Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252135/2/BMa/Mu/Th

Linz, 18.06.2010

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Gerda Bergmayr-Mann über die Berufung des Finanzamtes X, X, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 6. April 2009, GZ: 0031962/2008, wegen einer Übertretung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes – ASVG  (mitbeteiligte Partei: X, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. X, Dr. X und Mag. X; X) zu Recht erkannt:

 

 

 

Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und die Verwaltungsstrafsache wird an die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land weitergeleitet.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis hat der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz die mitbeteiligte Partei wie folgt schuldig gesprochen und bestraft:

 

"I. Tatbeschreibung:

1.   Sie haben als unbeschränkt haftender Gesellschafter der X KEG mit Sitz in X zu verantworten, dass von dieser Firma als Arbeitgeber im Cafe „X“ in X, X zumindest am 09.05.2008 um 22.00 Uhr Frau X, geb. X als Arbeitern – zubereiten von Fisch – gegen Entgelt als fallweise Beschäftigte, die nicht von der Versicherungspflicht ausgenommen war, beschäftigt wurde, obwohl diese nicht vor Arbeitsantritt zumindest mit den Mindestangaben zur Pflichtversicherung aus der Krankenversicherung beim zuständigen Sozialversicherungsträger angemeldet worden war. Da der Behörde bis dato kein Bevollmächtigter gemäß § 35 ASVG bekannt gegeben worden ist, waren sie als Dienstgebervertreter für die entsprechende fristgerechte Meldung zur Sozialversicherung verantwortlich. Es war von einem Arbeitsverhältnis in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit auszugehen, da Unentgeltlichkeit nicht ausdrücklich vereinbart worden war. Die Anmeldung zur Sozialversicherung erfolgte am Kontrolltag um 22:21:04 Uhr.

 

II. Verletzte Verwaltungsvorschriften in der jeweils gültigen Fassung:

§ 33/1 und 1a iVm § 111 ASVG

 

III. Strafausspruch:

Es wird jedoch von der Verhängung einer Strafe abgesehen und eine Ermahnung erteilt.

Rechtsgrundlage: § 21 des Verwaltungsstrafgesetzes"

 

1.2. Begründend führt die belangte Behörde insbesondere aus, der der mitbeteiligten Partei zur Last gelegte Sachverhalt sei auf Grund der Aktenlage sowie des Ergebnisses des durchgeführten Beweisverfahrens erwiesen. Demnach habe sie als Dienstgeber die im Spruch angeführte Person als Dienstnehmer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt, ohne diese ordnungsgemäß beim zuständigen Krankenversicherungsträger angemeldet zu haben. Die mitbeteiligte Partei habe ein Ungehorsamsdelikt begangen und sie habe den Schuldentlastungsbeweis nicht erbringen können. Weil das Verschulden geringfügig gewesen sei, könne mit einer Ermahnung das Auslangen gefunden werden.

 

1.3. Gegen diesen der Legalpartei am 21. April 2009 zugestellten Ermahnungsbescheid richtet sich die vermutlich am 4. Mai 2009 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung, die unrichtige rechtliche Beurteilung ins Treffen führt und die Erlassung eines Strafbescheides iSd Strafantrages vom 21. Mai 2008 beantragt.

 

1.4. Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, dass das zuständige Kontrollorgan die Beschäftigung der im Spruch genannten Person eindeutig festgestellt habe. Die Kontrolle sei am 9. Mai 2008 um 22:00 Uhr erfolgt. Allerdings sei die Anmeldung der Beschäftigten am selben Tag erst während der Kontrolle um 22:21:04 Uhr durchgeführt worden. Da das gegenständliche Lokal seit Jahren regelmäßig nach dem AuslBG und dem ASVG kontrolliert werde, seien dem Beschuldigten die Bestimmungen des ASVG sehr wohl bekannt, weshalb nicht vom Vorliegen leichter Fahrlässigkeit ausgegangen werden könne. Es liege vielmehr ein qualifizierter Vorsatz iSd § 5 StGB vor, welcher die Anwendung des § 21 VStG ausschließe.

 

2.1. Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Da weder eine primäre Freiheitsstrafe erlassen und keine 2000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, hatte das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich zu entscheiden (§ 51c VStG).

 

2.2. Der OÖ. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsstrafakt. Da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und schon auf Grund der Aktenlage feststand, dass der mit der Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben war, konnte gemäß § 51e Abs.2 Z.1 VStG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

In der Sache selbst hat der OÖ. Verwaltungssenat erwogen:

 

2.1. Gemäß § 111 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes – ASVG, BGBl. Nr. 189/1955 in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von 730 bis 2180 Euro zu bestrafen, wer als Dienstgeber entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet.

 

Gemäß § 33 Abs.1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden.

 

Mit dem Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsinspektionsgesetz 1993, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungs-gesetz und das Bundesgesetz über die Verkehrs-Arbeitsinspektion geändert werden, BGBl. I Nr. 150/2009, wurde gemäß Art.3 dieses Gesetz dem § 111 ASVG folgender Abs.5 angefügt:

 

"(5) Die Verwaltungsübertretung gilt als in dem Sprengel der Bezirksverwaltungsbehörde begangen, in dem der Sitz des Betriebes des Dienstgebers liegt."

 

Dieses Bundesgesetzblatt wurde am 30. Dezember 2009 veröffentlicht.

 

Aus den Materialen zur Regierungsvorlage, 490 der Beilagen XXIV.GP, Erläuterungen, ergibt sich Folgendes:

 

"Jüngst hatte das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz einen negativen Zuständigkeitskonflikt betreffend die Durchführung eines Verwaltungsstrafverfahrens nach § 111 ASVG zu entscheiden. Es galt zu klären, ob der Ort der Unterlassung der Anmeldung zur Sozialversicherung am Sitz jener Gebietskrankenkasse liegt, bei der die Anmeldung durch den Dienstgeber hätte erfolgen müssen, oder aber am Ort, an dem das ordnungswidrige Verhalten gesetzt wurde. Im Lichte der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes im Zusammenhang mit Übertretungen von Arbeitszeitvorschriften (vgl. das Erkenntnis vom 26. Februar 1987, Zl:1986/08/0231) sowie mit Verwaltungsübertretungen nach § 28 Abs.1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (vgl. das Erkenntnis vom 22. Jänner 2002, Zl. 2000/09/0147) hat das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz entschieden, dass sich die örtliche Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde nach dem Sitz des Unternehmens richtet, wo die einschlägige Ordnungswidrigkeit begangen worden ist.

 

Aus Gründen der Rechtssicherheit soll dieser Grundsatz gesetzlich verankert werden, um derartige Zuständigkeitskonflikte in Hinkunft auszuschließen, wobei aber an den Sitz des Betriebes angeknüpft werden soll.

 

Bei der vorgeschlagenen Bestimmung handelt sich um eine reine Zuständigkeitsnorm. Daher sind auch einschlägige Sachverhalte, die bereits vor dem In-Kraft-Treten der Neuregelung verwirklicht wurden, vom Anwendungsbereich des § 111 Abs.5 ASVG erfasst. Die neue Bestimmung gilt somit auch für alle zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens schon anhängigen (offenen) Verfahren."

 

Aus diesen Erläuterungen erhellt, dass die mit 30. Dezember 2009 kundgemachte Zuständigkeitsbestimmung auch bereits anhängige, noch offene Verfahren, die in den Anwendungsbereich des § 111 ASVG fallen, erfasst.

 

Weil das anzuwendende Verfahrensrecht keine Legaldefinition der Begriffe "anhängiges Verfahren" oder "offenes Verfahren" enthält, sind diese anhand der ständigen Rechtsprechung des VwGH zu prüfen.

Demnach wird beim Begriff "anhängig" in den Entscheidungen des VwGH kein Unterschied gemacht, ob sich die Angelegenheit in Behandlung bei der ersten Instanz, beim Unabhängigen Verwaltungssenat oder bei einem der Höchstgerichte befindet. Ein Verfahren kann demnach in jeder Instanz "anhängig" sein.

Im Erkenntnis des VwGH vom 24. März 2004, 2001/04/0218 wird darüber hinaus zur Stellung eines Antrags ausgeführt, dass dies ein anhängiges Verfahren voraussetzt.  Dies bedeutet, dass der Antrag bis zur Entscheidung gestellt werden kann.

Damit ist klargestellt, dass der Gesetzgeber, der hinsichtlich der Instanzen keine Einschränkung getroffen hat, mit "anhängigen Verfahren" sowohl solche bei der Erstinstanz als auch jene regeln wollte, die beim Unabhängigen Verwaltungssenat noch nicht entschieden sind.

 

§ 111 Abs. 5 ASVG ist damit – nach dem Willen des Gesetzgebers – auch auf jene Verfahren anzuwenden, die beim Unabhängigen Verwaltungssenat anhängig sind.

 

Gemäß § 27 Abs.1 VStG ist jene Behörde im Strafverfahren örtlich zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.

 

Wie klargestellt wurde, richtet sich die Zuständigkeit der Behörde nach dem Sitz des Unternehmens, im konkreten Fall ist der Betriebssitz in X und die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land ist zur Durchführung des Strafverfahrens zuständig.

 

Weil nach dieser (neuen) geklärten Rechtslage das Straferkenntnis von der unzuständigen Behörde erlassen wurde, war der vorliegenden Berufung gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und die Angelegenheit an die örtlich zuständige Erstbehörde weiterzuleiten.



Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Mag. Bergmayr-Mann

 

 

Rechtssatz zu VwSen-252135/2/BMa/Mu/Th vom 18. Juni 2010:

 

Wie VwSen-252150/2/BMa/Gr vom 25. März 2010

 

 

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