Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-100525/14/Weg/Fb

Linz, 22.10.1992

VwSen - 100525/14/Weg/Fb Linz, am 22. Oktober 1992 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt über die Berufung des M F, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. N H, vom 5. März 1992, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 5. Februar 1992, VerkR96/2571/1991/Gz, aufgrund des Ergebnisses der am 16. Oktober 1992 stattgefundenen öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:

I. Die Berufung betreffend die Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 (Faktum 1) wird hinsichtlich der Schuld abgewiesen und diesbezüglich das Straferkenntnis bestätigt. Dem Eventualantrag auf Herabsetzung der Strafhöhe wird stattgegeben und die Geldstrafe von 6.000 S auf 2.000 S und die Ersatzfreiheitsstrafe von 6 Tagen auf 2 Tage reduziert.

II. Hinsichtlich des Faktums 2 (§ 4 Abs.5 StVO 1960) wird der Berufung stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

III. Der Kostenbeitrag zum Strafverfahren erster Instanz ermäßigt sich auf 200 S. Ein Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren fällt nicht an.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl.Nr. 51/1991, i.V.m. § 24, § 19, § 45 Abs.1 Z.1, § 51 Abs.1, § 51i, § 64 und § 65 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl.Nr. 52/1991.

Entscheidungsgründe:

Die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn hat mit Straferkenntnis vom 5. Februar 1992, VerkR96/2571/1991/Gz, über den Berufungswerber wegen der Verwaltungsübertretungen nach 1.) § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 und 2.) § 4 Abs.5 StVO 1960 Geldstrafen von 1.) 6.000 S (im Nichteinbringungsfall 6 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) und 2.) 4.000 S (im Nichteinbringungsfall 4 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt, weil dieser am 16. Juni 1991 um 01.15 Uhr den PKW auf der M-Straße aus Richtung S kommend in Richtung M gelenkt hat und es nach dem bei der Kreuzung M Landesstraße - H Weg auf der Höhe des Hauses M Straße 25 verursachten Verkehrsunfall mit Sachschaden, an dem er ursächlich beteiligt war, unterlassen hat, 1. an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, indem er sich und das Fahrzeug vor der amtlichen Tatbestandsaufnahme von der Unfallstelle entfernte und 2. ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle zu verständigen.

Außerdem wurde ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren in der Höhe von 1.000 S in Vorschreibung gebracht.

Dagegen wendet der Berufungswerber sinngemäß ein, es sei ihm weder die Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 noch die nach § 4 Abs.5 StVO 1960 vorzuwerfen, weil er sich vom Unfallgeschehen keinesfalls fluchtartig entfernt habe und er die Unfallstelle unter anderem nur deswegen verlassen habe, weil er sich vom Unfallgegener bzw. den Insassen des PKW's des Unfallgegners bedroht gefühlt habe. Eine Belassung des Fahrzeuges am Unfallort sei nicht notwendig gewesen, da die beteiligten Fahrzeuge nach dem Zusammenstoß nicht mehr in der Unfallendlage gewesen seien, sondern vorher diese Unfallendlage verlassen hätten.

Im übrigen hätte er seine Identität bekanntgegeben, was auch der Anzeige des Gendarmeriepostenkommandos M zu entnehmen sei.

Die Berufung ist rechtzeitig. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht, sodaß zur Sachentscheidung die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich gegeben ist, der - weil eine 10.000 S nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde - durch ein Einzelmitglied zu erkennen hat. Da auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung nicht verzichtet wurde, war eine solche anzuberaumen. Die Verhandlung fand am 16. Oktober 1992 in Braunau statt. Zu dieser sind neben dem Vertreter des Beschuldigten ein Vertreter der belangten Behörde sowie die Zeugen G S und T S erschienen.

Aufgrund des Ergebnisses dieser Verhandlung (vgl. § 51i VStG) ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Zu Faktum 2 (§ 4 Abs.5 StVO 1960):

Hiezu führt der Zeuge und Unfallgegner des Beschuldigten aus, daß die beiden Lenker sich nach dem Verkehrsunfall sehr wohl die Identität nachgewiesen hätten. Der Rechtsmittelwerber überreichte dem Zeugen und Unfallgegner G S das Etui mit den Fahrzeugpapieren. In diesem Etui befand sich zumindest der Führerschein, ob auch der Zulassungsschein dabei war, konnte vom Zeugen nicht mehr beantwortet werden. Umgekehrt hat der Zeuge G S dem Rechtsmittelwerber das Etui mit seinen Fahrzeugpapieren ausgehändigt und der Beschuldigte auch darin Einsicht genommen. Es wurde jedoch von beiden Unfallgegnern in Ermangelung einer diesbezüglichen Schreibgelegenheit (niemand hatte ein Schreibgerät zur Hand) unterlassen, diese ausgetauschten Daten zu notieren.

Die mit dem gegenständlichen Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang stehenden Personen haben somit durch die Vorweisung der Fahrzeugpapiere einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen, auch wenn Notizen über diesen Identitätsaustausch nicht erfolgt sind.

Zu Faktum 1 (§ 4 Abs.1 lit.c StVo 1960):

Es ist unstrittig, daß der Berufungswerber sowie der Unfallgegner nach dem Verkehrsunfall ihre Fahrzeuge nicht in der Unfallposition beließen, sondern die Fahrzeuge ca. 5 m entfernt von der Unfallstelle zur Abstellung brachten. Es ist einerseits nicht bestritten und andererseits durch die Zeugenaussagen erwiesen, daß der Berufungswerber vor dem Eintreffen der Gendarmerie, die zum Zwecke der Feststellung des Sachverhaltes herbeigerufen wurde, mit seinem Fahrzeug die Unfallstelle verließ und seinen Beifahrer, der sich im übrigen in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befand, an der Unfallstelle zurückließ. Das Verlassen der Unfallstelle erfolgte erst zu einem Zeitpunkt, als der Beschuldigte infolge des Gespräches mit dem Unfallgegner wußte, daß die Gendarmerie gerufen wurde und demnächst an der Unfallstelle erscheinen wird. Laut Aussage des Zeugen S lag keine Situation vor, derzufolge der Beschuldigte aus Angst oder Furcht vor den Insassen des PKW's des Unfallgegners Grund gehabt haben konnte, von der Unfallstelle zu flüchten. Welche sonstigen Motive für das fluchtartige Verlassen der Unfallstelle vorgelegen sind, so vielleicht die Furcht vor der Gendarmerie, kann nur vermutet werden. Sicher ist, daß zum Zeitpunkt des Eintreffens des Gendarmeriebeamten der Berufungswerber nicht mehr zugegen war und trotz Nachforschungen der Gendarmerie in der Unfallnacht sein Aufenthalt auch nicht mehr eruierbar war. Ob der zurückgebliebene Beifahrer sich - so die Zeugenaussage des Unfallgegners - als den Lenker nicht kennender Autostopper ausgab oder - so der zeugenschaftlich vernommene Beifahrer - dieser lediglich gesagt hat, daß er die Wohnanschrift des F M nicht kenne, ist ohne Belang.

Es steht somit fest, daß der Berufungswerber die Unfallstelle mit dem beschädigten PKW verließ, bevor die schon angekündigte Gendarmerie eintraf, um dort das Unfallgeschehen aufzunehmen. Er hat dadurch die Erhebungen wesentlich erschwert und konnte auf eine allfällige Alkoholbeeinträchtigung nicht untersucht werden.

Entscheidungswesentlich ist noch, daß der Berufungswerber verwaltungsstrafrechtlich vollkommen unbescholten ist, ein Einkommen von 8.000 S bezieht und für Gattin und zwei Kinder sorgepflichtig ist.

Der unabhängige Verwaltungssenat hat über diesen Sachverhalt wie folgt erwogen:

Zu Faktum 2 (§ 4 Abs.5 StVO 1960):

Gemäß § 4 Abs.5 StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, von einem Verkehrsunfall mit Sachschaden die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn diese Personen einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

Wie bei der mündlichen Verhandlung (im übrigen zum ersten Mal) vorgebracht wurde, haben die Unfallbeteiligten durch die gegenseitige Aushändigung der Fahrzeugpapiere und Einsichtnahme in diese sehr wohl ihren Namen und ihre Anschrift bekanntgegeben und dadurch auch nachgewiesen. Es ist in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung, ob beide Unfallgegener - in Ermangelung eines Kugelschreibers oder wegen anderer Gründe - diese Daten auch notierten, damit sie sich auch später daran erinnern können. Die Gesetzesstelle stellt auf den Nachweis ab und verlangt eine schriftliche Aufzeichnung bzw. eine Notiz über diesen Identitätsnachweis nicht.

Aus diesem Grund ist der Tatbestand des § 4 Abs.5 StVO 1960 objektiv nicht erfüllt bzw. nicht erwiesen, sodaß das Strafverfahren diesbezüglich einzustellen war.

Zu Faktum 1 (§ 4 Abs.1 lit.c StVO 1960).

Gemäß § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.

Aus der Verpflichtung zur Mitwirkung an der Feststellung des Sachverhaltes ergibt sich, daß Veränderungen an der Stellung der vom Unfall betroffenen Fahrzeuge nur in den allerdringlichsten Fällen vorgenommen werden dürfen und daß dadurch die Feststellung des Sachverhaltes nicht unmöglich gemacht werden darf. An der Feststellung des Sachverhaltes wirkt ein Fahrzeuglenker, dessen Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, dann nicht mit, wenn er einerseits das Fahrzeug aus der Unfallendlage verstellt, ohne daß ausreichende Ermittlungen hinsichtlich der Schuldfrage angestellt wurden, und andererseits auch dadurch, wenn er vor dem Eintreffen der angekündigten Gendarmerie mit dem Unfallfahrzeug das Unfallgeschehen und den Unfallort verläßt. Die Bestimmung des § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 verlangt eine aktive Mitwirkung an der Sachverhaltserhebung. Diese Erhebung wird aber in der Regel am Unfallort vorzunehmen sein, sodaß das Verlassen der Unfallstelle durch den Berufungswerber ebenfalls eine Nichtmitwirkung an der Sachverhaltsfeststellung darstellt, hat er doch damit auch die Untersuchung seiner Fahrtauglichkeit verhindert.

Der Berufungswerber hat durch die Verbringung seines Fahrzeuges und durch das Verlassen der Unfallstelle objektiv das Tatbild des § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 verletzt.

Gemäß § 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 500 S bis 30.000 S, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Arrest von 24 Stunden bis 6 Wochen, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, dessen Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, sofern er den Bestimmungen des § 4 Abs.1 und 2 zuwiderhandelt, insbesondere nicht anhält, nicht Hilfe leistet oder herbeiholt oder nicht die nächste Polizeioder Gendarmeriedienststelle verständigt.

Durch den Ausdruck "insbesondere" ist klargestellt, daß nicht nur die angeführten Verhaltensweisen sondern auch die Nichtmitwirkung an der Sachverhaltsfeststellung unter der diese Strafnorm zu subsumieren ist. Zur Strafhöhe: Der durch das Gesetz vorgegebene Strafrahmen wurde seitens der Behörde nicht verletzt. Es ist jedoch ein besonderer Milderungsgrund, wenn ein über 30-jähriger Lenker, der von Beruf Kraftfahrer ist, nicht ein einziges Mal verwaltungsstrafrechtlich vorgemerkt aufscheint. Durch diesen Milderungsgrund und auch durch die aktenkundigen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse sieht sich die Berufungsbehörde veranlaßt, die Geldstrafe und somit auch die Ersatzfreiheitsstrafe auf das ausgesprochene Maß zu reduzieren. Es erscheint die nunmehrige Straffestsetzung einerseits spezialpräventiv ausreichend und andererseits auch dem generalpräventiven Gedanken Rechnung tragend. Erschwerungsgründe lagen nicht vor. Die nicht erwiesene mögliche Alkoholisierung stellt keinen Grund dar, die Geldstrafe so anzusetzen, damit sie jener einer Verletzung des § 99 Abs.1 StVO nahe kommt.

Die Kostenentscheidung ist in den zitierten gesetzlichen Bestimmungen begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Wegschaider

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