Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-164977/2/Fra/Ka

Linz, 01.07.2010

 

Mitglied, Berichter/in, Bearbeiter/in:                                                                                                                               Zimmer, Rückfragen:

Johann Fragner, Dr., Hofrat                                                                               2A18, Tel. Kl. 15593

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung des Herrn X, vertreten durch die X, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 12.3.2010, Zl. S-56461/09VP, betreffend Übertretung des § 76 Abs.6 2. Satz StVO 1960, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt; der Berufungswerber hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu entrichten.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 45 Abs.1 Z1 VStG; § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw) wegen Übertretung des § 76 Abs.6  2. Satz StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 70 Euro (EFS 35 Stunden) verhängt, weil er am X, in Höhe vom Haus X, aus Richtung X kommend als Fußgänger die Fahrbahn im Ortsgebiet nicht an einer Kreuzung überquert hat, obwohl die Verkehrslage ein sicheres Überqueren an der von ihm gewählten Stelle nicht zweifellos zuließ.

Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig durch die ausgewiesenen Vertreter eingebrachte Berufung. Die Bundespolizeidirektion Linz – als nunmehr belangte Behörde - legte das Rechtsmittel samt bezughabendem Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil eine 2.000  Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c erster Satz VStG).

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 76 Abs.6 StVO haben Fußgänger, wenn Schutzwege oder für Fußgänger bestimmte Unter- oder Überführungen vorhanden sind, diese Einrichtungen zu benützen. Ist jedoch keine dieser Einrichtungen vorhanden oder mehr als 25 m entfernt, so dürfen Fußgänger im Ortsgebiet die Fahrbahn nur an Kreuzungen überqueren, es sei denn, dass die Verkehrslage ein sicheres Überqueren der Fahrbahn auch an anderen Stellen zweifellos zulässt.

 

3.1. Unstrittig ist, dass an der Vorfallsörtlichkeit weder ein Schutzweg ist noch für Fußgänger bestimmte Unter- oder Überführungen vorhanden sind. Der Bw durfte daher als Fußgänger im Ortsgebiet die Fahrbahn nur an einer Kreuzung (in gedachter Verlängerung der Gehsteige oder der sonst nach § 76 Abs.1 StVO 1960 für Fußgänger zu benützenden Verkehrsflächen) überqueren, es sei denn, die Verkehrslage ließ ein sicheres Überqueren der Fahrbahn auch an der Vorfallsörtlichkeit zu. Zu interpretieren ist daher der Begriff "Verkehrslage". Nach herkömmlicher Auffassung wird unter Verkehrslage die (allgemeine) Situation auf den Straßen verstanden bzw beschrieben (beispielsweise mögliche Behinderungen, Staus, Verkehrsunfälle, Witterungsumstände etc). Auch im Rundfunk wird in regelmäßigen Abständen über die Verkehrslage berichtet.

 

Laut Abschlussbericht des Stadtpolizeikommandos Linz, Verkehrsinspektion, vom 18.12.2009, GZ: C1/67664/2009, lenkte zum Vorfallszeitpunkt Frau X ihren PKW, Kz.: X, auf der X, aus Richtung X kommend in Richtung stadtauswärts. Zur gleichen Zeit überquerte der Bw zu Fuß die Fahrbahn der X aus Richtung X kommend in Richtung zum Hause X (in westlicher Richtung). Auf dem auswärtsfahrenden Fahrbahnbereich der X kam es dann zum Zusammenstoß des PKW´s mit dem querenden Fußgänger. Bei dem Verkehrsunfall wurde der Bw verletzt und mit der Rettung in das AKH eingeliefert. Am PKW entstand mäßiger Sachschaden. Laut Verletzungsanzeige des AKH Linz vom 15.12.2009 wurde der Bw bei diesem Verkehrsunfall schwer verletzt (Schädelhirntrauma).

 

Im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren ist es nicht von Relevanz und kann die Beantwortung der Frage dahingestellt bleiben, ob die Unfallbeteiligte (Frau X) eine – wie der Bw behauptet – Kollisionsgeschwindigkeit eingehalten hat, die erheblich über 20 km/h liegen müsse (laut Beschuldigteneinvernahme vom 18.12.2009 gab die Unfallbeteiligte an, eine Geschwindigkeit von 20 km/h gefahren zu sein und den zweiten Gang eingelegt gehabt zu haben; als sie sich der Unfallstelle näherte, sah sie linksseitig am Fahrbahnrand zwei Fußgänger stehen, gleichzeitig habe sie auch einen Bus der X entgegen gefahren gesehen. Im Scheinwerferlicht des einwärtsfahrenden Busses habe sie dann einen der vorher gesichteten Fußgängers über die Straße laufen sehe. Da sie bemerkte, dass der Fußgänger nicht langsamer wurde, habe sie ihren PKW abgebremst. Da der Abstand jedoch bereits zu gering war, sei der Fußgänger im Bereich des linken vorderen Fahrzeugeckes in ihren PKW gelaufen. Dieser wurde erfasst, fiel in die Windschutzscheibe und sei dann im Bereich ihrer linken hinteren Türe auf der Fahrbahn zu liegen gekommen).

 

Im ggst. Verwaltungsstrafverfahren ist ausschließlich die Frage zu klären, ob die Verkehrslage für Fußgänger ein sicheres Überqueren der Fahrbahn an der gewählten Stelle zweifellos zuließ. Aus den allgemeinen aktenkundigen Feststellungen zum Unfallsort und zu den Licht- und Witterungsverhältnissen lässt sich jedenfalls kein relevanter zwingender Schluss betreffend die (Un)zulässigket des Überquerens der X zum Vorfallszeitpunkt ableiten. Unter der Rubrik "Nähere Angaben zum Verkehrsunfall" der oa Anzeige der Bundespolizeidirektion Linz ist ua Folgendes ausgeführt:

Verkehrdichte: starker Verkehr

Verkehrsregelung: Nein

Lichtverhältnisse: künstliche Beleuchtung

Niederschläge: kein Niederschlag

Witterung: bedeckt

Straßenzustand: trocken.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 7.4.1995, Zl. 94/02/0493, ua ausgeführt, dass, wenn der in Absatz 6 angesprochene Zweifelsfall ("zweifellos") an der ggst. Örtlichkeit nicht immer vorliegt, davon auszugehen ist, dass die Verkehrslage ein sicheres Überqueren der Fahrbahn an dieser Stelle im Sinne des Abs.6 letzter Halbsatz nicht zu jeder Tages- und Nachtzeit ausschließt. Es kann daher auch im ggst. Fall nicht davon ausgegangen werden, dass an der ggst. Örtlichkeit, die dem Oö. Verwaltungssenat bekannt ist, das Überqueren der Fahrbahn durch Fußgänger unter allen Umständen rechtswidrig ist.

 

Ob die Unfallbeteiligte eine Kollisionsgeschwindigkeit von mehr als 20 km/h aufgewiesen hat, ob die Unfallbeteiligte Frau X bei Erkennen des von ihr behaupteten Lauf- Querungsvorganges seitens des Bw ihrerseits in irgendeiner Form einer Reaktion gesetzt hat entweder durch Gaswegnehmen oder durch eine Bremsung, ob der stadteinwärtsfahrende Omnibus zu keiner wie immer gearteten Bremsung durch das Verhalten des Bw veranlasst wurde, ob der Bw die Fahrbahn in einem üblichen Gehtempo betreten und überquert hat und deshalb zu erheben sei, wo sich die PKW-Lenkerin Frau X zum Zeitpunkt des Betretens der Fahrbahn durch ihn befunden habe, hängt mit der Beurteilung und Klärung der hier verfahrensrelevanten Frage nicht zusammen, sondern ist allenfalls ein Verschuldenselement des Verkehrsunfalles und wäre diese Frage vom Gericht zu klären (laut Benachrichtigung der Staatsanwaltschaft Linz vom 21.1.2010, Zl.41 BAZ 2/10p-1, an die Verkehrsinspektion Linz wurde jedenfalls das Verfahren der fahrlässigen Körperverletzung am 15.12.2009 in Linz zum Nachteil des Bw gegen X gemäß § 190 Z2 StPO eingestellt, weil kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung besteht.

 

Lässt § 76 StVO 1960 ein Überqueren der Fahrbahn im Hinblick auf die Verkehrslage neben anderen Faktoren zu, ist davon auszugehen, dass hier der Verkehr als Ereignis bzw Gegebenheit gemeint ist und nicht der Umstand, ob ein einzelner Kraftfahrzeuglenker allenfalls mit überhöhter Geschwindigkeit sein Fahrzeug gelenkt hat oder sich auf andere Weise Fehlverhalten hat. Was den gegenständlichen Sachverhalt anlangt, liegen keine ausreichend objektivierten Sachverhaltsfeststellungen darüber vor, welche den Schluss zulassen, dass das Überqueren des Bw an der Vorfallsörtlichkeit zum Vorfallszeitpunkt im Sinne des § 76 Abs.6 2. Satz StVO 1960 - auch vor dem Hintergrund der zitierten  Judikatur - als unzulässig erscheinen ließ. Daraus resultiert die  spruchgemäße Entscheidung. Eine öffentliche mündliche Verhandlung entfiel gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG.

 

4. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Johann Fragner

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum