Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420632/27/Gf/Mu

Linz, 01.07.2010

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof aus Anlass der Beschwerde des X, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangs­gewalt durch Organe des Bezirkshauptmannes von Linz-Land am  29. April 2010 nach Durchführung einer öffentlichen Verhandlung am 28. Juni 2010 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Rechtsgrundlage:

§ 67c Abs. 3 AVG

Entscheidungsgründe:

1.1. In seiner am 29. April 2010 per E-mail eingebrachten und auf Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG i.V.m. § 67a Z. 2 AVG gestützten Beschwerde bringt der Rechtsmittelwerber vor, dass er am selben Tag durch die unter Androhung der Festnahme erfolgte Untersagung der Weiterfahrt mit seinem PKW in seinen verfassungs- und einfachgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden sei.

 

Begründend führt er dazu aus, dass er an diesem Tag von Beamten der Polizeiinspektion Neuhofen/Krems im Zuge einer wegen einer angeblichen Geschwindigkeitsübertretung erfolgten Lenkerkontrolle angehalten worden sei. Da er seine KFZ-Papiere zu Hause vergessen hatte, sei ihm jedoch untersagt worden, die Fahrt selbst fortzusetzen, obwohl seine Lebensgefährtin glaubhaft seine Identität bestätigt habe und überdies eine Anfrage bei der Behörde dahin, ob er im Besitz einer gültigen Lenkerberechtigung sei, positiv ausgefallen sei. Vielmehr sei er darauf hingewiesen worden, dass seine eigenständige Weiterfahrt als ein Verharren in einer strafbaren Handlung und damit als ein Festnahmegrund zu werten sei, weshalb ihn dann seine Lebensgefährtin nach Hause habe fahren müssen.

 

Durch diese unverhältnismäßige Vorgangsweise der Beamten sei er in seinen (nicht näher bezeichneten) Rechten verletzt worden, weshalb die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Amtshandlung begehrt wird.

1.2. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat den Bezug habenden Akt zu GZ VerkR96-16235-2010 vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet.

Darin wird ausgeführt, dass die Polizeiinspektion Neuhofen/Krems gegen den Rechtsmittelwerber eine Anzeige wegen mutmaßlicher Übertretung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet bzw. wegen Nichtmitführens des Führerscheins erstattet habe. In der Folge seien mittels Strafverfügung wegen der Geschwindigkeitsübertretung eine Geldstrafe in Höhe von 80 Euro und wegen des Nichtmitführens des Führerscheins eine Geldstrafe in Höhe von 36 Euro verhängt worden.

Nachdem der Rechtsmittelwerber ohnehin zugestanden habe, dass er seinen Führerschein nicht mitgeführt hatte und aus der vorerwähnten Anzeige auch keine bei der Amthandlung aufgetretenen Unregelmäßigkeiten hervorgehen, sei nicht nachvollziehbar, inwieweit die Vorgangsweise der einschreitenden Beamten unverhältnismäßig gewesen sein solle.

Daher wird – erschließbar – die Abweisung der Beschwerde beantragt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land zu GZ VerkR96-16234-2010 sowie im Wege der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung am 28. Juni 2010, an der als Partei der Beschwerdeführer sowie die Zeugen X und X teilgenommen haben.

2.2. Im Zuge dieser Beweisaufnahme wurde folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt (wobei das h. Verhandlungsprotokoll gleichzeitig zum integrierenden Bestandteil der Begründung dieses Bescheides erklärt wird):

2.2.1. Der Rechtsmittelwerber wurde – allseits unbestritten – am 29. April 2010 einer Verkehrskontrolle unterzogen. In deren Zuge stellte sich heraus, dass er weder Fahrzeugpapiere noch sonstige Urkunden zum Beleg seiner Identität mit sich führte. Nachdem die einschreitenden Sicherheitsorgane bei der Behörde eine Lenkeranfrage durchgeführt und sich herausgestellt hatte, dass der Beschwerdeführer eine gültige Lenkerberechtigung besitzt, wurde ihm untersagt, die Fahrt selbst fortzusetzen. Vielmehr wurde ihm nahegelegt, sich von seiner Lebensgefährtin, die ihren Führerschein bei sich hatte, nach Hause bringen zu lassen.

Die Amtshandlung verlief insgesamt – allseits unbestritten – in ruhiger und sachlicher Atmosphäre.

2.2.2. Diese Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf die glaubwürdigen, jeweils in sich schlüssigen und widerspruchsfreien sowie inhaltlich übereinstimmenden Aussagen des Beschwerdeführers einerseits und der beiden einvernommenen Zeugen andererseits sowie auf den Inhalt des von der belangten Behörde vorgelegten Aktes.

2.3. Nach § 67a AVG haben die Unabhängigen Verwaltungssenate grundsätzlich – sowie im Besonderen nach § 67a Z. 2 AVG über Maßnahmenbeschwerden i.S.d. Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG – durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

3. Über die vorliegende Beschwerde hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG i.V.m. § 67a Z. 2 AVG kann derjenige, der behauptet, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in seinen Rechten verletzt worden zu sein, eine Beschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat erheben.

