Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300947/2/Gf/Mu

Linz, 18.05.2010

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof aus Anlass der Berufung des x, vertreten durch die RAe x, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 12. April 2010, GZ Pol96-147-2009, wegen einer Übertretung des Oö. Polizeistrafgesetzes zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als der Strafausspruch aufgehoben und stattdessen bloß eine Ermahnung erteilt wird; im Übrigen wird diese hingegen abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass in dessen Spruch die Worte bzw. Wortfolgen "stark", "durch das Ortszentrum von Vorchdorf", "stürzten, sich eine Platzwunde am Kopf zugezogen haben" und "mit den Worten 'schleichts euch, ich brauch euch nicht" zu entfallen haben.

 

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG;§ 21 Abs. 1 VStG; § 66 Abs. 1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 12. April 2010, GZ Pol96-147-2009, wurde über den Rechtsmittelwerber eine Geldstrafe in Höhe von 100 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 36 Stunden) verhängt, weil er am 29. August 2009 in der Zeit zwischen 17.12 und 17.55 Uhr in Vorchdorf auf dem Schlossplatz und in der Bahnhofstraße den öffentlichen Anstand dadurch verletzt habe, dass er offensichtlich stark alkoholisiert durch das Ortszentrum wankte, sich durch einen Sturz eine Platzwunde am Kopf zuzog und die Rettungskräfte gröblich beschimpft habe. Dadurch habe er eine Übertretung des § 1 Abs. 1 und 2 des Oö. Polizeistrafgesetzes, LGBl.Nr. 36/1979, zuletzt geändert durch LGBl.Nr. 77/2007 (im Folgenden: OöPolStG), begangen, weshalb er nach § 10 Abs. 1 lit. a OöPolStG zu bestrafen gewesen sei.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass der ihm angelastete Sachverhalt auf Grund einer Anzeige der PI Vorchdorf sowie entsprechender Zeugenwahrnehmungen  als erwiesen anzusehen sei.

Im Zuge der Strafbemessung seien weder Milderungs- noch Erschwerungsgründe hervorgekommen. Die von ihm bekannt gegebenen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse seien entsprechend berücksichtigt worden.

1.2. Gegen dieses ihm am 20. April 2010 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 3. Mai 2010 – und damit rechtzeitig – per Telefax eingebrachte Berufung.

Darin bringt der Beschwerdeführer vor, dass die von der belangten Behörde angenommene "offensichtlich starke Alkoholisierung" auch durch den Amtsarzt nicht bestätigt worden sei. Zudem scheide nach § 1 Abs. 1 OöPolStG eine Bestrafung wegen Anstandsverletzung aus, wenn – wie hier – bereits eine Bestrafung wegen eines Verkehrsdeliktes (§ 76 StVO) erfolgt. Darüber hinaus sei er auch der deutschen Sprache gar nicht soweit mächtig, dass er die im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses angeführte Wortfolge gegenüber den Rettungskräften hätte äußern können. Schließlich sei der Einsatz der Rettungskräfte bereits um 17.31 Uhr beendet gewesen, weil er zu diesem Zeitpunkt von seiner telefonisch verständigten Vermieterin abgeholt wurde.

Aus diesen Gründen wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der BH Gmunden zu GZ Pol96-147-2009; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine 500 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde und auch die Verfahrensparteien einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

2.2. Nach § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – nachdem hier eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – nicht durch eine Kammer, sondern durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 10 Abs. 1 lit. a OöPolStG i.V.m. § 1 Abs. 1 OöPolStG begeht –außer in den Fällen einer sonst mit Verwaltungsstrafe oder einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung – derjenige eine Verwaltungs­übertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 360 Euro zu bestrafen, der den öffentlichen Anstand verletzt. Nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 2 OöPolStG ist in diesem Sinn unter einer Anstandsverletzung jedes Verhalten in der Öffentlichkeit anzusehen, das einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte bildet.

Wie sich aus der Verwendung des Wortes "sonst" in der Textierung des § 1 Abs. 1 OöPolStG ergibt, setzt eine Bestrafung nach dieser Bestimmung voraus, dass der dem Beschuldigten konkret angelastete Sachverhalt nicht zugleich auch den Tatbestand einer anderen Verwaltungsübertretung (oder eines Gerichtsdeliktes) erfüllt; in jenem Fall würde eine gleichzeitige Bestrafung gemäß § 1 Abs. 1 OöPolStG nämlich eine Verletzung des in Art. 4 des 7. ZPMRK normierten Doppelbestrafungsverbotes nach sich ziehen, was durch die Subsidiaritätsklausel des § 1 Abs. 1 OöPolStG verhindert werden soll. Gleichzeitig beugt die i.S.d. § 44a Z. 1 VStG konkretisierten Tatanlastung einer im Strafrecht generell verpönten ausdehnenden Interpretation, so auch des § 1 Abs. 1 OöPolStG vor, wobei es nicht darauf ankommt, ob ein weiteres Verwaltungsstrafverfahren bereits tatsächlich geführt wird, sondern nur darauf, ob ein solches auf Grund der konkreten Sachverhaltskonstellation zumindest theoretisch durchgeführt werden könnte.

In diesem Zusammenhang ist im vorliegenden Fall die Bestimmung des § 76 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung, BGBl.Nr. 159/1960, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 93/2009 (im Folgenden: StVO) in Betracht zu ziehen, weil aus der dem gegenständlichen Fall zu Grunde liegenden Anzeige der PI Vorchdorf vom 30. August 2009, GZ A1/13039/01/2009, hervorgeht, dass der Rechtsmittelwerber vom Gehsteig "auf die Bahnhofstraße ..... stieg ..... und die ganze Straße brauchte". Nach § 76 Abs. 1 StVO haben Fußgänger jedoch u.a. auf Gehsteigen oder Gehwegen zu gehen und sie dürfen nicht überraschend die Fahrbahn betreten, wobei eine Nichtbeachtung dieser Vorschrift gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO eine Verwaltungsübertretung bildet, die mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro zu bestrafen ist.

Im gegenständlichen Fall ergeben sich dabei jedoch nur insoweit Berührungspunkte, als dem Beschwerdeführer im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses auch ein "Wanken durch das Ortszentrum" und damit implizit ein Verlassen des Gehsteiges bzw. ein überraschendes Betreten der Fahrbahn angelastet wurde. In diesem Umfang ist tatsächlich die Gefahr einer verfassungsrechtlich verpönten Doppelbestrafung gegeben, sodass dieses Tatbestandselement zu Gunsten des Beschwerdeführers aus dem Spruch zu eliminieren war, um eine Verletzung des Art. 4 des 7. ZPMRK von vornherein verlässlich auszuschließen.

Dem entsprechende Bedenken bestehen hingegen in Bezug auf die übrigen Spruchelemente nicht, weil mit diesen dem Rechtsmittelwerber lediglich solche Sachverhaltselemente angelastet wurden, die ihrerseits nicht den Tatbestand einer Verwaltungsübertretung (oder gar einer gerichtlich strafbaren Handlung) bilden – nämlich der Zustand der Alkoholisierung in der Öffentlichkeit, das Stürzen und Zuziehen einer Wunde sowie das Beschimpfen der Rettungskräfte –, sodass insoweit das Problem einer verpönten Doppelbestrafung schon von Anfang an gar nicht entstehen kann. 

3.2. Davon ausgehend ist im gegenständlichen Fall zu bedenken, dass die Alkoholisierung – wenngleich nicht erwiesen ist, ob diese auch tatsächlich "offensichtlich "stark" war – ebenso wie die Beschimpfung der Rettungskräfte von mehreren Zeugen unter Wahrheitspflicht bestätigt wurde, während der Beschwerdeführer diesen Feststellungen lediglich Schutzbehauptungen bzw. ein unsubstantiiertes Bestreiten entgegenzusetzen vermag.

Bei dieser für ihn negativen Beweislage war daher seine Alkoholisierung ebenso als erwiesen anzusehen wie der Umstand der Beschimpfung der Rettungskräfte, wobei der genaue Wortlaut in diesem Zusammenhang unerheblich ist: Dass nämlich das bloße Umherwanken in alkoholisiertem Zustand zur Tageszeit im Ortszentrum ebenso wie das verbale Beschimpfen von Personen, die eine offensichtlich erforderliche Hilfe anbieten, einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitten darstellt, bedarf eben so wenig einer weiteren Begründung wie der Umstand, dass der Rechtsmittelwerber diese Tathandlungen zumindest leicht fahrlässig dadurch verursacht hat, dass er sich in diesen Zustand der Bewusstseinstrübung versetzt hat. Seine Strafbarkeit ist daher insoweit gegeben.

Hingegen erfüllt das Stürzen und Zuziehen einer Platzwunde nicht den Tatbestand einer Verwaltungsübertretung, sondern vielmehr jenen eines bedauerlichen Missgeschicks bzw. Unglücks, sodass aus diesem Grund und auch deshalb die darauf bezügliche Wendung aus dem Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses zu eliminieren war, um nicht den Eindruck des Zynismus hervorzurufen.

3.3. Angesichts des Umstandes, dass die Folgen der Tat deshalb unbedeutend waren, weil das durch die Strafdrohung geschützte Rechtsgut der guten Sitten nach den konkreten Umständen des hier vorliegenden Falles objektiv besehen in einem bloß geringen Ausmaß beeinträchtigt wurde, und zudem nur eine geringfügige Form des Verschuldens vorlag, kommt der Oö. Verwaltungssenat im Ergebnis zu der Überzeugung, dass gegenständlich gemäß § 21 Abs. 1 VStG von der Verhängung einer Strafe abgesehen werden kann und stattdessen eine Ermahnung ausreichend sein wird, um den Beschwerdeführer künftig von der Begehung gleichartiger Verwaltungsübertretungen abzuhalten. 

 

3.4. Insoweit war daher der gegenständlichen Berufung gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben; im Übrigen war diese hingegen abzuweisen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe zu bestätigen, dass in dessen Spruch die Worte bzw. Wortfolgen "stark", "durch das Ortszentrum von Vorchdorf", "stürzten, sich eine Platzwunde am Kopf zugezogen haben" und "mit den Worten 'schleichts euch, ich brauch euch nicht" zu entfallen haben.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Rechtsmittelwerber gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Dr.  G r o f


Rechtssatz:

 

VwSen-300947/2/Gf/Mu vom 17. Mai 2010

Art. 4 des 7. ZPMRK; § 1 OöPolStG; § 76 Abs. 1 StVO; § 44a VStG

 

Wie sich aus der Verwendung des Wortes "sonst" in der Textierung des § 1 Abs. 1 OöPolStG ergibt, setzt eine Bestrafung nach dieser Bestimmung voraus, dass der dem Beschuldigten konkret angelastete Sachverhalt nicht zugleich auch den Tatbestand einer anderen Verwaltungsübertretung (oder eines Gerichtsdeliktes) erfüllt; in jenem Fall würde eine gleichzeitige Bestrafung gemäß § 1 Abs. 1 OöPolStG nämlich eine Verletzung des in Art. 4 des 7. ZPMRK normierten Doppelbestrafungsverbotes nach sich ziehen, was durch die Subsidiaritätsklausel des § 1 Abs. 1 OöPolStG verhindert werden soll. Gleichzeitig beugt die i.S.d. § 44a Z. 1 VStG konkretisierten Tatanlastung einer im Strafrecht verpönten ausdehnenden Interpretation des § 1 Abs. 1 OöPolStG vor, wobei es nicht darauf ankommt, ob ein weiteres Verwaltungsstrafverfahren bereits tatsächlich geführt wird, sondern darauf, ob ein solches auf Grund der konkreten Sachverhaltskonstellation zumindest theoretisch durchgeführt werden könnte.

 

In diesem Zusammenhang kommt im vorliegenden Fall die Bestimmung des § 76 Abs. 1 StVO in Betracht, weil aus der dem gegenständlichen Fall zu Grunde liegenden Anzeige der PI Vorchdorf hervorgeht, dass der Rechtsmittelwerber vom Gehsteig "auf die Bahnhofstraße ..... stieg ..... und die ganze Straße brauchte". Nach § 76 Abs. 1 StVO haben Fußgänger jedoch u.a. auf Gehsteigen oder Gehwegen zu gehen und sie dürfen nicht überraschend die Fahrbahn betreten, wobei eine Nichtbeachtung dieser Vorschrift gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO eine Verwaltungsübertretung bildet, die mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro zu bestrafen ist.

Im gegenständlichen Fall ergeben sich dabei jedoch nur insoweit Berührungspunkte, als dem Beschwerdeführer im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses auch ein "Wanken durch das Ortszentrum" und damit implizit auch ein Verlassen des Gehsteiges bzw. ein überraschendes Betreten der Fahrbahn angelastet wurde. In diesem Umfang ist tatsächlich die Gefahr einer verfassungsrechtlich verpönten Doppelbestrafung gegeben, sodass dieses Tatbestandselement zu Gunsten des Beschwerdeführers aus dem Spruch zu eliminieren war, um eine Verletzung des Art. 4 des 7. ZPMRK von vornherein verlässlich auszuschließen.

 

Dem entsprechende Bedenken bestehen hingegen in Bezug auf die übrigen Spruchelemente nicht, weil mit diesen dem Rechtsmittelwerber lediglich solche Sachverhaltselemente angelastet wurden, die ihrerseits nicht den Tatbestand einer Verwaltungsübertretung (oder gar einer gerichtlich strafbaren Handlung) bilden – nämlich der Zustand der Alkoholisierung in der Öffentlichkeit, das Stürzen und Zuziehen einer Wunde sowie das Beschimpfen der Rettungskräfte –, sodass insoweit das Problem einer verpönten Doppelbestrafung schon von Anfang an gar nicht entstehen kann.

 

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