Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-150769/2/Lg/Hue/Ba

Linz, 13.04.2010

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Ewald Langeder über die Be­rufung des x, x., x, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Braunau/I. vom 1. Februar 2010, Zl. BauR96-1-2010, wegen einer Übertretung des Bundesstraßen-Mautgesetzes 2002 zu Recht erkannt:

I.                  Die (Straf-)Berufung wird dem Grunde nach abgewiesen. Die Ersatzfreiheitsstrafe wird auf 34 Stunden herabgesetzt.

II.              Ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat ist nicht zu leisten.  

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 16 Abs. 2, 19, 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Strafverfügung vom 21. April 2009, Zl. VerkR96-3770-2009, wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 300 Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von 168 Stunden verhängt, weil er als Lenker des Kfz (Motorrad) mit dem amtlichen Kennzeichen x am 4. April 2009, 15.20 Uhr, die mautpflichtige A1 bei km 206.900 (Anhaltung bei der Autobahnabfahrt Vorchdorf, Rampe 1, StrKm 0.460) benützt habe, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, obwohl die Benützung von Mautstrecken mit einspurigen Kraftfahrzeugen und mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt, der zeitabhängigen Maut unterliege, welche vor der Benützung von Mautstrecken durch Anbringen einer Mautvignette am Fahrzeug zu entrichten sei. Am Kfz sei keine Mautvignette angebracht gewesen.

 

Der Einspruch gegen die Strafhöhe der vorgenannten Strafverfügung wurde mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Braunau/I. vom 1. Februar 2010, Zl. BauR96-1-2010, abgewiesen und gem. § 64 VStG zusätzliche Verfahrenskosten von 30 Euro vorgeschrieben.

 

Begründend führt die belangte Behörde aus, dass die gegenständliche Verwaltungsübertretung vom Gesetzgeber offensichtlich nicht von vornherein als geringfügig angesehen werde, zumal bereits in der Strafbestimmung eine Mindestgeldstrafe von 300 Euro vorgesehen sei. Der Bw bringe in seinem Einspruch als Milderungsgrund vor, dass seine (jetzige) Gattin an Blasenschwäche leide. Ohne dies tatsächlich zu überprüfen sei festzuhalten, dass die Gattin des Bw selbst mit einem Motorrad unterwegs gewesen sei und keinesfalls eine Begleitung zum nächsten WC durch den Bw erforderlich gewesen sei. Der Bw hätte ohne Weiteres auf der Bundesstraße auf die Rückkunft der Gattin von der Raststätte warten können. Die Blasenschwäche der Gattin des Bw stelle keineswegs einen Milderungsgrund dar, weshalb auch nicht § 20 VStG herangezogen werden könne.

 

2. In der Berufung berief sich der Bw auf § 20 VStG (ao. Milderungsrecht), "bat" um "besondere Milderungsgründe" und beantragte die Herabsetzung der Strafe. Der Bw wolle sich nicht vor der Strafe "drücken" und sehe ein, dass ohne Maut keine Autobahnerhaltung möglich sei. Deshalb klebe der Bw seit Einführung der Mautpflicht eine Jahresvignette auf seinen PKW. Er habe lediglich ca. 10 km ohne Vignette eine Autobahn benützt. Der Bw sei einsichtig und habe die Ersatzmaut von 65 Euro vor Ort zahlen wollen. Da er aber nicht so viel Bargeld bei sich geführt hätte, habe er dem Kontrollorgan angeboten, den entsprechenden Geldbetrag von den etwa 25 km entfernt wohnenden Eltern besorgen und die Ersatzmaut innerhalb einer Stunde auf dem Polizeiposten bezahlen zu wollen. Auf diesen Vorschlag sei jedoch nicht eingegangen worden. Es sei das erste Mautvergehen des Bw gewesen und er werde künftig keine Autobahn mehr ohne gültige Vignette mehr befahren.

 

3. Aus dem Akt ist ersichtlich:

 

Dem Akt liegt eine Anzeige der Autobahnpolizeiinspektion Seewalchen/Attersee vom 16. April 2009 zugrunde. Die Lenkeranzeige enthält den gegenständlichen Tatvorwurf. Demnach sei am Kfz keine gültige Mautvignette angebracht gewesen. Gem. § 19 Abs. 2 BStMG sei dem Lenker eine Ersatzmaut angeboten, diesem Angebot jedoch mit der Begründung "Ich habe nicht genug Geld mit, um es gleich zu bezahlen" nicht entsprochen worden.

 

Nach Strafverfügung vom 21. April 2009 brachte der Bw vor, dass er mit seiner jetzigen Gattin am Tattag mit dem Motorrad unterwegs gewesen sei. Bei einer Rauchpause kurz vor der Autobahnauffahrt Regau habe sie dem Bw mitgeteilt, dass sie aufgrund ihrer Blasenschwäche eine Toilette aufsuchen müsse. Deshalb hätten sie sich entschlossen, dafür eine kurze Strecke auf der A1 in Fahrtrichtung Wien zur Autobahnraststätte Lindach zurückzulegen. An eine Vignette sei zu diesem Zeitpunkt nicht gedacht worden. An der Anschlussstelle Vorchdorf, wo der Bw und seine Gattin die Autobahn wieder verlassen habe wollen, sei sie in eine Polizeikontrolle geraten. Zur Bezahlung der angebotenen Ersatzmaut von 65 Euro habe das mitgeführte Bargeld nicht ausgereicht. Auf den Vorschlag des Bw, als Pfand seine Armbanduhr zu hinterlegen, die Ersatzmaut mittels Erlagschein oder das Geld zu einem späteren Zeitpunkt zu begleichen sei der Beamte mit den Worten "Entweda zoin sie´s jetzt glei oder mir machan a Anzeige dann wird´s aba a wengal teira" nicht eingegangen. Darüber, dass sich damit der zu bezahlende Betrag von 65 Euro auf 300 Euro fast verfünffachen würde, sei der Bw im Unklaren gelassen worden. Bei der digitalen Überwachung fehlender Vignetten auf der A1 im Raum Linz würde Vignettensündern eine Strafverfügung in Höhe der Ersatzmaut zugestellt. Aus diesem Grund wird eine Minderung des Strafbetrages auf die Höhe der Ersatzmaut über 65 Euro beantragt.

 

Der Akt schließt mit dem angefochtenen Bescheid und der daraufhin eingebrachten Berufung.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:

 

4.1. Gemäß § 10 Abs. 1 BStMG unterliegt die Benützung von Mautstrecken mit einspurigen Kraftfahrzeugen und mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 t beträgt, der zeitabhängigen Maut.

 

Gemäß § 11 Abs. 1 BStMG ist die zeitabhängige Maut vor der Benützung von Mautstrecken durch Anbringen einer Mautvignette am Fahrzeug zu entrichten.

 

Gemäß § 20 Abs. 1 BStMG ("Mautprellerei") begehen Kraftfahrzeuglenker, die Mautstrecken benützen, ohne die nach § 10 geschuldete zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, eine Verwaltungsübertretung und sind mit Geldstrafe von 300 Euro bis 3.000 Euro zu bestrafen.

 

§ 19 BStMG ("Ersatzmaut") bestimmt, dass in der Mautordnung für den Fall der nicht ordnungsgemäßen Entrichtung der Maut eine Ersatzmaut festzusetzen ist, die den Betrag von 250 Euro einschließlich Umsatzsteuer nicht übersteigen darf (Abs. 1).

Die Mautaufsichtsorgane sind ermächtigt, anlässlich der Betretung bei Verwaltungsübertretungen gem. § 20 mündlich den Lenker zur Zahlung einer Ersatzmaut aufzufordern. Die Organe der Straßenaufsicht sind ermächtigt, anlässlich der Betretung bei Verwaltungsübertretungen gem. § 20 Abs. 1 den Lenker mündlich zur Zahlung einer Ersatzmaut aufzufordern. Der Aufforderung wird entsprochen, wenn der Lenker unverzüglich die entsprechende Ersatzmaut zahlt. Hierüber ist eine Bescheinung auszustellen (Abs. 2).

Subjektive Rechte des Lenkers und des Zulassungsbesitzers auf mündliche oder schriftliche Aufforderungen zur Zahlung einer Ersatzmaut bestehen nicht (Abs.6).

 

4.2. Unbestritten ist, dass der Bw der Lenker war und auf dem Motorrad zum Zeitpunkt der Kontrolle – mithin zur vorgeworfenen Tatzeit – keine gültige Mautvignette aufgeklebt war. Die Verwirklichung des gegenständlichen Delikts durch den Bw ist bereits seit dem Zeitpunkt des Einspruchs gegen die Strafverfügung unbestritten, weshalb ein Einspruch lediglich gegen die Strafhöhe erhoben wurde und der Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen ist. Demzufolge richtet sich die gegenständliche Berufung lediglich gegen die Strafhöhe.

 

Der Bw vermeint, im Falle der – allerdings hier nicht gegenständlichen – auto­matisierten digitalen Vignettenüberwachung werde eine "Strafverfügung" in Höhe der Ersatzmaut verhängt. Dieser Behauptung ist zu erwidern, dass es sich in der vorgenannten Konstellation um ein schriftliches Ersatzmautangebot iSd § 19 Abs. 4 BStMG handelt, in welchem eine gesetzliche Zahlungsfrist von vier Wochen vorgesehen ist. Bei einem Ersatzmautangebot handelt und es sich nicht um einen behördlichen Akt (Strafe) sondern um ein "Vergleichsangebot" der ASFINAG. Erst bei Nichteinhaltung der im BStMG näher definierten Bedingungen zur Bezahlung der Ersatzmaut kommt es zu einer Anzeige, zu einem behördlichen Strafverfahren, in der in § 20 BStMG eine Mindeststrafe von 300 Euro vorgesehen ist, und in der Folge gegebenenfalls zu Strafbescheiden (Strafverfügung).

