Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252392/2/Fi/Mu/Ga

Linz, 30.04.2010

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Vizepräsident Mag. Dr. Johannes Fischer aus Anlass der Berufung des
Finanzamtes Gmunden Vöcklabruck, Ferdinand Öttl-Straße 12, 4840 Vöcklabruck, gegen den Einstellungsbescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 4. November 2009, GZ 0032790/2008 (mitbeteiligte Partei: X), wegen einer Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes mit diesem Bescheid zu Recht erkannt:

 

 

       Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben und die Verwaltungsstrafsache an den Bezirkshauptmann von Wels-Land weitergeleitet.

 

Rechtsgrundlage:

zu I: § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 i.V.m. § 6 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz – 1991 – AVG.


Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Einstellungsbescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 4. November 2009, GZ 0032790/2008, wurde gemäß § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG von der Fortführung eines Strafverfahrens gegen die mitbeteiligte Partei abgesehen und die Einstellung verfügt.

 

Begründend führt die belangte Behörde aus, dass der mitbeteiligten Partei die im Spruch angelastete Tat mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 14. Juli 2008 vorgeworfen worden sei, diese Tatbeschreibung aber nicht dem Konkretisierungsgebot gemäß § 44a VStG genügt habe, weil sich der Tatvorwurf auf sämtliche Tatbestandselemente beziehen hätte müssen. Da seit der Einleitung des ordentlichen Verwaltungsstrafverfahrens aber während des gesamten Ermittlungsverfahren keine weitere Konkretisierung der Verfolgungshandlung vorgenommen worden und im gegenständlichen Fall mittlerweile Verfolgungsverjährung eingetreten sei, habe der Tatvorwurf somit nicht mehr ausgedehnt werden können, weshalb das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 3 i.V.m. § 31 Abs. 1 VStG und § 111 Abs. 3 ASVG einzustellen sei.

 

1.2. Gegen diesen der Amtspartei am 6. November 2009 zugestellten Bescheid  richtet sich die rechtzeitige Berufung vom 16. November 2009, die am 18. November 2009 bei der belangten Behörde einlangte.

 

Begründend wird vorgebracht, dass gemäß § 32 Abs. 2 VStG jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigte gerichtete Amtshandlung als Verfolgungshandlung zu qualifizieren sei. In der Folge wird zum gegenständlichen Fall weiters ausgeführt, dass die der mitbeteiligten Partei vorgeworfene Tat in der Aufforderung zur Rechtfertigung ohnehin derart konkretisiert worden sei, dass ihr alle maßgeblichen Tatbestandsmerkmale vorgehalten worden seien und somit keine Gefahr einer Doppelbestrafung bewirkt worden sei. Wegen einer bloß rechtlich unrichtigen Qualifikation eines Tatvorwurfes könne hingegen nicht von einer unzureichenden Verfolgungshandlung ausgegangen werden, wobei die Amtspartei insoweit auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. VwGH vom 29. Jänner 2009, Zl. 2006/10/0199) verweist. Darüber hinaus gelten die Bestimmungen des § 44a VStG nicht für die Verfolgungshandlungen, sondern nur für den Bescheidspruch (z.B. VwGH vom 29. April 2009, Zl. 2009/02/0090).

 

2.1. Der Magistrat der Landeshauptstadt Linz, Bezirksverwaltungsamt, hat mit Vorlageschreiben vom 22. Februar 2010  die Berufung der Amtspartei dem Unabhängigen Verwaltungssenat unter Anschluss eines vollständigen Ausdruckes ihres elektronischen geführten Aktes mit dem Ersuchen um Entscheidung übermittelt.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Magistrates der Landeshauptstadt Linz zu GZ 0032790/2008; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 51e Abs. 2 Z. 1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

3. Über die vorliegende Berufung hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Nach § 51c Verwaltungsstrafverfahren 1991 (im Folgenden: VStG) hat der Oö. Verwaltungssenat  im gegenständlichen  Fall – weil mit dem angefochtenen Bescheid eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

 

3.2. Gemäß § 111 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 33 Abs. 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz – ASVG, BGBl. Nr. 189/1955 idF. BGBl. I Nr. 31/2007, begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist nach § 111 Abs. 2 ASVG mit einer Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro zu bestrafen, der als Dienstgeber eine pflichtversicherte Person nicht vor deren Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anmeldet.

 

Nach § 111 Abs. 5 ASVG gilt die Verwaltungsübertretung als in dem Sprengel jener Bezirksverwaltungsbehörde begangen, in dem der Sitz des Betriebes des Dienstgebers liegt.

 

3.2.1. Grundsätzliches zur Zuständigkeit im Verwaltungsstrafverfahren:

 

3.2.1.1. § 111 Abs. 5 ASVG wurde als Teil einer mit BGBl.Nr. I 150/2009 erlassenen Sammelnovelle, die am 30. Dezember 2009 im Bundesgesetzblatt kundgemacht wurde, in das ASVG eingefügt. Während darin hinsichtlich der Novellierungen der übrigen Gesetzeskomplexe (nämlich: des Arbeitsinspektionsgesetzes, des Arbeitsvertragsrechts‑Anpassungsgesetzes und des Bundesgesetzes über die Verkehrs‑Arbeitsinspektion) jeweils im Wege einer expliziten Inkrafttretensbestimmung der 1. Jänner 2010 als Zeitpunkt des Wirksamkeitsbeginnes angeordnet wird (vgl. Art. 1 Z. 7, Art. 2 Z. 2 und Art. 4 Z. 2 BGBl.Nr. I 150/2009), findet sich dem gegenüber für das ASVG nichts Vergleichbares. Daraus folgt wiederum, dass § 111 Abs. 5 ASVG nach der allgemeinen Anordnung des Art. 49 Abs. 1 B‑VG bereits einen Tag früher, nämlich am 31. Dezember 2009, in Kraft getreten ist.

 

3.2.1.2. Weiters fehlt es sämtlichen Novellierungen an entsprechenden Übergangsvorschriften, sodass diese Neuregelungen grundsätzlich – soweit (explizit oder stillschweigend) abweichende gesetzliche Anordnungen nicht konstatierbar sind – auch für alle zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens bereits anhängigen, d.h. entweder von der I. Instanz oder von einer Rechtsmittelbehörde noch nicht entschiedenen Verfahren maßgeblich sind, weil jede Behörde ganz allgemein jene Rechtslage anzuwenden hat, die im Zeitpunkt ihrer Entscheidung in Geltung steht.

 

3.2.1.2.1. Nach der übereinstimmenden Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts gilt allerdings in diesem Zusammenhang hinsichtlich Zuständigkeitsvorschriften jedenfalls im Administrativverfahren Besonderes: Für die unter dem Aspekt des (verfassungs-)gesetzlich gewährleisteten Rechts auf den gesetzlichen Richter maßgebliche und in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Frage der gesetzlichen Zuständigkeit einer Behörde zur Erlassung eines Bescheides ist zwar auch – wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist – jene Rechtslage maßgebend, die zu diesem Zeitpunkt in Geltung steht (bzw. stand; vgl. die Nachweise bei W. Hauer – O. Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, Wien 2004, S. 94, Nr. 13a).

 

Wenn jedoch eine ursprünglich in gesetzmäßiger Weise wahrgenommene Zuständigkeit der Erstbehörde nachträglich, nämlich nach der Erlassung ihres Bescheides, aber noch vor der Entscheidung der Berufungsbehörde wegfällt (z.B. infolge Überantwortung einer Angelegenheit vom übertragenen in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde; gesetzliche Auflassung einer Bundesstraße und deren Übergang auf die Länder), so steht der Verwaltungsgerichtshof in Fällen einer derartigen Rückwirkung auf dem Standpunkt, dass die Berufungsbehörde in einem derartigen Fall zwecks Wahrnehmung der nunmehr ex post eingetretenen Unzuständigkeit – und abweichend vom sonst maßgeblichen Grundsatz, dass diese nach § 66 Abs. 4 AVG immer in der Sache selbst entscheiden muss – ausnahmsweise den Bescheid lediglich ersatzlos aufzuheben (bloße Kassation) und die Sache gemäß §  6 Abs. 1 AVG an die zuständige Behörde weiterzuleiten hat (vgl. z.B. VwGH vom 22. April 1999, Zl. 98/06/0166, und vom 26. September 2002, Zl. 2002/06/0066, sowie die in diesen Entscheidungen angeführten weiteren Nachweise [denen allerdings nur Fälle einer funktionellen, nicht aber auch einer örtlichen Zuständigkeitsänderung zu Grunde liegen, was jedoch nach ho. Ansicht keinen systematischen Unterschied bedeutet]; s.a.  Hengstschläger Leeb, Kommentar zum Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz, Bd. I, Wien 2004, RN 9 zu § 6 AVG).

 

3.2.1.2.2. Soweit ersichtlich, fehlen allerdings bislang vergleichbare Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes für den Bereich des Verwaltungsstrafverfahrens.

 

Da aber gemäß § 24 VStG die Anordnung des § 6 Abs. 1 AVG (im Gegensatz zu den §§ 2 bis 4 AVG) auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist, ist die zum Administrativverfahren entwickelte Judikatur auch auf das Verwaltungsstrafverfahren zu übertragen.

 

3.3. Zu § 111 Abs. 5 ASVG im Besonderen:

 

3.3.1. Nach den Materialien zu dieser Bestimmung (vgl. 490 BlgNR, 24. GP, S. 4) werden "auch einschlägige Sachverhalte, die bereits vor dem In-Kraft-Treten der Neuregelung verwirklicht wurden, vom Anwendungsbereich des § 111 Abs. 5 ASVG erfasst. Die neue Bestimmung gilt somit auch für alle zum Zeitpunkt ihres In-Kraft-Tretens schon anhängigen (offenen) Verfahren". Vom Effekt her besehen kommt ihr damit in einem gewissen Umfang ein auch rückwirkender Charakter zu. Insgesamt wird auf diese Weise gleichsam in Kurzform der Grundgedanke zum Ausdruck gebracht, dass der Materiengesetzgeber die zuvor dargestellte allgemein maßgebliche Lösungsvariante auch im hier vorliegenden Fall angewendet wissen will: Denn (1.) aus den Äußerungen des Materiengesetzgebers im Normtext selbst und i.V.m. den Materialien sowie (2.) aus dem Umstand, dass diese Novelle keine gesonderten - gegenteiligen - Übergangsvorschriften enthält, folgt sohin konkret, dass Berufungsverfahren, die am 31. Dezember 2009 bereits in der Form anhängig waren, dass an diesem Tag
(oder danach) eine Berufung gegen ein auf Grund von § 111 ASVG ergangenes Straferkenntnis schon eingebracht war, vom UVS in vollem Umfang nach der neuen Rechtslage zu beurteilen sind.

 

3.3.2. Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies daher, dass seit dem
31. Dezember 2009 zur Verfolgung jener der mitbeteiligten Partei angelasteten Übertretung eben nicht mehr der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz, sondern vielmehr der Bezirkshauptmann von Wels-Land örtlich zuständig ist.

 

Da der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz den angefochtenen Bescheid jedoch bereits am 4. November 2009 erlassen hat, stammte dieser nach der damals maßgeblichen Rechtslage zwar noch von der zuständigen Behörde; weil aber deren örtlicher Wirkungsbereich auf Grund der ASVG-Novelle BGBl.Nr. I 150/2009 rückwirkend weggefallen bzw. auf den Bezirkshauptmann von Wels-Land übergegangen ist, obliegt es dem Oö. Verwaltungssenat, diesen Umstand gemäß § 24 VStG i.V.m. § 6 Abs. 1 erster Satzteil AVG von Amts wegen aufzugreifen, d.h.: den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit an den Bezirkshauptmann von Wels-Land weiterzuleiten; Letzterer hat das Verfahren – allenfalls unter Verwertung der bereits vorliegenden Ermittlungsergebnisse – weiterzuführen und abzuschließen.

 

3.4. Der gegenständlichen Berufung war daher insoweit gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG in diesem Umfang stattzugeben.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war der mitbeteiligten Partei nach § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Johannes Fischer

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Rechtssatz:

 

VwSen-252392/2/Fi/Mu/Ga vom 23. April 2010:

wie VwSen-252390/4/Gf/Mu vom 23. März 2010

 

 

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