Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252473/2/Gf/Mu

Linz, 12.05.2010

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof über die Berufung des Finanzamtes x gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Steyr-Land vom 6. April 2010, GZ SV96-9/3-2010 (mitbeteiligte Partei: x), wegen Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz zu Recht erkannt:

Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als der angefochtene Bescheid aufgehoben wird.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Steyr-Land vom 6. April 2010, GZ SV96-9/3-2010, wurde das gegen die mitbeteiligte Partei wegen einer  Übertretung des § 33 Abs. 1 i.V.m. § 111 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl.Nr. 189/1955 i.d.F. BGBl.Nr. I 146/2008 (im Folgenden: ASVG), eingeleitete Strafverfahren eingestellt.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass die von der mitbeteiligten Partei beschäftigte Dienstnehmerin bloß Vorarbeiten für die geplante Eröffnung eines Lokales und damit für die beabsichtigte Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit geleistet habe; dass zu bzw. vor diesem Zeitpunkt bereits tatsächlich ein Buffet betrieben worden sei, habe hingegen nicht eindeutig erwiesen werden können.

1.2. Gegen diesen der Amtspartei am 27. April 2010 zugestellten Bescheid richtet sich die vorliegende, bei der belangten Behörde laut Eingangsstempel am "3. April 2010" – richtig wohl: am 3. Mai 2010 (und damit auch rechtzeitig) – eingebrachte Berufung, mit der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

Darin wird vorgebracht, dass die Erstbehörde die niederschriftliche Aussage der Bediensteten vom 14. April 2010 nicht zureichend gewürdigt hätte. Aus dieser gehe nämlich zweifelsfrei hervor, dass diese von der mitbeteiligten Partei darum gebeten worden sei, für dieser das Lokal vorzubereiten; danach hätte entschieden werden sollen, ob der Betrieb entweder von der mitbeteiligten Partei geführt wird und die Dienstnehmerin als deren Geschäftsführerin fungiert oder Letztere selbst das Buffet als Pächterin übernimmt. Außerdem habe die Amtspartei eine Übertretung des § 33 Abs. 2 ASVG angezeigt, während die belangte Behörde dem gegenüber das Strafverfahren offenbar wegen einer Übertretung des § 33 Abs. 1 ASVG durchgeführt und eingestellt habe.

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der BH Steyr-Land zu GZ SV96-9/3-2010; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und die Verfahrensparteien einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen gemäß § 51e Abs. 3 Z. 1 und 4 VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

Nach § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – nicht durch eine Kammer, sondern durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

3. Über die vorliegende Berufung hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 111 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 ASVG handelt derjenige ordnungswidrig und begeht damit eine Verwaltungsübertretung – für die er (im Erstfall) mit einer Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro zu bestrafen ist, sofern die Tat weder von den Gerichten zu ahnden noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist –, der als Dienstgeber entgegen den Bestimmungen des ASVG die erforderlichen Meldungen oder Anzeigen entweder nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet.

 

Nach § 33 Abs. 1 ASVG haben die Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach dem ASVG in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden bzw. binnen 7 Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden.

Für eine (nur) in der Unfallversicherung nach § 7 Z 3 lit.a ASVG bzw. eine nur in der Unfall- und Pensionsversicherung pflichtversicherte Person trifft § 33 Abs. 2 ASVG eine insoweit modifizierte Regelung, als die nach § 33 Abs. 1 ASVG erforderlichen Meldungen beim Träger der Krankenversicherung, der beim Bestehen einer Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz für sie sachlich und örtlich zuständig wäre, zu erstatten sind (wobei hier offen bleiben kann, ob der in § 33 Abs. 1a ASVG vorgesehene Modus auch für Meldungen nach § 33 Abs. 2 ASVG maßgeblich ist).

 

Nach § 4 Abs.1 Z 1 ASVG sind die bei einem oder mehreren Dienstgebern
beschäftigten Dienstnehmer in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung (unmittelbar) auf Grund des ASVG versichert (Vollversicherung), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollver­sicherung ausgenommen ist noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet.

 

Als Dienstnehmer i.S.d. ASVG gilt gemäß § 4 Abs. 2 ASVG derjenige, der in
einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird, wobei hiezu auch Personen gehören, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit über­wiegen.

 

Von der Vollversicherung nach § 4 ASVG und damit von der Krankenversicherungspflicht sind nach § 5 Abs. 2 ASVG u.a. geringfügig beschäftigte Personen ausgenommen.

 

Gemäß § 5 Abs. 2 ASVG galt zum Tatzeitpunkt ein Beschäftigungsverhältnis als geringfügig, wenn es für eine kürzere Zeit als einen Kalendermonat vereinbart war und für einen Arbeitstag im Durchschnitt ein Entgelt von höchstens 27,47 Euro, insgesamt jedoch von höchstens 357,74 Euro gebührte oder für mindestens einen Kalendermonat oder auf unbestimmte Zeit vereinbart war und im Kalendermonat kein höheres Entgelt als 357,74 Euro gebührte.

 

3.2. Im gegenständlichen Fall bringt die beschwerdeführende Amtspartei zu Recht vor, dass von ihr eine Übertretung des § 33 Abs. 2 ASVG zur Anzeige gebracht wurde. Auch die Verfolgungshandlungen der ursprünglich zuständigen Erstbehörde gründeten sich explizit auf diese Bestimmung (vgl. die Aufforderung zur Rechtfertigung des Magistrates Linz vom 28. April 2009, GZ 18491/2009).


Weshalb die belangte Behörde nach Abtretung des Verfahrens das Strafverfahren hingegen wegen einer Übertretung des § 33 Abs. 1 ASVG weiterführte, lässt sich dem von ihr vorgelegten Akt nicht entnehmen. Auch lässt sich nicht von vornherein ausschließen, dass die belangte Behörde bei Zugrundelegung des Deliktstatbestandes des § 33 Abs. 2 ASVG keine Einstellung des Verfahrens verfügt hätte.

 

3.3. Durch die Anlastung eines gänzlich anderen (nämlich: § 33 Abs. 2 ASVG) als des von der bescheiderlassenden Behörde verfolgten Deliktes (§ 33 Abs. 1 ASVG) würde der Oö. Verwaltungssenat seine von Verfassungs wegen auf eine bloße Rechtmäßigkeitskontrolle (vgl. Art. 129 ff B-VG) beschränkte Zuständigkeit verlassen und stattdessen zu einer ausschließlichen Strafverfolgungsbehörde mutieren (bzw. allgemein: die Verwaltung nicht mehr bloß kontrollieren, sondern diese vielmehr selbst "führen" oder "besorgen").

 

Daher kam auch eine dementsprechende "Spruchkorrektur", die in Wahrheit eine nachträgliche Ausdehnung der Anklage darstellen würde, schon von vornherein nicht in Betracht.

 

3.4. Vielmehr konnte der gegenständlichen Berufung aus diesem Grund gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs.4 AVG nur insoweit stattgegeben werden, als der angefochtene Bescheid aufzuheben war.

 

Im Hinblick auf die noch offene Verfolgungsverjährungsfrist war hingegen eine Einstellung des Strafverfahrens nicht zu verfügen; ob und in welchem Umfang dieses allenfalls weiterzuführen ist, hat vielmehr die belangte Behörde aus eigenem zu beurteilen.

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Dr.  G r o f


 

Rechtssatz:

 

VwSen-232473/2/Gf/Mu vom 12. Mai 2010

 

Art. 129 ff B-VG; § 33 Abs. 1 und 2 VStG

 

Im gegenständlichen Fall bringt die beschwerdeführende Amtspartei zu Recht vor, dass von ihr eine Übertretung des § 33 Abs. 2 ASVG zur Anzeige gebracht wurde. Auch die Verfolgungshandlungen der ursprünglich zuständigen Erstbehörde gründeten sich explizit auf diese Bestimmung. Weshalb die belangte Behörde das Strafverfahren nach erfolgter Weiterleitung hingegen wegen einer Übertretung des § 33 Abs. 1 ASVG weiterführte, lässt sich dem von ihr vorgelegten Akt nicht entnehmen. Auch lässt sich nicht von vornherein ausschließen, dass die belangte Behörde bei Zugrundelegung des Deliktstatbestandes des § 33 Abs. 2 ASVG keine Einstellung des Verfahrens verfügt hätte.

Durch die Anlastung eines gänzlich anderen (nämlich: § 33 Abs. 2 ASVG) als des von der bescheiderlassenden Behörde verfolgten Deliktes (§ 33 Abs. 1 ASVG) würde der Oö. Verwaltungssenat jedoch seine von Verfassungs wegen auf eine bloße Rechtmäßigkeitskontrolle (vgl. Art. 129 ff B-VG) beschränkte Zuständigkeit verlassen und stattdessen zu einer ausschließlichen Strafverfolgungsbehörde mutieren (bzw. allgemein: die Verwaltung nicht mehr bloß kontrollieren, sondern diese vielmehr selbst "führen" oder "besorgen"). Daher kam auch eine dementsprechende "Spruchkorrektur", die in Wahrheit eine nachträgliche Ausdehnung der Anklage darstellen würde, schon von vornherein nicht in Betracht.

Vielmehr konnte der gegenständlichen Berufung gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs.4 AVG nur insoweit stattgegeben werden, als der angefochtene Bescheid aufzuheben war. Im Hinblick auf die noch offene Verfolgungsverjährungsfrist war hingegen eine Einstellung des Strafverfahrens nicht zu verfügen; ob und in welchem Umfang dieses allenfalls weiterzuführen ist, hat vielmehr die belangte Behörde aus eigenem zu beurteilen.

 

 

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