Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252138/2/BMa/Mu/Th

Linz, 25.05.2010

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Gerda Bergmayr-Mann über die Berufung des X, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. X, Dr. X und Dr. X, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landes­hauptstadt Linz vom 26. Februar 2009, GZ 0028451/2008, wegen einer Übertretung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) zu Recht erkannt:

 

 

      I.      Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und die Verwaltungsstrafsache wird an den Magistrat der Stadt Wels weitergeleitet.

 

  II.      Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenats zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

zu II.: § 66 VStG

 




Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis hat der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wie folgt schuldig gesprochen und bestraft:

 

"I. Tatbeschreibung:

 

Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 VStG nach außen vertretungsbefugtes Organ der Firma X GmbH, X zu verantworten, dass von dieser Firma zumindest am 27.01.2008 um 00:20 Uhr Herr X, als Zeitungsverteiler in X beschäftigt wurde, obwohl dieser nicht vor Arbeitsantritt zumindest mit den Mindestangaben zur Pflichtversicherung aus der Krankenversicherung beim zuständigen Sozialversicherungsträger angemeldet worden war.

 

II. Verletzte Verwaltungsvorschriften in der jeweils gültigen Fassung:

§ 33/1 und 1a iVm § 111 ASVG

 

III. Strafausspruch:

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von          Falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von    Gemäß

€ 730,00         112 Stunden                                             § 111 ASVG

 

IV. Kostenentscheidung:

Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens haben Sie 10% der verhängten Strafe zu leisten:

€ 73,00

Rechtsgrundlage in der jeweils gültigen Fassung:

§ 64 (1) und (2) Verwaltungsstrafgesetz

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen)

beträgt daher € 803,00. "

 

1.2. Begründend führt die belangte Behörde insbesondere aus, der dem Bw zur Last gelegte Sachverhalt sei auf Grund der Aktenlage sowie des Ergebnisses des durchgeführten Beweisverfahrens erwiesen. Demnach habe der Bw als Dienstgeber die im Spruch angeführte Person als Dienstnehmer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt, ohne diese ordnungsgemäß beim zuständigen Krankenversicherungsträger angemeldet zu haben. Der Bw habe ein Ungehorsamsdelikt begangen und er habe den Schuldentlastungsbeweis nicht erbringen können. Bei entsprechender Berücksichtigung sämtlicher gemäß § 19 VStG 1991 maßgebender Bemessungsgründe sei die verhängte Strafe dem Unrechtsgehalt der Tat sowie dem Verschulden angemessen.

 

1.3. Gegen dieses seinem Rechtsvertreter am 11. März 2009 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende vermutlich am 25. März 2009 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung vom 24. März 2009.

 

Darin wird vorgebracht, dass das angefochtene Straferkenntnis in seinem vollem Umfang bekämpft werde. Weiters wird ausgeführt, dass dem Bw im Spruch des bekämpften Straferkenntnisses ein komplett anderer Sachverhalt angelastet werde als in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 26. Juni 2008. Daraus sei eindeutig eine Aktenwidrigkeit des Straferkenntnisses abzuleiten, die einen Verfahrensfehler darstelle, weshalb das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verfahren einzustellen sei. Zudem stimme auch die im bekämpften Straferkenntnis angeführte Begründung weder mit den Ausführungen des Schriftsatzes des Vertreters noch mit den zitierten Äußerungen des Anzeigenlegers überein, weshalb auch hier eine Aktenwidrigkeit vorliege. Weiters wird darauf hingewiesen, dass dem Bw im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses vom 26. Februar 2009, GZ 0028451/2008, derselbe Sachverhalt wie im Spruch des Straferkenntnisses vom 26. Februar 2009, GZ 0028856/2008, angelastet worden sei. Eine Doppelbestrafung i.S.d.  Art. 4 7. ZP-EMRK sei nicht zulässig.

 

Es wird daher die Aufhebung des Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu die Herabsetzung der Strafe nach § 21 bzw. § 20 VStG, beantragt.

 

1.4. Mit Berufungsvorentscheidung vom 23. April 2009, GZ 028451/2008, die dem Rechtsvertreter am 8. Mai 2009 zugestellt wurde, wurde der Spruch und die Begründung des bekämpften Straferkenntnisses vom 26. Februar 2009, GZ 0028451/2008, korrigiert. Dagegen wurde vom Bw mit Schreiben vom 18. Mai 2009 ein Vorlageantrag eingebracht.

 

2.1. Die belangte Behörde hat mit Vorlageschreiben vom 18. Mai 2009 einen Ausdruck ihres elektronischen Aktes zur Geschäftszahl 0028451/2008 dem Oö. Verwaltungssenat übermittelt. Dieser erhob Beweis durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde; da sich bereits aus diesem der entscheidungs­relevante Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 51e Abs.2 Z 1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

2.2. Aufgrund des Einbringens des Vorlageantrages ist die Berufungsvorent­scheidung außer Kraft getreten, sodass der Unabhängige Verwaltungssenat, über die Berufung vom 24. März 2009 zu entscheiden hat.

 

2.3. Nach § 51c VStG hat der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

 

In der Sache selbst hat der OÖ. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 111 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes – ASVG, BGBl. Nr. 189/1955 in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von 730 bis 2180 Euro zu bestrafen, wer als Dienstgeber entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet.

 

Gemäß § 33 Abs.1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden.

 

Mit dem Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsinspektionsgesetz 1993, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungs-gesetz und das Bundesgesetz über die Verkehrs-Arbeitsinspektion geändert werden, BGBl. I Nr. 150/2009, wurde gemäß Art.3 dieses Gesetz dem § 111 ASVG folgender Abs.5 angefügt:

 

"(5) Die Verwaltungsübertretung gilt als in dem Sprengel der Bezirksverwaltungsbehörde begangen, in dem der Sitz des Betriebes des Dienstgebers liegt."

 

Dieses Bundesgesetzblatt wurde am 30. Dezember 2009 veröffentlicht.

 

Aus den Materialen zur Regierungsvorlage, 490 der Beilagen XXIV.GP, Erläuterungen, ergibt sich Folgendes:

 

"Jüngst hatte das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz einen negativen Zuständigkeitskonflikt betreffend die Durchführung eines Verwaltungsstrafverfahrens nach § 111 ASVG zu entscheiden. Es galt zu klären, ob der Ort der Unterlassung der Anmeldung zur Sozialversicherung am Sitz jener Gebietskrankenkasse liegt, bei der die Anmeldung durch den Dienstgeber hätte erfolgen müssen, oder aber am Ort, an dem das ordnungswidrige Verhalten gesetzt wurde. Im Lichte der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes im Zusammenhang mit Übertretungen von Arbeitszeitvorschriften (vgl. das Erkenntnis vom 26. Februar 1987, Zl:1986/08/0231) sowie mit Verwaltungsübertretungen nach § 28 Abs.1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (vgl. das Erkenntnis vom 22. Jänner 2002, Zl. 2000/09/0147) hat das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz entschieden, dass sich die örtliche Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde nach dem Sitz des Unternehmens richtet, wo die einschlägige Ordnungswidrigkeit begangen worden ist.

 

Aus Gründen der Rechtssicherheit soll dieser Grundsatz gesetzlich verankert werden, um derartige Zuständigkeitskonflikte in Hinkunft auszuschließen, wobei aber an den Sitz des Betriebes angeknüpft werden soll.

 

Bei der vorgeschlagenen Bestimmung handelt sich um eine reine Zuständigkeitsnorm. Daher sind auch einschlägige Sachverhalte, die bereits vor dem In-Kraft-Treten der Neuregelung verwirklicht wurden, vom Anwendungsbereich des § 111 Abs.5 ASVG erfasst. Die neue Bestimmung gilt somit auch für alle zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens schon anhängigen (offenen) Verfahren."

 

Aus diesen Erläuterungen erhellt, dass die mit 30. Dezember 2009 kundgemachte Zuständigkeitsbestimmung auch bereits anhängige, noch offene Verfahren, die in den Anwendungsbereich des § 111 ASVG fallen, erfasst.

 

Weil das anzuwendende Verfahrensrecht keine Legaldefinition der Begriffe "anhängiges Verfahren" oder "offenes Verfahren" enthält, sind diese anhand der ständigen Rechtsprechung des VwGH zu prüfen.

Demnach wird beim Begriff "anhängig" in den Entscheidungen des VwGH kein Unterschied gemacht, ob sich die Angelegenheit in Behandlung bei der ersten Instanz, beim Unabhängigen Verwaltungssenat oder bei einem der Höchstgerichte befindet. Ein Verfahren kann demnach in jeder Instanz "anhängig" sein.

Im Erkenntnis des VwGH vom 24. März 2004, 2001/04/0218, wird darüber hinaus zur Stellung eines Antrags ausgeführt, dass dies ein anhängiges Verfahren voraussetzt.  Dies bedeutet, dass der Antrag bis zur Entscheidung gestellt werden kann.

Damit ist klargestellt, dass der Gesetzgeber, der hinsichtlich der Instanzen keine Einschränkung getroffen hat, mit "anhängigen Verfahren" sowohl solche bei der Erstinstanz als auch jene regeln wollte, die beim Unabhängigen Verwaltungssenat noch nicht entschieden sind.

 

§ 111 Abs. 5 ASVG ist damit – nach dem Willen des Gesetzgebers – auch auf jene Verfahren anzuwenden, die beim Unabhängigen Verwaltungssenat anhängig sind.

 

Gemäß § 27 Abs.1 VStG ist jene Behörde im Strafverfahren örtlich zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.

 

Wie klargestellt wurde, richtet sich die Zuständigkeit der Behörde nach dem Sitz des Unternehmens. Im konkreten Fall ist der Betriebssitz in Wels und der Magistrat der Stadt Wels ist zur Durchführung des Strafverfahrens zuständig.

 

Weil nach dieser (neuen) geklärten Rechtslage das Straferkenntnis von der unzuständigen Behörde erlassen wurde, war der vorliegenden Berufung gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und die Angelegenheit an die örtlich zuständige Erstbehörde weiterzuleiten.

 

Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Berufungswerber gemäß §§ 65 und 66 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat noch ein Beitrag zu den Kosten der belangten Behörde vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bergmayr-Mann


Rechtssatz zu VwSen-252138/2/BMa/Mu/Th vom 25. Mai 2010:

 

 

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