Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-550537/4/Wim/Rd/Bu

Linz, 06.07.2010

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 6. Kammer (Vorsitzende: Mag. Michaela Bismaier, Berichter: Dr. Leopold Wimmer, Beisitzer: Mag. Thomas Kühberger) über den Antrag der X GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. X, X, X, vom 30. Juni 2010 auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Vergabeverfahren der X betreffend das Vorhaben "X, X – Teil 2 Glas-Alu-Blech-Fassade, Sonnenschutz", zu Recht erkannt:

 

Dem Antrag wird stattgegeben und der Auftraggeberin X GmbH die Erteilung des Zuschlags bis zur Entscheidung in diesem Nachprüfungsverfahren, längstens aber bis 1. September 2010, untersagt.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 1, 2, 8 und 11 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 – Oö. VergRSG 2006, LGBl. Nr. 130/2006.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Eingabe vom 30. Juni 2010, beim Oö. Verwaltungssenat außerhalb der Amtsstunden eingebracht, daher eingelangt am 1. Juli 2010, hat die X GmbH (im Folgenden: Antragstellerin) einen Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung sowie auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, der Auftraggeberin die Zuschlagserteilung bis zur Entscheidung im Nachprüfungsverfahren, zu untersagen bzw auszusetzen, gestellt. Im Übrigen wurde die Zuerkennung der entrichteten Pauschalgebühren in Höhe von insgesamt 7.500 Euro beantragt.

 

Begründend führte die Antragstellerin eingangs hiezu aus, dass in der gegenständlichen Vergabeangelegenheit der Zuschlag nach dem Zuschlags­kriterium "niedrigster Preis" erteilt werden solle, wobei folgende Kriterien heranzuziehen gewesen wären:

Bewertet würden die Teilangebote und die Gesamtangebote. Der niedrigste Preis werde losbezogen ermittelt (für jedes Los gesondert), unter Berücksichtigung aller Teilangebote für das betreffende Los, wobei nur Angebote berücksichtigt würden, die nicht auszuscheiden seien. Falls die Summe aus den niedrigsten Teil-Angebotspreisen aller einzelnen Teilangebote (Los 1 bis 4) höher sei als der niedrigste Angebotspreis eines Gesamtangebots, erfolge der Zuschlag auf das Gesamtangebot.

 

Die Auftraggeberin behalte sich vor, dem Gesamtangebot mit dem niedrigsten Gesamtangebotspreis auch dann den Zuschlag zu erteilen, wenn für ein oder mehrere Lose kein Teilangebot vorliege, sie sei dazu aber nicht verpflichtet. Wenn zu einem Los kein Angebot vorliege oder nach dem Ausscheiden von Angeboten kein Angebot zu diesem Los verbliebe, werde dem Preisvergleich einerseits die Summe der niedrigsten Angebotspreise der Teilangebote für alle übrigen Lose und andererseits der fiktive Angebotspreise des günstigsten Gesamtangebots zugrunde gelegt. Zur Ermittlung des fiktiven Angebotspreises werden die im Angebotsformular für das Gesamtangebot ausgewiesenen Teilsummen für die übrigen Lose herangezogen und der angebotene prozentuelle Nachlass von der reduzierten Gesamtangebotssumme abgezogen. Wenn nach diesem Vergleich das (fiktive) Gesamtangebot nicht günstiger sei als die Summe der Teilangebote, erfolge der Zuschlag auf die Teilangebote.

 

Die Antragstellerin habe die Ausschreibungsunterlagen vollständig ausgefüllt und fristgerecht ein Angebot gelegt und bei der entsprechenden Stelle in der vorgesehenen Form eingebracht. Am 26.4.2010 sei die Angebotsöffnung erfolgt.

 

Bei dem maßgeblichen Angebotsschreiben habe die Antragstellerin bei dem von ihr gestellten Teilangebot – Glas-Alu-Blech-Fassade, Sonnenschutz – ein Teilangebot ohne Wahlposition (beschichtetes Blech) zur Leistungsgruppe 93, wie auch ein Teilangebot inklusive Wahlposition (beschichtetes Blech) zur Leistungsgruppe 93 anzuführen gehabt. Das Teilangebot ohne Wahlposition erfasse eine Buntmetallfassade, das Teilangebot inklusive Wahlposition erfasse eine Aluminium-Blechfassade.

 

Es seien bei beiden Teilangeboten (mit und ohne Wahlposition) jeweils 9 Angebote eingelangt, die sich wie folgt darstellen:

 

Teilangebot mit Wahlposition:

a)      X                                                       3,210.846 Euro

b)      X                                                      3,257.047 Euro

c)      X                                                      3,425.953 Euro

d)      X                                                      3,744.441 Euro

e)      X                                                      3,852.863 Euro

f)       X                                                      3,884.814 Euro

g)      X                                                     4,760.226 Euro

h)      X                                                     4,790.873 Euro

i)       X                                                     5,485.330 Euro

 

Teilangebot ohne Wahlposition:

a)      X                                                      3,387.888 Euro

b)      X                                                      3,818.095 Euro

c)      X                                                     3,929.676 Euro

d)      X                                                      4,083.499 Euro

e)      X                                                      4,121.863 Euro

f)       X                                                      4,219.835 Euro

g)      X                                                      4,261.311 Euro

h)      X                                                      4,303.497 Euro

i)       X                                                      4,644.767 Euro

 

Die Firma X GmbH & Co KG sei als Bestbieterin ermittelt worden.

 

Mit Schreiben vom 17.6.2010 habe die Auftraggeberin mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, dem Hauptangebot der Firma X GmbH & Co KG, den Zuschlag zu erteilen. Die Begründung lautete, dass die Firma X GmbH & Co KG mit dem Hauptangebot als Bieterin mit dem niedrigsten Preis ermittelt worden sei.

 

Die Antragstellerin sei aktiv legitimiert, da ihr Angebot sowohl den Ausschreibungsunterlagen als auch den gesetzlichen Bestimmungen entspreche und unter Berücksichtigung der Angaben in der Ausschreibung das wirtschaftlich günstigste Angebot (niedrigster Preis) darstelle.

 

Die Auftraggeberin habe in ihrem Schreiben vom 17.6.2010 die Zuschlagsentscheidung nicht bzw mangelhaft begründet und sei diese daher intransparent.

 

Sie habe lediglich ausgeführt:

 

"Sehr geehrte Damen und Herren,

Zum oben angeführten Vergabeverfahren teilen wir im Sinne des BVergG 2006 idgF folgendes mit:

 


1. Ermittelter Billigstbieter:

Die Firma X GmbH & Co KG, X, X wurde mit dem Hauptangebot als Bieter mit dem niedrigsten Preis ermittelt und soll daher diesem Bieter nach Ablauf der Stillhaltefrist der Zuschlag erteilt werden.

 

2. Stillhaltefrist:

Die Stillhaltefrist beginnt mit dem Datum dieses Schreibens und endet am 01. Juli 2010.

 

3. Vergabesumme:

Die Vergabesumme beträgt brutto EUR 3.387.888.68.

 

4. Begründung:

Ihr Angebot lag im Preis über dem Angebot des Bieters mit dem niedrigsten Preis.

 

Mit dem Ersuchen um Kenntnisnahme verbleiben wir,

mit freundlichen Grüßen ..."

 

Mit Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung hätten gemäß § 131 BVergG 2006 die Gründe für die Ablehnung des Angebotes, die Vergabesumme, die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebotes bekannt gegeben werden müssen.

 

Außer der Vergabesumme, die bereits aus der Angebotsöffnung bekannt gewesen sei, habe das Schreiben der Auftraggeberin vom 17.6.2010 jedoch keines der gesetzlich geforderten Elemente aufgewiesen.

 

Die Auftraggeberin habe nämlich mit keinem Wort eingehend begründet, welche Merkmale und Vorteile das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin aufweise. Die Niederschrift der Angebotswahl habe jedoch eine detaillierte verbale Begründung oder eine Begründung mit Worten zu enthalten, eine lediglich auf Zahlen beruhende Vergabeentscheidung ohne detaillierte verbale Begründung sei vergaberechtswidrig.

Überdies sei die von der Auftraggeberin herangezogene Scheinbegründung unrichtig. Nach der gegenständlichen Ausschreibung sollte als Zuschlagskriterium nämlich einzig und alleine den Zuschlag jenes Angebot mit dem niedrigsten Preis erteilt bekommen.

 

Vergleiche man nunmehr die von der Antragstellerin und die von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin gelegten Angebote, sei das von der Antragstellerin gelegte Teilangebot mit Wahlposition das Angebot mit dem weitaus niedrigsten Preis. Die Auftragssumme des Teilangebots mit Wahlposition der Antragstellerin betrage nämlich 3,210.876 Euro.

Das Teilangebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin ohne Wahlposition führe eine Auftragssumme in der Höhe von 3,387.888 Euro an.

 

Vergleiche man diese beiden Beträge, so hätte die Auftraggeberin unter Heranziehung der von ihr gestellten Ausschreibungsbedingungen klar der Antragstellerin den Zuschlag erteilen müssen, zumal die Antragstellerin das Angebot mit dem niedrigsten Preis gestellt habe.

 

Davon unabhängig hätte die Auftraggeberin bereits in der Ausschreibung verbindlich festlegen müssen, unter welchen objektiven, nicht diskriminierenden Bedingungen ein Haupt- oder Variantenangebot zum Zug komme. Die Auftraggeberin habe sich jedoch durch deren Ausschreibungsbedingungen einen willkürlichen Entscheidungsspielraum eingeräumt, der mit den Grundsätzen des Vergaberechts im Widerspruch stehe. Die Auftraggeberin habe sowohl gegen das Transparenzgebot als auch gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen.

 

Zum Schaden wurde ausgeführt, dass der Antragstellerin Kosten für die Angebotslegung in Höhe von 24.735 Euro sowie der Entgang des zu erwirtschaftenden Gewinns in Höhe von 318.400 Euro und der Arbeitsaufwand erwachsen seien. Ebenso drohe der Verlust eines Referenzprojekts.

 

Die Antragstellerin erachte sich in ihrem Recht auf

-        weitere Teilnahme am Vergabeverfahren,

-        Zuschlagserteilung,

-        eine Zuschlagsentscheidung, in der sie selbst als beabsichtigte   Zuschlags-­   empfängerin benannt sei,

-        ein faires und transparentes Verfahren,

-        eine transparente Begründung der Zuschlagsentscheidung,

-        Gleichbehandlung sowie

in ihrem Recht, dass keine andere Unternehmerin, außer sie selbst in der Zuschlagsentscheidung vorläufig für den Zuschlag ausgewählt worden wäre,

verletzt. 

 

Die geltend gemachten Rechtswidrigkeiten, nämlich die fehlende bzw unrichtige Begründung der Zuschlagsentscheidung wie auch die intransparenten Aus­schreibungs­bedingungen, welche zu einer ebenso intransparenten Zuschlags­entscheidung geführt hätten, seien für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss.

 

Hätte die Auftraggeberin die Zuschlagsentscheidung auf die von ihr selbst bestimmten Vergabebestimmungen bzw Angebotsbestimmungen gestützt und die Zuschlagsentscheidung weiter genau und detailliert verbal begründet, wäre die Antragstellerin Bestbieterin gewesen und wäre dem Angebot der Antragstellerin der Zuschlag erteilt worden. Hätte die Auftraggeberin die Zuschlagskriterien genau überprüft, wäre die Antragstellerin Bestbieterin gewesen und hätte ihr auch aus diesem Grund der Zuschlag erteilt werden müssen.

 

 

Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung verweist die Antragstellerin eingangs auf die Ausführungen zum Hauptantrag und bringt weiters vor, dass die Interessen an der Erlassung einer einstweiligen Verfügung, insbesondere im Erhalt der Chance auf den Referenzauftrag und kalkulierten Gewinn bestünden. Der zusätzliche Antrag auf Aussetzung begründe sich im Bestreben auf einen Vergaberechtsschutz, mit dem vor der Entscheidung im Nachprüfungsverfahren die Zuschlagsentscheidung verhindert werde, zumal diese ohne Aussetzung strittig sein dürfte.                           

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat die X GmbH als Auftraggeberin am Nachprüfungs­verfahren beteiligt. Eine Stellungnahme hinsichtlich der Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht eingelangt.

 

3.  Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 1 Abs.1 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 (Oö. VergRSG 2006) regelt dieses Landesgesetz den Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Auftraggeber in Verfahren nach den bundesrechtlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesen (Vergabeverfahren), die gemäß Art.14b Abs.2 Z2 B-VG in den Vollzugsbereich des Landes fallen.

 

Gemäß Art.14b Abs.2 Z2 lit.c B-VG ist die Vollziehung Landessache hinsichtlich der Vergabe von Aufträgen durch Unternehmungen im Sinne des Art.126b Abs.2, soweit sie nicht unter die Z1 lit.c fällt, sowie der Vergabe von Aufträgen durch Unternehmungen im Sinne des Art.127 Abs.3 und Art.127a Abs.3 und 8.

 

Gemäß Art.127 Abs.3 B-VG überprüft der Rechnungshof weiter die Gebarung von Unternehmungen, an denen das Land allein oder gemeinsam mit anderen der Zuständigkeit des Rechnungshofes unterliegenden Rechtsträgern mit mindestens 50 vH des Stamm-, Grund- oder Eigenkapitals beteiligt ist oder die das Land allein oder gemeinsam mit anderen solchen Rechtsträgern betreibt.

 

Die X GmbH ist 100%ige Tochter der X GmbH, diese ist wiederum 100%ige Tochter der X GmbH, welche wiederum im 100%igen Eigentum des X steht. Die X GmbH stellt als Unternehmen im Sinne des Art.127 Abs.3 B-VG einen öffentlichen Auftraggeber dar, der im Sinne des Art.14b Abs.2 Z2 lit.c B-VG in den Vollzugsbereich des Landes fällt. Das gegenständliche Nachprüfungs­verfahren unterliegt daher den Bestimmungen des Oö. VergRSG 2006.

 

Gemäß § 2 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 obliegt dem Unabhängigen Verwaltungssenat die Gewährung von Rechtsschutz gemäß § 1 Abs.1 leg.cit.

 

3.2.  Gemäß § 2 Abs.3 Oö. VergRSG 2006 ist der Unabhängige Verwaltungssenat bis zur Zuschlagsentscheidung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen die bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens und die dazu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht zuständig zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen (§ 2 Z16 lit.a BVergG 2006) des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.

 

Der gegenständliche Antrag ist rechtzeitig und zulässig. Aufgrund der Höhe des Auftragswertes des ausgeschriebenen Bauauftrages sind die Bestimmungen für den Oberschwellenbereich anzuwenden.

 

3.3. Gemäß § 8 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 hat der Unabhängige Verwaltungssenat auf Antrag durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet scheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin zu beseitigen oder zu verhindern.

 

Gemäß § 11 Abs.1 leg.cit. hat der Unabhängige Verwaltungssenat vor Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin, der sonstigen Bewerber oder Bieter bzw. Bewerberinnen oder Bieterinnen und des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf ihre Erlassung abzuweisen.

 

Gemäß § 11 Abs.3 leg.cit. ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung über den Antrag auf Nichtigerklärung, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird, außer Kraft.

 

3.4.  Bereits zu der vorausgegangenen sinngemäßen Regelung des Bundes­vergabe­gesetzes 1997 führte Elsner, Vergaberecht (1999), auf Seite 86 aus: Die Entscheidung hängt von einer Abwägung der möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers und einem allfälligen besonderen öffentlichen Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens ab. Dabei muss es sich um ein "besonderes" öffentliches Interesse handeln. Es wird nämlich (hoffentlich) bei jeder öffentlichen Auftragsvergabe ein öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens und Vergabe eines Auftrages bestehen. Aber auch daran, dass Vergabeverfahren fehlerfrei ablaufen, besteht öffentliches Interesse. Eine Nichterlassung einstweiliger Verfügungen wird daher nur bei sonstiger Gefahr für Leib und Leben und besonderer Dringlichkeit zulässig sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn besondere Interessen der Daseinsvorsorge gefährdet würden.