Die Anordnung der Untersagung der Weiterfahrt durch Sicherheitsorgane stellt eine derartige Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dar, insbesondere dann, wenn dem Befehlsadressaten bei Nichtbefolgung der Sanktion eine unverzüglich einsetzende physische Sanktion – wie sie hier von den Beamten durch den Hinweis darauf, dass eine eigenständige Fortsetzung der Weiterfahrt durch den Beschwerdeführer als ein Verharren in der strafbaren Handlung und damit als ein Festnahmegrund i.S.d. § 35 Z. 3 VStG zu werten wäre, zum Ausdruck gebracht wurde – bevorsteht (vgl. schon die Überschrift ["Zwangsmaßnahmen"] zu § 38 des Führerscheingesetzes, BGBl.Nr. I 120/1997, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 93/2009 [im Folgenden: FSG], sowie im Übrigen z.B. J. Hengstschläger – D. Leeb, Kommentar zum Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz, Bd. 3, Wien 2007, RN 44 zu § 67a AVG, m.w.N.).

Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen des § 67c Abs. 1 AVG erfüllt sind, ist die gegenständliche Maßnahmenbeschwerde insoweit zulässig.

3.2. Nach § 38 Abs. 1 Z. 4 FSG sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes u.a. dazu berechtigt, Personen am Lenken oder an der Inbetriebnahme eines Fahrzeuges zu hindern, wenn diese hierdurch eine Übertretung des § 14 Abs. 1 Z. 1 FSG begehen oder begehen würden und der Besitz der vorgeschriebenen Lenkerberechtigung nicht glaubhaft gemacht werden kann.

Gemäß § 14 Abs. 1 Z. 1 FSG hat jeder Lenker den für das von ihm gelenkte Kraftfahrzeug vorgeschriebenen Führerschein auf Fahrten mitzuführen und den Sicherheitsorganen auf Verlangen zur Überprüfung auszuhändigen.

Nach § 35 Z. 3 VStG dürfen die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes Personen, die auf frischer Tat betreten werden, zum Zweck ihrer Vorführung vor die Behörde festnehmen, wenn der Betretene trotz Abmahnung in der Fortsetzung der strafbaren Handlung verharrt oder sie zu wiederholen versucht.

3.3. Im gegenständlichen Fall bestreitet der Beschwerdeführer selbst nicht, dass er seinen Führerschein nicht mitgeführt hat und nach der KFZ-Kontrolle die Fahrt mit seinem PKW eigenständig wieder fortsetzen wollte. Die Voraussetzungen für ein Vorgehen der einschreitenden Sicherheitsorgane gemäß § 38 Abs. 1 Z. 4 i.V.m. § 14 Abs. 1 Z. 1 FSG waren sohin offenkundig gegeben.

Eine Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens könnte somit nur dann vorliegen, wenn eine Selbstbindung der Behörde in der Richtung bestanden hätte, dass bisher – wie dies der Beschwerdeführer der Sache nach behauptet – jenen Personen, die ohne die erforderliche Lenkerberechtigung betreten werden, stets dann, wenn aufgrund einer Lenkeranfrage festgestellt wurde, dass diese eine gültige Lenkerberechtigung besitzen, die eigenständige Weiterfahrt ohne Weiteres gestattet wurde.

Entgegen der Meinung des Rechtsmittelwerbers besteht jedoch eine solche behördliche Selbstbindung de facto nicht.

Denn das zeugenschaftlich einvernommene Sicherheitsorgan hat – nachvollziehbar begründet – dargetan, dass die generelle Vorgehensweise in Fällen, in denen Lenker ohne Führerschein betreten werden und sodann auf Grund einer Lenkeranfrage bei der Behörde hervorkommt, dass diese einen gültigen Führerschein besitzen, vielmehr entscheidend davon abhängt, ob der Lenker einen sonstigen Lichtbildausweis mitführt: Nur dann, wenn dies zutrifft, darf er die Fahrt eigenständig fortsetzen – ansonsten hingegen nicht. Diese Differenzierung erklärt sich daraus, dass sich andernfalls nicht wirksam verhindern ließe, dass sich z.B. enge Verwandte oder Bekannte des Führerscheinbesitzers, die selbst über keine gültige Fahrerlaubnis verfügen, jedoch dessen Personaldaten kennen, als die Person des Führerscheinbesitzers ausgeben, in der Folge unberechtigt ein KFZ lenken und dadurch andere Verkehrsteilnehmer erheblich gefährden könnten. Daher muss in jenen Fällen entweder eine Vertrauensperson des Lenkers den Führerschein (oder zumindest einen amtlichen Lichtbildausweis) zum Ort der Kontrolle bringen oder der Lenker wird dann, wenn er seine KFZ-Papiere im Rayon der amtshandelnden Sicherheitsorgane aufbewahrt hat, von diesen zu jenem Ort gebracht, etc., damit auf diese Weise sichergestellt werden kann, dass jene Person, auf die der Führerschein lautet, mit dem (nachmaligen) Lenker tatsächlich identisch ist.

Wenn daher die Sicherheitsorgane im vorliegenden Fall dem Beschwerdeführer deshalb, weil er weder den Führerschein noch einen sonstigen Lichtbildausweis mit sich geführt hat, die eigenständige Weiterfahrt untersagt haben, diese jedoch – allseits unbestritten – problemlos deshalb fortgesetzt werden konnte, weil seine Lebensgefährtin ihren eigenen Fahrausweis bei sich hatte, so kann darin mangels entsprechender Selbstbindung weder ein Ermessensmissbrauch noch eine unverhältnismäßige oder gar willkürliche Vorgangsweise der Beamten erblickt werden.

3.4. Da der Beschwerdeführer durch diese Amtshandlung sohin nicht in seinen subjektiven Rechten verletzt wurde, war die gegenständliche Beschwerde gemäß § 67c Abs. 3 AVG als unbegründet abzuweisen.

4. Eine Kostenentscheidung gemäß § 79a AVG war – trotz des Umstandes, dass die belangte Behörde bei diesem Verfahrensergebnis nach § 79a Abs. 1 und 3 AVG als obsiegende Partei anzusehen ist, mangels eines darauf gerichteten Antrages nicht zu treffen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von 26,40 Euro entstanden; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

Dr.  G r o f

 

 

 

Rechtssatz:

 

VwSen-420632/27/Gf/Mu vom 1. Juli 2010

 

Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG; § 38 Abs. 1 Z. 4 FSG; 14 Abs. 1 Z. 1 FSG

* Die Anordnung der Untersagung der Weiterfahrt ist dann als Ausübung von verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu werten, wenn diese mit dem Hinweis darauf, dass eine eigenständige Fortsetzung der Weiterfahrt durch den Beschwerdeführer als ein Verharren in der strafbaren Handlung und damit als ein Festnahmegrund i.S.d. § 35 Z. 3 VStG zu werten wäre, zum Ausdruck gebracht wurde;

* Wenn der Beschwerdeführer selbst nicht bestreitet, dass er seinen Führerschein nicht mitgeführt hat und nach der KFZ-Kontrolle die Fahrt mit seinem PKW eigenständig wieder fortsetzen wollte, so lagen offenkundig die Voraussetzungen für ein Vorgehen der einschreitenden Sicherheitsorgane gemäß § 38 Abs. 1 Z. 4 i.V.m. § 14 Abs. 1 Z. 1 FSG vor; dieses wäre nur dann rechtswidrig, wenn eine Selbstbindung der Behörde in der Richtung bestünde, dass Personen, die ohne die erforderliche Lenkerberechtigung betreten werden, bisher die eigenständige Weiterfahrt dann, wenn aufgrund einer Lenkeranfrage festgestellt wurde, dass diese eine gültige Lenkerberechtigung besitzen, stets ohne Weiteres gestattet wurde;

* Dies trifft jedoch nicht zu; vielmehr hängt die Vorgehensweise in Fällen, in denen Lenker ohne Führerschein betreten werden und sodann auf Grund einer Lenkeranfrage bei der Behörde hervorkommt, dass diese einen gültigen Führerschein besitzen, generell entscheidend davon ab, ob der Lenker einen sonstigen Lichtbildausweis mitführt: Nur dann, wenn dies zutrifft, darf er die Fahrt eigenständig fortsetzen – ansonsten hingegen nicht. Dies deshalb, weil sich andernfalls nicht wirksam verhindern ließe, dass sich z.B. enge Verwandte oder Bekannte des Führerscheinbesitzers, die selbst über keine gültige Fahrerlaubnis verfügen, jedoch dessen Personaldaten kennen, als die Person des Führerscheinbesitzers ausgeben, in der Folge unberechtigt ein KFZ lenken und dadurch andere Verkehrsteilnehmer erheblich gefährden könnten. Daher muss in jenen Fällen entweder eine Vertrauensperson des Lenkers den Führerschein (oder zumindest einen amtlichen Lichtbildausweis) zum Ort der Kontrolle bringen oder der Lenker wird dann, wenn er seine KFZ-Papiere im Rayon der amtshandelnden Sicherheitsorgane aufbewahrt hat, von diesen zu jenem Ort gebracht.

* Wenn daher die Sicherheitsorgane im vorliegenden Fall dem Beschwerdeführer deshalb, weil er weder den Führerschein noch einen sonstigen Lichtbildausweis mit sich geführt hat, die eigenständige Weiterfahrt untersagt haben, diese jedoch – allseits unbestritten – problemlos deshalb fortgesetzt werden konnte, weil seine Lebensgefährtin ihren eigenen Fahrausweis bei sich hatte, so kann darin mangels entsprechender Selbstbindung weder ein Ermessensmissbrauch noch eine unverhältnismäßige oder gar willkürliche Vorgangsweise der Beamten erblickt werden.

 

 

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