Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-200376/3/WEI/Ba

Linz, 27.04.2010

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des Herrn x, geb. x, Geschäftsführer, x, vertreten durch x, Rechtsanwalt in x, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 20. April 2009, Zl. Agrar 96-27-2008, wegen 6 Verwaltungsübertretungen nach dem Pflanzenschutzmittelgesetz 1997 zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis in sämtlichen Spruchpunkten aufgehoben und die Strafverfahren werden gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und Z 3 VStG eingestellt.

 

II. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten der Strafverfahren und zur Leistung von Gebühren an das Bundesamt für Ernähungssicherheit entfällt.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG; § 66 Abs 1 VStG; § 6 Abs 6 GESG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis hat die belangte Behörde den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der x Gesellschaft m.b.H., x, x und somit gemäß § 9 VStG. 1991 idgF. Verantwortlicher – wie durch ein Kontrollorgan des Bundesamtes für Ernährungssicherheit am 15.10.2007 bzw 16.10.2008 festgestellt wurde – zu verantworten, dass in ihrem Betrieb folgende Pflanzenschutzmittel gelagert und zum Verkauf vorrätig gehalten wurden.

 

1.      Kontrolle am 15.10.2008:

Lager- bzw. Auffindungsort: Pflanzenschutzmittel-Verkaufslagerregal

Quiritox Wühlmausvernichtungsmittel, Pflanzenschutz-Registernummer 1011,

in einer Menge von 4 x 0,1 kg, obwohl

die Zulassung dieses Pflanzenschutzmittels bereits am 20.03.1997 aufgehoben wurde, und die Abverkaufsfrist mit 11.04.2007 endete.

 

2.      Kontrolle am 15.10.2008:

Lager- bzw. Auffindungsort: Pflanzenschutzmittel-Verkaufslagerregal

Avistop-Agro, Pflanzenschutz-Registernummer 2364,

in einer Menge von 11 x 450 g, obwohl

die Zulassung dieses Pflanzenschutzmittels bereits am 11.04.2006 aufgehoben wurde.

 

3.      Kontrolle am 16.10.2008:

Lager- bzw. Auffindungsort: Präsentationsregal im Windfang zum Geschäftseingang

Fulit, Pflanzenschutz-Registernummer 2051,

in einer Menge von 1 x 0,1 kg, obwohl

die Zulassung dieses Pflanzenschutzmittels bereits am 01.08.1994 aufgehoben wurde.

 

4.      Kontrolle am 16.10.2008:

Lager- bzw. Auffindungsort: Präsentationsregal im Windfang zum Geschäftseingang

Celaflor Rosen-Pflaster, Pflanzenschutz-Registernummer 2587,

in einer Menge von 1 x 20 St., obwohl

die Zulassung dieses Pflanzenschutzmittels bereits am 31.12.2006 aufgehoben wurde, und die Abverkaufsfrist mit 31.12.2007 endete.

 

5.      Kontrolle am 16.10.2008:

Lager- bzw. Auffindungsort: Präsentationsregal im Windfang zum Geschäftseingang

Rasen-Unkrautvernichter Banvel, Pflanzenschutz-Registernummer 1641,

in einer Menge von 1 x 0,016l, obwohl

die Zulassung dieses Pflanzenschutzmittels bereits am 29.11.2002 aufgehoben wurde, und die Abverkaufsfrist mit 29.11.2003 endete.

 

6.      Kontrolle am 16.10.2008:

Lager- bzw. Auffindungsort: Präsentationsregal im Windfang zum Geschäftseingang

Metasystox R/5, Pflanzenschutz-Registernummer 963,

in einer Menge von 1 x 0,1 l, obwohl

die Zulassung dieses Pflanzenschutzmittels bereits am 21.11.2007 aufgehoben wurde, und die Abverkaufsfrist mit 30.06.2008 endete.

 

Dadurch erachtete die belangte Behörde zu den Spruchpunkten 1) bis 6) jeweils § 3 Abs 1 iVm § 34 Abs 1 Z 1 lit a) Pflanzenschutzmittelgesetz 1997 als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretungen zu Spruchpunkt 1) eine Geldstrafe von 30 Euro und zu den Spruchpunkten 2) bis 6) je eine Geldstrafe von 50 Euro (insgesamt 280 Euro) und für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von je 12 Stunden. Als Beiträge zu den Kosten der Strafverfahren wurden gemäß § 64 VStG je 10 % der Geldstrafen (insgesamt 28 Euro) und als "Barauslagen für Untersuchungskosten" des Bundesamtes für Ernährungssicherheit je 413,57 Euro (insgesamt 2.481,42 Euro) vorgeschrieben.

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw zu Händen seines Rechtsvertreters am 27. April 2009 zugestellt worden ist, richtet sich die am 8. Mai 2009 bei der belangten Behörde rechtzeitig eingelangte Berufung vom 6. Mai 2009, mit der in der Hauptsache die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung der Strafverfahren, hilfsweise unter Annahme eines Sammeldelikts eine Ermahnung gemäß § 21 VStG oder die Reduktion der Strafen und der Untersuchungskosten auf 1 x 413,57 Euro angestrebt wird.

 

2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende Gang des Verfahrens und Sachverhalt:

 

2.1. Der Begründung des Straferkenntnisses ist zu entnehmen, dass am 15. bzw 16. Oktober 2007 im Betrieb der x Gesellschaft m.b.H. in x eine Kontrolle gemäß § 28 Abs 1 Pflanzenschutzmittelgesetz 1997 von einem Kontrollorgan des Bundesamts für Ernährungssicherheit (im Folgenden nur BAES) durchgeführt worden sei. Dabei wäre bei 6 Produkten die Übertretung nach dem Pflanzenschutzmittelgesetz festgestellt worden. Der Bw sei als handelsrechtlicher Geschäftsführer dafür verantwortlich.

 

Die belangte Behörde hat auf Grund von 6 getrennt eingebrachten Anzeigen gemäß § 3 Pflanzenschutzmittelgesetz 1997 des BAES je vom 24. Oktober 2008 dem Bw in einem zusammenfassenden Verfahren mit einheitlicher Aufforderung zur Rechtfertigung vom 19. Jänner 2009 die Verwaltungsübertretungen genau wie im angefochtenen Straferkenntnis angelastet.

 

2.2. Zu der dem Bw zugestellten "Aufforderung zur Rechtfertigung" wurde mit Eingabe des Rechtsvertreters vom 17. März 2009 für den Bw eine Rechtfertigung erstattet. Darin verweist der Bw auf das Strafverfahren der belangten Behörde zu Agrar 96-32-2007, in dem insgesamt 19 Übertretungen nach dem Pflanzenschutzmittelgesetz angelastet wurden. Schon bei der damaligen Kontrolle im Oktober 2007 sei der gesamte Lagerbestand der x GesmbH durch das BAES überprüft worden. Sämtliche nunmehr beanstandeten Pflanzenschutzmittel seien damals schon im Lager vorrätig gewesen. Deshalb und weil im Oktober 2007 an mehreren Tagen der gesamte Lagerbestand an Pflanzenschutzmitteln intensiv überprüft worden sei, sei es absolut unverständlich, dass im gegenständlichen Verfahren weitere "Verstöße" festgestellt werden konnten. Der Bw habe jedenfalls davon ausgehen können, dass nach der intensiven Überprüfung im Oktober 2007 keine abgelaufenen Pflanzenschutzmittel mehr vorrätig sind. Es liege nicht einmal fahrlässiges Verhalten vor. Das Pflanzenschutzmittel Quiritox sei noch dazu im September 2007 von der x als Großhändler bezogen worden (Rechnungen angeschlossen). Der Bw sei nicht verpflichtet gewesen, die vom Fachhandel bezogenen Pflanzenschutzmittel gesondert zu überprüfen. Zusammenfassend scheide daher ein verwaltungsstrafrechtlich relevantes Verhalten aus, weil der Bw nicht einmal fahrlässig gehandelt habe

 

In der Rechtfertigung wird weiter die Rechtsansicht vertreten, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofs hinsichtlich der 6 Pflanzenschutzmittel von einem "Sammeldelikt" auszugehen sei, zumal die Einzeltaten funktional und wertmäßig eine Einheit bildeten (Hinweis auf VwSlg 10.138 A/1980 u.a.). Die Gebühren des BAES wären daher auch nur in einem einzigen Fall vorzuschreiben. Es wäre auch nur eine einzige Stellungnahme des BAES erforderlich gewesen, weil von einem Sammeldelikt auszugehen sei und die Pflanzenschutzmittel auch bei nur einer Überprüfung vorgefunden wurden. Ein nach § 6 Abs 6 Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz "kostendeckender Tarif" könne nicht in gleichgelagerten Fällen zur Mehrfachverrechnung von Gebührentarifansätzen führen.

 

Für den Fall, dass die Strafbehörde wider Erwarten von einem verwaltungsstrafrechtlich relevanten Verhalten des Bw ausgehe, sei auch zu bedenken, dass es nur um äußerst geringe Mengen von Pflanzenschutzmitteln gehe. Offenbar habe auch das kontrollierende Organ ursprünglich vom Ablauf der Fristen keine Kenntnis gehabt.

 

2.3. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Straferkenntnis dem Vorbringen des Bw entgegen gehalten, dass es nicht die Aufgabe des BAES sei, den Lagerbestand vollständig auf Zulässigkeit zu überprüfen. Der Bw könne sich daher der eigenen Verpflichtung nicht entledigen, wenn er darauf verweist, dass die beanstandeten Waren schon im Zeitpunkt der Überprüfung im Oktober 2007 gelagert waren. Als mildernd wurde aber gewertet, dass die Fachfirma x das Produkt Quiritox anstandslos lieferte, obwohl damals das Inverkehrbringen schon verboten war. Weiters wird die Ansicht des Vorliegens eines "Sammeldelikts" abgelehnt. Die Untersuchungskosten wären für jede Übertretung gesondert zu verrechnen gewesen, da es sich um eigenständige Tatbestände handelte.

 

Da der Bw von der Möglichkeit zur Bekanntgabe seiner persönlichen Verhältnisse keinen Gebrauch machte, schätzte die belangte Behörde sein Einkommen auf 1.800 Euro monatlich bei fehlenden Sorgepflichten. Die Geldstrafe von insgesamt 280 Euro (Höchststrafe 29.070 Euro pro Übertretung) erscheine dem Unrechtsgehalt und Grad des Verschuldens angepasst und auch erforderlich, um den Bw in Hinkunft von der Begehung gleichartiger Straftaten abzuhalten. Erschwerende Umstände wurden nicht festgestellt.

 

2.6. Die Berufung bekämpft das Straferkenntnis vollinhaltlich, macht unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und wendet sich auch gegen die Strafe.

 

Unter dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung wird abermals auf die mehrtägige und intensive Überprüfung des Lagerbestandes im Oktober 2007 hingewiesen, bei der sich sämtliche beanstandete Pflanzenschutzmittel bereits im Lager der x Ges.m.b.H. befunden haben. Der Bw habe daher davon ausgehen können, dass keine weiteren abgelaufenen Pflanzenschutzmittel im Lagerbestand waren. In dubio pro reo hätte die belangte Behörde das Verwaltungsstrafverfahren einstellen müssen. Der Bw habe auch davon ausgehen können, dass der Fachhändler x & Co KG keine abgelaufenen Pflanzenschutzmittel liefere. Zu einer gesonderten Überprüfung sei der Bw nicht verpflichtet gewesen.

 

Die Rechtsansicht der belangten Behörde, wonach jeweils von eigenständigen Tatbeständen und keinem "Sammeldelikt" auszugehen sei, wird als unzutreffend bekämpft, weil sie zu einer Besserstellung des Vorsatztäters führe. Es sei sehr wohl von einem Sammeldelikt auszugehen, zumal die Einzeltaten vom Deliktstyp her gesehen, funktional und wertmäßig eine Einheit bilden würden. In der Folge führt die Berufung Leitsätze aus der Judikatur an. Im Ergebnis hätte die belangte Behörde nur eine Strafe verhängen sowie nur einmal Verfahrenskosten sowie die Kosten des BAES zusprechen dürfen. Der angesprochene Betrag von 2.481,42 Euro stehe in keinerlei Verhältnis zur tatsächlichen Kontrolltätigkeit des BAES.

 

Schließlich rügt die Berufung zur Strafhöhe, dass die Geldstrafen von je 50 Euro (Fakten 2 bis 6) und 30 Euro (Faktum 1) deutlich überhöht seien. Der Bw sei unbescholten und bei richtiger Würdigung als "Sammeldelikt" und unter Berücksichtigung des bloß geringfügigen Verschuldens wäre überhaupt keine Strafe notwendig gewesen, sondern hätte man mit einer Ermahnung gemäß § 21 VStG das Auslangen finden können.

 

2.7. Im ergänzend zur Berufung eingebrachten Schriftsatz vom 3. Februar 2010 geht der Bw unter Hinweis auf mittlerweile ergangene Erkenntnisse des Oö. Verwaltungssenats davon aus, dass das Lagern von Altbeständen nicht mehr zugelassener Pflanzenschutzmittel unter das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 fallen kann. Bei den vorgefundenen Pflanzenschutzmitteln habe es sich allein um zu entsorgende Restbestände, bei denen die Zulassung bereits aufgehoben war, gehandelt. Somit habe es sich um gefährlichen Abfall gemäß § 2 Abs 1 Z 1 und Z 2 AWG 2002 im subjektiven und objektiven Sinn gehandelt. Die Produkte seien teilweise seit Jahren nicht mehr zugelassen, weshalb allenfalls eine Verletzung der Bestimmung des § 15 Abs 5 AWG 2002 für den Abfallbesitzer in Frage komme. Im gegenständlichen Verfahren komme jedenfalls wegen der strengeren Strafdrohung die Subsidiaritätsklausel des § 34 Abs 1 Pflanzenschutzmittelgesetzes 1997 zum Tragen. Das angelastete Tatverhalten wäre nach dem AWG 2002 zu verfolgen gewesen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs habe die Rechtsmittelbehörde gemäß § 66 Abs 4 AVG nicht die Befugnis, eine andere Tat anzulasten und damit die Tat auszuwechseln.

 

In allen Verfahren nach dem Pflanzenschutzmittelgesetz habe sich der Bw dahingehend verantwortet, dass es sich bei den vorgefundenen Pflanzenschutzmitteln nur um Restbestände gehandelt habe, die teilweise seit vielen Jahren nicht mehr verkauft worden sind. Es mag zutreffen, dass er verpflichtet gewesen wäre, die vorhandenen Pflanzenschutzmittel früher entsorgen zu lassen. Er bedauere sein diesbezügliches Versehen, das ihm aber bisher nie vorgeworfen worden sei. Er habe nie die Absicht gehabt, die vorgefundenen Restbestände noch in Verkehr zu bringen. Zu dem angelastete Tatverhalten "Lagern und Vorrätighalten zum Verkauf" liege keinerlei Nachweis vor, dass der Bw tatsächlich die Absicht hatte, gelagerte Pflanzenschutzmittel in Verkehr zu bringen. Die Lagerung habe ausschließlich der noch nicht durchgeführten Entsorgung gedient. Zusammenfassend ergebe sich auch mangels nachgewiesener Verkaufsabsichten, dass dem Bw keinesfalls mit der im Verwaltungsstrafrecht notwendigen Sicherheit insgesamt 6 Verwaltungs­übertretungen nach § 3 Abs 1 Pflanzenschutzmittelgesetz angelastet werden können.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in die vorgelegten Verwaltungsakten und unter Berücksichtigung der h. Berufungsentscheidung vom 21. Jänner 2010, Zl. VwSen-200351/2/WEI/Ba, mit der das gegen den Bw ergangene gleichgelagerte Straferkenntnis der belangten Behörde vom 28. Oktober 2008, Zl. Agrar 96-32-2007 wegen 19 Verwaltungsübertretungen nach dem Pflanzenschutzmittelgesetz 1997 aufgehoben und die Verfahren eingestellt wurden, festgestellt, dass das gegenständlich angefochtene Straferkenntnis schon nach der Aktenlage aufzuheben ist.

 

4. In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Die im Tatzeitpunkt geltenden Bestimmungen des Pflanzenschutzmittelgesetzes 1997 (im Folgenden: PMG), BGBl. I Nr. 60/1997 idF BGBl. I Nr. 55/2007, - eine begünstigende Änderung der Rechtslage iSd § 1 Abs. 2 VStG ist nicht eingetreten –, lauten wie folgt:

 

"Begriffsbestimmungen

 

         § 2. (1)

         ...

         (10) "Inverkehrbringen" ist das Lagern und Vorrätighalten zum Zwecke des Verkaufs oder der sonstigen Abgabe an andere, das Feilhalten, das Verkaufen und jedes sonstige Überlassen an andere - insbesondere auch die Abgabe in Genossenschaften, Vereinen oder sonstigen Vereinigungen an deren Mitglieder - sowie die Einfuhr aus Drittländern.

         ...

Voraussetzungen für das Inverkehrbringen

 

         § 3. (1) Es dürfen nur die Pflanzenschutzmittel, die nach diesem Bundesgesetz zugelassen sind, in Verkehr gebracht werden.

         (2) Einer Zulassung bedürfen nicht

1. die nachweisliche Abgabe zur Lagerung mit anschließender Ausfuhr aus dem Gebiet der Gemeinschaft und

2. die Lagerung und der Verkehr von Pflanzenschutzmitteln, die nachweislich zur Anwendung in einem anderen Mitgliedstaat bestimmt und dort zugelassen sind.

         (3) Ein neuer Wirkstoff, der zu einem in § 2 Abs. 1 genannten Zweck bestimmt ist, darf nur in Verkehr gebracht werden, wenn der Kommission und den Mitgliedstaaten Unterlagen, von denen anzunehmen ist, dass sie den Anforderungen von Anhang II der Richtlinie 91/414/EWG genügen, sowie zu mindestens einer Zubereitung, die diesen Wirkstoff enthält, Unterlagen gemäß Anhang III der Richtlinie 91/414/EWG mit einer Erklärung übermittelt worden sind, dass der Wirkstoff zu einem in § 2 Abs. 1 genannten Zweck bestimmt ist.

         (4) Wer beabsichtigt, gewerbsmäßig in erster Vertriebsstufe gemäß § 12 Abs. 10 zugelassene Pflanzenschutzmittel in Österreich in Verkehr zu bringen, hat dies vor Aufnahme der Tätigkeit dem Bundesamt für Ernährungssicherheit unter Bekanntgabe der Kennzeichnung der Pflanzenschutzmittel und seiner Anschrift oder gegebenenfalls des Firmensitzes sowie gegebenenfalls unter Nachweis des rechtmäßigen In-Verkehr-Bringens anzumelden (Meldepflichtiger). Der Meldepflichtige unterliegt den Meldepflichten gemäß § 25. Das In-Verkehr-Bringen von Pflanzenschutzmitteln ist unzulässig, wenn der begründete Verdacht besteht, dass die Konformität mit den Rechtsvorschriften der Europäischen Union, insbesondere des Annex I der Richtlinie 91/414/EWG, nicht gegeben ist, oder die Gebühr für die Eintragung in das Pflanzenschutzmittelregister nicht entrichtet wurde.

 

Strafbestimmungen

 

         § 34. (1) Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Bestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen

         1. mit Geldstrafe bis zu 14 530 €, im Wiederholungsfall bis 29 070 €, wer

         a) Pflanzenschutzmittel entgegen § 3 Abs. 1, 2 oder 4 in Verkehr bringt,

         ...

         c) Pflanzenschutzmittel im Inland entgegen § 20 oder § 21 in Verkehr bringt,

         ...

         (2) Die Frist für die Verfolgungsverjährung beträgt ein Jahr.

         (3) Der Versuch ist strafbar.

         (4) Das Bundesamt für Ernährungssicherheit hat Parteistellung einschließlich Rechtsmittelbefugnis in Verfahren nach diesem Bundesgesetz, die vor den Bezirksverwaltungsbehörden oder unabhängigen Verwaltungssenaten in den Ländern durchgeführt werden. Die Bescheide sind dem Bundesamt für Ernährungssicherheit zuzustellen. Dem Bundesamt für Ernährungssicherheit steht das Recht auf Erhebung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu."

 

4.2. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Sprucherfordernissen nach § 44a Z 1 VStG ist die Tat so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit verst. Senaten VwSlg 11.466 A/1984 und VwSlg 11.894 A/1985). Dabei sind die Anforderungen an Tatort- und Tatzeitumschreibung von Delikt zu Delikt und je nach den Begleitumständen verschieden und an Rechtsschutzüberlegungen zu messen (vgl u.a. im Anschluss an verst. Senat VwSlg 11.894 A/1985; VwGH 29.9.1993, 93/02/0046; VwGH 31.1.1995, 95/05/0008; VwGH 9.9.1998, 97/04/0031). Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Eine Umschreibung bloß in der Begründung reicht im Verwaltungsstrafrecht nicht aus (vgl mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004] 1522, Anm 2 zu § 44a VStG).

 

Eine konkrete Straftat kann nicht allein mit den vom Gesetzgeber gebrauchten verba legalia umschrieben werden. Sie ist vielmehr tatbildbezogen entsprechend den Gegebenheiten des Einzelfalles zu individualisieren. Dem Konkretisierungsgebot des § 44a Z 1 VStG ist daher nur dann entsprochen, wenn alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale einzelfallbezogen individualisiert wurden. Es reicht nicht aus, den bloßen Gesetzeswortlaut unter Angabe von Tatzeit und Tatort wiederzugeben (vgl näher Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, 1522, Anm 2 zu § 44a VStG mwN).

 

4.3. Die belangte Behörde hat auf die Verwaltungsübertretung nach § 34 Abs 1 lit a) iVm § 3 Abs 1 PMG abgestellt, wonach strafbar ist, wer entgegen dem Gebot des § 3 Abs 1 leg.cit. Pflanzenschutzmittel in Verkehr bringt. Demnach begeht die Tat, wer nicht zugelassene Pflanzenschutzmittel iSd § 2 Abs 10 PMG in Verkehr bringt.

 

In den vorliegenden Fällen geschah dies nach dem Tatvorwurf im Spruch am 15. und 16. Oktober 2008 durch Lagern und Vorrätighalten zum Verkauf. Allerdings fehlt eine über die Verwendung der verba legalia hinausgehende konkretisierte Darstellung. In diesem Zusammenhang ist zu bemängeln, dass dem angefochtenen Straferkenntnis weder im Spruch noch in der Begründung konkrete Feststellungen zu entnehmen sind, warum die belangte Behörde überhaupt von einer Lagerung der abgelaufenen Pflanzenschutzmittel zum Verkauf durch die x GmbH ausgeht. Insofern wurden nur die Behauptungen des BAES aus den Anzeigen vom 24. Oktober 2008 übernommen. Auch in diesen Anzeigen des BAES wird der Verdacht der Verkaufsabsicht nicht durch vom Kontrollorgan geschilderte Umstände näher begründet. Es ist nur ganz allgemein von Pflanzenschutzmittel-Verkaufslagerregal und teilweise vom Präsentationsregal im Windfang die Rede. Da es sich bei den vorgefundenen Pflanzenschutzmitteln nur um schon einige Jahre abgelaufene Produkte in geringen Mengen handelte, erscheint die Einlassung des Bw, dass es nur gelagerte Restbestände seien, die noch nicht entsorgt wurden, schlüssig und nach der Aktenlage, insbesondere auch unter Berücksichtigung des gleichgelagerten Strafverfahrens zu Agrar 96-32-2007, nicht widerlegbar.

 

4.4. Der erkennende Verwaltungssenat ging schon in seinem Erkenntnis vom 21. Jänner 2010, Zl. VwSen-200351/2/WEI/Ba, im gleichgelagerten vorangegangenen Berufungsverfahren (erstinstanzliches Strafverfahren zu Zl. Agrar 96-32-2007) auf Grund der glaubhaften Einlassung des Bw davon aus, dass es sich bei den damals am 16. und 17. Oktober 2007 vorgefundenen 19 Pflanzenschutzmitteln nur um Restbestände handelte, bei denen die Zulassungen seit längerem abgelaufen waren. Der Bw bedauerte von Anfang an in seinen Eingaben, dass er aus Unachtsamkeit übersehen habe, zur Lagerung der vorgefundenen Pflanzenschutzmittel nicht berechtigt gewesen zu sein. Bereits in der damaligen Rechtfertigung vom 10. April 2008 gestand er ein fahrlässiges Fehlverhalten dadurch zu, dass er nicht für eine fristgerechte Entsorgung der Pflanzenschutzmittel vor Ablauf der Zulassungs- bzw Abverkaufsfristen sorgte. Aus einer vom Bw damals vorgelegten Aufstellung über die letzten Verkäufe zu den 19 Pflanzenschutzmitteln, ging hervor, dass diese viele Jahre (jüngstes Datum 14.07.2001) und teilweise sogar Jahrzehnte (bis 1989) zurücklagen. Der Bw wies auf diesen Umstand, dass es sich um geringe Restmengen gehandelt habe, auch zutreffend hin. In den letzten Jahren sei keines der Pflanzenschutzmittel veräußert worden, weshalb auch keinerlei nachteilige Folgen eingetreten wären.

 

Nunmehr wurde der Betrieb der x GmbH nach ziemlich genau einem Jahr ein weiteres Mal vom BAES überprüft und wieder abgelaufene Pflanzenschutzmittel in geringen Mengen vorgefunden, die nach der bislang unwiderlegten Darstellung des Bw schon bei der ersten Überprüfung im Oktober 2007 im Lager vorhanden waren, damals aber nicht beanstandet wurden. Die belangte Behörde hat diese Darstellung des Bw nicht in Zweifel gezogen, dem Vorbringen aber erwidert, dass es nicht Aufgabe des BAES gewesen sei, den Lagerbestand vollständig zu überprüfen, weshalb sich der Bw mit dem Hinweis auf eine offenbar unvollständige Überprüfung seiner eigenen Verpflichtung nicht entledigen könne.

 

Auch der erkennende Verwaltungssenat geht mangels anderer aktenkundiger Anhaltspunkte im Zweifel zugunsten des Bw von dessen Darstellung aus, dass die Pflanzenschutzmittel schon bei der ersten Kontrolle vorhanden waren, damals aber unbeanstandet blieben. Auch wenn die Ansicht der belangten Behörde zutreffen mag, dass das BAES nicht verpflichtet war, schon im Oktober 2007 den gesamten Lagerbestand auf seine Zulässigkeit zu überprüfen, so darf man doch nicht übersehen, dass die damalige tagelange Überprüfung intensiv und nicht bloß stichprobenweise ausfiel. Damit stellt sich weiter die Frage, ob man vom Bw, der den berechtigten Eindruck gewinnen konnte, dass sein Lagerbestand nunmehr "sauber" ist, noch verlangen konnte, dass er eine weitere Bestandsaufnahme vornimmt und gegebenenfalls mit Hilfe von Fachleuten die nicht beanstandeten Pflanzenschutzmittel überprüfen lässt. Nach Ansicht des erkennenden Verwaltungssenats liefe die Bejahung dieser Frage wohl auf eine Überspannung der Sorgfaltspflichten hinaus. Denn einem Pflanzenschutzhändler in der Lage des Bw wird man zubilligen müssen, dass er nach einer umfangreichen Kontrolle durch Fachleute des BAES mit 19 Beanstandungen keinen weiteren Überprüfungsbedarf gesehen und sich auf die Fachprüfung durch das spezialisierte Kontrollorgan des BAES verlassen hat.

 

Auch beim Ungehorsamsdelikt iSd § 5 Abs 1 Satz 2 VStG ist es nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs (vgl VfSlg 13.790/1994) nicht so, dass ein Verdächtiger seine Unschuld nachzuweisen hat. Vielmehr muss die Behörde die Verwirklichung des Tatbestandes durch den Beschuldigten und bei Vorliegen von Anhaltspunkten, die an seinem Verschulden zweifeln lassen, auch die Verschuldensfrage von Amts wegen klären. Das Gesetz befreit nur insoweit von weiteren Nachforschungen, als das entgegen dem äußeren Anschein behauptete Fehlen des Verschuldens nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht glaubhaft erscheint.

 

Wie schon oben mit Bezug auf die glaubhafte Verantwortung des Bw erörtert, spricht der äußere Anschein nicht gegen den Bw. Die belangte Behörde hat keine gegen den Bw sprechende Umstände erhoben und dessen Verantwortung in tatsächlicher Hinsicht nicht widerlegen können. Nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenats ist daher im Ergebnis auch davon auszugehen, dass den Bw an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

4.5. Abgesehen von den bisherigen Gründen, die die Aufhebung des Straferkenntnisses in sämtlichen Spruchpunkten zur Folge haben, wurde von der belangten Behörde auch die Subsidiaritätsklausel im § 34 Abs 1 PMG nicht beachtet. Denn eine Verwaltungsübertretung liegt nur vor, sofern "die Tat" nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Bestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist.

 

Wie der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich schon in seinem Erkenntnis vom 29. Oktober 2009, VwSen-200355/21/SR/Sta u.a. Zlen., ausgesprochen hat, ist eine mögliche Übertretung des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 in Betracht zu ziehen, wenn es bei der Tat um das Lagern von nicht (mehr) zugelassenen Pflanzenschutzmitteln nach Überschreiten des Verfalldatums geht.

 

Schon im vorangegangenen Strafverfahren der belangten Behörde zu Zl. Agrar 96-32-2007 brachte der Bw in seiner ersten Rechtfertigung vom 10. April 2008 vor, dass es sich bei den vorgefundenen 19 Pflanzenschutzmitteln nur um Restbestände handelte, bei denen die Zulassungen seit längerem abgelaufen und die schon viele Jahre nicht mehr verkauft worden waren. Im gegenständlichen gleichgelagerten Verfahren wurden ebenfalls nur Restbestände in geringen Mengen vorgefunden, deren Zulassungen schon jahrelang abgelaufen waren. Der Bw bedauerte, dass er die abgelaufenen Pflanzenschutzmittel noch nicht entsorgen habe lassen. Es ist ihm anzulasten, dass ein ordentlicher Pflanzenschutzmittelhändler solche Pflanzenschutzmittel, deren Zulassungen bereits vor Jahren aufgehoben worden sind, schon längst hätte entsorgen lassen.

 

4.5.1. Die hier in Frage kommenden und im Tatzeitpunkt in Geltung gestandenen Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (im Folgenden: AWG 2002), BGBl. I Nr. 102/2002 idF BGBl. I Nr. 43/2007, – eine begünstigende Änderung der Rechtslage iSd § 1 Abs. 2 VStG ist nicht eingetreten – lauten wie folgt:

 

"Begriffsbestimmungen

 

         § 2. (1) Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes sind bewegliche Sachen, die unter die in Anhang 1 angeführten Gruppen fallen und

         1. deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat oder

         2. deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) nicht zu beeinträchtigen.

         ...

         (4) Im Sinne dieses Bundesgesetzes sind

         ...

         3. "gefährliche Abfälle" jene Abfälle, die gemäß einer Verordnung nach § 4 als gefährlich festgelegt sind.

 

Abfallverzeichnis

 

         § 4. Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft wird ermächtigt, mit Verordnung festzulegen:

         ...

         2. die Abfallarten, die gefährlich sind; dabei sind die gefahrenrelevanten Eigenschaften gemäß Anhang 3 heranzuziehen;

         als gefährlich zu erfassen sind jene Abfallarten, welche im Verzeichnis im Sinne des Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 91/689/EWG über gefährliche Abfälle, ABl. Nr. L 377 vom 31. 12. 1991, S 20, in der Fassung der Richtlinie 94/31/EG, ABl. Nr. L 168 vom 2. 7. 1994, S 28, enthalten sind;

         ...

 

Allgemeine Behandlungspflichten für Abfallbesitzer

        

         § 15. (1)

         ...

         (5) Ist der Abfallbesitzer zu einer entsprechenden Behandlung nicht berechtigt oder imstande, hat er die Abfälle einem zur Sammlung oder Behandlung Berechtigten zu übergeben. Die Übergabe hat so rechtzeitig zu erfolgen, dass Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) vermieden werden; Abfälle zur Beseitigung sind regelmäßig, mindestens einmal im Jahr, Abfälle zur Verwertung sind regelmäßig, mindestens einmal in drei Jahren, einem zur Sammlung oder Behandlung Berechtigten zu übergeben.

         ...

Strafhöhe

         § 79. (1) Wer

         ...

         2. gefährliche Abfälle entgegen § 15 Abs. 5 nicht oder nicht rechtzeitig einem entsprechend Berechtigten übergibt,

         ...

         begeht - sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist - eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 730 € bis 36.340 € zu bestrafen ist; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von 3.630 € bedroht.

         ...“.

 

§ 4 Abs. 2 der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über ein Abfallverzeichnis (Abfallverzeichnisverordnung), BGBl. II Nr. 570/2003 idF BGBl. II Nr. 89/2005, lautete wie folgt:

 

Gefährliche Abfälle

 

         § 4. (1) ...

         (2) Bis zum 31. Dezember 2008 gelten jene Abfallarten der Anlage 5 und jene der ÖNORM S 2100 "Abfallkatalog", ausgegeben am 1. September 1997, und der ÖNORM S 2100/AC 1 "Abfallkatalog (Berichtigung)", ausgegeben am
1. Jänner 1998, erhältlich beim Österreichischen Normungsinstitut, Heinestraße 38, 1020 Wien, als gefährlich, die mit einem "g" versehen sind. Die Zuordnung eines Abfalls zu einer Abfallart in Anlage 5 hat nach den in Anlage 5 festgelegten Zuordnungskriterien zu erfolgen. Sofern für die Zuordnung Untersuchungen erforderlich sind, haben diese gemäß Anlage 4 zu erfolgen."

 

4.5.2. Bei den am 15. und 16. Oktober 2008 im Betrieb des Bw vorgefundenen Pflanzenschutzmitteln handelt es sich sowohl um Abfall gemäß § 2 Abs 1 Z 1 (subjektiver Abfallbegriff) als auch gemäß § 2 Abs 1 Z 2 (objektiver Abfallbegriff) AWG 2002. Den durchaus glaubhaften und von der belangten Behörde auch nicht widerlegten Angaben des Bw ist zu entnehmen, dass er die schon lange abgelaufenen Pflanzenschutzmittel nicht mehr verkauft hatte. Die vorgefundenen Pflanzenschutzmitteln wurden daher als Restbestände nur mehr zum Zwecke ihrer Entsorgung gelagert. Außerdem sind Altbestände von Pflanzenschutzmitteln auch objektiv nach dem § 2 Abs 4 Z 3 AWG 2002 iVm § 4 Abs 2 Abfallverzeichnisverordnung iVm der ÖNORM S 2100, Schlüsselnummer 53103, als "gefährliche Abfälle" zu qualifizieren.

 

Die im Spruch aufgelisteten Produkte sind seit Jahren nicht mehr zugelassen. Damit verletzte der Bw schon nach seinem eigenen Vorbringen die Pflichten als Abfallbesitzer gemäß § 15 Abs 5 AWG 2002, weil er zu einer entsprechenden Behandlung dieses Abfalles nicht berechtigt oder imstande war und er ihn nicht rechtzeitig – nämlich innerhalb der vorgesehen Jahresfrist ("mindestens einmal im Jahr") – einem zur Sammlung oder Behandlung Berechtigten zur Beseitigung übergab.

 

Nach der Subsidiaritätsklausel im § 34 Abs 1 PMG liegt eine Verwaltungsübertretung nur vor, sofern "die Tat" nicht nach anderen Bestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Nach dem Strafrahmen des § 79 Abs 1 AWG 2002 ist "die Tat" mit einer Geldstrafe von 730,-- bis 36.340,-- Euro zu bestrafen, während im § 34 Abs 1 PMG nur eine Geldstrafe bis zu 14.530,-- Euro, im Wiederholungsfall bis 29.070,-- Euro, vorgesehen ist. Damit ist "die Tat" nach AMG 2002 jedenfalls mit strengerer Strafe bedroht. Das dem Beschuldigten angelastete Tatverhalten des "Lagerns und Vorrätighaltens zum Verkauf" (Verkaufsabsichten des Bw sind im Verfahren nicht bewiesen worden) von längst nicht (mehr) zugelassenen Pflanzenschutzmitteln wäre nicht nach dem Pflanzenschutzmittelgesetz 1997, sondern wegen der länger als ein Jahr aufrechterhaltenen Lagerung der als gefährliche Abfälle zu qualifizierenden Pflanzenschutzmittel nach dem strengeren AWG 2002 zu verfolgen gewesen.

 

4.6. Zu einem Austausch des Tatvorwurfes war der unabhängige Verwaltungssenat nicht befugt. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Rechtsmittelbehörde nach § 66 Abs 4 AVG (iVm § 24 VStG) nicht die Befugnis, dem Beschuldigten eine andere Tat als die Erstbehörde anzulasten und damit die Tat auszuwechseln (vgl allgemein VwGH 25.3.1994, 93/02/0228; VwGH 19.5.1993, 92/09/0360; VwGH 28.2.1997, 95/02/0601). Die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde ist durch den Abspruchsgegenstand des angefochtenen Bescheides beschränkt (vgl VwGH 23.11.1993, 93/04/0169). Eine Abänderungsermächtigung besteht nur im Rahmen der Sache iSd § 66 Abs 4 AVG (vgl etwa VwGH 25.9.1992, 92/09/0178; VwGH 8.2.1995, 94/03/0072; VwGH 3.9.1996, 96/04/0080). Dabei ist Sache des Berufungsverfahrens die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs im Bescheid der Unterbehörde bildet (vgl u.a. VwGH 24.3.1994, 92/18/0356; VwGH 23.10.1995, 94/04/0080; VwGH 29.10.1996, 96/07/0103; VwGH 19.3.1997, 93/11/0107). Ein Austausch wesentlicher Tatbestandsmerkmale führt zur Anlastung einer anderen Tat und ist daher unzulässig (vgl VwGH 20.11.1997, 97/06/0170).

 

5. Im Ergebnis war daher aus all diesen Gründen das angefochtene Straferkenntnis in sämtlichen Spruchpunkten aufzuheben und die Einstellung der Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und Z 3 VStG zu verfügen.

 

Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs 1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten der Strafverfahren. Die im Straferkenntnis gemäß § 32 PMG iVm § 6 Abs 6 Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz - GESG (BGBl I Nr. 63/2002 idgF) zugunsten des BAES vorzuschreibenden Gebühren hatten damit ebenfalls zu entfallen.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. W e i ß

 

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum