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des Landes Oberösterreich
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VwSen-100502/13/Weg/Ri

Linz, 30.10.1992

VwSen - 100502/13/Weg/Ri Linz, am 30. Oktober 1992 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt über die Berufung des H M vom 23. März 1992 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 6. März 1992, VerkR96/6498/1991-Hä, auf Grund des Ergebnisses der am 28. Oktober 1992 stattgefundenen öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl.Nr. 51/1991, i.V.m. § 24, § 45 Abs.1 Z.1., § 51 Abs.1 und § 51i Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG).

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs.1 StVO 1960 eine Geldstrafe von 10.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Tagen verhängt, weil dieser am 19. Juni 1991 um 22.35 Uhr den PKW mit dem Kennzeichen in Fahrtrichtung A auf der W Straße bis vor das Haus Nr. 44 in S gelenkt hat und sich dabei in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befand. Außerdem wurde ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren in der Höhe von 1.000 S sowie als Ersatz der Barauslagen für das Alkomatenröhrchen 10 S in Vorschreibung gebracht.

2. Dagegen wendet der Berufungswerber u.a. sinngemäß ein, der mittels Alkomat festgestellte Alkoholgehalt der Atemluft von 0,44 mg/l sei um 22.57 Uhr erfolgt, während die Betretung und somit das Lenken des Kraftfahrzeuges um 22.35 Uhr war. Um ca. 20.30 Uhr habe er noch relativ schnell 1/8 l Weißwein konsumiert und unmittelbar darauf die Fahrt angetreten. Zum Zeitpunkt der Betretung (es war eine Routinekontrolle) seien maximal 5 Minuten vergangen und sei der im zuletzt konsumierten alkoholischen Getränk (1/8 l Wein) enthaltene Alkohol noch nicht resorbiert gewesen, weshalb der Konsum dieses Achtel Liter Weins vom gemessenen Atemluftalkoholgehalt in Abzug zu bringen sei.

Als Zeuge für seine Trinkverantwortung führt er den Gastwirt E R an. Desweiteren wird die Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen beantragt.

3. Den Beweisanträgen wurde stattgegeben und zur mündlichen Verhandlung der Zeuge E R sowie die medizinische Amtssachverständige Dr. K geladen. Außerdem sind zur Verhandlung der geladene Zeuge Rev.Insp. H N sowie der Beschuldigte, nicht jedoch die ordnungsgemäß geladene belangte Behörde erschienen.

4. Auf Grund des Ergebnisses dieser Verhandlung - gemäß § 51i VStG ist bei der Fällung des Erkenntnisses nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in dieser Verhandlung vorgekommen ist - ergibt sich nachstehender entscheidungsrelevante Sachverhalt:

Der zeugenschaftlich vernommene Gastwirt E R bestätigte, daß der Berufungswerber kurz vor Antritt der Fahrt um ca. 22.30 Uhr noch 1/8 l Weißwein, zu dessen Konsumation er den Beschuldigten animierte, relativ schnell und hektisch getrunken hat. Der Zeuge konnte sich an diesen Vorfall, insbesondere an die Konsumation des Schlußtrunkes deswegen noch so genau erinnern, weil er vom Beschuldigten noch in der selben Nacht angerufen wurde, wobei ihm der Beschuldigte sein Mißgeschick mit dem Alkotest und die Unerklärlichkeit des Testergebnisses in Anbetracht der genossenen Alkoholmengen berichtete. Nach Aussage des glaubhaft wirkenden Zeugen betrat der Beschuldigte um ca. 21 Uhr sein Gastlokal und nahm auf dem Stammtisch Platz, um - wie der Beschuldigte ihm mitteilte - auf jemanden zu warten, der ihm ergänzende Reiseunterlagen betreffend die am nächsten Tag beginnende Toskanareise überbringen sollte. Der Beschuldigte hat während dieser Wartezeit nach eigenen Angaben und nach Angaben des Zeugen lediglich einen Tee und ein Seidel Bier getrunken.

Die Aussagen des Zeugen E R, die unter Androhung der strafrechtlichen Sanktionierung für den Fall der Unwahrheit abgegeben wurden, sind auf Grund der Schlüssigkeit und des persönlichen Eindruckes, den der Zeuge hinterließ, glaubhaft und - weil den allgemeinen Denkgesetzen nicht zuwiderlaufend - nicht widerlegbar.

Die Aussage des zeugenschaftlich vernommenen Meldungslegers erfolgte nicht zum Beweisthema "Schlußtrunk". Sie kann deshalb bei dieser Entscheidung außer Betracht bleiben. Angemerkt wird noch, daß laut Aussage des Meldungslegers der Beschuldigte bei der Amtshandlung einen höflichen und beherrschten Eindruck machte und sich in keiner Form dem Alkotest entziehen wollte.

Auf Grund des als erwiesen angenommenen Schlußtrunkes wurde die medizinische Amtssachverständige ersucht, zu folgendem Beweisthema ein Gutachten abzugeben:

"War der Beschuldigte zum Zeitpunkt des Lenkens des Kraftfahrzeuges um 22.35 Uhr in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (0,8 %o bzw. 0,4 mg/l und darüber) wenn er vor Antritt der Fahrt (ca. 5 Minuten) 1/8 l Wein getrunken hat und die um 22.57 Uhr (ca 20 Minuten) gemessene Atemluftalkoholkonzentration 0,44 mg/l ergab? Wenn nicht, befand sich der Berufungswerber zum Lenkzeitpunkt (5 Minuten nach Konsumation des Achtel Weines) möglicherweise in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand und zwar auf Grund des Phänomens der Anflutungsphase?" Dazu führt Frau Dr. K nachstehendes aus:

"Um auf den Zeitpunkt der Verkehrskontrolle um 22.35 Uhr rückrechnen zu können, muß der gemessene Atemalkoholgehalt von 0,44 mg/l in Blutalkoholgehalt umgerechnet werden. Diese Umrechnung erfolgt nach dem Zugunstenprinzip mit einem Umrechnungsfaktor von 1,8 (der wahrscheinliche Umrechnungsfaktor wäre 2 bzw. 2,1, in der Literatur wird jedoch eine Schwankungsbreite von 1,8 bis 2,6 angegeben) und ergibt einen Blutalkoholgehalt von 0,792 %o (0,44 x 1,8 = 0,792). Von diesen 0,792 %o wird nun auf die Tatzeit um 22.35 Uhr, also ca. 20 Minuten früher, rückgerechnet. Die Elimination, das ist die stündliche Abbaurate schwankt zwischen 0,1%o (niedrigster Wert) und 0,2%o (Maximalwert) und ist vom Körpergewicht unabhängig. Rechnet man nun wieder nach dem Zugunstenprinzip mit der minimalsten stündlichen Abbauquote von 0,1 %o, so beträgt der Blutalkoholgehalt zum Zeitpunkt der Verkehrskontrolle um 22.35 Uhr 0,822 %o (0,792 %o + Elimination von 0,03 %o = 0,822 %o). Geht man nun davon aus, daß Herr M unmittelbar vor Fahrtantritt um 22.30 Uhr 1/8 l Weißwein konsumiert hat, so war die Resorption zum Zeitpunkt der Lenkkontrolle um 22.35 Uhr nicht abgeschlossen (das Achtel war nicht oder höchstens zu einem Bruchteil resorbiert) und die tatsächliche Blutalkoholkonzentration war somit niedriger als die oben errechnete Blutalkoholkonzentration von 0,822 %o. Die Alkoholmenge des Achtel Weißweines entspricht nach der Widmarkformel (unter Berücksichtigung des Körpergewichtes von 80 kg) einem Blutalkoholgehalt von 0,19 %o, diese 0,19 %o werden nun wegen der unvollständigen Resorption von den oben errechneten 0,822 Promille in Abzug gebracht. Fazit: Zur Tatzeit ist ein Blutalkoholgehalt von 0,63 %o vorgelegen. Betont wird, daß es sich bei diesem Wert um einen theoretisch errechneten Minimalwert handelt und der wahre Wert sicher höher war.

Zum Phänomen der Anflutungswirkung wird folgendes festgestellt: Daß es dieses Phänomen der Anflutungswirkung, welche den Konzentrationsfehlbetrag bis zum Meßwert zumindest ausgleicht, gibt, ist eine wissenschaftlich unbestrittene Tatsache und läßt natürlich auch für hiesige Amtssachverständige keine Zweifel offen. Nach hiesiger Sicht ist jedoch die angegebene Alkholmenge von 1/8 l Wein, konsumiert unmittelbar vor Fahrtantritt, zu gering um dieses Anflutungsphänomen geltend machen zu können. Die Anflutung ist nur dann relevant, wenn in kürzester Zeit unmittelbar vor dem Delikt eine größere Menge Alkohol (welche den Blutalkoholgehalt um mindestens 0,3 %o steigen läßt; sogenannter Sturzschlußtrunk) konsumiert wird. Diese Wirkung trifft im gegenständlichen Fall (ein Achtel Weißwein = 0,19 %o) nicht zu. Zusätzlich wird festgestellt, daß laut einschlägiger Fachliteratur der Beginn dieser Anflutungswirkung nicht exakt definiert ist - wahrscheinlich tritt dieses Phänomen unmittelbar nach Trinkende, mit Sicherheit aber spätestens 10 Minuten nach Trinkende ein. Im gegenständlichen Fall sind jedoch zwischen Trinkende und Betretung 5 Minuten vergangen.

Zusammenfassung: Auf Grund des gestellten Beweisthemas kann unter Berücksichtigung der nicht abgeschlossenen Resorption eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit nicht nachgewiesen werden." 4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Hinsichtlich der Strafbarkeit nach § 99 Abs.1 lit.a i.V.m. § 5 Abs.1 StVO 1960 ist auf den Zeitpunkt des Lenkens eines Kraftfahrzeuges abzustellen.

Da zur Lenkzeit um 22.35 Uhr entsprechend den Ergebnissen des Beweisverfahrens weder eine Alkoholbeeinträchtigung durch Erreichen der gesetzlich festgelegten Grenzwerte noch eine Fahruntauglichkeit durch eine unter diesem Grenzwert liegende Alkoholisierung nachzuweisen war, war der Berufung Folge zu geben, das Straferkenntnis zu beheben und das Verfahren gemäß § 45 Abs.1 Z.1 VStG einzustellen.

Zur Trinkverantwortung des Beschuldigten wird noch angeführt, daß diese in ihrer Gesamtheit nicht glaubhaft war, weil die zu Mittag getrunkene Halbe Bier sowie das nach 21 Uhr getrunkene Seidel Bier und der Schlußtrunk in Form eines Achtel Weines nach Aussage der medizinischen Amtssachverständigen einen ungefähren Blutalkoholwert von 0,22 %o ergeben würde. Der Berufungswerber muß also schon während des Tages, nach Aussagen des Zeugen R vor dem Betreten des Gastlokales, alkoholische Getränke zu sich genommen haben. Dies änderte jedoch nichts an der gegenständlichen Entscheidung, weil die von der medizinischen Amtssachverständigen durchgeführten Berechnungen vom objektiv festgestellten Alkoholgehalt unter Berücksichtigung des Schlußtrunkes ausgingen und somit die während des Tages konsumierten alkoholischen Getränke von der Berechnung ohnehin erfaßt sind.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Wegschaider

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