Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-165034/7/Ki/Gr

Linz, 07.06.2010

 

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung der X, vom 09. April 2010 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom
23. März 2010,VerkR96-1512-2009, wegen einer Übertretung der StVO 1960 nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 02. Juni 2010 zu Recht erkannt:

 

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

 

II. Es entfällt die zur Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: §§ 24, 45 Abs.1 Z.1 und 51 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1.  Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat mit Straferkenntnis vom 23. März 2010, VerkR96-1512-2009, die Berufungswerberin für schuldig befunden, sie habe am 29. April 2009, 10:30 Uhr in der Gemeinde X, Gemeindestraße Freiland, Güterweg X – vor dem Haus X, G X, als Fußgängerin überraschend vor einem herannahenden Fahrzeug die Fahrbahn betreten. Sie habe dadurch § 76 Abs.1 StVO verletzt. Gemäß 3 § 99 Abs.3 lit.a StVO wurde eine Geld bzw. Ersatzfreiheitsstrafe verhängt. Außerdem wurde sie gemäß § 64 zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens verpflichtet.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis erhob die Rechtsmittelwerberin am 9. April 2010 Berufung. Darin führt sie aus, in ihrem Eigentum stehe die Parzelle X und die Parzelle X. Mit Punktparzelle X sei ihr Wohnhaus bezeichnet. In etwa in der Mitte ihres Wohnhauses befinde sich die Haustüre. Von der Haustüre aus habe sie die ca. 3 m breite Straße im rechten Winkel zur Fahrbahn auf kürzestem Weg verlassen. Als Frau X für sie ansichtig wurde, sei sie bereits auf der Fahrbahn gestanden und zwar etwa noch einen Schritt entfernt vom linken Fahrbahnrand in Fahrtrichtung der Frau X gesehen. Frau X habe dann etwa am Ende des Fahrbahntrichters (Kreuzungsbereich) ihr Fahrzeug kurz abgebremst. Frau X habe zu diesem Zeitpunkt sicherlich eine erhöhte Geschwindigkeit gefahren. Hätte sie die Geschwindigkeit beibehalten, hätte sie sie überfahren.

 

Sie verwehre sich entschieden dagegen, dass sie die Fahrbahn mutwillig beim Herannahen des von Frau X gelenkten Kraftfahrzeuges betreten habe. Sie stelle den Antrag, ihrem Berufungsbegehren stattzugeben und das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren einzustellen und in eventu das Strafausmaß herabzusetzen.

 

2.1. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat die Berufung ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 15. April 2010 vorgelegt.

 

2.2. Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich ist gemäß § 51 Abs.1 VStG gegeben. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hatte, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 2000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das laut Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

 

2.3. Die Berufung wurde innerhalb der 2-wöchigen Rechtsmittelfrist mündlich bei der Bezirkshauptmannschaft Freistadt eingebracht und sie ist daher rechtzeitig.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 2. Juni an Ort und Stelle. An dieser Verhandlung nahmen ein Vertreter der Bezirkshauptmannschaft Freistadt sowie die geladene Zeugin, Frau X teil. Die Berufungswerberin selbst hat sich wegen Erkrankung entschuldigt und am Vortag der mündlichen Berufungsverhandlung eine telefonische Stellungnahme abgegeben.

 

2.5. Aus dem vorliegendem Akt ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich folgender Sachverhalt, der der Entscheidung zu Grunde liegt:

 

Dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren liegt eine Anzeige der Polizeiinspektion X vom 4. Mai 2009 zugrunde. Demnach habe die Zeugin Frau X angegeben, sie habe ihren PKW auf dem Güterweg X gelenkt und sei auf die unbenannte Gemeindestraße zu ihrem Wohnhaus eingebogen. Sie sei in Schrittgeschwindigkeit auf der Zufahrtsstraße gefahren. Als sie das Haus X passieren wollte, sei X überraschend auf die Straße gestiegen. Sie sei nur mehr ca. 5 bis 10 m von ihr entfernt gewesen. Da sie mit geringer Geschwindigkeit gefahren sei, habe sie ihren PKW noch abbremsen können. X habe abschließend die Straße überquert und sei zu ihrer Scheune gegangen, offensichtlich habe sie provozieren wollen.

 

Die Berufungswerberin rechtfertigte sich im erstbehördlichen Verwaltungsstrafverfahren (siehe Niederschrift vom 4. August 2009 der Bezirkshauptmannschaft Freistadt) dahingehend, dass sie auf Höhe ihrer Haustür etwa in der Mitte der Zufahrtsstraße gestanden sei, als der PKW, KZ: X für sie überraschend mit hoher Geschwindigkeit in die Zufahrt eingebogen sei. Sie sei ca. 30 bis 40 m von der Kreuzung entfernt gestanden und als sie Fahrzeug bemerkte (als es einbog) habe sie die Fahrbahn in Richtung Grundstück gegenüber dem Haus verlassen. Ausdrücklich betonte sie, dass sie die Fahrbahn verlassen habe und nicht betreten.

 

Schlussendlich hat die Bezirkshauptmannschaft Freistadt das nunmehr angefochtene Straferkenntnis erlassen.

 

Im Zuge der mündlichen Berufungsverhandlung verblieb die Zeugin X dabei, dass sie wegen des Verhaltens der Berufungswerberin ihr Fahrzeug stark abbremsen musste. Sie habe "den Schock ihres Lebens" erlitten, sie fahre seit ca. 40 Jahren Auto und es sei ihr so etwas noch nie passiert. Sie habe die Berufungswerberin schon vor ihrem Haus stehen sehen, als sie sich der Kreuzung zur Zufahrtsstraße genährt hat. Als sie in diese eingebogen sei mit einer Geschwindigkeit von ca. 20 km/h (maximal) habe Frau X die Fahrbahn vor ihrem Fahrzeug überquert.

 

Was die Örtlichkeit anbelangt, so befindet sich das Haus X in Fahrtrichtung der Zeugin gesehen linksseitig, etwa in der Mitte dieses Hauses befindet sich die Haustüre, davor ist eine Vorfläche im Ausmaß von ca. 4 m. Die Fahrbahnbreite selbst beträgt ca. 3 m. Entlang des Hauses am Fahrbahnrand in Richtung Güterweg gesehen verläuft eine niedrige Steinwand in der Länge von ca. 6 m.

 

Beim Telefonat am Vortag der mündlichen Berufungsverhandlung verblieb X bei ihrer Rechtfertigung, sie sei, als sie Fr. X erblickte, noch im Bereich ihres Hauseinganges gestanden, gestand jedoch zu vor ihr die Fahrbahn überquert zu haben, ohne diese jedoch zu behindern.

 

Die Zeugin Fr. X erklärte auf Befragen, dass Frau X mit normaler Geschwindigkeit bzw. allenfalls etwas langsamer die Fahrbahn überquert hat.

 

2.6. In freier Beweiswürdigung erachtet der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, dass trotz des aufwändigen Ermittlungsverfahrens inkl. Augenschein nicht mit einer zur Bestrafung führenden Sicherheit nachgewiesen werden kann, dass die Berufungswerberin die Zeugin X bei einer objektiven Betrachtungsweise tatsächlich behindert hat.

 

3. In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wie folgt erwogen:

 

3.1. Gemäß § 76 Abs.1 StVO 1960 haben Fußgänger, auch wenn sie Kinderwagen oder Rollstühle schieben oder ziehen, auf Gehsteigen oder Gehwegen zu gehen; sie dürfen nicht überraschend die Fahrbahn betreten.

Gemäß § 76 Abs.5 StVO 1960 haben Fußgänger die Fahrbahn in angemessener Eile zu überqueren. Außerhalb von Schutzwegen haben sie denn kürzesten Weg zu wählen; hiebei dürfen sie den Fahrzeugverkehr nicht behindern.

 

Laut höchstgerichtlicher Rechtssprechung (z.B. OGH 6. April 1995, 2Ob30/95) darf ein Fußgänger die Fahrbahn nicht überraschend betreten, also nicht in einer Weise, dass andere Straßenbenützer nicht damit rechnen können und nicht mehr in der Lage sind, ihr eigenes Verhalten danach einzurichten.

 

Unter Berücksichtung der von der Erstbehörde herangezogenen übertretenen Norm (§ 76 Abs.1 StVO 1960) stellt der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich dazu fest, dass der Berufungswerberin nicht nachgewiesen werden kann, dass sie die Fahrbahn tatsächlich vor dem Fahrzeug der Zeugin X überraschend betreten hat. Sie hat die Fahrbahn nachdem sie von der Zeugin schon bemerkt wurde, zu überqueren begonnen, als diese mit relativ geringer Geschwindigkeit angenommen noch mind. 6 m (die Zeugin selbst hat bis zu 10 m angegeben) von ihr entfernt war, dies in einem grundsätzlich laut Angabe der Zeugin normalen wenn auch etwas langsameren Tempo. Davon ausgehend, dass auch die Zeugin verpflichtet gewesen wäre, in Anbetracht der konkreten Situation eine entsprechend aufmerksame und bremsbereite Fahrweise einzuhalten, erachtet der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, dass nicht erwiesen werden kann, dass das Betreten der Fahrbahn – dem Tatvorwurf entsprechend – als überraschend beurteilt werden kann, jedenfalls steht dieser Umstand nicht mit einer zur Bestrafung führenden Sicherheit fest.

 

Ausdrücklich wird auch daraufhingewiesen, dass im Verwaltungsstrafverfahren ebenso wie im gerichtlichen Strafverfahren der Grundsatz "in dubio pro reo" Anwendung anzufinden hat, d.h. wenn die Tat nicht mit einer zur Bestrafung führenden Sicherheit nachgewiesen werden kann, ist eine Einstellung zu verfügen.

 

3.2. Gemäß § 45 Abs.1 Z.1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder eine Verwaltungsübertretung bildet.

 

Nachdem, wie oben dargelegt wurde, der Berufungswerberin die ihr zur Last gelegte Tat nicht nachgewiesen werden kann, war der Berufung – "in dubio pro reo" – Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

4. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Alfred Kisch

 

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