Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-420638/11/Gf/Mu

Linz, 09.07.2010

B E S C H L U S S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof aus Anlass der Beschwerde des X, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangs­gewalt durch Organe des Polizeidirektors von Linz am 28. Mai 2010 beschlossen:

I.    Die Beschwerde wird mangels eines tauglichen Anfechtungsgegenstandes als unzulässig zurückgewiesen.

II.  Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Polizeidirektor von Linz) Kosten in Höhe von 426,20 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlage:

§ 67c Abs. 3 AVG, § 79a AVG; § 1 UVS-AufwandersatzVO.

Begründung:

1. In seiner auf Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG i.V.m. § 67a Z. 2 AVG gestützten
Beschwerde bringt der Rechtsmittelwerber vor, dass er durch die am 28. Mai 2010 im Landesgericht Linz von Sicherheitsorganen gesetzten Eingriffshandlungen in seinen verfassungs- und einfachgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden sei.

Begründend führt er dazu aus, dass er an diesem Tag um 9.00 Uhr als Zuhörer an einer Strafverhandlung im LG Linz teilnehmen wollte. Obwohl er mit dem Angeklagten in keinem wie immer gearteten Zusammenhang gestanden habe bzw. auch selbst keiner strafbaren Handlung verdächtig gewesen sei, sei ihm von Polizeibeamten vorerst das Eintreten in den Verhandlungssaal verwehrt worden; hätte er sich nicht mit seinem mitgeführten Führerschein ausweisen können, wäre ihm der Zutritt für die ganze (bis ca. 12.15 Uhr gedauert habende) Verhandlung untersagt worden. Nach Aushändigung des Ausweises seien seine Daten notiert und gespeichert worden. Ohne einen Grund zu nennen, sei ihm in der Folge auch noch sein Handy abgenommen und erst nach Beendigung der Verhandlung wieder ausgehändigt worden. Zudem sei er im Verhandlungssaal gegen 9.23 Uhr von Polizeibeamten – ohne sein Einverständnis und damit rechtswidrig – offenbar deshalb gefilmt worden, um seine Identität festzuhalten.

Aus diesen Gründen wird die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Maßnahmen beantragt.

1.2. Die Bundespolizeidirektion Linz hat als belangte Behörde eine Gegenschrift erstattet und darauf hingewiesen, dass der Beschwerde eine ausschließlich nach der Strafprozessordnung gesetzte Amtshandlung zu Grunde liege, weshalb die kostenpflichtige Abweisung bzw. Zurückweisung der gegenständlichen Beschwerde beantragt wird.

Im Besonderen wird dazu ausgeführt, dass am 28. Mai 2010 um 9.00 Uhr im LG Linz eine Hauptverhandlung in einer Strafsache stattgefunden habe. Nachdem aber zur selben Zeit außerhalb des Gerichtsgebäudes zwei angemeldete und von der BPD Linz nicht untersagte Versammlungen abgehalten worden seien, habe der zuständige Richter mit Schreiben vom 25. Mai 2010, GZ 24Hv46/10k, – u.a. – auch um polizeilichen Schutz zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung während der Hauptverhandlung sowie aus Sicherheitsgründen auch um Identitätsfeststellung der Zuhörer beim Betreten des Verhandlungssaales ersucht. Gleichzeitig seien die Mitnahme von Handys, Fotoapparaten und Filmkameras sowie Tonaufnahmen im Verhandlungssaal untersagt worden. Die diesbezüglichen Durchsuchungsmaßnahmen bzw. Überprüfungen seien von Mitarbeitern der "X" bzw. von Justizwachebeamten – und somit nicht der BPD Linz zurechenbaren – Organen vorgenommen worden.

Da der Rechtsmittelwerber einen Ausweis vorgelegt und somit ohnehin als Zuhörer an der Verhandlung habe teilnehmen können, entbehre die Beschwerde auch in der Sache jeder Grundlage. Zudem seien alle Maßnahmen, sofern diese überhaupt von Verwaltungsbehörden gesetzt worden seien, auf der Grundlage eines entsprechenden Ersuchens der Justiz vorgenommen worden.

1.3. Hierauf hat der Rechtsmittelwerber repliziert, dass das Ersuchen des zuständigen Richters keinesfalls dahin gegangen sei, dass Zuhörer nicht ohne Lichtbildausweis in den Verhandlungssaal einzulassen bzw. von den zugelassenen Zuhörern Lichtbild- oder Videoaufnahmen anzufertigen sind. Insoweit liege daher eine überschießende, nicht mehr der Gerichtsbarkeit zuzurechnende eigenmächtige Vorgangsweise der Sicherheitsorgane vor.

Im Übrigen wird insbesondere die Bestimmung des § 106 Abs. 1 StPO als faktisch ineffektiv und zugleich als verfassungswidrig angesehen.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der BPD Linz zu GZ E1/13772/2010; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 67d Abs. 2 Z. 3 AVG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

2.2. Nach § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG haben die Unabhängigen Verwaltungssenate über Maßnahmenbeschwerden i.S.d. Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

3. Über die vorliegende Beschwerde hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG i.V.m. § 67a Z. 2 AVG kann derjenige, der durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, eine Beschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat erheben.

Nach der ständigen Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ist das Rechtsschutzinstrumentarium der Maßnahmenbeschwerde jedoch bloß als ein subsidiärer Rechtbehelf anzusehen, der stets erst dann zum Tragen kommt, wenn keine der sonst vorgesehenen ordentlichen Rechtsmittel zur Verfügung stehen (vgl. z.B. statt vieler VwGH vom 25. April 1991, Zl. 91/06/06/0052).

