Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-281170/5/Wim/Ga

Linz, 31.05.2010

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Leopold Wimmer über die Berufung des Herrn X, gegen die Spruchpunkte 1 und 2 des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 21. Juli 2009, Ge96-49-2009 betreffend Übertretungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes zu Recht erkannt:

I.                  Der Berufung wird hinsichtlich der Spruchpunkte 1 und 2 Folge gegeben, in diesem Umfang das erstinstanzliche Straferkenntnis ersatzlos aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II.              Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge zu diesen Spruchpunkten. Der Kostenbeitrag vermindert sich auf 50 Euro. Der zu zahlende Gesamtbetrag beträgt daher 550 Euro.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24 und 45 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG;

zu II: § 66 VStG.


Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 21. Juli 2009, Ge96-49-2009 wurde folgender Spruch erlassen:

"Sie haben es als das zur Vertretung nach außen berufene Organ und damit gemäß §9 Verwaltungsstrafgesetz verantwortlicher Beauftragter für den Bereich Behälterbau der "X Gesellschaft mbH" mit Sitz in X strafrechtlich zu verantworten, dass bei der am 02.04.2009 durchgeführten
Überprüfung der Baustelle in X, X, X, X, durch das Arbeitsinspektorat Leoben folgendes festgestellt wurde:

1)    Die ca. 3,20 m hohen Baugrubenwände (l= ca. 28 m, b= ca. 3,40 m; gemischtes Erdreich bestehend aus Sand, Stein, Kies, Lehm) nicht entsprechend abgeböscht und überhaupt nicht gegen Einsturz gesichert. Der Böschungswinkel betrug zwischen 66° und 90°. Obwohl in diesem bereich gearbeitet wurde, war nicht sichergestellt, dass Arbeitnehmer nicht durch abrutschendes oder herabfallendes Material gefährdet werden können, obwohl die Wände von Baugruben entweder entsprechend der Bauarbeiterschutzverordnung abzuböschen, zu verbauen, oder mittels Bodenverfestigungsverfahren zu sichern sind. Im gegenständlichen Fall hätte der Böschungswinkel maximal 60° betragen dürfen.

2)    Bezüglich der Steilheit des Böschungswinkels der Baugrube, bei der die Arbeiten länger als 5 Tage andauerten, lag kein rechnerischer Nachweis zur Einsichtnahme auf der Baustelle auf, obwohl rechnerische Nachweise betreffend der Standsicherheit von Baugrubenwänden, wenn die Baustelle länger als 5 Arbeitstage dauert, auf der Baustelle zur Einsichtnahme aufliegen müssen.

3)    Zum Zeitpunkt der Kontrolle waren die Arbeitnehmer X und X mit Arbeiten in der völlig ungesicherten Baugrube beschäftigt, obwohl Baugruben erst dann betreten werden dürfen, wenn die Sicherungsmaßnahmen nach der Bauarbeiterschutzverordnung durchgeführt wurden.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

Zu 1) § 130 Abs. 5 Z. 1 i.V.m. § 118 Abs. 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG, BGBl. Nr 450/1994 und § 48 Abs. 2 i.V.m. § 50 Bauarbeiterschutzverordnung – BauV, BGBl. Nr 340/1994

Zu 2) § 130 Abs. 5 Z. 1 i.V.m. § 118 Abs. 3 ASchG und § 159 Abs. 4 BauV

Zu 3) § 130 Abs. 5 Z. 1 i.V.m. § 48 Abs. 7 BauV

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von

falls diese uneinbringlich ist,
Ersatzfreiheitsstrafe von:

Gemäß
Jeweils

Zu 1)   1000 Euro

240 Stunden

§ 130 Abs. 5 Z. 1 ASchG

Zu 2)     300 Euro

  72 Stunden

Zu 3)     500 Euro

120 Stunden

Weitere Verfügungen (z.B. Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:
180 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe.

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher:
1980 Euro."

2. Dagegen hat der Berufungswerber fristgerecht Berufung erhoben und hinsichtlich des Spruchpunktes 1 des Straferkenntnisses ausgeführt, dass mit der Herstellung der Baugrube und der Baugrubenwände und in der Folge eines Böschungswinkels von maximal 60° nicht die X GesmbH beauftragt gewesen sei, sondern eine andere Firma und eine Veränderung des Böschungswinkels durch die X GmbH weder vertraglich noch rechtlich gedeckt gewesen wäre.

Hinsichtlich des Spruchpunktes 2 wurde ausgeführt, dass von Bauherrenseite kein rechnerischer Nachweis der Standsicherheit der Baugrubenwände zur Verfügung gestellt worden sei und ein solcher grundsätzlich vor Ausführung der Baugrube zu erstellen gewesen wäre.

Hinsichtlich des Spruchpunktes 3 wurde die Übertretung zugestanden.

Es wurde beantragt, das Straferkenntnis in den beeinspruchten Punkten aufzuheben und ein geändertes Straferkenntnis in Höhe von 500 Euro zuzüglich 10% Beitrag für die Kosten des Strafverfahrens zu erlassen.

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verfahrensakt. Weiters wurde auf schriftlichem Wege eine Stellungnahme des Arbeitsinspektorates Leoben zur Frage der Konsumtion der Spruchpunkte 1 und 2 des Straferkenntnisses durch den Spruchpunkt 3 eingeholt.

Das Arbeitsinspektorat Leoben hat dazu in einer Stellungnahme vom 26. Mai 2010 ausgeführt, dass grundsätzlich auch zu den Punkten 1 und 2 die Verantwortlichkeit immer jenen Arbeitgeber, der für die Einhaltung der in Frage kommenden Arbeitnehmerschutzbestimmungen, dessen Arbeitnehmer von der jeweiligen Schutznorm betroffen sind, treffe. Das Betreten einer nicht den gesetzlichen Bestimmungen entsprechenden Baugrube hebe die Straftatbestände des ersten und zweiten Sachverhaltes nicht auf. Es wurde daher beantragt das Straferkenntnis vollinhaltlich zu bestätigen.

Da es nur um die Klärung von Rechtsfragen geht, von keiner Partei eine mündliche Verhandlung beantragt wurde und bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte eine öffentliche mündliche Verhandlung entsprechend § 51e VStG entfallen.

Der Unabhängige Verwaltungssenat geht grundsätzlich von dem im erstinstanzlichen Verwaltungsstrafverfahren festegestellten Sachverhalt aus. Dieser wurde auch von keiner Verfahrenspartei bestritten.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Die einschlägigen Vorschriften der Bauarbeiterschutzverordnung lauten:

 

§ 48 (2): Beim Ausheben von Gruben, Gräben oder Künetten von mehr als 1,25 m Tiefe ist unter Berücksichtigung der örtlichen Standfestigkeit des Bodens, der Wasserverhältnisse, der Auflasten sowie auftretender Erschütterungen eine der folgenden Maßnahmen durchzuführen, sodaß Arbeitnehmer durch abrutschendes oder herabfallendes Material nicht gefährdet werden können:

1.     Die Wände von Gruben, Gräben oder Künetten sind entsprechend § 50 abzuböschen,

2.     die Wände von Gruben, Gräben oder Künetten sind entsprechend § 51 und 52 zu verbauen, oder

3.     es sind geeignete Verfahren zur Bodenverfestigung (§53) anzuwenden.

 

§48 (7): Baugruben, Gräben und Künetten dürfen nur betreten werden, wenn die Sicherungsmaßnahmen nach Abs. 2 durchgeführt sind.

 

§ 50 (3): Werden steilere Böschungen als nach Abs. 1 ausgeführt, ist vor Ausführung der Arbeiten von einer fachkundigen Person ein rechnerischer Nachweis der Standsicherheit zu erstellen.

 

§ 159 (4): Sofern ein Arbeitgeber auf einer Baustelle Arbeitnehmer länger als fünf Arbeitstage beschäftigt, müssen auf der Baustelle weiters zur Einsichtnahme aufliegen:

1.     Nachweise und Berechnungen gemäß §§ 45 Abs. 8, 50 Abs. 3, 52 Abs. 6, 53 Abs. 2, 56 Abs. 3 und 4, 65 Abs. 7, 68 Abs. 3, 69 Abs. 5, 71 Abs. 2, 82 Abs. 2 und 154 Abs. 5,

2.     Anweisungen und Zeichnungen gemäß §§ 65 Abs. 7, 82 Abs. 8, 85 Abs. 1, 110 Abs. 4, 120 Abs. 2 und 130 Abs. 3,

3.     Bewilligungen gemäß § 5 Abs. 5,

4.     Vormerke über Übungen und Messungen gemäß §§ 25 Abs. 5, 46 Abs. 3, 96 Abs. 5, 105 Abs. 3 und 106 Abs. 2,

5.     Brandalarmpläne und Brandschutzordnungen gemäß § 46 Abs. 2 und

6.     Gutachten gemäß § 94 Abs. 1.

 

4.2. Die bereits rechtskräftige Bestrafung besteht nach Spruchpunkt 3 im unzulässigen Betreten einer ungesicherten Baugrube durch Arbeitnehmer. Grundsätzlich wurden durch den gegenständlichen Sachverhalt zwar auch die Tatbestände der Strafbestimmungen hinsichtlich der Fakten 1 und 2 verwirklicht, der Unrechtsgehalt dieser Delikte wird aber nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates durch die Strafdrohung gegen das Hauptdelikt des § 48 Abs. 7 BauV miterfasst, sodass eine Bestrafung nach den anderen Regelungen nicht mehr zulässig ist. Es wird daher im rechtlichen Sinne durch die Anwendung dieser Strafbestimmung der Strafanspruch konsumiert und handelt es sich bei den beiden anderen Übertretungen um bloße Vor- bzw. Begleittaten, die keine weitere Strafbarkeit mehr auslösen.

So ist es klar, dass beim Betreten von ungesicherten Baustellen nach § 48 Abs. 7 BauV diese natürlich nicht abgesichert im Sinne des § 48 Abs. 2 BauV sein können.

Zum rechnerischen Nachweis betreffend der Standsicherheit ist auszuführen, dass das Abböschen bei Wänden von Gruben, Gräben oder Künetten nur eine von drei alternativen Maßnahmen des § 48 Abs. 2 BauV darstellt und somit auch der Standsicherheitsnachweis des § 50 Abs. 3 BauV sich nur auf dieses Abböschen bezieht. Beim Tatvorwurf des § 48 Abs. 7 BauV geht der Gesetzgeber durch den expliziten Verweis generell auf Abs. 2, wenn er vom Betreten einer ungesicherten Baugrube spricht, offensichtlich davon aus, dass keine dieser Alternativen erfüllt wurde. Damit konsumiert der Unrechtsgehalt dieser Norm auch die Strafbarkeit des § 50 Abs. 3 iVm § 159 Abs. 4 Z 1 BauV, der überdies nicht das Nichterstellen, sondern nur das Nichtaufliegen dieses Nachweises unter Strafe stellt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Dem Unabhängigen Verwaltungssenat erscheint es darüber hinaus nicht adäquat, dass für das Betreten der ungesicherten Baugrube durch zwei Arbeitnehmer nur eine Strafe von 500 Euro beantragt und in der Folge auch verhängt wurde, während für das bloße Nichtabsichern eine doppelt so hohe Strafe beantragt und verhängt wurde, wobei eindeutig bei der Bestimmung des § 48 Abs. 7 BauV eine unmittelbarere Gefährdung der Arbeitnehmer vorliegt, deren Verhinderung die Arbeitnehmerschutzvorschriften allgemein dienen sollen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Leopold Wimmer

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum