Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-590119/18/Gf/Mu VwSen-590155/37/Gf/Mu

Linz, 26.05.2010

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof über die Berufung der x, vertreten durch RA x, gegen die Bescheide des Bezirkshauptmanns von Urfahr-Umgebung vom 13. September 2005, Zl. SanRB10-3-12-2003-Ni/Str, und vom vom 15. Jänner 2007, Zl. SanRB10-3-2003 (mitbeteiligte Parteien: x, vertreten durch RA x, sowie x, vertreten durch RA x), wegen der Erteilung einer Konzession zum Betrieb einer neu zu errichtenden Apotheke in x (Ortsteil x) zu Recht erkannt:

Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als die Bescheide des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung vom 13. September 2005, Zl. SanRB10-3-12-2003-Ni/Str, und vom 15. Jänner 2007, Zl. SanRB10-3-2003, aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an den Bezirkshauptmann von Urfahr-Umgebung zurückverwiesen wird.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 2 AVG.

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Schriftsatz vom 19. Mai 2005 hat die Rechtsmittelwerberin einen Antrag auf Erteilung einer Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke mit der voraussichtlichen Betriebsstätte am x in x (Ortsteil x) gestellt.

 

1.2. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung vom 13. Septem­ber 2005, Zl. SanRB10-3-11-2003-Ni/Str, wurde den Einsprüchen von anliegenden Apothekenbetreibern als mitbeteiligte Parteien stattgegeben und der Antrag der Beschwerdeführerin abgewiesen.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass auf Grund eines entsprechenden Gutachtens der Österreichischen Apothekerkammer deshalb kein Bedarf für die neu zu errichtende öffentliche Apotheke bestehe, weil ansonsten das Versorgungspotential der im Einzugsgebiet bereits bestehenden Apotheke der ersten mitbeteiligten Partei unter das gesetzlich geforderte Mindestmaß sinke.

1.3. Gegen diesen ihr am 15. September 2005 zugestellten Bescheid hat die Rechtsmittelwerberin am 26. September 2005 – und damit rechtzeitig – Berufung erhoben.

Darin wurde eingewendet, dass der ersten mitbeteiligten Partei zwar für den Standort x bereits eine Konzession zur Errichtung einer öffentlichen Apotheke erteilt, diese aber bislang tatsächlich noch nicht in Betrieb genommen worden sei. Da es sich somit insoweit (noch) nicht um eine "bestehende" Apotheke handle, könne dieser sohin auch keine Mindestversorgung garantiert sein. Weil sich zudem im potentiellen Versorgungsgebiet keine ärztliche Hausapotheke befinde, habe dem Einspruchswerber auch schon aus diesem Grund kein Kundenkreis von mindestens 5.500 Personen garantiert sein müssen, sodass er sich – wie dies schon aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 15103/1998 hervorgehe – auch im gegenständlichen Verfahren nicht auf dieses Kriterium berufen könne.

1.4. Mit Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom 28. Dezember 2005, Zl. VwSen-590119/2/Gf/Ga, wurde der Berufung insoweit stattgegeben, als der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Erstbehörde zurückverwiesen wurde.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass im gegenständlichen Fall allseits unstrittig sei, dass in der Gemeinde des Standortes der öffentlichen Apotheke ein Arzt seinen ständigen Berufssitz hat, sich im Umkreis von vier Straßenkilometern um die in Aussicht genommene Betriebsstätte keine ärztliche Hausapotheke befindet und die nächstgelegene öffentliche Apotheke mehr als 500 Meter entfernt ist.

Unter derartigen Umständen dürfe aber einem Antragsteller die Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke nach § 10 Abs. 1 i.V.m. § 10 Abs. 2 Z. 3 des Apothekengesetzes, RGBl.Nr. 5/1907 i.d.F. BGBl.Nr. I 5/2004, nur dann versagt werden, wenn für diese deshalb kein Bedarf besteht, weil sich "die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen" auf weniger als 5.500 verringert.

Diesbezüglich sei in dem von der Landesgeschäftsstelle Oberösterreich der Österreichischen Apothekenkammer erstellten Gutachten vom 5. Juli 2005,
Zl. III-5/2/2-411/3/05, im Wege einer Prognoseentscheidung ausgeführt worden, dass jedenfalls zu erwarten sei, dass das Versorgungspotential jener Apotheke, hinsichtlich der die belangte Behörde mit Bescheid vom 17. September 2004, 
Zl.
 SanRB10-35-2002-Tu/F, der erstmitbeteiligten Partei die – zwischenzeitlich rechtskräftige – Konzession zur Errichtung und zum Betrieb erteilt hat, unter 5.500 (nämlich auf bloß 3.199 Personen) sinken wird.

Auch diese Prognose sei von der Beschwerdeführerin nicht in Zweifel gezogen worden. Sie wende sich jedoch dagegen, dass die Apotheke der erstmitbeteiligten Partei überhaupt in die Prognoseentscheidung einbezogen wurde, obwohl diese einerseits faktisch noch gar nicht betrieben werde und zum anderen die 5.500-Personen-Grenze – weil an diesem Standort keine ärztliche Hausapotheke bestehe – schon im Zuge des dortigen Konzessionserteilungsverfahrens nicht maßgeblich gewesen sei, sodass jener Apotheke auch im vorliegenden Verfahren gar kein Mindestver­sorgungspotential garantiert wäre.

Im Ergebnis sei daher primär die Rechtsfrage strittig gewesen, ob auch die Apotheke der mitbeteiligten Partei in die Bedarfsprüfung gemäß § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG idF 2004 einzubeziehen ist.

Mit Erkenntnis vom 2. März 1998, G 37/97 u.a. (= VfSlg 15301/1998), habe der Verfassungsgerichtshof (u.a.) die eine Bedarfsprüfung normierende Bestimmung des § 10 Abs. 2 Z. 1 ApG i.d.F. BGBl.Nr. 362/1990 (im Folgenden: ApG 1990) als verfassungswidrig aufgehoben, welche lautete:

"(2) Ein Bedarf besteht nicht, wenn

1. die Zahl der von der künftigen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke aus zu versorgenden Personen weniger als 5.500 beträgt oder

2. ....."

Begründend führte der VfGH zusammengefasst im Wesentlichen aus (vgl. VfSlg 15301/1998, S. 217 ff), dass eine Zutrittsschranke wie eine Bedarfsprüfung schon grundsätzlich einen schweren Eingriff in die Erwerbsausübungsfreiheit darstellt und im Zusammenhang mit Apothekenkonzessionen insgesamt nicht zu erkennen ist, weshalb das öffentliche Interesse an der Heilmittelversorgung der Bevölkerung durch die Neuerrichtung einer Apotheke auch in jenen Fällen gefährdet sein kann, wo der Versorgungsbereich der bestehenden öffentlichen Apotheken ohnehin dadurch gesichert bleibt, dass jene – auf Grund der bis zu dieser Entscheidung geltenden gesetzlichen Regelung – ja ein Mindestversorgungspotential von 5.500 Personen haben, demgegenüber aber bei neu (d.h. nach Umsetzung dieses Erkenntnisses) zu errichtenden Apotheken dieses Kriterium eben nicht mehr zu beachten sein wird. Hinsichtlich der künftig, d.h. nach dieser Entscheidung (also nach dem 1. April 1998) neu geschaffenen Apotheken bleibt es sohin aber letztlich der Einschätzung des jeweiligen Konzessionswerbers überlassen, ob er auch ohne einen "garantierten Mindestkundenstock" gleichzeitig einerseits die mit dem Betrieb einer Apotheke einhergehenden Verpflichtungen erfüllen und andererseits ein wirtschaftlich lebensfähiges Unternehmen führen kann. Mehr eine Annäherung denn eine Polarisierung zwischen "bestehenden" und "neuen" Apotheken ergab sich nach Auffassung des VfGH v.a. aus dem Umstand, dass auch eine neue Apotheke insofern Bestandsschutz genießt, als einerseits die Behörde zu einer Entziehung der Konzession bloß wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten nicht befugt ist und auf der anderen Seite "in ihrem Bereich" – gemeint wohl offenkundig: die 500-Meter-Grenze gemäß § 10 Abs. 2 Z. 2 ApG 2004 – "eine weitere Errichtung nicht in Betracht kommt".

Davon ausgehend sei aber der Beschwerdeführerin insofern beizupflichten gewesen, als unter "bestehender öffentlicher Apotheke" i.S.d. § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG 2004 eine solche, deren Genehmigung zur Errichtung erst nach der Kundmachung des vorgenannten VfGH-Erkenntnisses (durch BGBl.Nr. I 53/1998 am 1. April 1998) erfolgte, nicht zu verstehen ist. Da die erstmitbeteiligte Partei im vorliegenden Fall aber allseits unbestritten nicht eine "Alt-", sondern vielmehr eine "Neuapotheke" in diesem Sinn betreibe, sei es sohin im Ergebnis unzulässig gewesen, diesbezüglich ein Mindestver­sorgungspotential von 5.500 Personen im Zuge der den Antrag der nunmehrigen Beschwerdeführerin betreffenden Bedarfsprüfung zu berücksichtigen (wobei in diesem Zusammenhang sowohl der belangten Behörde als auch der Gutachterin zu Gute zu halten gewesen sei, dass der Gesetzgeber im Zuge der Novellierung des § 10 Abs. 2 ApG 1990 durch BGBl.Nr. I 16/2001 gut daran getan hätte, dem Erkenntnis VfSlg 15103/1998 entsprechend auch im Normtext ausdrücklich zwischen "Alt-" und "Neuapotheken" zu unterscheiden bzw. den Begriff der bestehenden öffentlichen Apotheken als mit "vor dem 1. April 1998 errichtet" näher zu umschreiben).

 

Vielmehr sei sohin – da es sich in beiden Fällen um "Neuapotheken" handelt – weder der Rechtsmittelwerberin noch der erstmitbeteiligten Partei ein entsprechend garantierter Kundenstock zugekommen.

Da jedoch von der belangten Behörde nicht ermittelt worden sei, ob im gegenständlichen Fall echte "Altapotheken", deren Mindestversorgungspotential von 5.500 Personen durch die von der Beschwerdeführerin in Aussicht genommene Errichtung einer neuen Apotheke unterschritten wird, bestehen und insbesondere auch von der Österreichischen Apothekerkammer in ihrem Gutachten vom 5. Juli 2005, Zl. III-5/2/2-411/3/05, auf den primär gerade darauf abzielenden Einspruch der zweitmitbeteiligten Partei vom 25. Juni 2003 gar nicht (mehr) eingegangen wurde, sei das erstbehördliche Ermittlungsverfahren somit in wesentlichen Punkten unvollständig geblieben und deshalb die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG der Erstbehörde zurückzuverweisen gewesen.

1.5. Mit dem nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens ergangenen Bescheid des Bezirkshauptmanns von Urfahr-Umgebung vom 15. Jänner 2007, Zl. SanRB10-3-2003, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin neuerlich abgewiesen.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen (wiederum) ausgeführt, dass auf Grund des ergänzenden Gutachtens der Österreichischen Apothekerkammer, Landesge­schäftsstelle Oberösterreich, vom 22. November 2006, Zl. III-5/2/2-01/04/06-Fi/Mü/Hu, ein Bedarf an der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke deshalb nicht gegeben sei, da ansonsten die Zahl der von der inzwischen bestehenden Apotheke der erstmitbeteiligten Partei zu versorgenden Personen deutlich unter 5.500 sinken wird.

1.6. Gegen diesen ihr am 17. Jänner 2007 zugestellten Bescheid richtet sich die hier vorliegende, am 31. Jänner 2007 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung.

Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, dass § 10 Abs. 8 ApG in der Fassung der Novelle 2006 insofern verfassungswidrig sei, als sich nunmehr auch eine erst nach dem Jahr 1998 konzessionierte Apotheke auf ein Versorgungspotential von  5.500 Personen berufen kann. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass das Ver­sorgungspotential der Apotheke der erstmitbeteiligten Partei im Fall einer Konzessionserteilung an die Rechtsmittelwerberin tatsächlich überhaupt nicht berührt werde.

Daher wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die Erteilung der begehrten Apothekenkonzession gestellt.

1.7. Mit Erkenntnis vom 3. Mai 2007, GZ VwSen-590155/11/Gf/Ga, wurde der Berufung der Rechtsmittelwerberin stattgegeben und ihr die beantragte Konzession erteilt. Gleichzeitig wurde damit die Auflage verbunden, dass sie von ihrer Konzession erst ab dem Zeitpunkt Gebrauch machen darf, ab dem über eine allfällige Beschwerde gegen diesen Bescheid durch den Verfassungs- oder Verwaltungs­gerichtshof entschieden ist. Dies war – da § 64 Abs. 2 AVG nicht mehr zum Tragen kommen konnte, andererseits aber allen Verfahrensbeteiligten klar war, dass es sich insoweit um einen Präzedenzfall handelt – sowohl im Interesse der Beschwerde­führerin als auch im Interesse der mitbeteiligten Parteien deshalb erforderlich, um den Eintritt faktischer Verhältnisse zu verhindern, deren allfällige Rückabwicklung nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand zu bewerkstelligen wäre.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass gemäß § 10 Abs. 1 ApG die Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke zu erteilen sei, wenn in der Gemeinde des Standortes der öffentlichen Apotheke ein Arzt seinen ständigen Berufssitz hat und ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke besteht. Nach § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG bestehe ein solcher Bedarf insbesondere dann nicht, wenn sich die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen in Folge der Neuerrichtung verringert und weniger als 5.500 betragen wird. Gemäß § 10 Abs. 8 ApG gelten als "bestehende Apotheken" i.S.d. § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG alle nach der Kundmachung BGBl.Nr. I 53/1998 – d.i. ab dem 2. April 1998 – rechtskräftig erteilten Konzessionen zur Errichtung einer öffentlichen Apotheke. Nach § 62a Abs. 3 ApG 2006 sei "bis zum Ablauf des 31. Oktober 2006" auf die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der ApG-Novelle 2006 – d.i. der 29. März 2006 – anhängigen Verfahren die Rechtslage vor dem Inkrafttreten der Novelle 2006 weiterhin anzuwenden. Dies bedeute umgekehrt, dass für das gegenständliche Verfahren die Novelle 2006 bereits in vollem Umfang gilt.

Der Verfassungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis VfSlg 15301/1998 festgestellt, dass im Zusammenhang mit Apothekenkonzessionen insgesamt nicht zu erkennen ist, weshalb das öffentliche Interesse an der Heilmittelversorgung der Bevölkerung durch die Neuerrichtung einer Apotheke gefährdet sein sollte, wenn davon losgelöst auf der Ebene des unternehmerischen Wettbewerbs den zuvor bestandenen (Alt-)Apotheken aus Gründen des Vertrauensschutzes ein Mindestversorgungspotential von 5.500 Personen gewahrt bleibt, während eine derartige Bevorzugung bei künftig zu errichtenden (Neu)Apotheken aus Gründen des Schutzes des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts der Erwerbsausübungsfreiheit (Art. 6 StGG) nicht mehr zulässig erscheint.

Dass der einfache Gesetzgeber diese Rechtsauffassung ignorieren oder gar konterkarieren wollte, lasse sich aus den Materialien nicht ableiten. Insbesondere könne Derartiges den Unterlagen der auf einen Initiativantrag zurückgehenden Novelle BGBl.Nr. I 41/2006 keinesfalls entnommen werden; vielmehr enthält speziell die Bestimmung des § 10 Abs. 8 ApG 2006 lediglich "eine Klarstellung" (vgl. AA-202 [Abänderungsantrag] der BlgNR 22.GP, S. 4; s.a. 751/A [Antrag] und 1293 AB [Ausschussbericht] der BlgNR 22. GP sowie das StenProt über die 139. Sitzung des NR, 22. GP, S. 238 ff).

Daraus folge, dass die einfachgesetzliche Regelung des ApG im Lichte des vorzitierten Erkenntnisses VfSlg 15301/1998 verfassungs-, nämlich grundrechtskonform in dem Sinne zu interpretieren sei, dass gemäß § 10 Abs. 8 ApG als bestehende Apotheken i.S.d. § 10 Abs. 2 Z. 2 und 3 ApG 2006 nur solche anzusehen seien, denen 1.) die Konzession bereits vor dem 2. April 1998 erteilt worden ist oder 2.) denen die Konzession einerseits am 2. April 1998 oder danach erteilt wurde und bei denen es sich andererseits um sog. "Altapotheken" handelt, für die z.B. gemäß § 15 Abs. 1 ApG eine neue Konzession erwirkt werden müsse. Neuapotheken, also solche, denen die Konzession erstmals am 2. April 1998 oder danach erteilt wurde, seien demgegenüber nicht als bestehende Apotheken anzusehen.

Auf Grund dieser Überlegungen erweise sich daher die Rechtsansicht der Erstbehörde, die auch dem Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer vom 22. November 2006, Zl. III-5/2/2-01/04/06-Fi/Mü/Hu (im Folgenden: Gutachten der ÖApK), zu Grunde liegt, wonach ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke gemäß § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG schon dann nicht bestünde, wenn auch die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden bestehenden öffentlichen Neuapotheke aus weiterhin zu versorgenden Personen in Folge der Neuerrichtung unter 5.500 sinkt, als verfehlt. Vielmehr sei insgesamt davon auszugehen, dass das künftige Versorgungspotential der Apotheke der erstmitbeteiligten Partei für die Beurteilung der Frage, ob i.S.d. § 10 Abs. 1 Z. 2 ApG 2006 ein Bedarf an der von der Beschwerdeführerin neu zu errichtenden Apotheke besteht, rechtlich unerheblich ist. Hinsichtlich der Apotheke der zweitmitbeteiligten Partei, die ca. 8 km (Luftlinie) bzw. ca. 10 km (kürzestmögliche Straßenverbindung) von der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der Rechtsmittelwerberin liegt (vgl. ONr. 2 des h. Aktes), sei eine wesentliche Beeinträchtigung von deren Versorgungspotential auf Grund dieser großen Distanz, aber auch auf Grund des Umstandes, dass schon die Gemeinde x selbst bereits über 4.815 Einwohner verfügt und die Apotheke der zweitmitbeteiligten Partei die einzige in dieser Gemeinde ist, auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich insoweit um eine "Altapotheke" handelt, offensichtlich derart unwahrscheinlich, dass sich auch das Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer damit schon von vornherein gar nicht näher auseinandersetzt.

Hinzu komme, dass die von der Beschwerdeführerin zu errichtende Apotheke nicht nur nicht an einer Durchzugsstraße zwischen dem zentralen Ort x (nämlich der A 7 bzw. E 55), sondern auch abseits jeglicher wenigstens mäßig frequentierten Verbindungsstraßen (z.B. Bezirksstraßen Nr. 1463, 1464, 1466; Bundesstraße B 123) zu der Gemeinde, in der die Apotheke der zweitmitbeteiligten Partei ihren Standort hat (x), liegt (vgl. wiederum ONr. 2 des h. Aktes). Außerdem sei darauf hinzuweisen, dass der Einwand der Gefährdung ihres zukünftigen Versorgungspotentials seitens der zweitmitbeteiligten Partei während des gesamten Verfahrens lediglich einmal, nämlich in ihrem (gleichsam routinemäßigen) Einspruch vom 25. Juni 2003, und auch dort bloß in einer nicht näher spezifizierten Weise – geschweige denn durch Vorlage entsprechender Beweismittel untermauert – erhoben wurde. In der Folge wurde aber weder dem Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer – erst recht nicht auf gleicher fachlicher Ebene – entgegengetreten noch die Gelegenheit der öffentlichen Verhandlung vor dem Oö. Verwaltungssenat genutzt, dieses Vorbringen entsprechend zu erhärten.

Weil im Berufungsverfahren schließlich auch sonstige Umstände, die das Nichtvorliegen eines Bedarfes gemäß § 10 Abs. 2 bis 3a ApG begründen könnten, weder von den Verfahrensparteien vorgebracht wurden noch von Amts wegen festgestellt werden konnten, sei sohin im Ergebnis davon auszugehen, dass gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 ApG 2006 ein Bedarf an der von der Beschwerdeführerin neu zu errichtenden Apotheke besteht.

1.8. Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerden der erst- und der zweitmitbeteiligten Partei mit Beschlüssen vom 22. September 2008, B 1047 u. 1084/07, abgelehnt.

1.9. Mit Erkenntnis vom 26. April 2010, Zl. 2008/10/0323, und vom selben Tag, Zl. 2006/10/0023, hat der Verwaltungsgerichtshof hingegen der Beschwerde der erstmitbeteiligten Partei stattgegeben und das h. Erkenntnis vom 3. Mai 2007, GZ VwSen-590155/11/Gf/Ga, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Begründend hat der VwGH dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass der Begriff der "bestehenden Apotheken" i.S.d. § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG formal zu interpretieren und deshalb darunter auch solche Apotheken zu verstehen und damit in die Bedarfsprüfung mit einzubeziehen sind, die auf Grund einer nach dem 1. April 1998 (d.i. der Tag der Kundmachung des VfGH-Erkenntnisses 15103/1988 mit BGBl.Nr. I 53/1998) erteilten Konzession betrieben werden, und zwar auch dann, wenn deren Versorgungspotential aus welchen Gründen auch immer unter 5.500 Personen gesunken ist, sodass jede weitere Beeinträchtigung dieses Versorgungspotentials der "Altapotheke" zur Versagung der Konzession für die neu beantragte Apotheke führen muss.

Unter einem hat der VwGH darauf hingewiesen, dass ein aufgrund einer Zurückverweisung gemäß § 66 Abs. 2 AVG ergangener Ersatzbescheid der Erstbehörde dann gegen das in § 68 Abs. 1 AVG normierte Prinzip des "ne bis in idem" verstößt, wenn der Zurückverweisungsbescheid vom VwGH aufgehoben wird; ein derartiger erstbehördlicher Ersatzbescheid ist daher in dem Fall, dass dagegen – wie hier – eine Berufung erhoben wurde, nicht inhaltlich zu prüfen, sondern von der Rechtsmittelbehörde ersatzlos zu beheben. 

2.1. An diese Rechtsansicht ist der Oö. Verwaltungssenat im fortgesetzten Verfahren gemäß § 63 Abs. 1 VwGG gebunden.

Gleichzeitig hat die Berufungsbehörde nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH jedoch jene Sach- und Rechtslage anzuwenden, die im Zeitpunkt ihrer Entscheidung maßgeblich ist; eine zwischen der Erlassung des angefochtenen und in der Folge vom VwGH aufgehobenen Bescheides und der Erlassung des Ersatzbescheides eingetretene Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen bzw. in den maßgeblichen Rechtsvorschriften ist daher entsprechend zu berücksichtigen und geht insoweit auch der generellen Anordnung des § 63 Abs. 1 VwGG vor (vgl. z.B. VwGH v. 27. Oktober 1999, Zl. 99/12/0458).

2.2. Da im gegenständlichen Fall das künftige Versorgungspotential der erstmitbeteiligten Partei nach der vom VwGH in den Erkenntnissen vom 26. April 2010, Zlen. 2008/10/0323 u. 2006/10/0023, geäußerten  Rechtsauffassung im Zuge der Bedarfsprüfung gemäß § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG mit einzubeziehen ist, ist daher im gegenständlichen Fall zu ermitteln, ob dieses unter den derzeit gegebenen faktischen Umständen für den Fall einer Konzessionserteilung an die Beschwerdeführern unter 5.500 Personen sinken würde; in diesem Fall wäre der Konzessionsantrag der Rechtsmittelwerberin abzuweisen.

2.3. Der vorliegenden Berufung war daher gemäß § 66 Abs. 2 AVG insoweit stattzugeben, als die angefochtenen Bescheide aufzuheben waren und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an den Bezirkshauptmann von Urfahr-Umgebung zurückzuverweisen war.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr. G r o f

 

 

Rechtssatz:

 

VwSen-590119/18/Gf/Mu und VwSen-590155/37/Gf/Mu

vom 26. Mai 2010

 

§ 10 Abs. 2 Z. 3 ApG; § 63 Abs. 1 VwGG; § 66 Abs. 2 AVG; § 68 Abs. 1 AVG

 

– Unter einer "bestehenden Apotheke" i.S.d. § 10 Abs. 2 Z. 3 AVG ist zufolge VwGH v. 26.4.2010, Zl. 2006/10/0023, auch eine solche zu verstehen, die nach dem 1. April 1998 ohne Garantie eines Mindestversorgungspotentials von 5.500 Personen errichtet werden konnte;

 

– Aufhebung und Zurückverweisung aus Anlass eines aufhebenden Erkenntnisses des VwGH zur Klärung der Sachfrage, ob das Versorgungspotential einer bestehenden Apotheke nach den derzeit gegebenen tatsächlichen Umständen künftig unter 5.500 Personen sinken wird, weil der UVS der Erlassung des Ersatzbescheides die aktuell maßgebliche Sachlage zu Grunde zu legen hat;

 

– Bloße Aufhebung ohne Sachentscheidung, wenn der Zurückverweisungsbescheid vom VwGH aufgehoben wird, gegen den auf Grund der Zurückverweisung ergangenen Ersatzbescheid jedoch Berufung erhoben wurde und dieser somit objektiv besehen gegen das Neuerungsverbot des § 68 Abs. 1 AVG verstoßen würde.

 

 

 

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