 

Art.2 Abs.4 Satz 1 (entspricht nunmehr Art.2 Abs.5) der Rechtsmittelrichtlinie darf nicht fälschlicherweise so ausgelegt werden, dass der vorläufige Rechtsschutz regelmäßig leerläuft. Mit diesem Interesse ist nicht das bei jeder Auftragsvergabe bestehende öffentliche Interesse an der zügigen Abwicklung gemeint. Nach der Beschlusspraxis des EuGH kommt es in der Interessensabwägung maßgeblich darauf an, wer durch sein Verhalten die besondere Dringlichkeit der Auftragsvergabe verursacht hat. Für die öffentlichen Auftraggeber ergibt sich daraus eine echte Obliegenheit zu rechtzeitig geplanten und durchgeführten Beschaffungsvorgängen. Das Rechtsschutzinteresse des diskriminierten Bieters kann insoweit nur vom vorrangigen Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter der Allgemeinheit zurückgedrängt werden (vgl. Schenk, Das neue Vergaberecht, 1. Auflage 2001, S. 172f).

 

Auch der Verfassungsgerichtshof hat insbesondere in seiner Entscheidung zu Zl. B 1369/01 vom 15.10.2001 ein öffentliches Interesse im Hinblick auf das Postulat effizienten Einsatzes öffentlicher Mittel in der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter gesehen, dem die Nachprüfung des Vergabe­verfahrens letztlich dienen soll.

 

3.5. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich beim gegenständlichen Vorhaben nicht um eine vordringliche Leistungserbringung handelt, kann daraus geschlossen werden, dass eine Gefährdung von Leib und Leben nicht aktuell ist. Auch trifft die Auftraggeberin im Hinblick auf die Rechtsnatur des Provisorialverfahrens und auf die allgemeine Mitwirkungspflicht der Parteien im Verwaltungsverfahren die Behauptungslast betreffend die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen. Die Auftraggeberin hat im Verfahren konkrete, mit der Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung drohende Nachteile nicht dargelegt, sodass davon auszugehen ist, dass die nachteiligen Folgen des vorläufigen Zuschlagsverbotes nicht überwiegen und daher dem Antrag stattzugeben ist (vgl. BVA 1.12.2000, N-56/00-9).

 

Die Antragstellerin hat denkmöglich ausgeführt, dass ihr durch die behauptete Rechtswidrigkeit der Entgang des Auftrages droht, somit ein Schaden, der nur durch die vorläufige Untersagung der Zuschlagserteilung abgewendet werden kann. Abgesehen von dem vorausgesetzten öffentlichen Interesse an der Vergabe des gegenständlichen Auftrages ist aber ein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens weder durch die Auftraggeberin vorgebracht worden noch dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Kenntnis gelangt. Vielmehr ist bei der Interessens­abwägung iSd Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu berücksichtigen, dass die Auftraggeberin ein Interesse an einem rechtmäßigen Vergabeverfahren haben muss. Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Vergabe­kontrollinstanzen, dass ein öffentlicher Auftraggeber bei der Erstellung des Zeitplanes für eine Auftragsvergabe die Möglichkeit von Nachprüfungsverfahren und die damit einhergehende Verzögerung ins Kalkül zu ziehen hat, zu verweisen. Dass sich durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung eine Verzögerung der Bedarfsdeckung und ein organisatorischer und finanzieller Mehraufwand ergeben können, liegt in der Natur der Sache. Da - wie bereits erwähnt - kein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an einem möglichst raschen Vertragsabschluss geltend gemacht wurde und auch nicht auf der Hand liegt, war dem Antrag stattzugeben.

 

Die im Vorbringen der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten sind zumindest denkmöglich. Eine Überprüfung, ob die behaupteten Rechtswidrig­keiten auch tatsächlich vorliegen, war im Rahmen des Provisorialverfahrens nicht durchzuführen.

 

Die Dauer der Aussetzung der Zuschlagserteilung ergibt sich aus § 11 Abs.3 Oö. VergRSG 2006 iVm § 20 Abs.1 Oö. VergRSG 2006.

Gemäß § 20 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 ist über Anträge auf Nichtigerklärung von Entscheidungen eines Auftraggebers bzw. eine Auftraggeberin unverzüglich, spätestens aber zwei Monate nach Einlangen des Antrages zu entscheiden.

 

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass für den Unabhängigen Verwaltungssenat somit die Möglichkeit besteht, die Aussetzung der Zuschlags­erteilung für zwei Monate, auszusprechen.

 

Die einstweilige Verfügung ist gemäß § 11 Abs.4 Oö. VergRSG 2006 sofort vollstreckbar.

 

4. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von 13,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

  

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

Mag. Michaela Bismaier 

 

 

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