Wenn der Bw vorbringt, er habe dem Kontrollorgan angeboten, die Ersatzmaut mangels mitgeführtem Bargeld zu einem späteren Zeitpunkt entrichten zu wollen, ist auf § 19 Abs. 2 BStMG hinzuweisen, welcher bei einem mündlichen Ersatzmautangebot ausdrücklich auf eine unverzügliche Begleichung abzielt, somit eine spätere Bezahlung gesetzlich nicht vorgesehen ist und eine nicht unverzügliche Begleichung – aus welchen Gründen auch immer – faktisch dem Ausschlagen des Angebotes gleichkommt, weshalb in Folge Anzeige zu erstatten war. Zusätzlich ist in diesem Zusammenhang noch darauf hinzuweisen, dass subjektive Rechte des Lenkers und des Zulassungsbesitzers auf mündliche oder schriftliche Aufforderungen zur Zahlung einer Ersatzmaut nicht bestehen (§ 19 Abs. 6 BStMG).

 

Wenn der Bw mit seinem Vorbringen, seine Gattin hätte wegen einer Blasenschwäche dringend eine Toilette aufsuchen müssen, auf den Strafausschließungsgrund eines Notstandes (§ 6 VStG und § 10 StGB) anspielen sollte, ist darauf hinzuweisen, dass gegenständlich die Voraussetzungen eines Notstandes nicht vorliegen: Unter Notstand kann lt. einschlägiger Judikatur nur ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten verstanden werden, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, dass er eine im allgemeinen strafbare Handlung begeht; es muss sich um eine unmittelbar drohende Gefahr für das Leben, die Freiheit oder das Vermögen handeln (vgl. u.a. VwGH 87/03/0112 v. 27.5.1987 und 91/19/0328 v. 17.2.1992). Derartiges liegt im gegebenen Zusammenhang jedoch keineswegs vor.

Zur Bemessung der Strafhöhe ist zu bemerken, dass im angefochtenen Bescheid ohnehin die gesetzliche Mindestgeldstrafe verhängt wurde, weshalb die konkreten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Bw unerheblich sind. Mildernd wirkt lediglich das Tatsachengeständnis, das aber im Hinblick auf die Beweislage nicht allzu stark ins Gewicht fällt. Aus diesem Grund erscheint die Verhängung der Mindeststrafe angemessen.

Überwiegende Milderungsgründe iSd § 20 VStG sind nicht ersichtlich, zumal – wie der Titel dieser Bestimmung schon sagt – es sich um eine "außerordentliche" Milderung der Strafe handelt. Eine solche "außerordentliche" Milderung ist aber im gegenständlichen Fall nicht gerechtfertigt, da Gründe behauptet werden, die sich geradezu regelmäßig geltend machen lassen ("habe auf einem anderen Kfz die Vignette geklebt", "an eine Autobahnvignette haben wir zu diesem Zeitpunkt nicht gedacht", "habe nur eine kurze Mautstrecke befahren" etc.), sodass in solchen Fällen bei Anwendung des § 20 VStG die gesetzliche Mindeststrafe in der Praxis unterlaufen würde. Die vom Bw geltend gemachten Gründe fallen insgesamt nicht so ins Gewicht, dass von einem Überwiegen von Milderungsgründen iSd § 20 VStG gesprochen werden könnte. Die fahrlässige Tatbegehung stellt eine gewöhnliche und ausreichende Schuldform dar (§ 5 Abs. 1 VStG). Inwiefern die Ankündigung des Bw, künftig keine Mautstrecke ohne vorheriger Mautentrichtung befahren zu wollen, mildernd zum Tragen kommen könnte, ist nicht ersichtlich. Das Wohlverhalten vor der Tat ist zwar lobenswert, jedoch nicht bedeutsam, dass, auch in Verbindung mit den sonstigen Umständen, eine Anwendung des § 20 VStG denkbar wäre.

Die Tat bleibt auch nicht so weit hinter dem deliktstypischen Unrechts- und Schuldgehalt zurück, dass eine Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG (Absehen von der Strafe) gerechtfertigt wäre, da die (kumulativen) Voraussetzungen (Unbedeutendheit der Tatfolgen, Geringfügigkeit des Verschuldens) dafür nicht gegeben sind. Hinsichtlich des Verschuldens ist – im Zweifel – zugunsten des Bw davon auszugehen, dass ihm bei Befahren einer Mautstrecke das Fehlen einer gültigen Vignette entgangen war. Dies führt dazu, dass das Verhalten des Bw als fahrlässig einzustufen ist. Dieser Verschuldensgrad ist jedoch durchaus deliktstypisch und rechtfertigt die Anwendung des § 21 VStG keineswegs. Bei Anwendung derselben Strafbemessungsgründe war die Ersatzfreiheitsstrafe entsprechend herab zu setzen. Dadurch entfällt die Vorschreibung der Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Ewald Langeder

 

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