Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-550541/4/Kü/Rd/Sta

Linz, 13.07.2010

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 6. Kammer (Vorsitzende: Dr. Ilse Klempt, Berichter: Mag. Thomas Kühberger, Beisitzer: Dr. Werner Reichenberger) über den Antrag der  x, x, vertreten durch Rechtsanwalt x, x, vom 7. Juli 2010 auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Vergabeverfahren der x betreffend das Vorhaben "x), x", zu Recht erkannt:

 

 

Dem Antrag wird stattgegeben und der Auftraggeberin x die Erteilung des Zuschlags bis zur Entscheidung in diesem Nachprüfungsverfahren, längstens aber bis 7. September 2010, untersagt.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 1, 2, 8 und 11 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 – Oö. VergRSG 2006, LGBl. Nr. 130/2006.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Eingabe vom 7.7.2010 hat die x, x (im Folgenden: Antragstellerin) einen Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung sowie auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, der Auftraggeberin die Zuschlags­erteilung bis zur Entscheidung im Nachprüfungsverfahren, zu untersagen, gestellt. Im Übrigen wurde die Zuerkennung der entrichteten Pauschalgebühren in Höhe von 7.500  Euro beantragt.

 

Begründend führte die Antragstellerin eingangs hiezu aus, dass mit 17.12.2009 der gegenständliche Bauauftrag betreffend das Abteufen der Tiefenbohrungen zur Gewinnung von Thermalwasser im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens nach vorheriger Bekanntmachung im Oberschwellenbereich im Sektorenbereich im Supplement zum Amtsblatt der EU, bekannt gemacht worden sei. Der Leistungsgegenstand erfasse gemäß Ausschreibungsunterlage (AU) Pkt 2.2.1. die Stellung und den Betrieb einer Bohranlage und das Abteufen von Geothermiebohrungen im Gemeindegebiet x.

 

Die Antragstellerin habe fristgerecht ein vollständiges und ausschreibungskonformes Angebot gelegt und endete die Angebotsfrist am 21.1.2010. Nach mehreren Verhandlungsrunden habe die Antragstellerin das beste und billigste Angebot gelegt.

 

Mit Schreiben vom 28.6.2010 sei von der Auftraggeberin mitgeteilt worden, dass beabsichtigt sei, den Zuschlag der x zu erteilen. Gleichzeitig wurde bekannt gegeben, dass das Angebot der Antragstellerin aus wirtschaftlichen Gründen nicht weiter berücksichtigt werden könnte. Die Auftraggeberin habe über Aufforderung der Antragstellerin bezüglich der Begründung der Zuschlagsentscheidung mitgeteilt, dass die Bewertung der Angebote aufgrund der in der AU festgelegten Zuschlagskriterien erfolgt sei. Wie bekannt gegeben, solle der Zuschlag an die x als Bestbieterin mit einer Auftragssumme von 7,898.371,99 Euro erteilt werden. Der Vorteil des vorgesehenen Bestbieters bestehe in der Wirtschaftlichkeit und in der technischen Qualität.

 

Festzuhalten sei in diesem Zusammenhang, dass in den AU keine Zuschlagskriterien angeführt worden seien.

 

Die Antragstellerin habe jedenfalls ein evidentes Interesse am Vertragsabschluss und sei daher zur Antragstellung gegen die vergaberechtswidrige Zuschlagsentscheidung legitimiert. Zudem stelle der gegenständliche Auftrag in Anbetracht des Auftragsvolumens, der Marktstruktur und der mit einer Auftragserteilung verbundenen Publizitätswirkung ein wesentliches Referenzprojekt dar.

 

Zum Schaden wurde ausgeführt, dass aufgrund der Vergaberechtswidrigkeiten eine rechtskonforme Verfahrensdurchführung und Billigst- bzw Bestbieterermittlung nicht möglich sei bzw die Antragstellerin als Billigst- und Bestbieterin übergangen und zu Unrecht ausgeschieden worden sei. Es drohe daher ein Vermögensschaden in Höhe des zu lukrierenden Gewinns von zumindest 50.000 Euro sowie des frustrierten Aufwands infolge der Beteiligung am Vergabeverfahren in Höhe von 5.579,91 Euro. Zudem seien Kosten für die Rechtsvertretung in Höhe von 6.000 Euro erwachsen.

 

Nach der Spruchpraxis erfasse der Begriff des Schadens aber nicht nur bloße Vermögensschäden iSd Zivilrechts, sondern ganz allgemein jene Nachteile, die in der Beeinträchtigung der Möglichkeiten, an einem Vergabeverfahren teilzunehmen, liegen. Hier drohe der Antragstellerin durch eine rechtswidrige Verfahrensfortführung und Vergabe des gegenständlichen Auftrags auch der Verlust eines maßgeblichen Referenzprojekts. Da der vorliegende Nachprüfungs­antrag subsidiär auf den Widerruf des gegenständlichen Vergabeverfahrens und die Neuausschreibung des Auftrags ziele, bestehe der Schaden bei Fortführung des Verfahrens und dessen Abschluss durch Zuschlagserteilung auch im Verlust der Möglichkeit, sich an einem neuerlichen  Verfahren zu beteiligen.

 

Die Antragstellerin erachte sich in ihrem Recht auf Durchführung eines vergaberechts­konformen Vergabeverfahrens sowie insbesondere im Recht auf

-        Durchführung eines Vergabeverfahrens entsprechend den Bestimmungen     des BVergG 2006

-        Durchführung eines transparenten und freien und lauteren Wettbewerb        entsprechenden Vergabeverfahrens

-        Durchführung eines Vergabeverfahrens auf Basis vergaberechtskonformer          Ausschreibungsunterlagen

-        Festlegung objektiv nachvollziehbarer, transparenter und gewichteter          Zuschlagskriterien

-        vergaberechts- und ausschreibungskonforme Prüfung und Bewertung der    Angebote

-        für den Zuschlag in Aussicht genommen zu werden

-        Erteilung des Zuschlags als Billigst- und Bestbieterin

-        Teilnahme an einem neuerlichen Vergabeverfahren infolge eines          gebotenen Widerrufs

-        Gleichbehandlung aller Bieter

-        Nichtberücksichtigung des in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängers

-        Zuschlagserteilung

-        gesetzeskonformer Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung,

verletzt.

 

Da in der Bekanntmachung, den AU und der Zuschlagsentscheidung unterschiedliche, teilweise nicht existierende Auftraggeber genannt worden seien, sei um Klarstellung des Auftraggebers ersucht worden. Gemäß dem Antwortschreiben der Auftraggeberin handle es sich bei der Auftraggeberin um die x.

 

Die Auftraggeberin stehe im Eigentum der x, der x und der x und sei im Sektorenbereich tätig. Die x sei daher öffentliche (Sektoren)-Auftraggeberin und sei der UVS Oberösterreich für das gegenständliche Nachprüfungsverfahren zuständig.

 

Zu den Rechtswidrigkeiten führt die Antragstellerin aus, dass nach § 131 Abs.1 bzw § 272 BVergG 2006 der Auftraggeberin den im Vergabeverfahren verbliebenen Bietern nachweislich mitzuteilen habe, welchem Bieter der Zuschlag erteilt werden solle. In dieser Mitteilung seien den verbliebenen Bietern ua die Gründe für die Ablehnung ihres Angebots, die Vergabesumme sowie die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebots bekannt zu geben, sofern nicht die Bekanntgabe dieser Informationen öffentlichen Interessen oder den berechtigten Geschäftsinteressen von Unternehmern widersprechen oder dem freien und lauteren Wettbewerb schaden würde.

 

Die in § 131 Abs.2 bzw § 272 Abs.1 und 2 BVergG 2006 genannten Gründe für keine Verpflichtung zur Mitteilung der Zuschlagsentscheidung würden im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung gelangen.

 

Nach der Rechtsprechung (vgl. VwGH, 22.4.2009, 2009/04/0081, BVA, N/0084-BVA/13/2009-41) verfolge § 131 BVergG 2006 (bzw § 272 BVergG 2006) das Ziel, dass Bieter, die nicht zum Zug kommen, grundsätzlich bereits mit der Bekanntgabe der Mitteilung der Zuschlagsentscheidung, also am Beginn der Stillhaltefrist, über jene Informationen verfügen sollen, die es ihnen ermöglichen, die Auftraggeberentscheidung im Hinblick auf deren Korrektheit nachzuvollziehen. Ein Abgehen von diesem Grundsatz und damit eine Verkürzung der effektiven Anfechtungsfrist für den Bieter durch fehlende oder mangelhafte Bekanntgabe der Informationen gemäß § 131 und § 272 BVergG 2006 bedarf einer sachlichen Rechtfertigung.

 

Die Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung vom 28.6.2010 entspreche mehrfach nicht den Vorgaben des § 131 bzw § 272 BVergG 2006. Es seien weder die Vergabesumme noch die Gründe für die Ablehnung des Angebots noch die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebots in der Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung vom 28.6.2010 genannt worden.

 

Die Antragstellerin sei iSd zitierten Rechtsprechung in einem ihr zustehenden Recht verletzt worden, da ohne sachliche Rechtfertigung nicht gewährleistet gewesen sei, dass sie bereits am Beginn der Stillhaltefrist, über jene Informationen verfügen konnte, die es ihr ermöglichen die Auftraggeberentscheidung im Hinblick auf deren Korrektheit nachzuvollziehen. Dass die Auftraggeberin im Wege ihrer Rechtsvertretung erst am 6.7.2010 versucht habe, weitere Informationen zur Verfügung zu stellen, könne daran nichts mehr ändern, weil diese Informationen schon am Beginn der Stillhaltefrist zur Verfügung hätte stehen müssen. Die Unterlassung einer vergaberechtskonformen Zuschlagsentscheidung sei für den Ausgang des Vergabeverfahrens iSd § 325 Abs.1 Z2 BVergG 2006 schon dann wesentlich, wenn die Einbringung eines begründeten Nachprüfungsantrages dadurch erschwert oder behindert werde. Dies sei schon dann der Fall, wenn die wesentlichen Informationen nicht schon zu Beginn der Stillhaltefrist vorliegen.

 

Darüber hinaus genüge auch die Begründung lt. Anwaltsschreiben vom 6.7.2010 nicht den Anforderungen von § 131 und § 272 BVergG 2006. Der Rechtsvertreter verweise auf Zuschlagskriterien in den AU, die überhaupt nicht existieren. Zudem wäre ein pauschaler Verweis auf die Zuschlagskriterien in den Ausschreibungsunterlagen unzureichend, weil ohne sachliches Substrat. Auch sei die Auskunft, dass der Vorteil des Bestbieters in der Wirtschaftlichkeit und in der technischen Qualität bestehe, ohne inhaltliche Angaben zu machen, völlig nichtssagend und entspreche keinesfalls den Transparenzerfordernissen.

Schon aus diesem Grund sei daher die Zuschlagsentscheidung vergabegesetzwidrig.

 

In den Erläuternden Bemerkungen zum BVergG 2006 heißt es, dass, um bei der Zuschlagserteilung die Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sicherzustellen, die – in der Rechtsprechung anerkannte – Verpflichtung zur Sicherstellung der erforderlichen Transparenz vorzusehen ist, damit sich jeder Bieter angemessen über die Kriterien und Modalitäten unterrichten kann, anhand deren das wirtschaftlich günstigste Angebot ermittelt wird. Die öffentlichen Auftraggeber haben daher die Zuschlagskriterien und deren jeweilige Gewichtung anzugeben, und zwar so rechtzeitig, dass diese Angaben den Bietern bei der Erstellung ihrer Angebote bekannt sind.

 

In Ermangelung von Zuschlagskriterien sei die Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots nicht möglich, sodass die Grundsätze des Vergabeverfahrens verletzt seien. Die Zuschlagskriterien beziehen sich auf den Kern des Wettbewerbs. Eine Unterlassung der Anführung von Zuschlagskriterien sei nicht nur rechtswidrig, sondern stelle einen Wurzelmangel dar, der das gesamte Verfahren mit Rechtswidrigkeit belaste. Entsprechend der Entscheidung des BVA vom 31.8.2006, N/0062-BVA/12/2006-22, N/0063-BVA/12/2006-19 können fehlerhafte bzw fehlende Zuschlagskriterien dann auch noch mit Zuschlagsentscheidung bekämpft werden, wenn eine plausible Bestbieterermittlung unter Zugrundelegung der allgemeinen Grundsätze des Verfahrens nicht möglich sei.

 

Unter Berücksichtigung der angeführten aktuellen EuGH-Judikatur könne der geltend gemachte Mangel in keiner Phase des Vergabeverfahrens geheilt werden. Die Verwendung von keinen Kriterien mache eine Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots unmöglich.

 

Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung verweist die Antragstellerin eingangs auf die Ausführungen im Hauptantrag und bringt weiters vor, dass einer Untersagung der Zuschlagserteilung und Aussetzung der Zuschlagsentscheidung keine vergleichbaren Interessen der Auftraggeberin und der sonstige Mitbieter entgegen stehen würden und die einstweilige Verfügung weder für die Auftraggeberin noch für die Mitbieter eine unverhältnismäßige Belastung darstellen würde. Zudem seien besondere öffentliche Interessen, die einer einstweiligen Verfügung entgegenstehen würden, nicht ersichtlich. Die Interessensabwägung habe daher zugunsten der Antragstellerin auszufallen, da nur ihre Interessen bei der Fortführung des Vergabeverfahrens bedroht seien.  

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat die x als Auftraggeberin am Nachprüfungs­verfahren beteiligt. Eine Stellungnahme hinsichtlich der Erlassung einer einstweiligen Verfügung langte bis zum Entscheidungszeitpunkt beim Oö. Verwaltungssenat nicht ein.

 

3.  Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 1 Abs.1 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 (Oö. VergRSG 2006) regelt dieses Landesgesetz den Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Auftraggeber in Verfahren nach den bundesrechtlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesen (Vergabeverfahren), die gemäß Art.14b Abs.2 Z2 B-VG in den Vollzugsbereich des Landes fallen.

 

Gemäß Art.14b Abs.2 Z2 lit.c B-VG ist die Vollziehung Landessache hinsichtlich der Vergabe von Aufträgen durch Unternehmungen im Sinne des Art.126b Abs.2, soweit sie nicht unter die Z1 lit.c fällt, sowie der Vergabe von Aufträgen durch Unternehmungen im Sinne des Art.127 Abs.3 und Art.127a Abs.3 und 8.

 

Gemäß Art.127a Abs.3 B-VG überprüft der Rechnungshof weiter die Gebarung von Unternehmungen, an denen eine Gemeinde mit mindestens 20000 Einwohnern allein oder gemeinsam mit anderen der Zuständigkeit des Rechnungshofes unterliegenden Rechtsträgern mit mindestens 50 vH des Stamm-, Grund- oder Eigenkapitals beteiligt ist oder die die Gemeinde allein oder gemeinsam mit anderen solchen Rechtsträgern betreibt. Hinsichtlich der Prüfzuständigkeit bei einer tatsächlichen Beherrschung gilt Art. 126b Abs. 2 sinngemäß. Die Zuständigkeit des Rechnungshofes erstreckt sich auch auf Unternehmungen jeder weiteren Stufe, bei denen die Voraussetzungen gemäß diesem Absatz vorliegen.

 

Gemäß Art. 14b Abs.2 B-VG gelten Gemeinden unabhängig von der Zahl ihrer Einwohner als Rechtsträger, die im Sinne der Z 1 lit. b und c und der Z 2 lit. b und c der Zuständigkeit des Rechnungshofes unterliegen.

 

Die Frage der Eigenschaft eines öffentlichen Auftraggebers an sich und auch die Qualifizierung als solchen dessen Entscheidungen in den Vollzugsbereich des Landes fallen, kann im Provisorialverfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung aufgrund der bislang von der Auftraggeberin nicht vorgelegten Unterlagen nicht abschließend geklärt werden. Aus Rechtsschutzgründen wird eine solche aber vorläufig und unpräjudiziell für das Hauptverfahren der Vergabenachprüfung angenommen.

 

Gemäß § 2 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 obliegt dem Unabhängigen Verwaltungs­senat die Gewährung von Rechtsschutz gemäß § 1 Abs.1 leg.cit.

 

3.2.  Gemäß § 2 Abs.3 Oö. VergRSG 2006 ist der Unabhängige Verwaltungssenat bis zur Zuschlagsentscheidung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen die bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens und die dazu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht zuständig zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen (§ 2 Z16 lit.a BVergG 2006) des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.

 

Der gegenständliche Antrag ist rechtzeitig und zulässig. Aufgrund der Höhe des Auftragswertes des ausgeschriebenen Bauauftrages sind die Bestimmungen für den Oberschwellenbereich anzuwenden.

 

3.3. Gemäß § 8 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 hat der Unabhängige Verwaltungssenat auf Antrag durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet scheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin zu beseitigen oder zu verhindern.

 

Gemäß § 11 Abs.1 leg.cit. hat der Unabhängige Verwaltungssenat vor Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin, der sonstigen Bewerber oder Bieter bzw. Bewerberinnen oder Bieterinnen und des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf ihre Erlassung abzuweisen.

 

Gemäß § 11 Abs.3 leg.cit. ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung über den Antrag auf Nichtigerklärung, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird, außer Kraft.

 

3.4.  Bereits zu der vorausgegangenen sinngemäßen Regelung des Bundes­vergabe­gesetzes 1997 führte Elsner, Vergaberecht (1999), auf Seite 86 aus: Die Entscheidung hängt von einer Abwägung der möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers und einem allfälligen besonderen öffentlichen Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens ab. Dabei muss es sich um ein "besonderes" öffentliches Interesse handeln. Es wird nämlich (hoffentlich) bei jeder öffentlichen Auftragsvergabe ein öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens und Vergabe eines Auftrages bestehen. Aber auch daran, dass Vergabeverfahren fehlerfrei ablaufen, besteht öffentliches Interesse. Eine Nichterlassung einstweiliger Verfügungen wird daher nur bei sonstiger Gefahr für Leib und Leben und besonderer Dringlichkeit zulässig sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn besondere Interessen der Daseinsvorsorge gefährdet würden.

 

Art.2 Abs.4 Satz 1 (entspricht nunmehr Art.2 Abs.5) der Rechtsmittelrichtlinie darf nicht fälschlicherweise so ausgelegt werden, dass der vorläufige Rechtsschutz regelmäßig leerläuft. Mit diesem Interesse ist nicht das bei jeder Auftragsvergabe bestehende öffentliche Interesse an der zügigen Abwicklung gemeint. Nach der Beschlusspraxis des EuGH kommt es in der Interessensabwägung maßgeblich darauf an, wer durch sein Verhalten die besondere Dringlichkeit der Auftragsvergabe verursacht hat. Für die öffentlichen Auftraggeber ergibt sich daraus eine echte Obliegenheit zu rechtzeitig geplanten und durchgeführten Beschaffungsvorgängen. Das Rechtsschutzinteresse des diskriminierten Bieters kann insoweit nur vom vorrangigen Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter der Allgemeinheit zurückgedrängt werden (vgl. Schenk, Das neue Vergaberecht, 1. Auflage 2001, S. 172f).

 

Auch der Verfassungsgerichtshof hat insbesondere in seiner Entscheidung zu Zl. B 1369/01 vom 15.10.2001 ein öffentliches Interesse im Hinblick auf das Postulat effizienten Einsatzes öffentlicher Mittel in der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter gesehen, dem die Nachprüfung des Vergabe­verfahrens letztlich dienen soll.

 

3.5. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich beim gegenständlichen Vorhaben nicht um eine vordringliche Leistungserbringung handelt, kann daraus geschlossen werden, dass eine Gefährdung von Leib und Leben nicht aktuell ist. Auch trifft die Auftraggeberin im Hinblick auf die Rechtsnatur des Provisorialverfahrens und auf die allgemeine Mitwirkungspflicht der Parteien im Verwaltungsverfahren die Behauptungslast betreffend die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen. Die Auftraggeberin hat im Verfahren konkrete, mit der Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung drohende Nachteile nicht dargelegt, sodass davon auszugehen ist, dass die nachteiligen Folgen des vorläufigen Zuschlagsverbotes nicht überwiegen und daher dem Antrag stattzugeben ist (vgl. BVA 1.12.2000, N-56/00-9).

 

Die Antragstellerin hat denkmöglich ausgeführt, dass ihr durch die behauptete Rechtswidrigkeit der Entgang des Auftrages droht, sohin ein Schaden, der nur durch die vorläufige Untersagung der Zuschlagserteilung abgewendet werden kann. Abgesehen von dem vorausgesetzten öffentlichen Interesse an der Vergabe des gegenständlichen Auftrages ist aber ein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens weder durch die Auftraggeberin vorgebracht worden noch dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Kenntnis gelangt. Vielmehr ist bei der Interessens­abwägung iSd Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu berücksichtigen, dass die Auftraggeberin ein Interesse an einem rechtmäßigen Vergabeverfahren haben muss. Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Vergabe­kontrollinstanzen, dass ein öffentlicher Auftraggeber bei der Erstellung des Zeitplanes für eine Auftragsvergabe die Möglichkeit von Nachprüfungsverfahren und die damit einhergehende Verzögerung ins Kalkül zu ziehen hat, zu verweisen. Dass sich durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung eine Verzögerung der Bedarfsdeckung und ein organisatorischer und finanzieller Mehraufwand ergeben können, liegt in der Natur der Sache. Da - wie bereits erwähnt - kein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an einem möglichst raschen Vertragsabschluss geltend gemacht wurde und auch nicht auf der Hand liegt, war dem Antrag stattzugeben.

 

Die im Vorbringen der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten sind zumindest denkmöglich. Eine Überprüfung, ob die behaupteten Rechtswidrig­keiten auch tatsächlich vorliegen, war im Rahmen des Provisorialverfahrens nicht durchzuführen.

 

Die Dauer der Aussetzung der Zuschlagserteilung ergibt sich aus § 11 Abs.3 Oö. VergRSG 2006 iVm § 20 Abs.1 Oö. VergRSG 2006.

Gemäß § 20 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 ist über Anträge auf Nichtigerklärung von Entscheidungen eines Auftraggebers bzw. eine Auftraggeberin unverzüglich, spätestens aber zwei Monate nach Einlangen des Antrages zu entscheiden.

 

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass für den  Unabhängigen Verwaltungssenat somit die Möglichkeit besteht, die Aussetzung der Zuschlags­erteilung für zwei Monate, auszusprechen.

 

Die einstweilige Verfügung ist gemäß § 11 Abs.4 Oö. VergRSG 2006 sofort vollstreckbar.

 

4. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von 13,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

  

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro  zu entrichten.

 

 

 

Dr. Ilse Klempt 

 

 

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