Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-164789/10/Bi/Th

Linz, 05.05.2010

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn X, vertreten durch Herrn RA Mag. X, vom 9. Februar 2010 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptfrau von Rohrbach vom 27. Jänner 2010, VerkR96-2452-2009-Hof, wegen Übertretungen der StVO 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 15. April 2010 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

 

    Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis zur Gänze behoben und das Verwaltungsstrafverfahren diesbezüglich ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen eingestellt.

   

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 45 Abs.1 Z1 und 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurden über den Beschuldigten wegen Verwaltungsübertretungen gemäß 1) §§ 16 Abs.2 lit.b iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 und 2) §§ 16 Abs.1 lit.a iVm 99 Abs. 3 lit.a StVO 1906 Geldstrafen von 1) und 2) je 100 Euro (je 36 Stunden EFS) verhängt, weil er am
8. September 2009 um 13.48 Uhr in der Gemeinde Feldkirchen an der Donau auf der B127 bei km 19.8 im sog. "Saurüssel", als Lenker des Pkw X a) vor einer unübersichtlichen Stelle (nicht einsehbaren Rechtskurve) ein Fahrzeug überholt habe und b) ein Fahrzeug überholt habe, wodurch andere Straßenbenützer behindert worden seien. 

Gleichzeitig wurden ihm Verfahrenskostenbeiträge von gesamt 20 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 15. April 2010 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Bw und seines Rechtsvertreters RA Mag. X, der Vertreterin der Erstinstanz Frau X, des Meldungslegers BI X (Ml) und des kfztechnischen Amtssachverständigen Dipl.HTL-Ing. X durchgeführt. Auf die mündliche Verkündung der Berufungsentscheidung wurde verzichtet. 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, er habe am Vorfallstag mehrere Arzttermine in Linz wahrzunehmen gehabt. Der Termin beim Augenarzt habe bis 13.30 Uhr gedauert; er sei danach zu seinem in der Harrachstraße geparkten Fahrzeug gegangen und in die Gruberstraße zum Bundessozialamt gefahren, wo er eine ärztliche Bestätigung abgegeben habe. Erst danach habe er die Fahrt nach Hause angetreten. Um 13.48 Uhr, zur in der Strafverfügung genannten Tatzeit, habe er sich definitiv im Stadtgebiet von Linz aufgehalten und nicht auf der B127 im Saurüssel. Er habe vor der Erstinstanz bereits die Einladung des Bundessozialamtes vom 30.7.2009 und die ärztliche Bestätigung Dris X vom 8.9.2009 vorgelegt.

Die Beobachtungen des Ml könnten sich daher nicht auf ihn beziehen, zumal der Überholvorgang allenfalls zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt sei. Der Ml habe die Wahrnehmung im Begegnungsverkehr gemacht aus einer Position, in der ihm metergenaue Angaben unmöglich gewesen seien, andernfalls hätte er sich nicht auf das Lenken seines Fahrzeuges konzentrieren können. Die Beweiswürdigung der Erstinstanz, die auf seine Urkunden nicht eingegangen sei, sei für ihn nicht nachvollziehbar. Der Ml nehme eine Art "Unfehlbarkeit" für sich in Anspruch; bedenke aber nicht, dass auch einem Verkehrsüberwachungsorgan ein Fehler unterlaufen könne. Die Strafe sei in jedem Fall überhöht, zumal er nur 30 Stunden beschäftigt sei und Schulden habe. Die Geldstrafen erfassten nahezu 1/3 seines Monatseinkommens. Beantragt wird Verfahrenseinstellung, allenfalls eine Ermahnung, jedenfalls eine deutliche Strafherabsetzung. 

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung bei km 19.8 der B127, bei der beide Parteien gehört, der Ml unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht gemäß § 289 StGB zeugen­schaftlich befragt und zur Frage der Nachvollziehbarkeit ein kfztech­ni­sches SV-Gutachten eingeholt wurde.

 

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Der Ml fuhr am Dienstag, dem 8. September 2009, gegen 13.50 Uhr mit seinem Privat-Pkw auf der B127 in Richtung Ottensheim, um dort zum Dienstbeginn bei der PI Ottensheim um 14.00 Uhr pünktlich zu erscheinen.

Nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens fuhr der Ml auf der B127 auf der leicht bergab führenden Strecke im Bereich von etwa km 19.8 auf eine unüber­sichtliche – links befindet sich eine bewachsene Böschung – Kurve zu, wobei er eine Geschwindigkeit von ca 70 bis 80 km/h einhielt. Er bemerkte, dass ihm etwa am Kurvenscheitelpunkt bergauf ein überholender Pkw auf seiner Fahrbahnseite entgegenkam und bremste den Pkw ab, sodass es dem überholenden Gegen­verkehr gelang, sich vor dem überholten Fahrzeug rechts einzuordnen, wobei  nach dem Eindruck des Ml auch der überholte Pkw abgebremst wurde, um das rechtzeitige Wiedereinordnen zu ermöglichen. Der Ml gab an, er könne nicht sagen, dass sich das Wiedereinordnen leicht ausgegangen wäre. Bereits bei seiner Zeugenaussage vor der Erstinstanz am 13.11.2009 hat der Ml Fotos vorgelegt, zum einen aus seiner damaligen Position bei Erkennen des Gegen­verkehrs vor der Kurve, zum anderen vom Kurvenverlauf aus der Gegenrichtung gesehen.

Der Ml bestätigte in der Verhandlung, es habe sich um einen schwarzen Pkw mit dem Kennzeichen X gehandelt; bei der Marke sei er nicht 100%ig sicher gewesen. Bei der dann im Dienst gemachten Zulassungsanfrage habe sich ergeben, dass es sich um einen Toyota RAV4 gehandelt habe. Der Ml wurde zum Kennzeichen und seinen Wahrnehmungen dazu ausdrücklich befragt, weil der Bw geltend gemacht hatte, es gebe ein ebenfalls schwarzes Fahrzeug, vermutlich einen Mercedes, mit dem Kennzeichen X, mit dem sein Fahrzeug verwechselt worden sein könnte. Der Ml schloss dezidiert aus, sich beim Ablesen des Kennzeichens geirrt zu haben, auch wenn er durch das knappe Wiedereinordnen nur einen Moment Zeit gehabt habe, das Kennzeichen zu registrieren; als Polizist konzentriere man sich einfach auf Kennzeichen.

 

Der Bw hat in der Berufungsverhandlung zusätzlich zu seiner bereits im erst­instanzlichen Verfahren vorgelegten Einladung des Bundessozialamtes, Linz, vom 30.7.2009 zu einem Termin bei Dr. X im Gebäude des Bundes­sozialamtes am 8.9.2009 um 10.40 Uhr und zu einem Termin bei Dr. X, X, am 8.9.2009 um 13.00 Uhr sowie zur Anwesenheits-Bestätigung Dris X vom 8.9.2009 für den Zeitraum 13.00 bis 13.30 Uhr eine weitere undatierte Bestätigung des Bundessozialamtes vorgelegt, wonach er am 8.9.2009 von 13.45 bis 14.15 Uhr "im Rahmen einer ärztlichen Untersuchung im Bundessozialamt Landesstelle Oberösterreich anwesend" gewesen sei. Darauf stützt der Bw auch seine seiner eigenen Lenkerauskunft vom 18.9.2009 widersprechende Verant­wortung, er habe sich samt dem Pkw zur Vorfallszeit am 8.9.2009, 13.48 Uhr, in Linz befunden. In der Verhandlung hat er bestätigt, er habe damals die bei Dr X erhaltene Bestätigung beim Bundessozialamt abgeben müssen und zwar nicht an derselben Stelle wie bei seinem Termin am Vormittag, sondern "ganz wo anders". Bei der Lenkerauskunft habe er schon beim Datum zu lesen aufgehört und deshalb die auf konkret 13.48 Uhr des 8.9.2009 gerichtete Lenkeranfrage damit beantwortet, er sei der Lenker zu dieser Zeit gewesen.

 

Seitens des Unabhängigen Verwaltungssenates wurde an die Erstinstanz eine Anfrage bezüglich eines vom Bw angeführten schwarzen Pkw, vermutlich Mercedes, mit dem Kennzeichen X gerichtet. Es stellte sich heraus, dass es einen derartigen schwarzen Pkw in der Zulassungsevidenz der Erstinstanz tatsächlich gibt.

 

Der Bw hat seine eigene Lenkerauskunft vom 18.9.2009 in der Berufungsver­handlung damit relativiert, er habe schon beim in der Lenkeranfrage genannten Datum zu lesen aufgehört. Dass jemand anderer als er selbst den Pkw X zur Vorfallszeit gelenkt haben könnte, hat er nie behauptet. Nach seinen nunmehr vorgelegten Unterlagen wäre nicht nur er zur Vorfallszeit in Linz gewesen, sondern auch sein Pkw.

Damit stimmt die Schilderung des Ml nicht überein. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass dieser in der nachvollziehbar knappen Situation des auf seinem Fahrstreifen herannahenden Gegenverkehrs und der knappen Beendigung des Überholvorganges, in der er, außer auf die Bremse zu springen, wie er selbst bestätigte, keine Alternative hatte, zwar einen schwarzen Pkw mit X Kennzeichen und einer an sich leicht zu merkenden Buchstabenkombination mit der Zahl 1 registrierte, was bei einem langjährig tätigen Polizeibeamten auch noch vorstellbar wäre. Nicht völlig auszuschließen ist aber, dass er tatsächlich die Buchstabenkombination "X" mit "X" verwechselt hat. Diesbezüglich liegt kein – für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderliches – gesichertes Beweisergebnis vor.

In rechtlicher Hinsicht war daher im Zweifel zugunsten des Bw spruchgemäß zu entscheiden. Verfahrenskostenbeiträge fallen dabei nicht an.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger

 

 

Beschlagwortung:

Kennzeichen – Buchstabenkombination – Verwechslung angesichts der knappen Situation aus der Sicht des Gegenverkehrs bis Überholmanöver nicht mit Sicherheit ausschliessbar -> Einstellung im Zweifel

 

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