Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252151/2/BMa/Mu/Gr

Linz, 01.06.2010

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Gerda Bergmayr-Mann über die Berufung des X, vertreten durch Mag. X, Rechtsanwalt, X, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 20. Februar 2009, GZ. 0001044/2009, wegen einer Übertretung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) zu Recht erkannt:

 

 

I.                  Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und die Verwaltungsstrafsache wird an die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land weitergeleitet.

 

II.              Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: §§ 19, 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG, BGBl. Nr.52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.  I Nr. 135/2009, i.V.m. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG, BGBl.  Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009

zu II.: §§ 64 ff VStG

 

 

 

 

 

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis hat der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wie folgt schuldig gesprochen und bestraft:

 

" I. Tatbeschreibung:

Sie haben als Gewerbeinhaber und Betreiber der Firma X, verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten, dass von dieser Firma als Dienstgeber seit November 2007 bis zumindest am 10.09.2008, Herr X, geb. X, als Dienstnehmer im X Fertigungsbetrieb X, X – in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt (unterschiedlich, 8 bis 15 Euro Stundenlohn) – als CMC Dreher, täglich 7 bis 8 Stunden, beschäftigt wurde, obwohl dieser nicht vor Arbeitsantritt zumindest mit den Mindestangaben zur Pflichtversicherung, als Vollversicherter gem. § 4 Abs. 1 ASVG, aus der Krankenversicherung beim zuständigen Sozialversicherungsträger angemeldet worden war.

 

II. Verletzte Verwaltungsvorschriften in der jeweils gültigen Fassung:

§ 33/1 und 1a iVm § 111 ASVG

 

III. Strafausspruch:

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von          Falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von    Gemäß

€ 1000,00       154 Stunden                                             § 111 ASVG

 

IV. Kostenentscheidung:

Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens haben Sie 10% der verhängten Strafe zu leisten:

€ 100,00

Rechtsgrundlage in der jeweils gültigen Fassung:

§ 64 (1) und (2) Verwaltungsstrafgesetz

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen)

beträgt daher € 1100,00. "

 

1.2. Begründend führt die belangte Behörde insbesondere aus, der dem Bw zur Last gelegte Sachverhalt sei auf Grund der Aktenlage sowie des Ergebnisses des durchgeführten Beweisverfahrens erwiesen. Demnach habe er als Dienstgeber die im Spruch angeführte Person als Dienstnehmer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt, ohne diese ordnungsgemäß beim zuständigen Krankenversicherungsträger angemeldet zu haben. Der Bw habe ein Ungehorsamsdelikt begangen und er habe den Schuldentlastungsbeweis nicht erbringen können. Bei entsprechender Berücksichtigung sämtlicher gemäß § 19 VStG 1991 maßgebender Bemessungsgründe sei die verhängte Strafe dem Unrechtsgehalt der Tat sowie dem Verschulden angemessen.

 

1.3. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw am 9. März 2009 zugestellt wurde, richtet sich die am 23. März 2009 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung.

 

1.4. Die Berufung ficht das Straferkenntnis seinem gesamten Umfang nach (also sowohl hinsichtlich des Schuld- als auch hinsichtlich des Strafausspruchs) an und führt im Wesentlichen aus, es sei zwar richtig, dass die im Spruch genannte Person im Zeitraum November 2007 bis September 2008 für sein Unternehmen tätig geworden sei, allerdings sei dieser nicht als CNC-Dreher beschäftigt worden, sondern dieser habe als selbständiger Kleinunternehmer mit eigener UID-Nummer in Österreich auf Werkvertragsbasis bzw. in Regie Aus- und  Umbauarbeiten an seinem alten Firmengebäude durchgeführt. Er habe zuvor seine Mitarbeiterin beauftragt, die Angaben dieser Person zu überprüfen und diesbezüglich mit seinem Steuerberatungsbüro Kontakt aufzunehmen.

Nach positiver Rückmeldung habe er diesen Kleinunternehmer beauftragt, die Büroausbauarbeiten durchzuführen und es sei dabei vereinbart worden, dass dieser ihm hierüber Rechnung lege. Der Beschäftige habe aber nicht durchgehend an den Umbauarbeiten gearbeitet, sondern diese Arbeiten auch für einen längeren Zeitraum unterbrochen.

Richtig sei, dass diese Person ab und zu als CNC-Dreher ausgeholfen habe. Die im Spruch genannte Person sei nur für diese gelegentliche Tätigkeit in den Arbeitsprozess seines Unternehmens eingegliedert gewesen und er hätte, wie ihm nunmehr sein Rechtsvertreter erklärt habe, nur für jene Zeiträume diese Beschäftigung beim zuständigen Sozialversicherungsträger melden müssen. Aus diesen Gründen und weil er zudem unbescholten sei, sei die über ihn verhängte Geldstrafe nicht tat- und schuldangemessen.

 

Aus dem Inhalt der Berufung ergibt sich – konkludent – dass neben der Herabsetzung der Stafhöhe die Aufhebung des bekämpften Straferkenntnisses begehrt wird.

 

1.5. Mit Berufungsvorentscheidung vom 6. Mai 2009, GZ 0001044/2009, die dem Rechtsvertreter am 12. Mai 2009 zugestellt wurde, wurde der Spruch und dementsprechend die Begründung des bekämpften Straferkenntnisses vom 20. Februar 2009, GZ 0001044/2009, korrigiert. Dagegen wurde vom Bw im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung mit Schreiben vom 25. Mai 2009 ein Vorlageantrag eingebracht.

 

2.1. Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Da weder eine primäre Freiheitsstrafe erlassen und keine 2000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, hatte das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich zu entscheiden (§ 51c VStG).

 

2.2. Der OÖ. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsstrafakt. Weil sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und schon auf Grund der Aktenlage feststand, dass der mit der Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben war, konnte gemäß § 51e VStG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

3. In der Sache selbst hat der OÖ. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 111 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes – ASVG, BGBl. Nr. 189/1955 in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von 730 bis 2180 Euro zu bestrafen, wer als Dienstgeber entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet.

 

Gemäß § 33 Abs.1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden.

 

Mit dem Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsinspektionsgesetz 1993, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungs-gesetz und das Bundesgesetz über die Verkehrs-Arbeitsinspektion geändert werden, BGBl. I Nr. 150/2009, wurde gemäß Art.3 dieses Gesetz dem § 111 ASVG folgender Abs.5 angefügt:

 

"(5) Die Verwaltungsübertretung gilt als in dem Sprengel der Bezirksverwaltungsbehörde begangen, in dem der Sitz des Betriebes des Dienstgebers liegt."

 

Dieses Bundesgesetzblatt wurde am 30. Dezember 2009 veröffentlicht.

 

Aus den Materialen zur Regierungsvorlage, 490 der Beilagen XXIV.GP, Erläuterungen, ergibt sich Folgendes:

 

"Jüngst hatte das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz einen negativen Zuständigkeitskonflikt betreffend die Durchführung eines Verwaltungsstrafverfahrens nach § 111 ASVG zu entscheiden. Es galt zu klären, ob der Ort der Unterlassung der Anmeldung zur Sozialversicherung am Sitz jener Gebietskrankenkasse liegt, bei der die Anmeldung durch den Dienstgeber hätte erfolgen müssen, oder aber am Ort, an dem das ordnungswidrige Verhalten gesetzt wurde. Im Lichte der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes im Zusammenhang mit Übertretungen von Arbeitszeitvorschriften (vgl. das Erkenntnis vom 26. Februar 1987, Zl.1986/08/0231) sowie mit Verwaltungsübertretungen nach § 28 Abs.1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (vgl. das Erkenntnis vom 22. Jänner 2002, Zl. 2000/09/0147) hat das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz entschieden, dass sich die örtliche Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde nach dem Sitz des Unternehmens richtet, wo die einschlägige Ordnungswidrigkeit begangen worden ist.

 

Aus Gründen der Rechtssicherheit soll dieser Grundsatz gesetzlich verankert werden, um derartige Zuständigkeitskonflikte in Hinkunft auszuschließen, wobei aber an den Sitz des Betriebes angeknüpft werden soll.

 

Bei der vorgeschlagenen Bestimmung handelt sich um eine reine Zuständigkeitsnorm. Daher sind auch einschlägige Sachverhalte, die bereits vor dem In-Kraft-Treten der Neuregelung verwirklicht wurden, vom Anwendungsbereich des § 111 Abs.5 ASVG erfasst. Die neue Bestimmung gilt somit auch für alle zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens schon anhängigen (offenen) Verfahren."

 

3.2. Aus diesen Erläuterungen erhellt, dass die mit 30. Dezember 2009 kundgemachte Zuständigkeitsbestimmung auch bereits anhängige, noch offene Verfahren, die in den Anwendungsbereich des § 111 ASVG fallen, erfasst.

 

Weil das anzuwendende Verfahrensrecht keine Legaldefinition der Begriffe "anhängiges Verfahren" oder "offenes Verfahren" enthält, sind diese anhand der ständigen Rechtsprechung des VwGH zu prüfen.

Demnach wird beim Begriff "anhängig" in den Entscheidungen des VwGH kein Unterschied gemacht, ob sich die Angelegenheit in Behandlung bei der ersten Instanz, beim Unabhängigen Verwaltungssenat oder bei einem der Höchstgerichte befindet. Ein Verfahren kann demnach in jeder Instanz "anhängig" sein.

Im Erkenntnis des VwGH vom 24. März 2004, 2001/04/0218, wird darüber hinaus zur Stellung eines Antrags ausgeführt, dass dies ein anhängiges Verfahren voraussetzt.  Dies bedeutet, dass der Antrag bis zur Entscheidung gestellt werden kann.

Damit ist klargestellt, dass der Gesetzgeber, der hinsichtlich der Instanzen keine Einschränkung getroffen hat, mit "anhängigen Verfahren" sowohl solche bei der Erstinstanz als auch jene regeln wollte, die beim Unabhängigen Verwaltungssenat noch nicht entschieden sind.

 

§ 111 Abs. 5 ASVG ist damit – nach dem Willen des Gesetzgebers – auch auf jene Verfahren anzuwenden, die beim Unabhängigen Verwaltungssenat anhängig sind.

 

Gemäß § 27 Abs.1 VStG ist jene Behörde im Strafverfahren örtlich zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.

 

Wie klargestellt wurde, richtet sich die Zuständigkeit der Behörde nach dem Sitz des Unternehmens, im konkreten Fall ist der Betriebssitz in X und die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land ist zur Durchführung des Strafverfahrens zuständig.

 

Weil nach dieser (neuen) geklärten Rechtslage das Straferkenntnis von der unzuständigen Behörde erlassen wurde, war der vorliegenden Berufung gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und die Angelegenheit an die örtlich zuständige Erstbehörde weiterzuleiten.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Berufungswerber gemäß §§ 65 und 66 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat noch ein Beitrag zu den Kosten der belangten Behörde vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Mag. Bergmayr-Mann

 

 

Rechtssatz zu VwSen-252151/2/BMa/Mu/Gr vom 1. Juni 2010:

 

Wie VwSen-252150/2/BMa/Gr vom 25. März 2010

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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