Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-550528/3/Wim/Rd/Bu

Linz, 17.05.2010

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leopold Wimmer über den Antrag der X GmbH,  vertreten durch Rechtsanwalt Dr. X, X, X vom 11.5.2010 auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Vergabeverfahren der Marktgemeinde X betreffend das Vorhaben "X, X, X-, X", zu Recht erkannt:

 

Dem Antrag wird stattgegeben und der Auftraggeberin Marktgemeinde X die Erteilung des Zuschlags bis zur Entscheidung in diesem Nachprüfungsverfahren, längstens aber bis 11. Juli 2010, untersagt.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 1, 2, 8 und 11 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 – Oö. VergRSG 2006, LGBl. Nr. 130/2006.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Eingabe vom 11.5.2010 hat die X GmbH (im Folgenden: Antragstellerin) einen Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung sowie auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, der Auftraggeberin die Zuschlagserteilung bis zur Entscheidung im Nachprüfungsverfahren, zu untersagen, gestellt. Im Übrigen wurde die Zuerkennung der entrichteten Pauschalgebühren in Höhe von 3.750 Euro beantragt.

 

Begründend führte die Antragstellerin im Wesentlichen hiezu aus, dass Gegenstand der Ausschreibung Erd-, Baumeister-, Asphaltierungs- und Installationsarbeiten zur Errichtung der Abwasserbeseitigungsanlage Tragwein (Kanalbau) seien. Am 11.3.2010, 11.00 Uhr, habe die Angebotsfrist geendet und langten 12 Angebote ein. Die Antragstellerin habe fristgerecht ein ausschreibungskonformes Angebot gelegt.

Am 11.3.2010, 11.00 Uhr, wurden die Angebote geöffnet (das Ende der Angebotsöffnung wurde zeitlich nicht festgehalten) und das Angebots­öffnungsprotokoll am Ort der Angebotsöffnung Marktgemeindeamt X verfasst. Bei der Eröffnung seien die Gesamtpreise verlesen worden, wobei die ersten drei Angebote sehr knapp beisammen lagen. Erstgereiht wurde die präsumtive Zuschlagsempfängerin mit einem verlesenen Preis inkl. USt von 808.314,73 Euro. Zweitgereiht nach der Angebotsverlesung sei das Angebot des "Ing. X" (nur ein solches wurde verlesen) mit einer Angebotssumme von 829.220,63 Euro, einschließlich eines berücksichtigten Nachlasses von 3%. Drittgereiht sei die Antragstellerin mit einem Angebotspreis von 861.260,60 Euro.

 

Mit Schreiben vom 5.5.2010 wurde bekannt gegeben, dass beabsichtigt sei, der X GmbH, X, mit einer Vergabesumme von netto 673.595,61 Euro, den Zuschlag zu erteilen.

 

Folgende Rechtswidrigkeiten, die die Nichtigkeit der Zuschlagsentscheidung zur Folge haben, würden sich ergeben:

 

Das vorliegende Öffnungsprotokoll sei mangelhaft. Es enthalte insbesondere keine Angaben zum Ende der Angebotsöffnung, keine Uhrzeit des Einlangens der einzelnen Angebote, keine ausreichend klaren Angaben über zwingend verlangte, aber nicht vorhandene Beilagen und keine ausreichend klaren Vermerke über offensichtliche Angebotsmängel. Auch seien die Angebote nicht in der Reihen­folge, in der sie in das Eingangsverzeichnis eingetragen wurden, mit laufenden Nummern versehen und nicht festgestellt worden, ob die eingelangten Angebote unterfertigt waren und aus wie vielen Teilen sie bestanden haben. Das Protokoll widerspreche damit den Bestimmungen des §§ 118 Abs.4, Abs.6 Z1, 4, 5 BVergG 2006.

Auch sei es unterlassen worden, die Bedingungen des Nachlasses des Zweitgereihten Ing. X (Nachlass 3%), unter denen der Nachlass angeboten wurde, zu verlesen.

Auf Grundlage der mangelhaften Protokollerstellung sei aus Bietersicht nicht überprüfbar, ob dem Transparenzgebot und dem Gebot des fairen Wettbewerbes entsprochen worden sei. Es werde daher zu überprüfen sein, ob die Angebote  der der Antragstellerin vorgereihten Bieter formal richtig abgegeben worden seien, insbesondere kein Unterschriftsmangel vorliege, die bei Angebotsöffnung vorgelegenen Teile der Angebote gekennzeichnet worden seien, damit ein nachträgliches Austauschen verhindert werde oder sonstige offensichtliche Angebotsmängel des erst- oder zweitgereihten Angebots bestehen. Sollte dies der Fall sein, wäre die Zuschlagsentscheidung rechtswidrig.

 

Jedenfalls sei anlässlich der Angebotsöffnung als zweigereihtes Angebot das des "Ing. X" verlesen worden. Aufgrund der Branchenkenntnis sei das Angebot aber wohl seitens der Firma "Bauunternehmen Ing. X Gesellschaft mit beschränkter Haftung (FN 199187y, LG Linz) erstellt worden. Die Bauunternehmen Ing. X GmbH sei aber als Bieter weder verlesen noch protokolliert worden. Da es sich hier um zwei unterschiedliche Rechtspersönlichkeiten handle und ein Angebot der Bauunternehmen Ing. X GmbH nicht verlesen wurde, könne dieser auch nicht zugeschlagen werden, da ansonsten der Zuschlag auf ein Angebot erfolgen würde, das nach § 118 BVergG 2006 nicht verlesen worden sei.

 

Hinsichtlich des zweigereihten Bieters, des "Ing. X" werde vorgebracht, dass nach Durchsicht des Gewerberegisters ein "Ing. X" als Befugnisträger im Gewerberegister nicht aufscheine. Es scheine lediglich die Bauunternehmen Ing. X GmbH (deren Angebot aber nicht verlesen worden sei) als Befugnisträger auf, wobei hier einerseits das Gewerbe "Zimmermeister, eingeschränkt auf ausführende Tätigkeiten" (GF: Ing. X) und "Baumeister, eingeschränkt auf ausführende Tätigkeiten" (GF: Ing. X) abgebildet seien. Die verlesene zweitgereihte Bieterin "Ing. X" habe daher die für die Erbringung der ausgeschriebenen Leistung erforderliche Befugnis offenbar nicht.

Hinzu komme, dass die Befugnisse der Ing. X GmbH jeweils auf ausführende Tätigkeiten eingeschränkt seien. Ein solcher eingeschränkter Befugnisnachweis sei nach § 19 GewO 1994 bei den Gewerben "Baumeister" und "Zimmermeister" unter den genannten Umständen zulässig, hier sei aber eine individuelle Befähigung – wie vorliegend – nur für die ausführenden Tätigkeiten (nicht: Planungstätigkeiten) möglich. Die Planungsbefugnis – und damit der volle Gewerbeumfang – könne nur im Wege des regulären Befähigungsnachweises erworben werden und sei vorliegend nicht gegeben. Da der ausgeschriebene Leistungsgegenstand aber auch Planungsleistungen enthalte (zB Pos. Nr. X, Statische Berechnungen ua), reiche die vorliegende Befugnis zur Durchführung nicht aus. Dazu sei auch unter Pkt. D 8.1 der AU festgehalten, dass die Ausführungspläne zwar vom AG zur Verfügung gestellt werden, der Auftragnehmer aber auch nach Kenntnisnahme der vorgelegten Pläne durch den AG für die Trag- und Standsicherheit der Anlagenteile, für deren sichere Bemessung und Herstellung nach anerkannten Regeln der Technik hafte. Auch diese Bewertung und daraus resultierende Haftung setze Planungsleistungen voraus, zu denen die zweitgereihte Bieterin offenbar nicht befugt sei.

 

Weiters fehle dem Angebot der Zweitgereihten nach Ansicht der Antragstellerin ausreichende Subunternehmererklärungen hinsichtlich der Leistungspositionen "Asphalt" oder der enthaltenen Planungsleistungen. Weder der verlesene Bieter "Ing. X" noch die nicht verlesene "Bauunternehmen Ing. X GmbH" können die in der Ausschreibung geforderten Leistungen bezüglich der Asphaltpositionen selbst erbringen, da sie nicht ausreichend leistungsfähig seien. Es sei daher zu überprüfen, ob die notwendigen Subunternehmererklärungen abgegeben und diese auch rechtsgültig gefertigt worden seien und sich (datumsmäßig) auf den vergaberechtlich relevanten Zeitpunkt beziehen.

 

Die präsumtive Zuschlagsempfängerin weise die nicht eingeschränkte "Baumeister"-Befugnis auf.

Nach Kenntnis der Antragstellerin arbeite die präsumtive Zuschlagsempfängerin aber nicht ständig mit dem für die Abarbeitung des gegenständlichen Auftrages notwendigen Personal und der notwendigen maschinellen Ausrüstung, sodass aus diesem Grund ihre Leistungsfähigkeit fraglich sei. Dies betreffe wiederum die Leistungspositionen "Asphalt". Die Antragstellerin gehe davon aus, dass hier notwendige Subunternehmererklärungen und verbindliche Vereinbarungen nicht vorliegen.

 

Der ausgeschriebene Auftrag beinhalte erhebliche Leistungen aus dem Straßenbau. In diesem Bereich sei eine qualitätsvolle Ausführung der ausgeschriebenen Leistungen nur durch den Einsatz entsprechender Maschinen wie Fertiger, Spritzgeräte, Walzen und Gräder möglich. Für solche Arbeiten seien als notwendiges Fachpersonal zumindest ein Polier, ein Fertigerfahrer, zwei Walzenfahrer, ein Einsteller und zwei Kruckenzieher erforderlich. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin weise aus eigenem die diesbezüglich erforderliche Leistungsfähigkeit offenbar nicht auf und würden nach Ansicht der Antragstellerin dem Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin ausreichende Subunternehmererklärungen hinsichtlich der wesentlichen Leistungsposition "Asphalt" fehlen.

Es wäre daher zu überprüfen, ob die notwendigen Subunternehmererklärungen oder Zurverfügungstellungserklärungen seitens der erst- und zweitgereihten Bieterin abgegeben und diese auch rechtsgültig gefertigt worden seien und sich (datumsmäßig) auf den vergaberechtlich relevanten Zeitpunkt beziehen.

 

Die Angebote der erst- und zweitgereihten Bieterin wären daher bereits mangels ausreichender technischer Leistungsfähigkeit, das der zweitgereihten Bieterin zusätzlich auch mangels ausreichender Befugnis ua gemäß § 129 Abs.1 Z2 und Z7 BVergG 2006 auszuscheiden gewesen.

 

Wie der Zuschlagsentscheidung und dem Öffnungsprotokoll zu entnehmen sei, habe die präsumtive Zuschlagsempfängerin mit einem Preis von lediglich 808.314,73 Euro, die zweitgereihte Bieterin "Ing. X" lediglich mit einem Preis von 829.220,63 Euro angeboten.

Die Antragstellerin habe hinsichtlich der wesentlichen Positionen beim ausgeschriebenen Leistungsgegenstand jahrelange Erfahrungen und äußerst knapp kalkuliert.

Es sei in der Branche bekannt, dass die präsumtive Zuschlagsempfängerin und die zweitgereihte (nicht verlesene) Bieterin Bauunternehmen Ing. X GmbH in den wesentlichen Asphaltierungspositionen (Straßeninstandsetzungen,  Pos 18), den Rohrpositionen, insbesondere "Kanalrohre" (Pos 20) und "Pumpwerke inkl Edelstahlinstallation" (Pos 27) üblicherweise nicht günstiger kalkulieren können als die Antragstellerin. Da die Antragstellerin außerordentlich knapp kalkuliert habe, sei ein Unterschreiten des von der Antragstellerin angebotenen Preises in diesen Positionen nur durch Wegspekulieren einzelner Positionen oder/und durch nicht kaufmännische Kalkulation denkbar. Hier seien allenfalls Teile der Leistung "umgelegt" worden.

Es liege sohin nahe, dass die Auftraggeberin keine vertiefte Angebotsprüfung der Angebote durchgeführt habe, sondern hier allenfalls ein (lokales) Unternehmen zum Zuge kommen soll, obwohl im bezüglichen Angebot spekulative Positionen enthalten seien. Die Auftraggeberin wäre aber zu einer vertieften Angebotsprüfung aufgrund des ungewöhnlich niedrigen Preises und den vermutlich gegebenen Spekulationen in den einzelnen Positionen verpflichtet gewesen. Aufgrund der vertieften Angebotsprüfung hätte die Auftraggeberin sowohl das Angebot der erst- als auch zweitgereihten Bieterin mangels plausibler Zusammensetzung des Gesamtpreises aber auch infolge spekulativer Preisgestaltung auszuscheiden gehabt.

 

Zum Interesse und zum drohenden bzw eingetretenen Schaden führt die Antragstellerin aus, dass sie weiterhin ein großes wirtschaftliches und strategisches Interesse am ausgeschriebenen Projekt habe. Sollte ihr der Zuschlag nicht erteilt werden, drohe ein Schaden von ca. 35.885 Euro (entgangenen Auftrag sowie ein entgangener Gewinn von zumindest 5% der Netto-Angebotssumme), 12.600 Euro (Angebotserstellung), 3.000 Euro (Kosten für anwaltliche Vertretung) sowie der Verlust eines Referenzprojektes.

 

Die Antragstellerin erachte sich in ihren Rechten auf

-                    richtige Durchführung des Vergabeverfahrens gemäß den Bestimmungen des BVergG 2006

-                    sachlich nachvollziehbare Bestbieterermittlung und Bestbieter­entscheidung

-                    Ausscheiden von den Ausschreibungsbestimmungen widersprechenden Angeboten einschließlich Angeboten, deren Angebotspreis nicht angemessen ist und Angeboten, deren Bieter die Eignung fehlt

-                    Zuschlagserteilung an (sie als) den richtigen Bestbieter

 

verletzt.

 

Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung verweist die Antragstellerin zunächst auf die Ausführungen im Hauptantrag und führt weiters aus, dass im Bezug auf die Abwägung der Interessen gemäß § 29 Abs.1 BVergG 2006 die geforderte Interessensabwägung zugunsten der Antragstellerin ausfallen müsse. Ohne eine einstweilige Verfügung könnte die Auftraggeberin der präsumtiven Zuschlagsempfängerin, deren Angebot auszuscheiden und deren Angebot nicht Bestbieter sei, den Zuschlag erteilen. Nach Zuschlagserteilung könne die im vorliegenden Verfahren geltend gemachte Rechtswidrigkeit nur mehr zu Schadenersatzansprüchen führen, eine Zuschlagserteilung auf das Angebot der Antragstellerin wäre jedoch ausgeschlossen.

 

Das mit dieser einstweiligen Verfügung beantragte Verbot in der Form der Untersagung der Erteilung des Zuschlags sei gegenständlich das gelindeste Mittel, um das Interesse der Antragstellerin abzusichern. Die Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter liege im Interesse aller Beteiligten und auch im öffentlichen Interesse. Besondere Umstände an einer raschen Auftragserteilung seien in der Ausschreibung nicht erwähnt worden. Auch habe die Auftraggeberin bei der Wahl des Vergabeverfahrens die Mindestangebotsfrist aus Gründen der Dringlichkeit nicht verkürzt, sodass auch daraus kein besonderes öffentliches Interesse einer raschen Auftragserteilung erkannt werden könne. Zudem habe die Auftraggeberin bei der Erstellung des Zeitplans die Möglichkeit eines Nachprüfungsverfahrens und die damit einhergehende Verzögerung mit einzuberechnen.        

 

 2. Der Oö. Verwaltungssenat hat die Marktgemeinde X als Auftraggeberin am Nachprüfungs­verfahren beteiligt. Eine Stellungnahme zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung langte bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht ein.

 

3.  Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 1 Abs.1 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 (Oö. VergRSG 2006) regelt dieses Landesgesetz den Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Auftraggeber in Verfahren nach den bundesrechtlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesen (Vergabeverfahren), die gemäß Art.14b Abs.2 Z2 B-VG in den Vollzugsbereich des Landes fallen.

 

Gemäß Art.14b Abs.2 Z2 lit.a B-VG ist die Vollziehung Landessache hinsichtlich der Vergabe von Aufträgen durch die Gemeinde. Das gegenständliche Nach­prüfungsverfahren unterliegt daher den Bestimmungen des Oö. VergRSG 2006.

 

Gemäß § 2 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 obliegt dem Unabhängigen Verwaltungssenat die Gewährung von Rechtsschutz gemäß § 1 Abs.1 leg.cit.

 

3.2.  Gemäß § 2 Abs.3 Oö. VergRSG 2006 ist der Unabhängige Verwaltungssenat bis zur Zuschlagsentscheidung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen die bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens und die dazu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht zuständig zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen (§ 2 Z16 lit.a BVergG 2006) des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.

 

Der gegenständliche Antrag ist rechtzeitig und zulässig. Aufgrund der Höhe des Auftragswertes des ausgeschriebenen Bauauftrages sind die Bestimmungen für den Unterschwellenbereich anzuwenden.

 

3.3. Gemäß § 8 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 hat der Unabhängige Verwaltungssenat auf Antrag durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet scheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin zu beseitigen oder zu verhindern.

 

Gemäß § 11 Abs.1 leg.cit. hat der Unabhängige Verwaltungssenat vor Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin, der sonstigen Bewerber oder Bieter bzw. Bewerberinnen oder Bieterinnen und des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf ihre Erlassung abzuweisen.

 

Gemäß § 11 Abs.3 leg.cit. ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung über den Antrag auf Nichtigerklärung, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird, außer Kraft.

 

3.4.  Bereits zu der vorausgegangenen sinngemäßen Regelung des Bundes­vergabe­gesetzes 1997 führte Elsner, Vergaberecht (1999), auf Seite 86 aus: Die Entscheidung hängt von einer Abwägung der möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers und einem allfälligen besonderen öffentlichen Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens ab. Dabei muss es sich um ein "besonderes" öffentliches Interesse handeln. Es wird nämlich (hoffentlich) bei jeder öffentlichen Auftragsvergabe ein öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens und Vergabe eines Auftrages bestehen. Aber auch daran, dass Vergabeverfahren fehlerfrei ablaufen, besteht öffentliches Interesse. Eine Nichterlassung einstweiliger Verfügungen wird daher nur bei sonstiger Gefahr für Leib und Leben und besonderer Dringlichkeit zulässig sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn besondere Interessen der Daseinsvorsorge gefährdet würden.

 

Art.2 Abs.4 Satz 1 (entspricht nunmehr Art.2 Abs.5) der Rechtsmittelrichtlinie darf nicht fälschlicherweise so ausgelegt werden, dass der vorläufige Rechtsschutz regelmäßig leerläuft. Mit diesem Interesse ist nicht das bei jeder Auftragsvergabe bestehende öffentliche Interesse an der zügigen Abwicklung gemeint. Nach der Beschlusspraxis des EuGH kommt es in der Interessens­abwägung maßgeblich darauf an, wer durch sein Verhalten die besondere Dringlichkeit der Auftragsvergabe verursacht hat. Für die öffentlichen Auftraggeber ergibt sich daraus eine echte Obliegenheit zu rechtzeitig geplanten und durchgeführten Beschaffungsvorgängen. Das Rechtsschutzinteresse des diskriminierten Bieters kann insoweit nur vom vorrangigen Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter der Allgemeinheit zurückgedrängt werden (vgl. Schenk, Das neue Vergaberecht, 1. Auflage 2001, S. 172f).

 

Auch der Verfassungsgerichtshof hat insbesondere in seiner Entscheidung zu Zl. B 1369/01 vom 15.10.2001 ein öffentliches Interesse im Hinblick auf das Postulat effizienten Einsatzes öffentlicher Mittel in der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter gesehen, dem die Nachprüfung des Vergabe­verfahrens letztlich dienen soll.

 

3.5. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich beim gegenständlichen Vorhaben nicht um eine vordringliche Leistungserbringung handelt, kann daraus geschlossen werden, dass eine Gefährdung von Leib und Leben nicht aktuell ist. Auch trifft die Auftraggeberin im Hinblick auf die Rechtsnatur des Provisorialverfahrens und auf die allgemeine Mitwirkungspflicht der Parteien im Verwaltungsverfahren die Behauptungslast betreffend die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen. Die Auftraggeberin hat im Verfahren konkrete, mit der Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung drohende Nachteile nicht dargelegt, sodass davon auszugehen ist, dass die nachteiligen Folgen des vorläufigen Zuschlagsverbotes nicht überwiegen und daher dem Antrag stattzugeben ist (vgl. BVA 1.12.2000, N-56/00-9).

 

Die Antragstellerin hat denkmöglich ausgeführt, dass ihr durch die behauptete Rechtswidrigkeit der Entgang des Auftrages droht, sohin ein Schaden, der nur durch die vorläufige Untersagung der Zuschlagserteilung abgewendet werden kann. Abgesehen von dem vorausgesetzten öffentlichen Interesse an der Vergabe des gegenständlichen Auftrages ist aber ein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens weder durch die Auftraggeberin vorgebracht worden noch dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Kenntnis gelangt. Vielmehr ist bei der Interessens­abwägung iSd Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu berücksichtigen, dass die Auftraggeberin ein Interesse an einem rechtmäßigen Vergabeverfahren haben muss. Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Vergabe­kontrollinstanzen, dass ein öffentlicher Auftraggeber bei der Erstellung des Zeitplanes für eine Auftragsvergabe die Möglichkeit von Nachprüfungsverfahren und die damit einhergehende Verzögerung ins Kalkül zu ziehen hat, zu verweisen. Dass sich durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung eine Verzögerung der Bedarfsdeckung und ein organisatorischer und finanzieller Mehraufwand ergeben können, liegt in der Natur der Sache. Da - wie bereits erwähnt - kein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an einem möglichst raschen Vertragsabschluss geltend gemacht wurde und auch nicht auf der Hand liegt, war dem Antrag stattzugeben.

 

Die im Vorbringen der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten sind zumindest denkmöglich. Eine Überprüfung, ob die behaupteten Rechtswidrigkeiten auch tatsächlich vorliegen, war im Rahmen des Provisorialverfahrens nicht durchzuführen.

 

Die Dauer der Aussetzung der Zuschlagserteilung ergibt sich aus § 11 Abs.3 Oö. VergRSG 2006 iVm § 20 Abs.1 Oö. VergRSG 2006.

Gemäß § 20 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 ist über Anträge auf Nichtigerklärung von Entscheidungen eines Auftraggebers bzw. eine Auftraggeberin unverzüglich, spätestens aber zwei Monate nach Einlangen des Antrages zu entscheiden.

 

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass für den Unabhängigen Verwaltungssenat somit die Möglichkeit besteht, die Aussetzung der Zuschlags­erteilung für zwei Monate, auszusprechen.

 

Die einstweilige Verfügung ist gemäß § 11 Abs.4 Oö. VergRSG 2006 sofort vollstreckbar.

 

4. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von 13,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

  

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

Dr. Leopold Wimmer 

 

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum