Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-550544/4/Kl/Rd/Hu

Linz, 15.07.2010

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 5. Kammer (Vorsitzende: Mag. Michaela Bismaier, Berichterin: Dr. Ilse Klempt, Beisitzer: Mag. Thomas Kühberger) über den Antrag der x, vertreten durch x, vom 12. Juli 2010 auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Vergabeverfahren x betreffend das Vorhaben "Berufsausbildungsassistenz", zu Recht erkannt:

 

Dem Antrag wird stattgegeben und der Auftraggeberin x die Erteilung des Zuschlags bis zur Entscheidung in diesem Nachprüfungsverfahren, längstens aber bis 12. September   2010, untersagt.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 1, 2, 8 und 11 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 – Oö. VergRSG 2006, LGBl. Nr. 130/2006.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Eingabe vom 12.7.2010  hat die x (im Folgenden: Antragstellerin) einen Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung sowie auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, der Auftraggeberin die Zuschlagserteilung bis zur Entscheidung im Nachprüfungsverfahren, zu untersagen, gestellt. Im Übrigen wurde die Zuerkennung der entrichteten Pauschalgebühren in Höhe von insgesamt 2.400 Euro beantragt.

 

Begründend führte die Antragstellerin eingangs hiezu aus, dass die Auftraggeberin nach dem 4.3.2010 ein Vergabeverfahren zur Beschaffung prioritärer Dienstleistungen nach dem BVergG 2006 eingeleitet habe.

Die Angebotsunterlage (der 2. Stufe) sieht in Pkt. V.5. "Anforderungsprofil des Personals" vor, dass das Personal, das zur Erfüllung der Aufgabe eingesetzt werde, folgenden Anforderungen gerecht werden muss.

"Das zur Erfüllung der Aufgaben verwendete Personal steht in einem vollversicherungspflichtigen Dienstverhältnis, auf welches das BAGS-Gehaltsschema Anwendung findet".

Die Ausschreibungsunterlagen sehen vor, dass sämtliche zum Einsatz kommenden Personen in einem Dienstverhältnis zum Bieter (Auftragnehmer) stehen müssen, das dem BAGS-Kollektivvertrag unterliege. Unabhängig von der Frage der allgemeinen Rechtskonformität einer derartigen Festlegung wurde diese nicht angefochten und sei daher bestandsfest und Grundlage des weiteren Verfahrens.

In Pkt. VIII der Angebotsunterlage wurden die Zuschlagskriterien definiert. Zu den beiden Kriterien Preis und Qualität mit einer Gewichtung von je 50% wurden sodann weitere Festlegungen getroffen. Dabei sei das Bewertungsschema zum Kriterium "Qualität" lediglich sehr knapp dargestellt. Das Ende der Angebotsfrist sei für den 22.6.2010, 12.00 Uhr, festgelegt worden und habe die Antragstellerin fristgerecht ein ausschreibungs- und gesetzeskonformes Angebot gelegt.

Mit Schreiben vom 28.6.2010 sei der Antragstellerin mitgeteilt worden, dass beabsichtigt sei, der x mit einem Bewertungspreis von 627.850 Euro, den Zuschlag zu erteilen. Als Begründung hiefür wurde ausgeführt, dass der deutliche Preisvorteil bei gleichzeitig hohem Qualitätsnachweis die Gesamtbewertung ergeben habe. Das Ende der Stillhaltefrist wurde mit 12.7.2010 bekannt gegeben.

 

Bei der Angebotsprüfung hätte der Auftraggeberin auffallen müssen, dass das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin wegen einer nicht plausiblen Zusammensetzung des Gesamtpreises iSd § 129 Abs.1 Z3 BVergG 2006 ausgeschieden hätte werden müssen. Im Übrigen entspreche die bekannt gegebene Zuschlagsentscheidung nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Begründungs- und Informationspflicht des § 131 Abs.1 BVergG 2006 und sei schon deswegen für nichtig zu erklären.

 

Durch die Rechtswidrigkeit der Zuschlagsentscheidung erachte sich die Antragstellerin in ihrem Recht auf

-        Teilnahme an einem rechtskonformen Vergabeverfahren

-        ordnungsgemäße und rechtskonforme Durchführung, Fortsetzung und         Beendigung des Vergabeverfahrens, dies auch unter Einhaltung der          Grundsätze des fairen und lauteren Wettbewerbs sowie des Gleichbehandlungsgrundsatzes und der Nichtdiskriminierung

-        rechtskonforme Prüfung und Beurteilung aller Angebote sowie der      Vornahme des Ausscheidens von Angeboten von Mitbietern bei Vorliegen         von Ausscheidensgründen

-        Vornahme einer rechtskonformen – und auch gesetzeskonform         ausgeführten – Zuschlagsentscheidung unter Heranziehung lediglich nicht          auszuscheidender Angebote und

-        Zuschlagserteilung,

verletzt.

 

Die Auftraggeberin hätte bei einem rechtskonformen Vorgehen das Vergabeverfahren ordnungsgemäß und gesetzeskonform gestalten und dabei das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin ausscheiden müssen. In der Folge hätte die Auftraggeberin die Zuschlagsentscheidung zugunsten der Antragstellerin treffen und nach Ablauf der Stillhaltefrist den Zuschlag erteilen müssen. Außerdem hätte die Auftraggeberin die Zuschlagsentscheidung jedenfalls gesetzeskonform ausführen und begründen müssen. Die vorliegende Zuschlagsentscheidung sei sohin jedenfalls rechtswidrig.

 

Infolge der gegenständlichen Rechtswidrigkeiten (insbesondere des Nichtausscheidens des Angebots der präsumtiven Zuschlagsempfängerin trotz Vorliegens von Ausscheidensgründen – und damit auch der Rechtswidrigkeit der Prüfung der Angebote) drohen der Antragstellerin erhebliche Schäden. Die Antragstellerin wäre bei Ausscheiden der Angebote der präsumtiven Zuschlagsempfängerin als Zuschlagsempfängerin auszuwählen gewesen, sodass durch ihre Nichtberücksichtigung ein entgangener Gewinn in Höhe von ca. 25.000 Euro zu entstehen drohe. Weiters seien der Antragstellerin durch die Angebotslegung erhebliche Kosten entstanden, die durch ihre Nicht­berücksichtigung frustriert zu werden drohen. Schließlich seien Kosten für die rechtsfreundliche Vertretung und die Pauschalgebühren in Höhe von 2.400 Euro als drohender Schaden anzuführen. Zudem drohe der Verlust eines Referenzprojektes.

 

Zu den Rechtswidrigkeiten wurde begründend vorgebracht, dass das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin jedenfalls einen im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrigen Gesamtpreis aufweise. Es hätte daher das Angebot entsprechend § 125 Abs.3 BVergG 2006 einer vertieften Angebotsprüfung unterzogen und sodann aufgrund des Verwirklichens von Ausscheidenstat­beständen (insbesondere § 129 Abs.1 Z3 BVergG 2006)  ausgeschieden werden müssen. Die Antragstellerin habe selbstverständlich keine Kenntnis darüber, ob und welche Prüfungsschritte von der Auftraggeberin gesetzt worden seien sowie in welcher Weise der vorgereihte Bieter sein Angebot kalkuliert und sodann dazu Aufklärungen geleistet habe. Allerdings sei prima vista – und schon alleine aufgrund der Festlegungen der Auftraggeberin in der Angebotsunterlage – davon auszugehen, dass die Zuschlagsentscheidung daran leide, dass die Angebotsprüfung noch nicht rechtmäßig und vollständig erfolgt bzw abge­schlossen worden sei und dass weiters jedenfalls das in Aussicht genommene Angebot gar nicht zuschlagsfähig sei, insbesondere da es mit Mängeln in der Preisgestaltung belastet und der Gesamtpreis nicht betriebswirtschaftlich nachvollzieh- und erklärbar sei.

 

Dabei stelle der vorliegende ungewöhnlich niedrige Gesamtpreis per se eine Auffälligkeit dar, die eine vertiefte Angebotsprüfung erforderlich gemacht habe. Unabhängig von den durch die Auftraggeberin durchgeführten Prüfschritten sei die Zuschlagsentscheidung zu Gunsten der präsumtiven Zuschlagsempfängerin daher rechtswidrig. Insbesondere sei im Hinblick auf den von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin angebotenen Gesamtpreis unter Berücksichtigung des Umfangs der ausgeschriebenen Leistung und die dafür in der Angebotsunterlage getroffenen Festlegungen die Einreichung eines Gesamtpreises von 627.850 Euro nicht rechtskonform möglich.

 

Selbstverständlich erfolge die Kalkulation von jedem Bieter individuell nach eigenen Gesichtspunkten. Angesichts der hier vorliegenden allgemeinen Rahmen­bedingungen könne der Gesamtpreis der präsumtiven Zuschlagsempfängerin allerdings auch objektiv nicht erklärbar sein. Insofern stoße ein vergaberechtlich zulässiger und angemessener Preis an eine objektive Grenze. Diese Grenze sei bei der präsumtiven Zuschlagsempfängerin jedenfalls überschritten.

 

Dazu sei zunächst einmal relevant, dass die Auftraggeberin die – bestandfeste – Festlegung getroffen habe, dass sämtliches zum Einsatz kommendes Personal dem BAGS-Kollektivvertrag unterliegen müsse und daher gemäß dem BAGS-Gehaltsschema zu entlohnen sei. In diesem Zusammenhang sei sodann etwa auch auf § 84 BVergG 2006 zu verweisen, wonach sämtliche arbeits- und sozialrechtliche Bestimmungen einzuhalten seien.

 

Mit diesen Vorgaben sei aber im Hinblick auf das mit der vorliegenden Ausschreibung festgelegte Leistungsbild und den Leistungsumfang unter Berücksichtigung des hohen Anteils des Personals an den Gesamtkosten der von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin angebotene Gesamtpreis nicht erzielbar. Dies unabhängig davon, wie die präsumtive Zuschlagsempfängerin ihr  Angebot und ihr Konzept im Detail ausgestaltet und strukturiert habe, wobei dazu etwa der angebotene Betreuungsschlüssel zu nennen sei. Alleine schon die gesetzes- und kollektivvertragskonformen Personalkosten müssten auf Grundlage objektiver Vorgaben über dem von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin angebotenen Gesamtpreis liegen.

 

Im Ergebnis sei es daher bei dem von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin angebotenen Gesamtpreis undenkbar, dass die Kalkulation in jede Richtung, also vor allem in obiger Hinsicht ordnungsgemäß erfolgt sei. Bereits aus diesen Gründen sei die angefochtene Zuschlagsentscheidung für nichtig zu erklären.

 

Die angeführten Aspekte sowie das darauf erfolgte Nichtausscheiden der präsumtiven Zuschlagsempfängerin werden ausdrücklich auch als Verfahrens­mangel, insbesondere als wesentlicher Mangel und als Rechtswidrigkeit des Prüfungs- und Bewertungsverfahrens geltend gemacht. Insofern habe die Auftraggeberin damit auch die Angebotsprüfung nicht ordnungsgemäß zu Ende geführt. Es könne schon aus diesem Grund nicht der Zuschlag auf das in Aussicht genommene Angebot erteilt werden.

 

Abrundend sei noch anzuführen, dass die Zuschlagsentscheidung selbst mangelhaft sei. So wäre für die Zuschlagsentscheidung auch eine gesetzes­konforme Begründung erforderlich gewesen. Eine Zuschlagsentscheidung habe jene Informationen zu enthalten, die es einem Bieter ermöglicht, einzuschätzen, ob die Zuschlagsentscheidung rechtens getroffen worden sei und ob ihre Bekämpfung aussichtsreich sei. Dies treffe auf die hier vorliegende knappe Begründung aber gerade nicht zu. Eine detaillierte Begründung könnte etwa nur dann entfallen, wenn sich aus der Angabe von Bewertungspunkten (die hier aber ebenfalls fehlen) die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebotes errechnen ließen.

 

Dem stehe es nicht entgegen, dass für die Antragstellerin ein spezieller Grund für die Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung auch ohne diese Information ersichtlich sei.

 

Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung verweist die Antragstellerin eingangs auf die Ausführungen im Hauptantrag und begründet weiters, dass sie ein weit überwiegendes Interesse auf Gewährung der einstweiligen Verfügung habe. Diese überwiegen im Rahmen der Interessensabwägung allfällige Interessen der Auftraggeberin sowie Dritter eindeutig. Denn es sei nicht ersichtlich, welcher Schaden der Auftraggeberin bzw auch den öffentlichen Interessen durch die geringfügige Verzögerung der Auftragsausführung entstehen könnte. Weiters sei nicht ersichtlich, welche höher stehenden Interessen gefährdet sein sollten. Dabei sei auch wesentlich, dass die Versorgung der Auftraggeberin mit den gegenständlich ausgeschriebenen Leistungen weiterhin – auch für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens – gesichert erscheine.                                

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat x als Auftraggeberin am Nachprüfungs­verfahren beteiligt. Eine Stellungnahme hinsichtlich der Erlassung einer einstweiligen Verfügung langte beim Oö. Verwaltungssenat bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht ein.

 

3.  Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 1 Abs.1 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 (Oö. VergRSG 2006) regelt dieses Landesgesetz den Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Auftraggeber in Verfahren nach den bundesrechtlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesen (Vergabeverfahren), die gemäß Art.14b Abs.2 Z2 B-VG in den Vollzugsbereich des Landes fallen.

 

Gemäß Art.14b Abs.2 Z2 lit.a B-VG ist die Vollziehung Landessache hinsichtlich der Vergabe von Aufträgen durch das Land. Das gegenständliche Nachprüfungs­verfahren unterliegt daher den Bestimmungen des Oö. VergRSG 2006.

 

Gemäß § 2 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 obliegt dem Unabhängigen Verwaltungs­senat die Gewährung von Rechtsschutz gemäß § 1 Abs.1 leg.cit.

 

3.2.  Gemäß § 2 Abs.3 Oö. VergRSG 2006 ist der Unabhängige Verwaltungssenat bis zur Zuschlagsentscheidung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen die bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens und die dazu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht zuständig zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen (§ 2 Z16 lit.a BVergG 2006) des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.

 

Der gegenständliche Antrag ist rechtzeitig und zulässig. Aufgrund der Höhe des Auftragswertes des ausgeschriebenen Dienstleistungsauftrages sind die Bestimmungen für den Oberschwellenbereich anzuwenden.

 

3.3. Gemäß § 8 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 hat der Unabhängige Verwaltungssenat auf Antrag durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet scheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin zu beseitigen oder zu verhindern.

 

Gemäß § 11 Abs.1 leg.cit. hat der Unabhängige Verwaltungssenat vor Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin, der sonstigen Bewerber oder Bieter bzw. Bewerberinnen oder Bieterinnen und des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf ihre Erlassung abzuweisen.

 

Gemäß § 11 Abs.3 leg.cit. ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung über den Antrag auf Nichtigerklärung, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird, außer Kraft.

 

3.4.  Bereits zu der vorausgegangenen sinngemäßen Regelung des Bundes­vergabe­gesetzes 1997 führte Elsner, Vergaberecht (1999), auf Seite 86 aus: Die Entscheidung hängt von einer Abwägung der möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers und einem allfälligen besonderen öffentlichen Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens ab. Dabei muss es sich um ein "besonderes" öffentliches Interesse handeln. Es wird nämlich (hoffentlich) bei jeder öffentlichen Auftragsvergabe ein öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens und Vergabe eines Auftrages bestehen. Aber auch daran, dass Vergabeverfahren fehlerfrei ablaufen, besteht öffentliches Interesse. Eine Nichterlassung einstweiliger Verfügungen wird daher nur bei sonstiger Gefahr für Leib und Leben und besonderer Dringlichkeit zulässig sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn besondere Interessen der Daseinsvorsorge gefährdet würden.

 

Art.2 Abs.4 Satz 1 (entspricht nunmehr Art.2 Abs.5) der Rechtsmittelrichtlinie darf nicht fälschlicherweise so ausgelegt werden, dass der vorläufige Rechtsschutz regelmäßig leerläuft. Mit diesem Interesse ist nicht das bei jeder Auftragsvergabe bestehende öffentliche Interesse an der zügigen Abwicklung gemeint. Nach der Beschlusspraxis des EuGH kommt es in der Interessens­abwägung maßgeblich darauf an, wer durch sein Verhalten die besondere Dringlichkeit der Auftragsvergabe verursacht hat. Für die öffentlichen Auftrag­geber ergibt sich daraus eine echte Obliegenheit zu rechtzeitig geplanten und durchgeführten Beschaffungsvorgängen. Das Rechtsschutzinteresse des dis­kriminierten Bieters kann insoweit nur vom vorrangigen Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter der Allgemeinheit zurückgedrängt werden (vgl. Schenk, Das neue Vergaberecht, 1. Auflage 2001, S. 172f).

 

Auch der Verfassungsgerichtshof hat insbesondere in seiner Entscheidung zu Zl. B 1369/01 vom 15.10.2001 ein öffentliches Interesse im Hinblick auf das Postulat effizienten Einsatzes öffentlicher Mittel in der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter gesehen, dem die Nachprüfung des Vergabe­verfahrens letztlich dienen soll.

 

3.5. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich beim gegenständlichen Vorhaben nicht um eine vordringliche Leistungserbringung handelt, kann daraus geschlossen werden, dass eine Gefährdung von Leib und Leben nicht aktuell ist. Auch trifft die Auftraggeberin im Hinblick auf die Rechtsnatur des Provisorial­verfahrens und auf die allgemeine Mitwirkungspflicht der Parteien im Ver­waltungs­verfahren die Behauptungslast betreffend die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen. Die Auftraggeberin hat im Verfahren konkrete, mit der Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung drohende Nachteile nicht dargelegt, sodass davon auszugehen ist, dass die nachteiligen Folgen des vorläufigen Zuschlagsverbotes nicht überwiegen und daher dem Antrag stattzugeben ist (vgl. BVA 1.12.2000, N-56/00-9).

 

Die Antragstellerin hat denkmöglich ausgeführt, dass ihr durch die behauptete Rechtswidrigkeit der Entgang des Auftrages droht, sohin ein Schaden, der nur durch die vorläufige Untersagung der Zuschlagserteilung abgewendet werden kann. Abgesehen von dem vorausgesetzten öffentlichen Interesse an der Vergabe des gegenständlichen Auftrages ist aber ein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens weder durch die Auftraggeberin vorgebracht worden noch dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Kenntnis gelangt. Vielmehr ist bei der Interessens­abwägung iSd Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu berücksichtigen, dass die Auftraggeberin ein Interesse an einem rechtmäßigen Vergabeverfahren haben muss. Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Vergabe­kontrollinstanzen, dass ein öffentlicher Auftraggeber bei der Erstellung des Zeitplanes für eine Auftragsvergabe die Möglichkeit von Nachprüfungsverfahren und die damit einhergehende Verzögerung ins Kalkül zu ziehen hat, zu verweisen. Dass sich durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung eine Verzögerung der Bedarfsdeckung und ein organisatorischer und finanzieller Mehraufwand ergeben können, liegt in der Natur der Sache. Da - wie bereits erwähnt - kein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an einem möglichst raschen Vertragsabschluss geltend gemacht wurde und auch nicht auf der Hand liegt, war dem Antrag stattzugeben.

 

Die im Vorbringen der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten sind zumindest denkmöglich. Eine Überprüfung, ob die behaupteten Rechtswidrig­keiten auch tatsächlich vorliegen, war im Rahmen des Provisorialverfahrens nicht durchzuführen.

 

Die Dauer der Aussetzung der Zuschlagserteilung ergibt sich aus § 11 Abs.3 Oö. VergRSG 2006 iVm § 20 Abs.1 Oö. VergRSG 2006.

Gemäß § 20 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 ist über Anträge auf Nichtigerklärung von Entscheidungen eines Auftraggebers bzw. eine Auftraggeberin unverzüglich, spätestens aber zwei Monate nach Einlangen des Antrages zu entscheiden.

 

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass für den  Unabhängigen Verwaltungssenat somit die Möglichkeit besteht, die Aussetzung der Zuschlags­erteilung für zwei Monate, auszusprechen.

 

Die einstweilige Verfügung ist gemäß § 11 Abs.4 Oö. VergRSG 2006 sofort vollstreckbar.

 

4. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von 13,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

  

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro  zu entrichten.

 

 

 

Mag. Michaela Bismaier

 

 

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