Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420630/6/WEI/Ba

Linz, 20.05.2010

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerde des X X, geb. X, türkischer Staatsangehöriger, vertreten durch X, Rechtsanwalt in X, X, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch dem Bezirkshauptmann von Vöcklabruck zurechenbare Organe aus Anlass der Überstellung (Abschiebung) des Beschwerdeführers nach Rumänien am 16. März 2010 zu Recht erkannt:

 

 

I.                  Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

 

II.              Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei Bezirkshauptmann von Vöcklabruck) den notwendigen Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlagen:

Art 129a Abs 1 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) iVm § 67a Abs 1 Z 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG; §§ 67c und 79a AVG iVm UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 (BGBl II Nr. 456/2008).

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Eingabe vom 30. März 2010 brachte der Beschwerdeführer (im Folgenden Bf) durch seinen Rechtsvertreter Beschwerde wegen angeblich rechtswidriger Überstellung des Bf nach Rumänien Mitte März 2010 ein und beantragte deren Rechtswidrigkeit auszusprechen. Zum Sachverhalt wurde vorgebracht, dass der Bf am 2. März 2009 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe, wobei im Verfahren die Zuständigkeit Rumäniens festgestellt worden sei. Der Bf habe im Juni 2009 das Lager in X verlassen und sei in die Türkei zurückgekehrt. Im September 2009 hätte er ein Schreiben des Inhalts erhalten, er müsste eine 2-jährige Haftstrafe verbüßen. Er hätte an einer nicht genehmigten Demonstration teilgenommen. Der Bf hätte gegen diese Entscheidung ein Rechtsmittel erhoben, welches jedoch abgelehnt worden wäre. Von da an hätte er sich in Istanbul bei verschiedenen Bekannten und Freunden versteckt, bis ihm die neuerliche Flucht nach Österreich gelungen wäre. Der Bf hätte ein Urteil eines türkischen Gerichts vorgelegt. Am 5. März 2010 habe der Bf einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Er sei sodann in Schubhaft genommen und Mitte März 2010 nach Rumänien überstellt worden, und zwar ohne dass seine Fluchtgründe einer Beweiswürdigung unterzogen worden wären. Am 9. März 2010 habe der Rechtvertreter eine Bevollmächtigungsanzeige erstattet.

 

Zur behaupteten Rechtswidrigkeit wird begründend vorgebracht, dass die belangte Behörde fälschlicher Weise davon ausging, dass die Zustimmungserklärung Rumäniens nach wie vor gültig sei. Sie würde übersehen, dass der Bf unterdessen in der Türkei gewesen wäre, und neue Fluchtgründe geltend gemacht hätte. Hätte die belangte Behörde die Fluchtgründe geprüft, hätte sie feststellen müssen, dass sich der Bf tatsächlich in der Türkei aufgehalten hätte und rechtlich zur Beurteilung gelangen müssen, dass Österreich für die Prüfung des Asylantrages zuständig wäre. Es sei nicht nachvollziehbar, ob den rumänischen Asylbehörden mitgeteilt worden sei, dass sich der Bf tatsächlich in der Türkei aufgehalten habe. Hätte diese davon gewusst, hätten sie vermutlich einer Überstellung nicht zugestimmt. Dem Bf wäre keine Gelegenheit eingeräumt worden, seine Glaubwürdigkeit zu beweisen, der Bescheid im Asylverfahren wäre ihm noch nicht zugestellt worden.

 

1.2. Mit Schreiben vom 29. April 2010, Zl. Sich 40-1539-2009, ist die belangte Behörde der Beschwerde entgegen getreten, hat deren kostenpflichtige Abweisung beantragt und ihre Verwaltungsakten zur Entscheidung vorgelegt. Im Nachhang dazu hat die belangte Behörde noch mit weiterem Schreiben vom 7. Mai 2010 die fremdenpolizeiliche Information des Bundesasylamts (BAA) Erstaufnahmestelle West (EASt West) vom 7. Mai 2010 zu Zl. 10 02.021 betreffend den Verfahrensstand im Asylverfahren den Bf über den Folgeantrag übermittelt. Danach erwuchs der Zurückweisungsbescheid gemäß § 68 AVG ebenso wie die gleichzeitig ausgesprochene Ausweisung nach Rumänien mit 5. Mai 2010 in Rechtskraft.

 

2. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht auf Grund der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde vom nachstehenden Sachverhalt aus:

 

2.1. Mit Bescheid vom 5. März 2010, Zl. Sich 40-1539-2009, hat die belangte Behörde auf der Rechtsgrundlage des § 76 Abs 2a Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 135/2009) gegen den Bf die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Dieser hat den Bescheid noch am 5. März 2010 eigenhändig übernommen und wurde in der Folge ins Polizeianhaltezentrum (PAZ) der BPD Steyr zum Vollzug der Schubhaft überstellt, wo er bis zur Abschiebung nach Rumänien angehalten wurde.

 

2.2. Der Bf, ein türkischer Staatsangehöriger und Kurde, reiste am 2. März 2009 illegal und schlepperunterstützt ohne Reisedokument nach Österreich ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz beim BAA EASt West, der zu Zl. X erfasst wurde. Er verschwieg bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 3. März 2009 Einzelheiten zur Reiseroute und dass ihm von Rumänien ein Visum ausgestellt worden war. Die Ermittlungen ergaben, dass dem Bf ein nationales Visum für Rumänien für die Zeit vom 23. Jänner 2009 bis 22. Februar 2009 erteilt worden war und dass er am 2. Februar 2009 über den Grenzübergang X ins Staatsgebiet von Rumänien und damit auch ins Gebiet der Europäischen Union eingereist war. Dem im Rahmen von Konsultationen gestellten Aufnahmeersuchen Österreichs stimmte Rumänien mit Schreiben der Behörde für Migration am 30. April 2009 zu und erklärte sich zur Übernahme des Bf und Prüfung seines Asylbegehrens nach dem Dubliner Abkommen bereit.

 

Bei der Einvernahme im Asylverfahren vom 7. Mai 2009 wurde dem Bf mitgeteilt, dass Rumänien für die Prüfung seines Antrags auf Gewährung von internationalem Schutz zuständig und beabsichtigt sei, seinen Asylantrag zurückzuweisen und die Ausweisung nach Rumänien zu veranlassen. Auf die Frage nach konkreten entgegenstehenden Gründen meinte der Bf: "Wenn ich jetzt nach Rumänien zurückfahre, ich habe ein Visum für Rumänien, Rumänien schickt mich in die Türkei zurück. Dort in der Türkei habe ich Probleme."

 

Mit Bescheid des BAA EASt West vom 20. Mai 2009, Zl. X, wurde der Asylantrag gemäß § 5 Abs 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass Rumänien für die Prüfung des Asylantrags zuständig ist. Gleichzeitig wurde der Bf gemäß § 10 Abs 1 AsylG 2005 nach Rumänien ausgewiesen. Die dagegen am 29. Mai 2009 eingebrachte Beschwerde wurde abgewiesen. Laut Mitteilung (gemäß § 22 AsylG 2005) des Asylgerichtshofs vom 25. Juni 2009, Zl. S12 407.050-1/2008/2E, lag mit der am 25. Juni 2009 bewirkten Zustellung des Erkenntnisses über den Antrag des Bf auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisungsentscheidung nach Rumänien vor.

 

Die Durchführbarkeit fremdenpolizeilicher Maßnahmen war schon mit Wirkung vom 18. Juni 2009 eingetreten. Mit Schreiben vom 19. Juni 2009 ersuchte daher die Dublinabteilung das BAA EASt West unter Hinweis auf die durchführbare Ausweisung um Überstellung des Bf nach Rumänien und übermittelte ein "LAISSER – PASSER" und die Zustimmung der zuständigen rumänischen Behörde vom 30. April 2009.

 

Der bereits geplanten Überstellung nach Rumänien entzog sich der Bf, indem er am 21. Juni 2009 die Bundesbetreuungsstelle X in X nach unbekannt verließ, ohne sich vorher abzumelden. Er trat in keiner Form mehr mit österreichischen Behörden in Verbindung und tauchte in die Anonymität ab. Mit 23. Juni 2009 hat ihn daher die Bezirkshauptmannschaft X zur Festnahme ausgeschrieben. Am 12. August 2008 wurde Rumänien die Aussetzung des Dublinverfahrens wegen unbekannten Aufenthaltes des Bf mitgeteilt.

 

2.3. Am 4. März 2010 kam der Bf um 17:00 Uhr zum BAA EASt West und stellte einen weiteren Asylantrag. Die Erstbefragung zu diesem Folgeantrag durch ein Organ der Polizeiinspektion (PI) X fand am 5. März 2010 ab 13:00 Uhr unter Beiziehung eines Dolmetschers statt. Der Bf behauptete, dass er nach Verlassen des Lagers in X im Juni 2009 mit Hilfe eines Schleppers versteckt auf der Ladefläche in die Türkei zurückgekehrt wäre. Jene (unbekannte) Person, die ihn nach Istanbul brachte, hätte mit dem organisierenden Schlepper in X telefoniert und sein Vater hätte in der Folge 5.000 Euro an diesen Schlepper bezahlt. Mitte September 2009 hätte er dann vom dortigen Gericht ein Schreiben erhalten, nach dem er eine zweijährige Haftstrafe zu verbüßen hätte, weil er an einer illegalen Demonstration teilgenommen habe. Er hätte beim türkischen Gericht vorgesprochen, sein Einspruch wäre aber abgelehnt worden. In der folgenden Zeit hätte er sich in verschiedenen Unterkünften in Istanbul aufgehalten. Er hätte dann einen Schlepper gefunden, der ihn am 28. Februar 2010 mit einem LKW von Istanbul bis nach Österreich brachte, wo er am 3. März 2010 ankam. Die Kosten der Schleppung in Höhe von 5.000 Euro hätte abermals sein Vater bezahlt. Auf Nachfrage des vernehmenden Beamten berichtigte der Bf, dass die Organisation der Schleppung auch sein Vater übernommen hätte. Während seines Aufenthalts in der Türkei hätte er aber seinen Vater nie gesehen, sondern nur mit ihm öfters telefoniert.

 

Auf die Frage nach den Gründen, welche im bisherigen rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren noch nicht berücksichtigt wurden, verwies der Bf auf das rechtkräftige Urteil des türkischen Gerichts, welches er anlässlich seiner zweiten Antragstellung vorlegte. Diese Gründe wären ihm seit 17. September 2009 bekannt. Zur Frage nach Beweisen für seine Rückkehr aus der Türkei verwies der Bf ebenfalls auf das Gerichturteil. Nach Österreich sei er wieder gekommen, weil er in der Türkei verfolgt werde und in Österreich weitschichtige Verwandte habe.

 

Zur Reiseroute konnte er angeblich keine Angaben machen, da er während der Fahrt nichts gesehen und sein Versteck auf dem LKW nie verlassen hätte. Den LKW hätte er in Istanbul bestiegen und wäre erst in Österreich bei einer Tankstelle ausgestiegen. Ein namentlich unbekannter Freund, bei dem er auch übernachtete, hätte ihn am nächsten Tag nach X gebracht. Die Fahrzeit hätte ca. eine Stunde betragen. Im Fall einer Ausweisung nach Rumänien befürchte er, in die Türkei abgeschoben zu werden. An Barmitteln verfüge er über 110 Euro.

 

2.4. Mit fremdenpolizeilicher Information gemäß § 22 Abs 11 AsylG 2005 vom 8. März 2010, Zl. 10 02.021, hat das BAA EASt West der belangten Behörde mitgeteilt, dass dem Folgeantrag des Bf nach einer vorangegangenen zurückweisenden Entscheidung ein faktischer Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs 1 AsylG 2005 nicht zukommt. Begründend wird in einem begleitenden E-Mail vom BAA dazu mitgeteilt, dass nach Durchsicht der Erstbefragung dem Bf kein faktischer Abschiebeschutz zukommt, weil seine Rückreise in die Türkei komplett unglaubwürdig sei. Eine Überstellung nach Rumänien sei daher ab sofort zulässig. Mit Schreiben vom 9. März 2010 ersuchte dann die Dublinabteilung des BAA EASt West die belangte Behörde unter Hinweis auf die rechtkräftige Ausweisung im Asylverfahren zu Zl. 09 02.588 und den im Verfahren zum Folgeantrag zu Zl. 10 02.021 gemäß § 12a Abs 1 AsylG 2005 aberkannten Abschiebeschutz um ehest mögliche Überstellung des Bf nach Rumänien, Flughafen "IASI". Eine Laissez-Passer wurde ausgestellt. Daraufhin begann die belangte Behörde, einen Abschiebungstermin zu organisieren. Mit Schreiben vom 11. März 2010 erging der Abschiebeauftrag der belangten Behörde an das PAZ Steyr für den Schubtermin am 16. März 2010, 10:25 Uhr, auf dem Luftweg mit Flug-Nr.: X der X von X zum Zielflughafen X. Die Abschiebung bzw Überstellung des Bf nach Rumänien gemäß dem Dubliner Abkommen wurde laut Durchführungsbericht von Beamten des PAZ Wien tatsächlich am 16. März 2010 um 10:44 Uhr ohne Vorkommnisse abgeschlossen.

 

2.5. Da in Bezug auf das vom Bf zum Beweis für sein Vorbringen vorgelegte "Urteil" des türkischen Gerichts in X Zweifel an der Echtheit bestanden, hat die PI X bei der EASt West mit Anfrage vom 8. März 2010 Herrn X X, den Verbindungsbeamten des Bundesministeriums für Inneres (BMI) bei der Österreichischen Botschaft in Ankara, mit der Angelegenheit befasst und um Überprüfung des eingescannten Gerichtsurteils ersucht.

 

In der elektronisch übermittelten Antwort vom 11. März 2010 teilte der Attaché X X mit, dass nach Auskunft des Landesgerichts X das vorgelegte Gerichtsurteil total gefälscht wurde, wobei der Fälscher viel Phantasie habe walten lassen. Die im Folgenden aufgelisteten Punkte beweisen die Fälschung des vorgelegten Urteils eindeutig:

 

  • Unter der Grundnummer X (türkisch X) ist eine andere Person eingetragen.
  • Es gibt zu dieser Grundnummer noch gar keinen Gerichtsbeschluss. In der Fälschung wird Beschluss Nr. X (türkisch X) angeführt.
  • Der Name des Richters in der vorgelegten Urkunde, X X, ist beim Gericht unbekannt und nicht existent.
  • Der Name des Staatsanwalts in der vorgelegten Urkunde, X X, ist beim Gericht unbekannt und nicht existent.
  • Der Name des Schreibers in der vorgelegten Urkunde, X X, ist dort ebenfalls unbekannt und nicht existent.

 

Die Polizei St. X– EASt West hat den Bf mit Abschluss-Bericht vom 14. April 2010, Zl. X, der Staatsanwaltschaft X wegen des Verdachts der Urkundenfälschung angezeigt, weil er im Zuge der niederschriftlichen Erstbefragung vom 5. März 2010 anlässlich eines Folgeantrags auf internationalen Schutz ein total gefälschtes türkisches Gerichtsurteil, datiert mit 10. September 2009, vorlegte, um eine Verfolgungshandlung und einen zwischenzeitlichen Aufenthalt in der Türkei vorzutäuschen. Der vor seiner Abschiebung noch als Beschuldigter einvernommene Bf habe sinngemäß angegeben, das vorgelegte Schreiben von einem Anwalt erhalten zu haben. Einen anderen Nachweis für seinen Aufenthalt in der Türkei konnte er nicht erbringen.

 

2.6. Mit fremdenpolizeilicher Information vom 27. April 2010 teilte das BAA EASt West der belangten Behörde zum Folgeantragsverfahren Zl. X mit, das der Bescheid des BAA gemäß § 68 AVG erlassen worden und durchsetzbar sei. Mit weiterer fremdenpolizeilicher Information vom 7. Mai 2010 hat das BAA berichtet, dass dieser Zurückweisungsbescheid samt Ausweisung nach Rumänien mit 5. Mai 2010 in Rechtskraft erwachsen sei.

 

3. Der erkennende Verwaltungssenat hat auf Grundlage der vorgelegten Verwaltungsakten und unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens festgestellt, dass bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der entscheidungswesentliche Sachverhalt hinreichend geklärt erscheint, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG iVm § 67a Abs 1 Z 2 AVG erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten durch Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes.

 

Der Bf wurde am 16. März 2010 im Auftrag der belangten Behörde von Polizeibeamten aus der Schubhaft im PAZ X ins PAZ X und in weiterer Folge zum Flughafen X überstellt, von wo er auf dem Luftweg nach Rumänien (Zielflughafen X) abgeschoben bzw überstellt wurde. Die polizeiliche Anhaltung zwecks Durchführung der Überstellung (Abschiebung) nach Rumänien erfolgte offensichtlich gegen seinen Willen.

 

Das BAA EASt West hat der belangten Behörde mit Schreiben vom 8. März 2010 gemäß § 22 Abs 11 AsylG 2005 mitgeteilt, dass dem Folgeantrag des Bf ein faktischer Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs 1 AsylG 2005 nicht zukommt. Mit weiterem Schreiben vom 9. März 2010 ersuchte das BAA EASt West, Dublinabteilung, unter Hinweis auf die rechtskräftige Ausweisung im Verfahren zu Zl. 09 02.588 und den fehlenden faktischen Abschiebeschutz im Folgeverfahren um Überstellung nach Rumänien, das sich verpflichtet habe, den Bf zwecks Durchführung eines Asylverfahrens zu übernehmen. Die belangte Behörde, die keinerlei Grund hatte, an der Mitteilung der Asylbehörde zu zweifeln, hat daher in der Folge die Abschiebung zwecks Überstellung nach Rumänien organisiert.

 

4.2. § 12a Abs 1 AsylG 2005 idF des großteils am 1. Jänner 2010 in Kraft getretenen Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2009 (BGBl I Nr. 122/2009) lautet:

 

"Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen

         § 12a. (1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn

 

1.      gegen ihn eine aufrechte Ausweisung besteht,

2.      kein Fall des § 39 Abs. 2 vorliegt und

3.      eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt."

 

Ad 1) Nach der Begriffsbestimmung des § 2 Abs 1 Z 23 AsylG 2005 ist ein Folgeantrag jeder einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgender weiterer Antrag.

 

Es steht unbestritten fest, dass der erste Asylantrag des Bf vom 2. März 2009 mit vom Asylgerichtshof bestätigtem Bescheid des BAA EASt West vom 20. Mai 2009, Zl. 09 02.588, gemäß § 5 AsylG 2005 wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückgewiesen und gemäß § 10 Abs 1 leg.cit die Ausweisung nach Rumänien ausgesprochen wurde. Diese bereits seit 18. Juni 2009 durchführbare asylrechtliche Ausweisung, der sich der Bf durch Verlassen der Betreuungsstelle in Bad Kreuzen nach unbekannt am 21. Juni 2009 entzogen hat, ist nach wie vor aufrecht.

 

Ad 2) Im § 39 Abs 1 AsylG 2005 sind die sicheren Herkunftsstaaten aufgelistet, wobei in Ziffer 18 auch Rumänien genannt wird. Im Abs 2 wird auf die Möglichkeit des Rates (Art 7 Abs 1 EUV) Bezug genommen, mit einer Mehrheit von vier Fünftel festzustellen, dass die eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung von in Art 6 Abs 1 EGV genannten Grundsätzen durch einen Mitgliedsstaat besteht. In einem solchen Fall darf Beschwerden von Asylwerbern die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt werden.

 

Da eine solche Feststellung für den EU-Mitgliedsstaat Rumänien bisher nicht getroffen wurde, liegt auch ein Fall des § 39 Abs 2 AsylG 2005 nicht vor.

 

Ad 3) Die Zuständigkeit des EU-Mitgliedsstaats Rumänien besteht nach der Aktenlage weiterhin und wurde von diesem Staat auch nicht in Abrede gestellt.

 

Gemäß Art 19 Abs 3 Dublin II-Verordnung (Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 18.02.2003, ABl L 50/1 vom 25.2.2003) erfolgt zwar die Überstellung in den zuständigen Mitgliedsstaat innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab Annahme des Antrags auf Aufnahme oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Diese Frist kann aber nach Art 19 Abs 4 bei Inhaftierung des Asylwerbers auf ein Jahr und darüber hinaus auf 18 Monate verlängert werden, wenn der Asylwerber flüchtig ist.

 

Nach dem aktenkundigen Ausdruck aus dem Asylwerberinformationssystem zu Zl. 09 02.588 wurde Rumänien am 12. August 2010 von der Aussetzung des Dublinverfahrens wegen unbekannten Aufenthalts des Bf verständigt. Da der Bf nach seinem Verhalten als flüchtiger Asylwerber anzusehen war, verlängerte sich die Überstellungsfrist auf 18 Monate.

 

Gemäß Art 16 Abs 3 Dublin II-Verordnung erlöschen die Verpflichtungen des zur Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedsstaates, wenn der Drittstaatsangehörige das Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten für mindestens drei Monate verlassen hat, es sei denn er hätte einen gültigen Aufenthaltstitel des zuständigen Mitgliedsstaates.

 

Im vorliegenden Fall behauptete der Bf (vgl näher Punkt 2.3.), dass er nach seinem unabgemeldeten Verlassen der Bundesbetreuungsstelle X im Juni 2009 mit Hilfe eines Schleppers in die Türkei zurückgekehrt sei und dann Anfang März 2010 abermals schlepperunterstützt wieder nach Österreich gekommen wäre. Sein offenbar sehr wohlhabender Vater, den er aber während seines längeren Aufenthalts in der Türkei nicht einmal getroffen haben will, hätte jedes Mal 5.000 Euro an den Schlepper bezahlt. Bis auf ein, wie sich nach einer Überprüfung vor Ort durch den Verbindungsbeamten des BMI herausstellte, zur Gänze gefälschtes Urteil des Landesgerichts X (vgl Feststellungen im Punkt 2.5.) konnte der Bf keinerlei Beweise für seine angebliche Rückkehr und den monatelangen Aufenthalt in der Türkei vorweisen.

 

Der erkennende Verwaltungssenat teilt die Ansicht der belangten Behörde und der Asylbehörde, dass die ohne taugliche Beweise vorgebrachten Zweckbehauptungen des Bf völlig unglaubhaft sind. Schon die Einlassung des Bf bei der Erstbefragung über den Folgeantrag und die zur Stützung seiner Behauptungen vorgelegte Totalfälschung einer türkischen Gerichtsurkunde sprechen für sich selbst. Das Verhalten des Bf weist unmissverständlich darauf hin, dass es ihm nur darum ging, einen zwischenzeitigen Aufenthalt in der Türkei vorzutäuschen und neue Fluchtgründe zu konstruieren, um im Asylverfahren über seinen Folgeantrag erfolgreich zu sein. Dabei hatte er offenbar nicht damit gerechnet, dass türkische Urkunden heute mit Hilfe des Verbindungsbeamten bei der österreichischen Botschaft in Ankara kurzfristig auf ihre Echtheit überprüft werden können.

 

Im Ergebnis konnte nicht davon ausgegangen werden, dass der Bf das Hoheitsgebiet der EU-Mitgliedstaaten für mindestens drei Monate verlassen hatte. Die aufrechte Zuständigkeit Rumäniens für die Prüfung des Asylantrags des Bf war daher nicht zweifelhaft. Im Hinblick darauf, dass nach Mitteilung der Asylbehörde mittlerweile die Zurückweisung des Folgeantrags gemäß dem § 68 Abs 1 AVG samt weiterer Ausweisung rechtskräftig geworden ist, kann der Bf auch in diesem Verfahren nichts mehr gewinnen.

 

Die in der gegenständlichen Beschwerde aufgestellten Behauptungen zur Rechtswidrigkeit der Überstellung des Bf nach Rumänien wegen zwischenzeitlichen Aufenthalts in der Türkei und neuer Fluchtgründe durch ein türkisches Gerichtsurteil haben sich nach Ausweis der Aktenlage als haltlos erwiesen.

 

5. Gemäß § 79a Abs 1 AVG 1991 hat die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wird die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen oder zurückgezogen, dann ist die belangte Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei (§ 79a Abs 3 AVG). Nach § 79a Abs 6 AVG 1991 ist Aufwandersatz nur auf Antrag der Partei zu leisten.

 

Nach § 79a Abs 4 AVG gelten als Aufwendungen gemäß Abs 1 neben Stempel- und Kommissionsgebühren sowie Barauslagen vor allem die durch Verordnung des Bundeskanzlers festgesetzten Pauschbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand. Nach der geltenden UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 (BGBl II Nr. 456/2008) betragen die Pauschbeträge für die belangte Behörde als obsiegende Partei für den Vorlageaufwand 57,40 Euro und für den Schriftsatzaufwand 368,80 Euro.

 

Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren war der Verfahrensaufwand der obsiegenden belangten Behörde mit insgesamt 426,20 Euro festzusetzen und dem Bf der Kostenersatz zugunsten des Bundes aufzutragen.

 

Analog dem § 59 Abs 4 VwGG 1985 war eine Leistungsfrist von 2 Wochen festzusetzen, zumal das Schweigen des § 79a AVG 1991 nur als planwidrige Lücke aufgefasst werden kann, sollte doch die Neuregelung idF BGBl Nr. 471/1995 im Wesentlichen eine Angleichung der Kostentragungsbestimmungen an das VwGG bringen (vgl Erl zur RV, 130 BlgNR 19. GP, 14 f).

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Bundesstempelgebühren für die Beschwerde von 13,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

Dr. W e i ß

 

 

 

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