Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-550531/4/Kü/Rd/Ba

Linz, 22.06.2010

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Thomas Kühberger über den Antrag der x,  vertreten durch x Rechtsanwälte GmbH, x, vom 16. Juni 2010 auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Vergabeverfahren der Marktgemeinde x betreffend das Vorhaben "Erweiterung der Straßenbeleuchtung x", zu Recht erkannt:

 

 

Dem Antrag wird stattgegeben und der Auftraggeberin Marktgemeinde x die Erklärung des Widerrufs bis zur Entscheidung in diesem Nachprüfungsverfahren, längstens aber bis 16. August 2010, untersagt.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 1, 2, 8 und 11 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 – Oö. VergRSG 2006, LGBl. Nr. 130/2006.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Eingabe vom 16. Juni 2010  hat die x (im Folgenden: Antragstellerin) Anträge auf Nichtigerklärung der Widerrufsent­scheidung, der Ausscheidensentscheidung in Bezug auf ihr Angebot, der Ausscheidensentscheidung in Bezug auf die Angebote der übrigen im Verfahren verbliebenen Bieter sowie auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, der Auftraggeberin die Widerrufserklärung bis zur Entscheidung im Nach­prüfungsverfahren, zu untersagen, gestellt. Im Übrigen wurde die Zuerkennung der entrichteten Pauschalgebühren in Höhe von 900 Euro beantragt.

 

Begründend führte die Antragstellerin eingangs hiezu aus, dass die Auftraggeberin das vorliegende Beschaffungsvorhaben im Wege eines nicht offenen Verfahrens ohne vorherige Bekanntmachung mit mehreren Bietern durch Übermittlung der Ausschreibungsunterlagen per Post am 2.3.2010 eingeleitet habe. In weiterer Folge habe die Auftraggeberin die so genannte 1. Nachsendung übermittelt, wobei mit EMail vom 4.3.2010 insgesamt sechs Bieteranfragen beantwortet und in eine aktualisierte Fassung des Lang-LV eingearbeitet wurden. Am 10.3.2010 sei eine 2. Nachsendung übermittelt worden. Im Zuge dieser Nachsendung seien insgesamt 11 Bieterfragen beantwortet und wieder in ein aktuelles Lang-LV eingearbeitet worden. Diese Fassung 10.3.2010 liege dem konkreten Nachprüfungsverfahren zugrunde.

 

Der Ausschreibungsgegenstand umfasse die Auswechslung und Erweiterung der Straßen- und Ortsbeleuchtung in der Marktgemeinde x, konkret umfasse dies die Demontage lt. LV und ggf. deren Entsorgung, das Liefern und Montieren der Steuerschränke, der Leuchten lt. LV, die Überprüfung der durchgeführten Installation, Erdung, das Erstellen der Dokumentation lt. ÖVE EN 8001 P 61 (in den Einheitspreisen eingerechnet) und Grabungs- und Wiederherstellungs­arbeiten lt. LV. Der Zuschlag erfolge nach dem Billigstbieterprinzip.

 

Das Ende der Angebotsfrist wurde mit 16.3.2010, 9.00 Uhr, festgelegt. Von der Antragstellerin sei fristgerecht ein ausschreibungs- und vergaberechtskonformes Angebot gelegt worden und habe an der Angebotsöffnung ein Mitarbeiter der Antragstellerin teilgenommen.

 

Auf Basis dieser Angebotsöffnung habe die Auftraggeberin zunächst mit Fax vom 14.4.2010 die für das vorliegende Nachprüfungsverfahren nicht mehr relevante Zuschlagsentscheidung zugunsten der x, mitgeteilt. Zusätzlich habe die Auftraggeberin mitgeteilt, dass das Angebot der Antragstellerin drittgereiht sei, darüber hinausgehende Ablehnungsgründe seien nicht mitgeteilt und das Angebot nicht ausgeschieden worden. Diese Zuschlagsentscheidung vom 14.4.2010 wurde mit Nachprüfungsantrag vom 21.4.2010 bekämpft und wurde mit Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom 4.6.2010 die Zuschlagsentscheidung für nichtig erklärt.

 

Infolge dieses Erkenntnisses habe die Auftraggeberin mit Fax vom 10.6.2010 die für das vorliegende Nachprüfungsverfahren relevante Widerrufsentscheidung mitgeteilt. Wesentlich für das vorliegende Nachprüfungsverfahren sei ua, dass die Auftraggeberin diese bekämpfte Widerrufsentscheidung in weniger als vier Arbeitstagen nach Zustellung des Erkenntnisses des UVS vom 4.6.2010 mitgeteilt habe.

 

Zum Interesse am Vertragsabschluss und zum drohenden Schaden führt die Antragstellerin aus, dass das Interesse an der Teilnahme am vorliegenden Vergabeverfahren und damit auch am Vertragabschluss durch Abgabe eines aufwendigen Angebotes und durch die bereits mehrfach mit Erfolg eingebrachten Nachprüfungsanträge nachgewiesen sei. Bei vergaberechtskonformer Vorgehensweise müsse die Auftraggeberin auf den Widerruf verzichten und die Zuschlagsentscheidung zugunsten der Antragstellerin ausfallen. Im gegenwärtigen Verfahrensstadium seien frustrierte Aufwendungen in Höhe von ca. 3.500 Euro, der Entgang des Gewinns von ca. 3% des Auftragswertes sowie 1.500 Euro für die Kosten der rechtsfreundlichen Vertretung als Schaden zu betrachten. Zudem drohe der Verlust eines Referenzprojektes.

 

Die Antragstellerin erachte sich in ihrem Recht auf Gleichbehandlung aller Bieter, darauf, in einem vergaberechtskonformen Vergabeverfahren den Zuschlag zu erlangen, auf vergaberechtskonformen Abschluss des Vergabeverfahrens unter Berücksichtigung der vergaberechtlichen Vorgaben im Sinne des § 139 Abs.1 Z4 iVm § 128 Abs.3 BVergG 2006 und auf Durchführung eines Vergabeverfahrens, das insbesondere den Grundsätzen des freien und lauteren Wettbewerbs sowie des Transparenzgebotes entspricht, verletzt.

 

Zu den festgestellten Vergabeverstößen führte die Antragstellerin aus, dass die Widerrufsentscheidung ausschließlich mit § 139 Abs.1 Z4 BVergG 2006 begründet worden sei. Nach dieser Bestimmung sei ein Vergabeverfahren zu widerrufen, wenn nach dem Ausscheiden von Angeboten kein Angebot im Vergabeverfahren verbleibt. Dieser Widerrufsgrund setze also nach dem klaren Wortlaut voraus, dass alle Angebote einen entsprechenden Ausscheidensgrund erfüllen müssen. Diese Voraussetzung sei jedoch im vorliegenden Fall keinesfalls erfüllt; dies gelte zumindest und jedenfalls für das Angebot der Antragstellerin, vermutlich aber auch für andere Angebote, sodass die angefochtene Widerrufsentscheidung für nichtig zu erklären sei.

 

Das Ausscheiden des Angebots der Antragstellerin sei nämlich bereits deshalb vergaberechtswidrig, weil in der Widerrufsentscheidung vom 10.6.2010 überhaupt keine nachvollziehbare Begründung für einen allfälligen Ausscheidensgrund mitgeteilt worden sei. Zudem enthalte sie keine auf das Angebot der Antragstellerin bezogene Begründung, sondern nur allgemeine und pauschale Anmerkungen. Es sei nicht nachvollziehbar, ob die Auftraggeberin meint, dass das Angebot der Antragstellerin wegen rechtlicher oder aber wegen technischer Mängel auszuscheiden wäre. Darüber hinaus werde auch nicht mitgeteilt, welche konkreten rechtlichen oder technischen Mängel vorliegen sollen. Es sei insbesondere unklar, ob und gegebenenfalls inwiefern die Auftraggeberin der Ansicht sei, die Lichtberechnung der Antragstellerin würde nicht den geforderten Ausschreibungskriterien entsprechen.

 

Das Schreiben vom 10.6.2010 verletze klar die Vorgaben des § 129 Abs.3 BVergG 2006. Das Ausscheiden des Angebots der Antragstellerin sei daher allein formalrechtlich wegen fehlender Begründung iSd § 129 Abs.3 BVergG 2006 vergaberechtswidrig. Folglich sei auch der von der Auftraggeberin ins Treffen geführte Widerrufsgrund gemäß § 139 Abs.1 Z4 BVergG 2006 nicht erfüllt, weil gerade nicht alle Angebote einen Ausscheidensgrund erfüllen. Die bekämpfte Widerrufsentscheidung sei daher für nichtig zu erklären.

 

Dieses Auslegungsverständnis werde auch durch die jüngste Rechtsprechung des  EuGH vollinhaltlich bestätigt. Der Gerichtshof habe nämlich eine ausdrückliche und insbesondere konkret nachvollziehbare Begründungspflicht des Auftrag­gebers gefordert (vgl. EuGH 28.1.2010, Rs C-406/08, Rn31).

 

Unabhängig davon, dass kein nachvollziehbarer Ausscheidensgrund mitgeteilt und daher keine Kenntnis von einem vermeintlichen Ausscheidensgrund bestehe, sei das Ausscheiden aller Angebote auch aus weiteren Gründen vergabe­rechtswidrig:

Wie bereits ausgeführt, wurde mit Erkenntnisses des UVS vom 4.6.2010 die seinerzeitige Zuschlagsentscheidung für nichtig erklärt und festgestellt, dass es zum Zeitpunkt des Nachprüfungsverfahrens keine Angebotsprüfung – mit Ausnahme für die im vorliegenden Verfahren jedoch nicht mehr relevante präsumtive Zuschlagsempfängerin  - gegeben habe.

 

Darüber hinaus sei festzuhalten, dass nach Zustellung des Erkenntnisses vom 4.6.2010 und Mitteilung der Widerrufsentscheidung am 10.6.2010 es keinerlei Maßnahmen einer Angebotsprüfung durch die Auftraggeberin gegeben habe. Zumindest habe es in Bezug auf das Angebot der Antragstellerin nach wie vor keine abschließende Angebotsprüfung gegeben. Vielmehr habe die Auftrag­geberin ohne Angebotsprüfung, was bereits im Erkenntnis vom 4.6.2010 festgestellt wurde, einen vermeintlichen Ausscheidensgrund angenommen. Allein aus diesem Grund sei die Ausscheidens- und Widerrufsentscheidung vom 10.6.2010 rechtswidrig, weil die Auftraggeberin einen Ausscheidensgrund ohne Angebotsprüfung angenommen habe. Hätte die Auftraggeberin die gesetzliche Angebotsprüfung durchgeführt, hätte die Antragstellerin ohne weiteres nachweisen können, dass ihr Angebot ausschreibungs- und vergaberechts­konform sei.

 

Abschließend sei festzuhalten, dass auch in Bezug auf die Angebote der übrigen Bieter wohl keine Angebotsprüfung stattgefunden habe. Da zwischen Zustellung des Erkenntnisses am 4.6.2010 und Mitteilung der Widerrufsentscheidung am 10.6.2010 nur knapp vier Arbeitstage vergangen sind, könne nicht davon ausgegangen werden, dass eine gesetzeskonforme Angebotsprüfung samt allfälligen Aufklärungsersuchen und Fristsetzungen stattgefunden habe. Gegebenenfalls seien im Ergebnis die mit Fax vom 10.6.2010 mitgeteilten Ausscheidensentscheidungen wegen fehlender Angebotsprüfung vergaberechts­widrig. Demnach könne der von der Auftraggeberin geltend gemachte Widerrufsgrund gemäß § 139 Abs.1 Z4 BVergG 2006 gar nicht erfüllt sein, sodass die angefochtene Widerrufsentscheidung für nichtig zu erklären sei.

 

Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung führt die Antragstellerin im Wesentlichen aus, dass eine einstweilige Verfügung zwingend erforderlich sei, weil die Auftraggeberin ohne einstweilige Verfügung ua durch Widerruf unumkehrbare Tatsachen schaffen könnte. Aufgrund der gesamten Historie des vorliegenden Beschaffungsvorhabens mit nunmehr dem bereits vierten Nachprüfungsverfahren bestehe der massive Eindruck, die Auftraggeberin werde so lange Verfahren einleiten und anschließend widerrufen, bis ein ihr genehmer Bieter "durchgeboxt" werden könne. Die Auftraggeberin versuche, alle Angebote auszuscheiden, ohne dass eine Angebotsprüfung für diese Angebote durchgeführt wurde, nur um dadurch irgendwie einen Widerruf zu erreichen und vermutlich anschließend mit einem weiteren Verfahren einen neuerlichen Versuch zur Beauftragung eines bevorzugten Bieters zu starten. Vor diesem Hintergrund könne das Interesse der Antragstellerin an einer vergaberechtskonformen Verfahrensteilnahme und letztlich an der Zuschlagserteilung nur durch den vorliegenden Antrag effektiv gesichert werden.

 

Der Erlassung der einstweiligen Verfügung würden weder Interessen der Auftraggeberin noch besondere öffentliche Interessen entgegenstehen. Hingegen überwiege das Interesse der Antragstellerin bei weitem.

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat die Marktgemeinde x als Auftraggeberin am Nachprüfungs­verfahren beteiligt. Von der Auftraggeberin wurde keine Stellungnahme zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung abgegeben.

 

3.  Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 1 Abs.1 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 (Oö. VergRSG 2006) regelt dieses Landesgesetz den Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Auftraggeber in Verfahren nach den bundesrechtlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesen (Vergabeverfahren), die gemäß Art.14b Abs.2 Z2 B-VG in den Vollzugsbereich des Landes fallen.

 

Gemäß Art.14b Abs.2 Z2 lit.a B-VG ist die Vollziehung Landessache hinsichtlich der Vergabe von Aufträgen durch die Gemeinde. Das gegenständliche Nachprüfungsverfahren unterliegt daher den Bestimmungen des Oö. VergRSG 2006.

 

Gemäß § 2 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 obliegt dem Unabhängigen Verwaltungs­senat die Gewährung von Rechtsschutz gemäß § 1 Abs.1 leg.cit.

 

3.2.  Gemäß § 2 Abs.3 Oö. VergRSG 2006 ist der Unabhängige Verwaltungssenat bis zur Zuschlagsentscheidung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen die bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens und die dazu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht zuständig zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen (§ 2 Z16 lit.a BVergG 2006) des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.

 

Der gegenständliche Antrag ist rechtzeitig und zulässig. Aufgrund der Höhe des Auftragswertes des ausgeschriebenen Bauauftrages sind die Bestimmungen für den Unterschwellenbereich anzuwenden.

 

3.3. Gemäß § 8 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 hat der Unabhängige Verwaltungssenat auf Antrag durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet scheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin zu beseitigen oder zu verhindern.

 

Gemäß § 11 Abs.1 leg.cit. hat der Unabhängige Verwaltungssenat vor Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin, der sonstigen Bewerber oder Bieter bzw. Bewerberinnen oder Bieterinnen und des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf ihre Erlassung abzuweisen.

 

Gemäß § 11 Abs.3 leg.cit. ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung über den Antrag auf Nichtigerklärung, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird, außer Kraft.

 

3.4.  Bereits zu der vorausgegangenen sinngemäßen Regelung des Bundes­vergabe­gesetzes 1997 führte Elsner, Vergaberecht (1999), auf Seite 86 aus: Die Entscheidung hängt von einer Abwägung der möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers und einem allfälligen besonderen öffentlichen Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens ab. Dabei muss es sich um ein "besonderes" öffentliches Interesse handeln. Es wird nämlich (hoffentlich) bei jeder öffentlichen Auftragsvergabe ein öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens und Vergabe eines Auftrages bestehen. Aber auch daran, dass Vergabeverfahren fehlerfrei ablaufen, besteht öffentliches Interesse. Eine Nichterlassung einstweiliger Verfügungen wird daher nur bei sonstiger Gefahr für Leib und Leben und besonderer Dringlichkeit zulässig sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn besondere Interessen der Daseinsvorsorge gefährdet würden.

 

Art.2 Abs.4 Satz 1 (entspricht nunmehr Art.2 Abs.5) der Rechtsmittelrichtlinie darf nicht fälschlicherweise so ausgelegt werden, dass der vorläufige Rechtsschutz regelmäßig leerläuft. Mit diesem Interesse ist nicht das bei jeder Auftragsvergabe bestehende öffentliche Interesse an der zügigen Abwicklung gemeint. Nach der Beschlusspraxis des EuGH kommt es in der Interessensabwägung maßgeblich darauf an, wer durch sein Verhalten die besondere Dringlichkeit der Auftragsvergabe verursacht hat. Für die öffentlichen Auftraggeber ergibt sich daraus eine echte Obliegenheit zu rechtzeitig geplanten und durchgeführten Beschaffungsvorgängen. Das Rechtsschutzinteresse des diskriminierten Bieters kann insoweit nur vom vorrangigen Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter der Allgemeinheit zurückgedrängt werden (vgl. Schenk, Das neue Vergaberecht, 1. Auflage 2001, S. 172f).

 

Auch der Verfassungsgerichtshof hat insbesondere in seiner Entscheidung zu Zl. B 1369/01 vom 15.10.2001 ein öffentliches Interesse im Hinblick auf das Postulat effizienten Einsatzes öffentlicher Mittel in der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter gesehen, dem die Nachprüfung des Vergabe­verfahrens letztlich dienen soll.

 

3.5. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich beim gegenständlichen Vorhaben nicht um eine vordringliche Leistungserbringung handelt, kann daraus geschlossen werden, dass eine Gefährdung von Leib und Leben nicht aktuell ist. Auch trifft die Auftraggeberin im Hinblick auf die Rechtsnatur des Provisorialverfahrens und auf die allgemeine Mitwirkungspflicht der Parteien im Verwaltungsverfahren die Behauptungslast betreffend die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen. Die Auftraggeberin hat im Verfahren konkrete, mit der Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung drohende Nachteile nicht dargelegt, sodass davon auszugehen ist, dass die nachteiligen Folgen des vorläufigen Zuschlagsverbotes nicht überwiegen und daher dem Antrag stattzugeben ist (vgl. BVA 1.12.2000, N-56/00-9).

 

Die Antragstellerin hat denkmöglich ausgeführt, dass sie bei Weiterführung des Verfahrens den Auftrag erhalten könne, was bei einem Widerruf des Verfahrens nicht der Fall ist. Es war daher im Grunde des Vorbringens der Antragstellerin berechtigt, das Widerrufsverfahren bis zu einer endgültigen Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates über die Rechtmäßigkeit der Widerrufsentscheidung auszusetzen. Nur im Fall des Vorliegens einer sachlichen Rechtfertigung für den Widerruf ist der Auftraggeberin eine nochmalige Durchführung des Vergabeverfahrens und daher eine Neuausschreibung gestattet. Ein ansonsten nach der Willkür der Auftraggeberin erklärter Widerruf würde den Vergabegrundsätzen, insbesondere, dass Verfahren zur Vergabe von Aufträgen nur dann durchzuführen sind, wenn die Absicht besteht, die Leistung auch tatsächlich zur Vergabe zu bringen, widersprechen.

 

Darüber hinaus ist auch auf die ständige Rechtsprechung der Vergabe­kontrollinstanzen zu verweisen, dass ein öffentlicher Auftraggeber bei der Erstellung des Zeitplanes für eine Auftragsvergabe, die Möglichkeit von Nachprüfungsverfahren und damit einhergehende Verzögerungen ins Kalkül zu ziehen hat. Dass sich durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung eine Verzögerung der Bedarfsdeckung und ein organisatorischer und finanzieller Mehraufwand ergeben kann, liegt dabei  in der Natur der Sache. Da - wie bereits erwähnt - kein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an einer möglichst raschen Beendigung und Neudurchführung geltend gemacht wurde und auch nicht auf der Hand liegt, war dem Antrag stattzugeben.

 

Die im Vorbringen der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten sind zumindest denkmöglich. Eine Überprüfung, ob die behaupteten Rechtswidrigkeiten auch tatsächlich vorliegen, war im Rahmen des Provisorialverfahrens nicht durchzuführen.

 

Die Dauer der Untersagung der Widerrufserklärung ergibt sich aus § 11 Abs.3 Oö. VergRSG 2006 iVm § 20 Abs.1 Oö. VergRSG 2006.

Gemäß § 20 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 ist über Anträge auf Nichtigerklärung von Entscheidungen eines Auftraggebers bzw. eine Auftraggeberin unverzüglich, spätestens aber zwei Monate nach Einlangen des Antrages zu entscheiden.

 

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass für den  Unabhängigen Verwaltungssenat somit die Möglichkeit besteht, die Aussetzung der Widerrufserklärung für zwei Monate auszusprechen.

 

Die einstweilige Verfügung ist gemäß § 11 Abs.4 Oö. VergRSG 2006 sofort vollstreckbar.

 

4. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von 13,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

  

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro  zu entrichten.

 

 

 

Mag. Thomas Kühberger 

 

 

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