Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-164920/7/Br/Th

Linz, 12.04.2010

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Frau X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn, vom 01. Dezember 2009, Zl. VerkR96-7427-2009, nach der am 9. April 2010 im Rahmen eines Ortsaugenscheins durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

 

 

I.   Das angefochtene Straferkenntnis wird mit der Maßgabe bestätigt, als der Spruch durch Einfügung des Halbsatzes nach der Wortfolge
….."gefährdet wurde", …. "indem die Überholsichtweite für ein gefahrloses Überholen nicht ausreichte.", zu ergänzen ist.

 

II. Zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten werden dem Berufungswerber als Kosten für das Berufungsverfahren € 16,-- auferlegt (20% der verhängten Geldstrafe).

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.:   § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert          durch BGBl. I Nr. 20/2010 – AVG iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1         Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 20/2010 –            VStG.

Zu II.:  § 64 Abs.1 u. 2VStG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Über die Berufungswerberin wurde mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn gemäß § 16 Abs.2 lit.b iVm § 99 Abs.3 lit. a StVO 1960, Geldstrafen von 80 Euro und  für den Fall der Uneinbringlichkeit 36  Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil sie als Lenkerin des Pkw mit dem Kennzeichen X, PKW, TOYOTA Yaris, blau, am 03.07.2009, um 16:30 Uhr auf der B 156, Gemeinde Handenberg, Lamprechtshausener Landesstraße, bei km 46.900, Fahrtrichtung Eggelsberg vor einer unübersichtlichen Stelle (Kurve) ein Fahrzeug überholt habe.

 

1.1. In der Begründung des Straferkenntnisses hat die Behörde erster Instanz erwogen:

Gegen die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 20.8.2009, Zahl VerkR96-7427-2009, erhoben Sie innerhalb offener Frist Einspruch und begründeten diesen im wesentlichen, dass Sie sicher sind, dass Sie rechtzeitig vor der unübersichtlichen Stelle wieder auf Ihrer Seite gewesen sind.

 

Nach einem Einspruch gegen eine Strafverfügung tritt diese außer Kraft und ist das Ermittlungsverfahren einzuleiten, welches, wenn die Tat erwiesen ist, mit der Erlassung eines Straferkenntnisses abzuschließen ist.

 

Im Zuge des durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein Sachverständigengutachten erstellt. Aus dem Gutachten vom 29.9.2009, geht im wesentlichen hervor, dass

 

Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 28.10.2009, welches am 13.11.2009 nachweislich zugestellt wurde, wurde Ihnen der Akteninhalt zur Kenntnis gebracht und wurden Sie aufgefordert, sich binnen 14 Tagen, ab Zustellung zu rechtfertigen.

 

Die Tatsache, dass Sie der Aufforderung vom 28.10.2009, bis zur Erlassung des ggst. Straferkenntnisses keine Folge geleistet haben, wertet die Behörde gemäß § 45 Abs. 2 AVG (§ 24 VStG) als Beweis dafür, dass Sie den zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen nichts entgegenzuhalten haben und war so hin aufgrund der Aktenlage zu entscheiden.

 

Gemäß § 16 Abs. 2 lit. b StVO darf der Lenker eines Fahrzeuges bei ungenügender Sicht und auf unübersichtlichen Straßenstellen, z.B. vor und in unübersichtlichen Kurven und vor Fahrbahnkuppen nicht überholen; es darf jedoch überholt werden, wenn die Fahrbahn durch eine Sperrlinie (§ 55 Abs. 2) geteilt ist und diese Linie vom überholenden Fahrzeug nicht überragt wird.

 

Aus der Aktenlage ergibt sich, dass Sie die Ihnen im Spruch zur Last gelegte Verwaltungsübertretung zu verantworten haben.

 

Unter Bedachtnahme auf § 19 VStG, wonach Grundlage für die Strafbemessung unter anderem die Gefährdung derjenigen Interessen ist, deren Schutz die Strafdrohung dient und auf das Ausmaß des Verschuldens besonders Bedacht zu nehmen ist, war spruchgemäß zu entscheiden.

 

Da Sie Ihre Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse trotz Aufforderung vom 28.10.2009 nicht bekannt gegeben haben, wurde bei der Bemessung der Strafe von der Ihnen mitgeteilten Schätzung (ca. 800 Euro, kein Vermögen, Sorgepflichten) ausgegangen.

Beim vorgegebenen Strafrahmen – bei § 99 Abs. 3 lit. a StVO bis zu 726 Euro – ist die verhängte Strafe auch dem Unrechtsgehalt der Tat angepasst und schuldangemessen.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

1.2. Mit diesen Ausführungen ist die Behörde erster Instanz im Recht!

 

2. Die Berufungswerberin wendet sich dagegen mit ihrer dagegen als fristgerecht erhobenen Berufung. Darin führt er lapidar aus, "nach wie vor der Überzeugung zu sein, dass es sich um eine langsames Fahrzeug und eine längere Sichtstrecke gehandelt habe.

 

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Verlesung des erstbehördlichen Verfahrensaktes im Rahmen der unter Abhaltung eines Ortsaugenscheins durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung. In Vorbereitung der Berufungsverhandlung wurde ein Luftbild aus dem digitalen Rauminformationssystem mit der Straßenkilometrierung beigeschafft. Die Berufungswerberin nahm an der Berufungsverhandlung ohne Angaben von Gründen nicht teil, ließ sich auch nicht vertreten und reagierte insbesondere auch auf die bereits am 22.3.2010 übersandte und von ihr offenbar persönlich am 30.4.2010 (irrtümlich am Rückschein vermerkt: 31.04.2010) übernommene Ladung nicht.

Eine Vertreterin der Behörde erster Instanz nahm an der  Berufungsverhandlung teil. Als Zeugen wurde vor Ort einvernommen der Meldungsleger Insp. X.

 

3.1. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der  Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer Berufungsver­handlung war hier trotz einer 500 Euro nicht übersteigenden Geldstrafe in Wahrung der durch Art. 6 EMRK zu garantierenden Rechte geboten.

 

4. Folgender Sachverhalt ist als erwiesen anzusehen:

Die Berufungswerberin war am 3.7.2009 um 16:30 Uhr mit ihrem Pkw auf der B 156 in Richtung Salzburg unterwegs. Im Bereich des Strkm 46,900 überholte sie einen mit vielleicht 60 km/h fahrenden Pkw, obwohl dort die Sicht in den Gegenverkehr nur etwas mehr als 140 m betrug. Etwa 100 m vor der Kreuzung in Richtung Schwand befand sie sich mit ihrem Fahrzeug im Zuge des Überholvorganges zur Gänze auf der linken Fahrbahn, als sich bereits ein entgegenkommendes Fahrzeug unmittelbar vor dem Kreuzungsbereich befand und noch knapp vor der Berufungswerberin nach links abbiegen konnte.

Dies wurde vom Meldungslegers als  Lenker eines Polizeifahrzeuges wahrgenommen, welches unmittelbar hinter dem nach links abbiegenden, Fahrzeug fuhr, wobei durch das von der Berufungswerberin ausgeführte Überholmanöver selbst das Polizeifahrzeug noch zum Bremens veranlasst wurde.

Im Rahmen des Ortsaugenscheins wurde das Fahrverhalten vom Meldungsleger vor Ort dargelegt, wobei sich diese Darstellung vor Ort  schlüssig und zweifelsfrei auch mit den Feststellungen des Sachverständigen nachvollziehen ließ.

 

Aus dem vom Amtssachverständigen X in Fahrtrichtung der Berufungswerberin aufgenom-menen Foto, als auch dem beigeschafften Luftbild, lässt sich insbesondere die Unübersichtlichkeit der B 156 im Zuge der Annäherung an die Kreuzung in Richtung Schwand deutlich erkennen. Nicht zu zweifeln ist daher an dessen Schlussfolgerung, wonach es für ein sicheres Überholen einer Überholsichtweite von zumindest 178 m bedurft hätte.

Demnach ist die Gefährdung des Gegenverkehrs geradezu evident und war es letztlich dessen Linkssabiegen zu danken, dass eine allfällige Kollision oder auch nur eine Streifung des Gegenverkehrs unterblieben ist.

Die Berufungswerberin tritt dieser Schlussfolgerung abermals auch im Berufungsverfahren in keiner wie immer gearteten Weise auf der Sachebene entgegen und blieb letztlich auch der Verhandlung fern, wenngleich sie zu diesem Zeitpunkt wegen eines angeblichen, jedoch unbelegt gebliebenen Auslandsaufenthaltes zumindest für ihre Vertretung Sorge tragen hätte können.

 

5. Rechtlich hat der Unabhängige Verwaltunssenat erwogen:

Nach § 16 Abs.2 lit.b StVO darf u. a. ein Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen, bei ungenügender Sicht und auf unübersichtlichen Straßenstellen, z. B., vor und in unübersichtlichen Kurven und vor Fahrbahnkuppen; es darf jedoch überholt werden, wenn die Fahrbahn durch eine Sperrlinie (§ 55 Abs. 2) geteilt ist und diese Linie vom überholenden Fahrzeug nicht überragt wird,.....

 

Die Lenkerin eines Fahrzeuges darf demnach grundsätzlich nur dann überholen, wenn sie in der Lage ist, die Überholstrecke zu überblicken und sich von der Möglichkeit eines gefahrlosen Überholens zu überzeugen. Sie hat den Versuch eines Überholmanövers abzubrechen und sich wieder hinter das vor ihr fahrende Fahrzeug einzuordnen, sobald sie auf der Überholstrecke ein Hindernis oder sonst die Möglichkeit einer Gefährdung erkennt (OGH 16. 1. 1964, 11 Os 212/63, ZVR 1965/1; VwGH 22. 11. 1976, 645/76).

Unter dem Gesichtspunkt des Gegenverkehrs ist ein Überholen nicht schlechthin, sondern nur dann verboten, wenn andere Straßenbenützer, insb entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden können (vgl. OGH 19. 3. 1964, 11 Os 1/64, KJ 1964, 76).

Eine Behinderung liegt bereits vor, wenn ein entgegenkommender Fahrzeuglenker zum Bremsen oder Ablenken genötigt wird (vgl. OGH 3. 5. 1966, 11 Os 12/66, ZVR 1967/58).

Das Überholen ist daher schon dann zu unterlassen, wenn die Möglichkeit einer Gefährdung oder Behinderung eines anderen Verkehrsteilnehmers gegeben ist (OGH 5. 2. 1970, 11 Os 133/69, ZVR 1970/243).

Ein Überholen bei Gegenverkehr an einer unübersichtlichen Stelle mit einer geringen Geschwindigkeit, wobei die Fahrbahnmitte überfahren wird, ist mit einer Gefährdung entgegen kommender Straßenbenützer verbunden, und damit wäre zusätzlich auch der Tatbestand der lit a erfüllt (VwGH 25. 3. 1976, 556/75).

Vor diesem Hintergrund ist dieser Überholvorgang als schwerwiegender Regelvestoß zu qualifizieren, weil zuletzt nur durch das gerade noch rechtzeitige Ausweichen nach links (das Linksabbiegen in Richtung Schwand) bzw. durch das Abbremsen des Polizeifahrzeuges ein Unfall in Form einer frontalen oder seitlichen Kollision vermieden werden konnte.

 

5.2. Die Abänderung des Spruches erwies sich im Sinne des § 44a Z1 VStG mit Blick auf die Erfassung des wesntilchen Tatbestandsmerkmal der Überholsichtweite, als geboten (vgl. VwGH 5.12.1983, 82/10/0125).

 

6. Zur Strafzumessung:

Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

 

6.1. Insbesondere angesichts des mit diesem als leichtfertig bis rücksichtslos zu bezeichnenden Überholentschlusses wurde ein hohes abstraktes Gefährdungspotenzial für andere Verkehrsteilnehmer geschaffen.

Daher kann trotz des von der Behörde erster Instanz geschätzten unterdurchschnittlichen Einkommens von nur 800 Euro ein Ermessensfehler in der hier mit nur 80 Euro bemessenen Geldstrafe nicht erblickt werden. Da jedoch bereits mit der standartisierten Strafverfügung vom 20.8.2009 dieser Strafbetrag festgelegt wurde war es bereits der Behörde erster Instanz gemäß § 49 Abs.2 VStG letzter Satz, verwehrt im Rahmen des ordentlichen Verfahrens und auch der Berufungsbehörde mit Blick auf das Verschlechterungsverbot verwehrt die Geldstrafe dem Tatunwert entsprechend höher zu bemessen. Es wäre demnach zweckmäßig in solchen Fällen durch sofortige Einleitung des ordentlichen Verwaltungsstrafverfahrens die Basis für den Ausspruch einer tatschuldangemessenen Bestrafung zu schaffen. In diesem Zusammenhang ist auf die Problematik der standartisierten Abläufe hinzuweisen, welche etwa für Geschwindigkeitsüberschreitungen – ungeachtet ob es dadurch zu einer Gefährdung gekommen ist – unverhältnismäßig höhere pauschalierte Geldstrafen verhängt werden.

Die Fahrerlaubnisbehörde bzw. das Führerscheinzentralregister in X sollte über diesen Sachausgang in Kenntnis gesetzt werden.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt ode reiner Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. B l e i e r

 

 

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