Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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Linz, 26.04.2010

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Gerda Bergmayr-Mann über die Berufung der X, X, X, vom 22. Februar 2010, gegen die Vollstreckungsverfügungen des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 2. Februar 2010 betreffend Verwaltungsstrafverfahren nach dem Oö. Parkgebührengesetz iVm der Parkgebührenverordnung von Linz betreffend die Geschäftszahlen 933/10-717385, 933/10-717016, 933/10-716164, 933/10-705306, 933/10-705260, 933/10-705478, 933/10-705340, 933/10-705328, 933/10-705117 und 933/10-705069 zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird Folge gegeben; die angefochtenen Bescheide werden ersatzlos behoben.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 24 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) iVm § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) und § 10 Verwaltungsverfahrensgesetz (VVG)

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Den gegenständlichen Vollstreckungsverfügungen liegen die Strafver-fügungen des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 30.7.2009, GZlen.

933/10-717385, 933/10-717016, 933/10-716164, 933/10-705306, 933/10-705260, 933/10-705478, 933/10-705340, 933/10-705328, 933/10-705117 und 933/10-705069, zu Grunde.

Wie aus dem Akt ersichtlich ist, wurden die Strafverfügungen der Empfängerin am 7. August 2009 persönlich zugestellt. Mit Schreiben vom 20. August 2009 erhob X Einspruch gegen diese. Die Unterschrift des Schreibens vom 20. August 2009 enthält den Schriftzug X; darunter wurde der Name in Maschinenschrift wiedergegeben. Der Schriftzug unterscheidet sich aber von jenem auf der Übernahmebestätigung anlässlich der persönlichen Übernahme der Zustellung der Strafverfügungen durch die Empfängerin.

 

Mit Schreiben vom 16. November 2009 wurde vom Magistrat der Landeshauptstadt Linz der Einspruchswerberin mitgeteilt, dass die Eingabe nicht von ihr als Beschuldigte eingebracht wurde, weil sie eine gefälschte Unterschrift trägt. Die Eingabe wird daher als formlose Mitteilung ohne die Rechtsqualität eines Einspruchs gewertet.

Mit Schreiben vom 25. November 2009 teilte die Rechtsmittelwerberin mit, dass das Schreiben vom 20. August 2009 nicht ihre eigenhändige Unterschrift trage. Das Schreiben sei aber inhaltlich von ihr verfasst worden. Sie habe wegen dringender familiärer Angelegenheiten ins Ausland fahren müssen und vergessen, das Schreiben zu unterzeichnen. Der Bruder ihres Lebensgefährten habe das Schreiben zur Post gebracht und die Rechtsmittelwerberin auf den Umstand aufmerksam gemacht, dass das Schreiben nicht unterfertigt sei. Daraufhin habe sie ihn zur Unterzeichnung des Schreibens in ihrem Namen (sogenannte verdeckte Ermächtigung) beauftragt.

Das Fehlen einer eigenhändigen Unterschrift stelle nach der Rechtsprechung des VwGH einen verbesserungsfähigen Formmangel dar. Die Behörde hätte ihr also einen Verbesserungsauftrag nach § 13 Abs.3 AVG erteilen müssen.

 

Am 2. Februar 2010 sind daraufhin die nunmehr bekämpften Vollstreckungsverfügungen ergangen.

 

1.2. Mit Schreiben vom 23. Februar 2010 erhob die Rechtsmittelwerberin Berufung und führte dazu im Wesentlichen aus, die Vollstreckungsverfügungen seien unzulässig, weil kein tauglicher Exekutionstitel vorliege. Die Leistungsbescheide (Strafverfügungen), die die Exekutionstitel für die Vollstreckungsbescheide bilden würden, seien auf Grund der fristgerechten Einsprüche vom 20. August 2009 ex lege außer Kraft getreten. Die Strafverfügungen hätten nie in Rechtskraft erwachsen können und es liege kein tauglicher Exekutionstitel vor. Das Schreiben der Behörde vom 16. November 2009, mit dem ihre Einsprüche wegen eines angenommenen Formmangels zurückgewiesen worden seien, sei von ihr als Verbesserungsauftrag  im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG gewertet worden, auf welchen sie in angemessener Frist reagiert habe. Die Strafverfügungen seien allesamt ex lege außer Kraft getreten.

 

2. Mit Schreiben vom 16. März 2010 wurden vom Magistrat der Landeshauptstadt Linz die Verwaltungsakten vorgelegt.

Ergänzend wurde angeführt, dass zu AZ. 933/10-553711 gar keine Vollstreckungsverfügung erlassen worden sei (gegen die eine Berufung möglich wäre), weil die Strafverfügung bezahlt worden sei.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat darüber erwogen:

 

Gemäß § 49 Abs.1 VStG kann der Beschuldigte gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden.

Gemäß Abs.2 leg.cit. ist, wenn der Einspruch rechtzeitig eingebracht wird, das ordentliche Verfahren einzuleiten. Der Einspruch gilt als Rechtfertigung im Sinne des § 40. Dadurch tritt die gesamte Strafverfügung außer Kraft.

Gemäß Abs.3 leg.cit. ist die Strafverfügung zu vollstrecken, wenn der Einspruch nicht oder nicht rechtzeitig erhoben wird.

 

Gemäß § 10 AVG können sich Beteiligte und ihre gesetzlichen Vertreter, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte natürliche Personen, juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen. Bevollmächtigte haben sich durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zur Beurkundung genügt ein Aktenvermerk.

Gemäß Abs.2 leg.cit. richten sich Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Die Behörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs.3 von Amts wegen zu veranlassen.

 

Unbestritten wurde die Eingabe vom 20. August nicht von der Rechtsmittelwerberin selbst, die als Unterzeichnende aufscheint, sondern vom Bruder des Lebensgefährten der Rechtsmittelwerberin unterzeichnet.

Ebenfalls unbestritten blieb auch, dass der Bruder des Lebensgefährten der Rechtsmittelwerberin von dieser zur Unterfertigung ermächtigt war.

 

Der OGH hat in seinem Erkenntnis vom 19. September 1984, 11 Os 113/84, entschieden, dass, wenn jemand bereits zur Zeit der Herstellung der Urkunde ausdrücklich oder konkludent ermächtigt ist, einen anderen in der Abgabe der Erklärung und der Leistung der Unterschrift zu vertreten und er in Ausübung der ihm erteilten Vollmacht mit dem Namen des anderen unterfertigt, eine echte Urkunde entsteht, sofern nicht eigenhändige Unterfertigung erforderlich ist und nicht die Zeichnung mit fremdem Namen eine Identitätstäuschung bezweckt.

In einem weiteren Erkenntnis hat der OGH am 19. Oktober 1982, 10 Os 180/81, entschieden, dass selbst die Einwilligung jener Person, mit deren Namen eine Urkunde (von jemand anderem) unterschrieben wird, an der Rechtswidrigkeit der Urkundenfälschung nichts ändert, sofern es sich nicht um den Fall eines für den Gebrauch der Urkunde im Rechtsverkehr völlig belanglosen Akt einer (verdeckten) stellvertretenden Erklärung handelt.

 

Im Schreiben vom 20. August 2009 wurden lediglich die Aktenzahlen angeführt, gegen die binnen offener Frist Einspruch erhoben wurde. Ausgehend von der in den erwähnten Entscheidungen des OGH zum Ausdruck kommenden Rechtsansicht ergibt sich, dass dieser Einspruch als echte Urkunde zu qualifizieren ist, weil eine eigenhändige Unterfertigung unter einem Einspruch nicht a priori erforderlich ist.

Vielmehr wäre ein nicht unterzeichneter Einspruch gemäß § 13 Abs.3 AVG von der erstinstanzlichen Behörde zur Verbesserung des Mangel des Fehlens der Unterschrift zurückzustellen gewesen. Darüber hinaus kann davon ausgegangen werden, dass die schriftliche Einbringung eines Einspruchs einen belanglosen Akt im Rechtsverkehr darstellt, weil dieser nur für die Rechtsmittelwerberin selbst von Bedeutung ist. Es handelt sich daher um einen völlig belanglosen Akt einer (verdeckten) stellvertretenden Erklärung.

 

Damit aber ist der Berufung beizupflichten, dass der Einspruch vom 20. August 2009 von der belangten Behörde zur Verbesserung zurückzustellen gewesen wäre und auf Grund des Einspruchs das ordentliche Ermittlungsverfahren einzuleiten gewesen wäre.

 

Gem. § 10 Abs.2 VVG kann die Berufung gegen eine nach diesem Bundesgesetz erlassene Vollstreckungsverfügung nur ergriffen werden, wenn

1.     die Vollstreckung unzulässig ist oder

2.     die Vollstreckungsverfügung mit dem zu vollstreckenden Bescheid nicht übereinstimmt oder

3.     die angeordneten oder angewendeten Zwangsmittel im Gesetz nicht zugelassen sind oder mit § 2 in Widerspruch stehen.

 

Im konkreten Fall kommt als Berufungsgrund jener des § 10 Abs.2 Z1 in Betracht und zwar die Unzulässigkeit der Vollstreckung auf Grund des Fehlens eines Titelbescheides.

 

Gemäß § 54b Abs.1 VStG sind rechtskräftig verhängte Geldstrafen oder sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen zu vollstrecken. Daraus geht hervor, dass jedenfalls die Rechtskraft eines Titel erforderlich ist. Diese liegt aber gegenständlich nicht vor. Auf Grund eines – wenn auch mangelhaften – Einspruchs sind die erlassenen Strafverfügungen außer Kraft getreten und das ordentliche Ermittlungsverfahren wäre einzuleiten gewesen.

Aus diesem Grund war die Vollstreckung der Strafverfügungen (und damit die Erlassung der Vollstreckungsverfügungen) gemäß § 10 Abs.2 Z1 unzulässig, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bergmayr-Mann


Rechtssatz zu VwSen 130632/2/BMa/Sta vom 26. April 2010:

 

§ 10 AVG iVm § 13 Abs.3 AVG:

 

 

Ausgehend von der, in den erwähnten Entscheidungen des OGH zum Ausdruck kommenden Rechtsansicht (Erkenntnis vom 19. September 1984, 11 Os 113/84, Erkenntnis vom 19. Oktober 1982, 10 Os 180/81) ergibt sich, dass dieser Einspruch als echte Urkunde zu qualifizieren ist, weil eine eigenhändige Unterfertigung unter einem Einspruch nicht a priori erforderlich ist.

Vielmehr wäre ein nicht unterzeichneter Einspruch gemäß § 13 Abs.3 AVG von der erstinstanzlichen Behörde zur Verbesserung des Mangel des Fehlens der Unterschrift zurückzustellen gewesen. Darüber hinaus kann davon ausgegangen werden, dass die schriftliche Einbringung eines Einspruchs einen belanglosen Akt im Rechtsverkehr darstellt, weil dieser nur für die Rechtsmittelwerberin selbst von Bedeutung ist. Es handelt sich daher um einen völlig belanglosen Akt einer (verdeckten) stellvertretenden Erklärung.

 

 

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