Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-164801/7/Zo/Jo

Linz, 09.06.2010

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung des X, vertreten durch X vom 02.02.2010 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 14.01.2010, Zl. VerkR96-58855-2009, wegen einer Übertretung der StVO nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 01.06.2010 zu Recht erkannt:

 

 

I.             Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.           Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.:  § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51e und 45 Abs.1 Z2 VStG;

zu II.: §§ 64 ff VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat dem Berufungswerber im angefochtenen Straferkenntnis vorgeworfen, dass er am 20.08.2009 um 13.00 Uhr als Lenker des PKW mit dem Kennzeichen X in Seewalchen auf der A1 in einer Baustelle bei km 234,144 in Fahrtrichtung Wien die durch Straßenverkehrszeichen in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 72 km/h überschritten habe. Die in Betracht kommende Messtoleranz sei bereits zu seinen Gunsten abgezogen worden. Der Berufungswerber habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach  § 52 lit.a Z10a StVO 1960 begangen, weshalb über ihn gemäß § 99 Abs.2c Z9 StVO eine Geldstrafe in Höhe von 365 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 144 Stunden) verhängt wurde. Weiters wurde er zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in Höhe von 36,50 Euro verpflichtet.

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung führte der Berufungswerber aus, dass die gegenständliche Geschwindigkeitsbeschränkung offenbar mit Verordnung vom 19.05.2009 angeordnet worden sei. Entsprechend dieser Verordnung habe jedoch keine 60 km/h-Beschränkung am vorgeworfenen Tatort bestanden und die Verordnung sei auch in sich selbst widersprüchlich, da ihr planlicher Teil nicht mit dem Textteil in Einklang gebracht werden könne. Es würde daher der Verordnungsakt nicht dem Legalitätsprinzip entsprechen und die Verordnung sei nicht ordnungsgemäß kundgemacht.

 

Dennoch habe die Erstinstanz das Straferkenntnis erlassen und dies mit der Rechtsansicht begründet, dass die Verordnung vom 19.05.2009, Zl. VerkR01-1900-22-2008, mangels Aufstellen der Verkehrszeichen nie umgesetzt worden sei. Bezüglich dieser Information sei dem Berufungswerber das Parteiengehör nicht gewahrt worden. Im Übrigen würde die von der Behörde angeführte Verordnung vom 02.09.2008 im gegenständlichen Fall nicht angewendet werden können, weil aus dieser Verordnung hervorgeht, dass sie für bestimmte Beschränkungen in den Bauphasen 2 bis 6 nicht gelte und die gegenständliche Radarmessung in der Bauphase 5 durchgeführt wurde. Diese Verordnung sei daher zum Zeitpunkt der Radarmessung nicht gültig gewesen.

 

Aus dem gesamten Ermittlungsverfahren ergebe sich nicht, welche Verordnung zum Tatzeitpunkt gegolten habe und es liege keine ordnungsgemäße Kundmachung vor. Die Behörde wäre verpflichtet gewesen, ihre Verordnung vom 19. Mai 2009 umzusetzen. Die Rechtsansicht, dass wegen der fehlenden Umsetzung dieser Verordnung die Strafverfügung rechtmäßig sei, sei falsch. Offenbar wisse weder die Behörde noch die Exekutive, welche Verordnung tatsächlich gegolten habe und es könne vom Autofahrer nicht verlangt werden, dass er "schlauer sei" als diese Einrichtungen.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Vöcklabruck hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie in den Verordnungsakt der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck zu Zl. VerkR01-1900-2008 und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung. An dieser hat ein Vertreter der Erstinstanz teilgenommen.

 

4.1. Daraus ergibt sich folgender für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt:

 

Der Berufungswerber lenkte am 20.08.2009 um 13.00 Uhr den PKW mit dem Kennzeichen X auf der A1 Westautobahn in Fahrtrichtung Wien. Eine Radarmessung mit dem geeichten Messgerät der Type MUVR 6FA 1975 ergab bei km 234,144 eine Geschwindigkeit von 132 km/h. Für diese Straßenstelle war entsprechend den vor Ort aufgestellten Verkehrszeichen eine Geschwindigkeit von lediglich 60 km/h erlaubt.

 

Zu dieser Geschwindigkeitsbeschränkung ist Folgendes festzuhalten:

Es handelte sich insgesamt um eine umfangreiche und lang dauernde Baustelle auf der Westautobahn, welche von der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck mit Bescheid vom 02.09.2008 bewilligt wurde. In Auflagenpunkt 35 dieses Bescheides ist auch ein Zeitplan enthalten, wonach zum Zeitpunkt der dem Berufungswerber vorgeworfenen Geschwindigkeitsüberschreitung die Bauphase 5 in Kraft war.

Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit Verordnung vom 02.09.2008, Zl. VerkR01-1900-2-2008, jene Verkehrsbeschränkungen, Verkehrsgebote und –verbote für die Zeiträume, die aus dem Bescheid vom 02.09.2008, hervorgehen, verordnet, die sich aus den Plänen für die Bauphasen 1 bis 6 ergeben. Für den gegenständlichen Bereich wurde damit ein Geschwindigkeitstrichter angeordnet, wobei die 100 km/h-Beschränkung bei km 234,808, die 80 km/h-Beschränkung bei km 234,558 und die 60 km/h-Beschränkung bei km 234,358 begann. Dieser Geschwindigkeitstrichter wurde erstmals in der Bauphase 2 eingerichtet und durch das Aufstellen der Verkehrszeichen zwischen 23. und 26.09.2008 in Kraft gesetzt.

Die Geschwindigkeitsbeschränkungen waren in dieser Form auch während der Bauphase 3 gültig, allerdings hat die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck mit Verordnung vom 03.03.2009, Zl. VerkR01-1900-16-2008, die ursprüngliche Verordnung für die Bauphase 3 wie folgt geändert:

"Die 60 km/h-Geschwindigkeitsbeschränkung auf der Richtungsfahrbahn Wien beginnt anstatt bei km 234,358 erst bei km 234,108. Dadurch wird die vorher bestehende 80 km/h-Geschwindigkeitsbeschränkung bis km 234,108 verlängert." Diese abgeänderte Verordnung wurde durch das Entfernen der entgegenstehenden 60 km/h-Tafeln durch die Autobahnmeisterei Seewalchen am 03.03.2009 kundgemacht.

 

 

In weiterer Folge trat die Bauphase 4 in Kraft, wobei es sich dabei lediglich um einen kurzen Bauabschnitt zur Änderung der Verkehrsführung handelte. Ob bzw. wie die Verkehrszeichen betreffend den gegenständlichen Geschwindigkeitstrichter während dieser kurzen Bauphase 4 aufgestellt waren, ergibt sich nicht aus dem Verordnungsakt. Auch der Vertreter der Erstinstanz konnte dazu keine Angaben machen. Vermutlich reichte die 80 km/h-Beschränkung auch während dieser Bauphase 4 bis km 234,108.

 

Die Verkehrszeichen für die Bauphase 5 wurden in der Zeit vom 26. bis 28.05. entsprechend dem am 02.09.2008 verordneten Plan aufgestellt, sodass die Verkehrszeichen betreffend die 60 km/h-Beschränkung bereits bei km 234,358 angebracht wurden. Diese Aufstellung entsprach der ursprünglichen Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 02.09.2008. Allerdings hatte die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck diese Verordnung bereits vor dem Aufstellen der gegenständlichen Verkehrszeichen durch die Verordnung vom 19.05.2009 abgeändert. Durch diese Abänderungsverordnung wurde für die Bauphase 5 angeordnet, dass die 80 km/h-Beschränkung bis km 233,908 verlängert wurde und die 60 km/h-Beschränkung erst bei km 233,908 beginnt. Bei der Aufstellung der Verkehrszeichen, welche ca. 1 Woche nach Erlassen dieser Verordnung erfolgte, wurde diese Abänderung jedoch aus nicht feststellbaren Gründen nicht beachtet. In weiterer Folge wurden von der Exekutive Radarmessungen durchgeführt, welche auf Grundlage der ursprünglichen Verordnung und der tatsächlich aufgestellten Verkehrszeichen innerhalb der 60 km/h-Beschränkung erfolgten.

 

5. Darüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 52a Z10a StVO 1960 ist das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit, die als Stundenkilometer im Zeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit)" angegeben ist, ab dem Standort des Zeichens verboten.

 

Die Prüfung ordnungsgemäß kundgemachter Ordnungen steht dem UVS gem. Art. 129 Abs.3 B-VG nicht zu. Sofern der UVS Zweifel an der sachlichen Richtigkeit einer ordnungsgemäß kundgemachten Verordnung hat, hat er die Möglichkeit, die inhaltliche Richtigkeit der Verordnung durch den Verfassungsgerichtshof überprüfen zu lassen. Ist eine Verordnung hingegen nicht gehörig kundgemacht, so hat sie der UVS nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH nicht anzuwenden. Dies bedeutet, dass der UVS die Frage der Kundmachung der konkret anzuwendenden Verordnung zu prüfen hat.

 

5.2. Verkehrsbeschränkungen werden gemäß § 44 Abs.1 StVO durch das Anbringen der entsprechenden Straßenverkehrszeichen kundgemacht. Dabei kommt es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwar nicht auf das völlig exakte Aufstellen der Verkehrszeichen an, wenn der Aufstellungsort des Verkehrszeichens aber wesentlich von jener Stelle abweicht, die in der Verordnung vorgegeben wurde, ist die Verordnung nicht gehörig kundgemacht (vgl. zB VwGH vom 25.01.2002, 99/02/0014). Im gegenständlichen Fall ist die Geschwindigkeitsbeschränkung für die Bauphase 5 durch das Aufstellen der Verkehrszeichen zwischen 26. und 28.05.2009 in Kraft gesetzt worden. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Behörde ihre ursprüngliche Verordnung vom September 2008 durch die Verordnung vom 19.05.2009 abgeändert, sodass der abgeänderte Verordnungstext hätte kundgemacht werden müssen. Dies ist jedoch nicht geschehen, sodass das Verkehrszeichen, welches den Beginn der 60 km/h-Beschränkung anzeigte, bei km 234,358 anstatt richtig bei km 233,908 aufgestellt wurde. Die Geschwindigkeitsbeschränkung für die Bauphase 5 wurde daher nicht ordnungsgemäß kundgemacht.

 

Anzuführen ist, dass sich diese Konsequenz lediglich aufgrund des zeitlichen Ablaufes betreffend Änderung der ursprünglichen Verordnung und Aufstellung der Verkehrszeichen ergibt. Wären die Verkehrszeichen entsprechend der ursprünglichen Verordnung bereits vor der Änderungsverordnung vom 19.05.2009 aufgestellt worden, so hätte das unterlassene Anbringen der Verkehrszeichen entsprechend der Änderungsverordnung lediglich bewirkt, dass diese Änderung nicht in Kraft getreten wäre. Für diesen Fall wäre die Argumentation der Erstbehörde richtig, dass eben die Änderungsverordnung nie in Kraft gesetzt wurde und die Geschwindigkeitsbeschränkung für die Bauphase 5 entsprechend der ursprünglichen Verordnung rechtmäßig kundgemacht wurde. Da jedoch die Änderungsverordnung bereits vor dem Aufstellen der Verkehrszeichen erlassen wurde, bilden die ursprüngliche Verordnung und die Änderungsverordnung eine Einheit, welche den behördlichen Willen darstellen. Die Änderungsverordnung hätte daher bei der Aufstellung der Verkehrszeichen berücksichtigt und die Verkehrszeichen entsprechend der geänderten Verordnung aufgestellt werden müssen. Zum Zeitpunkt des Anbringens der Verkehrszeichen am 28.5.2009 hatte die Behörde am "Tatort" eine 80-km/h-Beschränkung verordnet, es wurde jedoch ein Verkehrszeichen lautend auf 60-km/h angebracht.

 

Im Ergebnis wurde jene 60 km/h-Beschränkung, deren Missachtung dem Berufungswerber vorgeworfen wird, nicht ordnungsgemäß kundgemacht, sodass sie vom UVS nicht angewendet werden darf. Es war daher der Berufung stattzugeben und das Straferkenntnis aufzuheben. Auch das Überschreiten der von der Behörde eigentlich beabsichtigten 80 km/h-Beschränkung kann dem Berufungswerber nicht vorgeworfen werden, weil innerhalb des beabsichtigten Geltungsbereiches der 80 km/h-Beschränkung eine Beschränkung auf 60 km/h aufgestellt war und daher auch die 80 km/h-Beschränkung nicht ordnungsgemäß kundgemacht war.

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

Mag. Gottfried  Z ö b l

 

 

 

 

 

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