Gemäß § 87 Abs. 1 der Strafprozessordnung, BGBl.Nr. 631/1975, zuletzt geändert durch BGBl.Nr.I 142/2009 (im Folgenden: StPO), steht jeder Person gegen einen gerichtlichen Beschluss, durch den ihr unmittelbar Rechte verweigert werden bzw. Pflichten entstehen oder durch den sie von einem Zwangsmittel betroffen ist, eine Beschwerde an das Rechtsmittelgericht zu.

Nach § 233 Abs. 1 StPO obliegt dem Richter die Aufrechterhaltung der Ruhe, Ordnung und Würde des Gerichts.

Nach ständiger Judikatur sind die von Exekutivorganen in Vollziehung eines Auftrages eines Gerichtes gesetzten Maßnahmen nicht dem Bereich der Hoheitsverwaltung, sondern der Gerichtsbarkeit zuzurechnen (vgl. z.B. VwGH vom 25. Oktober 1982, Zl. 82/10/0117, und vom 24. März 2004, Zl. 98/12/0515).

3.2. Aus dem von der BPD Linz vorgelegten Akt geht hervor, dass der zuständige Richter des LG Linz die belangte Behörde mit Schreiben vom 25. Mai 2010, GZ 24Hv46/10k, gemäß § 233 Abs. 1 StPO aus Gründen der "Aufrechterhaltung der Ordnung im Verhandlungssaal 61" um die Zurverfügungstellung von uniformierten Polizisten und von Kriminalbeamten in Zivil sowie darum ersuchte, aus Sicherheitsgründen die Zuhörer beim Zugang in diesen Verhandlungssaal einer Identitätsfeststellung zu unterziehen; unter einem wurde in diesem Schreiben im Wege einer einzelrichterlichen, ebenfalls explizit auf § 233 Abs. 1 StPO gestützten sitzungspolizeilichen Anordnung "die Mitnahme von Handys, Fotoapparaten, Filmkameras sowie Tonaufnahmegeräten in den Verhandlungssaal ..... untersagt", weil es sich um ein umfangreiches Strafverfahren handle, "wobei bereits zwei Demonstrationen vor dem Landesgericht Linz angemeldet wurden", sodass sogar "mit Störversuchen im Gebäude des Landesgerichtes Linz ..... zu rechnen" sei.

Dieser richterlichen Anordnung haben die Organe der belangten Behörde im Zusammenwirken mit Sicherheitsorganen des LG Linz (Angestellten des Wachdienstes "X" und Justizwachebeamten) insoweit entsprochen, als jene Personen, die an der öffentlichen Verhandlung am 28. Mai 2010 teilnehmen wollten, schon beim Zutritt zum Verhandlungssaal einer Identitätskontrolle unterzogen wurden und diese hierbei gleichzeitig jene Gegenstände, die entsprechend der richterlichen Anordnung nicht mitgeführt werden durften, abzugeben hatten.

Dass dabei der richterliche Auftrag offenkundig überschritten wurde – und somit nicht mehr ein der Gerichtsbarkeit, sondern der Verwaltung zurechenbares Handeln vorgelegen wäre –, lässt sich aber nicht einmal dem Vorbringen des Beschwerdeführers selbst entnehmen.

Und auch insoweit, als er einwendet, dass während der Verhandlung seitens der Sicherheitsorgane unbefugt Videoaufnahmen angefertigt worden seien, weil diese von der Anordnung vom 25. Mai 2010 nicht gedeckt gewesen seien, ist er darauf zu verweisen, dass dieser Vorgang vom dem die Verhandlung leitenden Richter naturgemäß zur Kenntnis genommen und von ihm jedenfalls stillschweigend gebilligt wurde, sodass auch dieser Vorgang als Teil der gerichtlichen Sitzungspolizei i.S.d. § 233 Abs. 1 StPO zu qualifizieren ist.

Im Ergebnis lagen somit ausschließlich der Gerichtsbarkeit, nicht jedoch der Verwaltung zurechenbare Eingriffsakte vor, gegen die im Falle einer behaupteten Rechtswidrigkeit mit einer Beschwerde gemäß § 87 Abs. 1 StPO vorzugehen gewesen wäre.

3.3. Die gegenständliche, auf Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG gestützte Maßnahmenbeschwerde war daher gemäß § 67c Abs. 3 AVG schon mangels eines tauglichen Anfechtungsgegenstandes, aber auch wegen deren Subsidiarität im Hinblick auf § 87 Abs. 1 StPO als unzulässig zurückzuweisen.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis waren dem Bund als Rechtsträger der belangten Behörde (Verfahrenspartei: Polizeidirektor von Linz) und obsiegender Partei nach § 79a Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 AVG i.V.m. § 1 Z. 3 und Z. 4 der UVS-Aufwandersatzverordnung, BGBl.Nr.II 456/2008, Kosten in Höhe von insgesamt  426,20 Euro (Vorlageaufwand: 57,40 Euro; Schriftsatzaufwand: 368,80 Euro) zuzusprechen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

1.   Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

2.   Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von 13,20 Euro entstanden; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

Dr.  G r o f

 


 

Rechtssatz:

 

VwSen-420638/11/Gf/Mu vom 9. Juli 2010

 

Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG; § 67c Abs. 3 AVG; § 87 Abs. 1 StPO; § 233 Abs. 1 StPO

 

Polizeiliches Einschreiten aufgrund richterliche Anordnungen im Zuge der Sitzungspolizei gemäß § 233 Abs. 1 StPO stellt dann, wenn diese Anordnungen nicht offensichtlich überschritten wurden, keine Ausübung von verwaltungspolizeilicher Befehls- und Zwangsgewalt dar;

 

Zurückweisung der Maßnahmenbeschwerde mangels eines tauglichen Anfechtungsgegenstandes und auch im Hinblick auf deren Subsidiarität im Hinblick auf § 87 Abs. 1 StPO

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum