein geringeres Maß der Gefährlichkeitsprognose voraus. Hingegen verlangt § 86 Abs. 1 FPG ("tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt") im Verhältnis zu § 56 Abs. 1 FPG ein höheres Maß der Gefährdungsprognose, die sich zudem nach dem fünften Satz des § 86 Abs. 1 FPG ("nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit") noch weiter steigert (vgl. VwGH vom 20. November 2008, 2008/21/0603; E vom 3. April 2009, 2008/22/0913).

 

Der EuGH hat im Urteil vom 27. Oktober 1977, Rs 30/77, ausgeführt, dass jede Gesetzesverletzung eine Störung der öffentlichen Ordnung darstellt. Neben dieser Störung der öffentlichen Ordnung muss nach Ansicht des Gerichtshofes jedenfalls eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Frühere strafrechtliche Verurteilungen dürfen nur insoweit berücksichtigt werden, als die ihnen zugrunde liegenden Umstände  ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt. Wenn auch in der Regel die Feststellung einer derartigen Gefährdung eine Neigung des Betroffenen nahelegt, dieses Verhalten in Zukunft beizubehalten, so ist es doch auch möglich, dass schon allein das vergangene Verhalten den Tatbestand einer solchen Gefährdung der öffentlichen Ordnung erfüllt. Es obliegt den nationalen Behörden und gegebenenfalls den nationalen Gerichten, diese Frage in jedem Einzelfall zu beurteilen, wobei sie die besondere Rechtstellung der dem Gemeinschaftsrecht unterliegenden Personen und die entscheidende Bedeutung des Grundsatzes der Freizügigkeit zu berücksichtigen haben.

 

4.2.2. Der Bw verfügt über einen unbefristeten Aufenthaltstitel (laut FI—Auszug und Anmerkung der belangten Behörde: "Daueraufenthalt – EG).

 

Wie unter Punkt 3.2.5. ausführlich dargelegt, wurde über den Bw von einem ausländischen Gericht eine unbedingte Freiheitsstrafen von 5 Jahren und 6 Monaten verhängt.

 

Da die Verurteilung den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht war diese gemäß § 60 Abs. 3 FPG als eine Verurteilung gemäß § 60 Abs. 2 FPG anzusehen.

 

Schon im Hinblick auf die rechtskräftige Verurteilung wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 6 Monaten liegt kein Fall des § 61 Z. 3 FPG vor. Da der Bw auch nicht von klein auf im Inland aufgewachsen ist, kann auch nicht auf § 61 Z. 4 FPG abgestellt werden.  § 61 Z. 1 und 2 FPG sind ebenfalls nicht gegeben.

 

Grundsätzlich ist somit § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt. Dies wird vom Bw auch nicht in Abrede gestellt.

 

Nach § 63 Abs. 1 FPG wäre die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes zulässig.

 

4.2.3. Für den Oö. Verwaltungssenat steht zunächst zweifelsfrei fest, dass das Verhalten des Bw ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

 

Wie bereits dargelegt, ist eine Gefährdungsprognose zu erstellen und die Überprüfung an Hand der, je nach Lage des Falles einschlägigen Bestimmungen vorzunehmen.

 

4.2.3.1. Im konkreten Fall handelt es sich auch nicht um ein bloß sonstiges öffentliches Interesse sondern tatsächlich um ein Grundinteresse der Gesellschaft, dass darin gelegen ist, strafbare Handlungen gegen Leib und Leben, Aggressions- und Eigentumsdelikte zu verhindern. Die Straftat des Bw wurde in dem unter Punkt 3.2.5. auszugsweise wiedergegebenen Urteil als Verbrechen eingestuft.

 

Im Sinne der wiedergegeben Judikatur (VwGH, EGMR, EuGH) ist nicht primär maßgeblich, dass eine strafgerichtliche Verurteilung ausgesprochen wurde, sondern dass im Sinne einer Prognoseentscheidung das gegenwärtige und zukünftige Verhalten einer Person im Lichte einer strafgerichtlichen Verurteilung rechtlich zu würdigen ist. Im konkreten Einzelfall ist zu analysieren, ob davon ausgegangen werden kann, dass sich der Bw hinkünftig rechtskonform verhalten wird. Besonders aussagekräftig ist daher die Strafzumessungsbegründung. Diese lässt eindeutige Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Bw zu.

 

Das erkennende Gericht sah sich trotz etlicher Gründe, die für die Annahme eines minder schweren Falles sprechen könnten, nicht veranlasst, einen solchen anzunehmen, da maßgebliche Überlegungen dagegen gesprochen haben. Der Bw hat nicht spontan gehandelt, sondern die Tat mit dem Mittäter umfangreich vorbereitet. Weiters hat der Bw sichergestellt, dass von ihm ein erhebliches Drohungspotential ausgeht, indem er eine Pistole verwendet hat, die von den Opfern als echt angesehen werden sollte und tatsächlich auch als echt betrachtet wurde.

 

Betrachtet man die gesamten Umstände der Tatausführung, ist von einer erheblich gesteigerten kriminellen Energie auszugehen. Daraus lassen sich deutliche Rückschlüsse auf den verwerflichen Charakter des Bw ziehen.

 

Auch wenn sich der Bw in Österreich rechtskonform verhalten hat, nicht einschlägig vorbestraft ist und Teile seines Verhaltens für die Annahme eines minder schweren Falles im Sinne des deutschen StGB gesprochen haben, zeigt sich seine verwerfliche Grundeinstellung daran, dass er trotz gewährter Sozialhilfeleistungen (Notstandshilfe) die angespannte wirtschaftliche Lage als Vorwand für die Tatausführung geltend gemacht hat.

 

Das wiederholte Vorbringen, wonach der Bw seine Tat zutiefst bereue und die Haftstrafe mit der Einsicht seiner Verfehlungen und der Überzeugung ein künftig straffreies Leben zu führen, verbüße, zeige zumindest vordergründig auf, dass sich der Bw bessern wolle. Diese Einstellung, die im Übrigen ohnehin erwartet werden muss, schließe jedoch nicht automatisch aus, dass der Bw bei vergleichbaren Fallkonstellationen wieder straffällig werde.

 

Die Ausführungen des nach wie vor in Haft angehaltenen Bw sind nicht geeignet, eine positive Zukunftsprognose zu erstellen. Soweit der Bw in diesem Zusammenhang argumentieren möchte, dass nicht nur dem von ihm gesetzten Fehlverhalten entscheidende Bedeutung zukomme, sondern auch der Dauer seines Wohlverhaltens seit Verwirklichung des Tatbestandes für die Erlassung des gegen ihn verhängten Aufenthaltsverbotes, so ist dem zu entgegnen, dass ein damit behaupteter Gesinnungswandel des Bw nicht an seinem Verhalten in der Strafhaft - in welcher sich der Bw zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides unbestritten befunden hat -, sondern nur daran geprüft werden kann, wie lange sich der Bw in Freiheit wohl verhalten hat (vgl. VwGH vom 19. März 2009, Zl. 2007/18/0126, mwN; VwGH vom 11. Mai 2009, 2009/18/0134)). Mit dem Wohlverhalten in der Haft und den geäußerten Absichtserklärungen kann der Bw keinesfalls einen allfälligen Gesinnungswandel unter Beweis stellen, da nach ständiger Judikatur des Verwaltungssgerichtshofes die Zeiten einer Haft bei der Beurteilung des Wohlverhaltens nicht zu berücksichtigen sind (vgl. dazu VwGH vom 13. November 2007, Zl. 2007/18/0804, mwN).

 

4.2.3.2. Aus dem gravierenden Fehlverhalten des Bw resultiert eine schwerwiegende Gefährdung des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von Gewalt- und Eigentumskriminalität (vgl.  VwGH vom 2. April 2009, 2009/18/0032, mwN; VwGH vom 11. Mai 2009, 2009/18/0134).

 

Nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen weist das Tatverhalten eine erheblich gesteigerte Energie auf; die Bedrohung mehrerer Personen hat auf Seiten der Opfer nicht unerhebliche Folgen herbeigeführt. Beispielsweise litt die betroffene Reinigungskraft im Anschluss an den Überfall noch mehrere Wochen an Angstzuständen. Das Gesamtfehlverhalten des Bw rechtfertigt die Annahme, dass ein weiterer Aufenthalt des Bw im Bundesgebiet eine schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen würde. Die im Grunde des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG getroffene Beurteilung der belangten Behörde ist daher nicht zu beanstanden.

 

Obwohl der Bw über einen im § 56 FPG angesprochenen Titel verfügt, ist eine Ausweisung nach dieser Bestimmung zulässig, da die Tat ein Verbrechen (§ 250 II [deutsches] StGB sieht eine Freiheitsstrafe von 5 bis 15 Jahren vor) und somit eine schwere Gefahr im Sinn des § 56 Abs. 1 FPG (§ 56 Abs. 2 Z. 1: "Als schwere Gefahr im Sinn des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens ...... rechtskräftig verurteilt worden ist.") darstellt.

 

Im Hinblick darauf, dass jedenfalls eine schwere Gefahr entsprechend § 56 FPG zu bejahen ist, war zu prüfen, ob diese schwere Gefahr auch als "eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt", beurteilt werden kann.

 

Der Gesetzesbegriff "gegenwärtig" muss seiner Bedeutung nach im vorliegenden Fall naturgemäß vor allem auf den Zeitraum nach seiner Entlassung erstreckt werden, sofern der Bw, wie hier vorliegend noch in Strafhaft angehalten wird.

 

Das Tatverhalten des Bw, das wie bereits ausgeführt, seine negative Gesinnung gegenüber der Rechtsordnung zum Ausdruck brachte, wies eine derartige erhebliche kriminelle Energie auf (siehe Urteil des Landesgerichtes Deggendorf, Seite 14) und lässt die Grundhaltung des Bw klar zum Ausdruck kommen.

 

Mit seinen Erklärungen, den Reuebekundungen und der Einsicht, nunmehr geläutert zu sein, ist es dem Bw aber nicht gelungen, darzulegen, dass das beschriebene Gefährdungspotential gegenwärtig und auch zukünftig von ihm nicht mehr ausgehen werde.

 

Da der Bw - im Hinblick auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes – seine aufenthaltsrechtliche Stellung auf Art. 7 ARB gründet, war weiters zu prüfen, ob von ihm darüber hinaus auch eine nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ausgeht. Aufbauend darauf, dass die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftat (gemeinschaftliche schwere räuberische Erpressung; erhebliches Drohungspotential: Vermummung, Verwendung einer Pistole; Machtdemonstration in Form direkter körperlicher Bedrohung eines Opfers mit der Pistole) unstrittig vorliegen, eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, gegeben ist, lässt sich in Zusammenschau mit der erheblichen kriminellen Energie des Bw eine Gefährdungsprognose ableiten, wonach das Verhalten des Bw eine "nachhaltige und maßgebliche" Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit darstellt. 

 

Die Tathandlungen lassen eindeutige Rückschlüsse auf seinen besonders verwerflichen Charakter zu und zeigen auf, dass er nicht geneigt ist, die Rechtsordnung zu respektieren.

 

Derzeit lässt das Persönlichkeitsbild des Bw keinesfalls den Schluss zu, dass er nunmehr als geläutert anzusehen ist.

 

Auf Grund der dargelegten Umstände, der Art und Schwere der vorliegenden Straftat und dem sich daraus ergebenden Persönlichkeitsbild des Bw würden die öffentliche Ordnung und Sicherheit der Republik Österreich durch den Aufenthalt des Bw im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet.

 

4.3. Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, soweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist, ferner eine Maßnahme darstellt, die einem oder mehreren der in Art. 8 Abs. 2 EMRK formulierten Ziele (die nationale Sicherheit, die öffentliche Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, der Schutz der Gesundheit und der Moral und der Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) dient und hierfür in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist.

 

Im vorliegenden Fall ist ein Eingriff denkmöglich. Der Eingriff verletzt den Schutzanspruch aus Art 8 Abs. 1 EMRK jedenfalls dann, wenn er zur Verfolgung der genannten Ziele in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig ist, d.h. wenn er nicht durch ein dringendes soziales Bedürfnis gerechtfertigt und insbesondere nicht verhältnismäßig zum verfolgten legitimen Ziel ist.

 

Ein Eingriff in das durch Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützte Recht ist nicht bereits dann notwendig, wenn die innerstaatliche Norm ihn gebieten oder erlauben und er einem der in Art. 8 Abs. 2 EMRK formulierten Ziel dient. Entscheidend ist, ob er auch verhältnismäßig zum verfolgten Eingriffsziel ist. Davon ist nur auszugehen, wenn Gewicht und Bedeutung des Eingriffziels Gewicht und Bedeutung des durch Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten Schutzanspruchs überwiegt. Bei der Abwägung sind laut EGMR (x, Urteil vom 10.7.2003, Bsw.Nr. 53441/99; x, Urteil vom 5.7.2005, Bsw.Nr. 46410/99) jedenfalls folgende Aspekte zu berücksichtigen, zu gewichten und gegeneinander abzuwägen:

 

·                     Dauer des Aufenthaltes

·                    Beherrschung der Sprache des Aufenthaltsstaates in Wort und                     Schrift

·                     Wohnverhältnisse

·                     wirtschaftliche Integration

·                     soziale Kontakte und Bindungen, Alter der Kinder

·                     Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft

·                     Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes

·                     Bindungen an den Staat der eigenen Staatsangehörigkeit

·                     Straftaten

*       Natur und Schwere der Straftaten

*       Dauer des Zeitraums zwischen Begehung der Straftat und der          aufenthaltsbeendenden Maßnahme und das Verhalten des Fremden während dieser Zeit

*       Dauer des Aufenthaltes im Aufenthaltsstaat

*       Staatsangehörigkeit der betroffenen Personen (Ehegatte, Kinder)

*       Schwierigkeiten, welche für den Ehepartner und/oder Kinder im Herkunftsstaat des Fremden zu erwarten sind

 

Ein wesentliches Element für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des zu erlassenden Aufenthaltsverbotes ist die Schwere des vom Bw begangenen   Verbrechens.

 

Der EGMR hat sich in zahlreichen Urteilen (x, Urteil vom 2.8.2001, Bsw.Nr. 54273/00; x, Urteil vom 30.11.1999, Bsw.Nr. 34374/97) mit der Verhältnismäßigkeit derartiger Eingriffe auseinandergesetzt.

 

Im Urteil vom 6.2.2003, Bsw.Nr. 36757, x, war der EGMR der Ansicht, dass "zwei Verurteilungen wegen Einbruchsdiebstahl nicht als besonders schwerwiegend beurteilt werden können, da die Straftaten keine gewaltsamen Elemente beinhalten" würden und er hat den Eingriff daher als nicht verhältnismäßig zum verfolgten Ziel beurteilt.

 

In der Beschwerde x (Urteil vom 27.10.2005, Bsw.Nr. 32.231/02) hat der Gerichtshof der Tatsache wesentliche Bedeutung beigemessen, dass die beiden einzigen verhängten Freiheitsstrafen nur fünf bzw. sechs Monate betragen hatten. Das Urteil gründete auf der Feststellung, dass der Beschwerdeführer in den zehn Jahren, die seiner Ausweisung vorangegangen sind, achtmal wegen Straftaten (davon viermal wegen Verkehrsdelikten) verurteilt worden war. Der Gerichtshof würdigt in diesem Zusammenhang das entschlossene Vorgehen der Behörde gegen Fremde, die sich bestimmter Delikte (wie etwa Drogenhandel) schuldigt gemacht haben.   

 

In Anbetracht der einschlägigen Judikatur des EGMR (neben den bereits zitierten Urteilen siehe auch: x, Urteil vom 21.6.1988, Bsw.Nr. 10730/84; x, Urteil vom 18.2.1991, Bsw.Nr. 12313/86; x, Urteil vom 31.7.2002, Bsw.Nr. 37295/97; x, Urteil vom 15.7.2003, Bsw.Nr. 53306/99) griff das Aufenthaltsverbot in den angeführten Fällen nur peripher in das Privatleben des Bw ein.

 

Wie dem unstrittigen Sachverhalt zu entnehmen ist, lebt der Bw seit seinem siebten Lebensjahr in Österreich und ging hier zur Schule. Die Hauptschule schloss er nicht ab. Ebenso wenig absolvierte er eine Lehre; er kann nur den erfolgreich abgeschlossenen sechsmonatigen Schweißerkurs vorweisen. Seine berufliche Laufbahn ist einerseits durch zahlreiche Firmenwechsel (mit teils kurzen Beschäftigungszeiten) und andererseits durch Arbeitslosigkeit gekennzeichnet. Die Familienmitglieder (Vater, Mutter, drei Geschwister) leben allesamt in Österreich und sind teilweise österreichische Staatsangehörige. Aus dem Umstand, dass der Bw nach wie vor türkischer Staatsbürger ist, kann geschlossen werden, dass der Bw weiterhin emotionale Bindungen zur Türkei hat.

 

Die Beziehung des Bw zu seiner in Deutschland lebenden Freundin x und der gemeinsamen Tochter kann nicht als eng angesehen werden. Abgesehen von sporadischen Besuchen in Deutschland, die zu keinem regelmäßigen Kontakt zwischen Vater und Kind führten, hielt sich der Bw überwiegend in Österreich auf. Zu keiner Zeit bestand eine familiäre Lebensgemeinschaft. Erst ab dem Zeitpunkt der Inhaftierung und der Haftverbüßung in Deutschland intensivierte sich der Kontakt wieder (Briefe, Besuch einmal im Monat in der Haftanstalt).   

 

Dem in Rechtskraft erwachsenen Ausweisungsbescheid der Stadt Bayreuth vom 21. April 2009, Zl. ALA 166-1/2, ist zu entnehmen, dass ein erhöhter Ausweisungsschutz mangels nachgewiesener familiärer oder sonstiger Bindungen im (deutschen) Bundesgebiet nicht besteht. 

 

Auf Grund des 17-jährigen Aufenthalts des Bw in Österreich ist von einem hohen Grad der Integration auszugehen.

 

Die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes greift daher in das Privat- und Familienleben des Bw ein.

 

Für den Bw spricht die lange Dauer seines bisherigen Aufenthaltes in Österreich und die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes. Abgesehen davon, dass sich ein Großteil der nahen Verwandten des Bw in Österreich rechtmäßig aufhält und ein Teil mittlerweile die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen erhalten hat, ist der Bw nicht verheiratet, lebt auch in keiner (aufrechten) Lebensgemeinschaft und daher ist bezogen auf sein Alter, die damit verbundene Selbständigkeit, ein Eingriff in das Familienleben im engeren Sinn nicht gegeben.

 

Dazu hat auch die belangte Behörde zutreffend Folgendes ausgeführt:

"Wie schon oben ausführlich dargestellt ist Ihre Lebenssphäre in Österreich schützenswert. Aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung kann davon ausgegangen werden, dass Ihr vermutlicher Bekannten- und Freundeskreis und Ihr soziales Umfeld in Österreich anknüpft. Ihr Aufenthalt ist langjährig und weist keine Merkmale auf, die dessen Art und Weise in Zweifel ziehen würden. Das Familienleben zu Ihren Eltern und Geschwistern knüpft natürlich ebenfalls in Österreich an. Dieses Familienleben litt in der Vergangenheit bereits an der schwierigen Beziehung zu Ihrem Vater, wodurch Sie zweimal von zu Hause wegliefen. Darüber hinaus hat dieses Familienleben mit Ihrem Auszug aus der elterlichen Unterkunft und dem damit verbundenen Umzug nach Schärding im April 2006 einen wesentlichen Einschnitt erfahren und konnte daher ab diesem Zeitpunkt nur noch abgeschwächt stattfinden. Durch dieses Familienleben konnte auch das von Ihnen begangene Verbrechen nicht verhindert werden; zum Zeitpunkt des Raubüberfalls (14.12.2005) wohnten Sie noch bei Ihrer Familie in Grieskirchen. Durch die Festnahme am 13.03.2007 und Ihrer seit diesem Zeitpunkt ununterbrochenen Inhaftierung in verschiedenen Strafanstalten wurde das Familienleben nochmals abgeschwächt. Überdies sind Sie als Volljähriger nicht auf ein Zusammenleben mit Ihren Eltern und Geschwistern angewiesen. Eingeschränkte Kontakte mit der Familie können auch durch Besuche im Ausland aufrecht erhalten werden. Darüber hinaus haben Sie offenbar keine konkreten Pläne für Ihr weiteres Berufsleben.

 

Eine richtige Lebensgemeinschaft mit Ihrer Freundin x konnte bis dato nicht entstehen, zumal die Beziehung rund ein Jahr lang unterbrochen war. Erst nach Ihrer Inhaftierung erfolgte wiederum - gezwungenermaßen stark eingeschränkt - eine Kontaktaufnahme. Als dementsprechend schwach muss auch der Kontakt zu Ihrer, bei der Mutter lebenden, Tochter bewertet werden.

 

Ferner ist aber auch zu berücksichtigen, dass Sie - trotz Ihres langjährigen Aufenthalts -offensichtlich auf Grund einer zumindest emotionalen Bindung an den Heimatstaat Türkei die Einbürgerung in Österreich nicht allzu massiv betrieben haben; im Gegensatz dazu sind Ihre Schwester x Ihr Bruder x und Ihr Vater österreichische Staatsbürger. Der Umstand, dass Sie erst im siebten Lebensjahr nach Österreich kamen, lässt - entgegen Ihrer Angaben ~ doch auf eine gewisse Nahebeziehung, entsprechende (wohl auch familiäre) Kontakte und zumindest rudimentäre Sprachkenntnisse schließen."

 

Unter Bedachtnahme auf die obigen Ausführungen erscheint der Eingriff in das Familien- und Privatleben des Bw nicht so schwerwiegend. Jedenfalls ist das dargestellte Gesamtfehlverhalten des Bw so gravierend, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf seine Lebenssituation im Sinne des § 66 Abs. 2 FPG keinesfalls schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme für das öffentliche Interesse an der Bekämpfung der Gewalt-, Suchgift- und Eigentumskriminalität und an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Das Aufenthaltsverbot erscheint auf Grund der Umstände des Falles zur Erreichung der angeführten Ziele im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK dringend geboten.

 

Die Dauer der Befristung der verhängten Maßnahme ist auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit rechtlich zu würdigen. Wie bereits dargelegt, könnte im vorliegenden Fall das Aufenthaltsverbot unbefristet verhängt werden. Aus immanent zu berücksichtigenden gemeinschaftsrechtlichen Überlegungen ist eine Beschränkung der Grundfreiheiten von Unionsbürgern oder Begünstigten aus Assoziierungsabkommen möglichst maß- und zurückhaltend vorzunehmen. In diesem Sinn erachtet das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates das von der belangten Behörde ausgesprochene, auf drei Jahre befristete Aufenthaltsverbot als angemessen. Diese Frist müsste aller Voraussicht nach ausreichen, um den Bw zu läutern und die von ihm ausgehende Gefahr für die öffentlichen Interessen zu beseitigen. Soweit sich der Bw während dieser Zeit in seinem Heimatland bewährt und ein rechtschaffenes Leben führt, soll er auch die Aussicht haben, nach Ablauf der Frist wieder nach Österreich zurückkehren zu dürfen. Wie schon die belangte Behröde zu Recht ausgeführt hat, versetzt die verhältnismäßig niedrige Dauer der Maßnahme den Bw in die Lage, nach Beendigung des "Beobachtungszeitraums" einen erfolgreichen "Neustart" im Bundesgebiet in Angriff zu nehmen.

 

Aus all diesen Gründen ist die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gerechtfertigt und erforderlich. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

4.4. Gemäß § 86 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise des Fremden wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

 

Nach § 9 Abs. 2 FPG ist gegen die Versagung, die Bewilligung und den Widerruf eines Durchsetzungsaufschubes eine Berufung nicht zulässig.

 

Die Berufung gegen Spruchpunkt 2 war somit als unzulässig zurückzuweisen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

Hinweise:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Eingabegebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

 

Mag. Christian Stierschneider

 

 

 

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