Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-100541/11/Bi/Hm

Linz, 04.06.1992

VwSen - 100541/11/Bi/Hm Linz, am 4. Juni 1992 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung der R F, S , gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 4. Februar 1992, VerkR96/6515/1991-Or/Ga, aufgrund des Ergebnisses der am 4. Juni 1992 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:

I. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als das angefochtene Straferkenntnis hinsichtlich des Schuldspruches bestätigt wird, die verhängte Geldstrafe jedoch auf 700 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 18 Stunden herabgesetzt werden.

II. Der Kostenbeitrag für das Strafverfahren I. Instanz ermäßigt sich auf 70 S. Die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Berufungsverfahren enfällt.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 AVG i.V.m. §§ 24, 51 und 19 VStG, § 4 Abs.5 i.V.m. § 99 Abs.3 lit.b StVO 1960. Zu II.: §§ 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat mit Straferkenntnis vom 4. Februar 1992, VerkR96/6515/1991-Or/Ga, über Frau R F, S, R, wegen der Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs.5 i.V.m. § 99 Abs.3 lit.b StVO 1960 eine Geldstrafe von 1.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden verhängt, weil sie am 6. Oktober 1991 gegen 9.05 Uhr den PKW, Opel Corsa, Kennzeichen , auf der S von E kommend Richtung S gelenkt und es nach einem ca. 80 m vor dem Haus S verursachten Verkehrsunfall, bei welchem es mit dem entgegenkommenden PKW, Opel Ascona, Kennzeichen , zu einer Streifung der Außenspiegel kam, wobei der Spiegel des Asconas brach, unterlassen hat, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, obwohl es auch mit dem Geschädigten zu keiner gegenseitigen Namens- und Anschriftsnachweisung gekommen war. Gleichzeitig wurde sie zur Leistung eines Verfahrenskostenbeitrages von 100 S verpflichtet.

2. Das Straferkenntnis wurde am 6. April 1992 dem rechtsfreundlichen Vertreter der Beschuldigten, D F, zugestellt, und fristgerecht Berufung erhoben, worin ausgeführt wird, beim Verkehrsunfall sei ein geringfügiger Sachschaden am PKW des Unfallgegners entstanden, der der Beschuldigten gegenüber unzweifelhaft im Rahmen der Unfallverhandlungen auf eventuelle Schadenersatzansprüche verzichtet habe. Da der Unfallgegner Automechaniker sei, habe sie auf die Verzichtserklärung vertraut, sodaß sie nicht verpflichtet gewesen sei, auch bei nicht erfolgtem Identitätsnachweis die nächste Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall mit Sachschaden zu verständigen. Die Rechtsmittelwerberin beantragt die Einstellung des Verfahrens, in eventu die Anwendung des § 21 VStG.

3. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht, sodaß die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben ist. Dieser hat, da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden. Am 4. Juni 1992 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Beschuldigtenvertreters sowie des Zeugen F W abgeführt.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat folgendes erwogen:

4.1. Aufgrund des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung, insbesondere der glaubwürdigen Zeugenaussage des Unfallgegners, wird der der Beschuldigten zur Last gelegte Tatbestand als erwiesen angenommen. Unbestritten ist, daß beim Verkehrsunfall der linke Außenspiegel am PKW W beschädigt wurde, und daß die mit dem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang stehenden Personen einander ihren Namen und ihre Anschrift nicht im Sinne des § 4 Abs.5 StVO 1960 nachgewiesen haben. Dies war für den Unfallgegner letzlich der Grund, am 6. Oktober 1991 gegen 9.15 Uhr beim Gendarmerieposten O Anzeige zu erstatten. Der Zeuge W hat vor dem unabhängigen Verwaltungssenat im Einklang mit den Angaben in der Anzeige glaubwürdig geschildert, die Rechtsmittelwerberin habe ein Stück nach der Unfallstelle angehalten und ihm sofort erklärt, bei ihrem PKW sei die Stoßstange heruntergerissen worden. Nach der Besichtigung hätten sie festgestellt, daß am PKW F keinerlei Sachschaden entstanden, jedoch der Außenspiegel des PKW W zerbrochen war. Die Unfallgegnerin habe, obwohl er sie nach ihrem Namen gefragt habe, diesen nicht genannt, sondern nur gesagt, er hätte sie von der Straße abgedrängt. Während des Gespräches sei auch sein Vater anwesend gewesen, jedoch habe das Gespräch nur kurz gedauert und sei im wesentlichen dadurch beendet worden, daß die Unfallgegnerin erklärte, sie haben keinen Schaden, zum Auto zurückging und wegfuhr. Er habe sich das Kennzeichen des PKW notiert und sei zum Gendarmerieposten O gefahren.

Der Beschuldigtenvertreter bestätigt im wesentlichen die Schilderung des Zeugen von den Geschehnissen am Unfallort, jedoch habe nach Schilderung der Beschuldigten ihm gegenüber der Vater des Lenkers zu ihr gesagt, sie solle sich nicht aufregen, auf den Schaden komme es ihm nicht an. Er habe dann auch gefragt, wer sie eigentlich sei, aber sie habe das eher als Bemerkung über ihre Fahrweise verstanden. Der Beschuldigtenvertreter gab an, seine Mutter habe ihm gegenüber geäußert, sie habe den Eindruck gehabt, der Unfallgegner lege keinen Wert auf einen Schadenersatz und habe auch von ihr nichts gewollt, sodaß sie keinen Grund gesehen habe, ihm ihre Identität mitzuteilen oder zur Gendarmerie zu gehen.

4.2. In rechtlicher Hinsicht ist dazu auszuführen, daß gemäß § 4 Abs.5 StVO 1960, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen haben. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn diese Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

Da im gegenständlichen Fall zweifelsfrei kein Identitätsnachweis erfolgt ist, wäre die Rechtsmittelwerberin zur Unfallmeldung ohne unnötigen Aufschub bei der nächsten Gendarmeriedienststelle verpflichtet gewesen. Diese Bestimmung wird auch vom Verwaltungsgerichtshof sehr streng ausgelegt, zumal der Zweck des § 4 nicht darin besteht, das Verschulden an einem Verkehrsunfall zu klären, sondern um einem geschädigten Fahrzeuglenker die Möglichkeit zu geben, ohne unnötigen Aufwand und Schwierigkeiten klarstellen zu können, mit wem er sich hinsichtlich der Schadensregelung in der Folge auseinanderzusetzen haben wird. Ob der geschädigte Unfallgegner letztendlich tatsächlich Schadenersatzansprüche geltend macht oder den ihm entstandenen Schaden aus eigener Tasche bezahlt, muß ihm überlassen bleiben und kann den Unfallgegner nicht von der Meldepflicht befreien.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 7. Juli 1989, 89/02/0062, ausgesprochen, daß die Meldung an die nächste Polizeidienststelle (bei fehlendem Identitätsnachweis), nur dann unterbleiben darf, wenn der (wirksame) Verzicht auf weitere zivilrechtliche Ansprüche aus dem Verkehrsunfall so eindeutig ist, daß insoweit keine Zweifel bestehen können.

Im gegenständlichen Fall konnte die Rechtsmittelwerberin deshalb nicht von dem von ihr behaupteten Verzicht des Unfallgegners auf sämtliche Schadenersatzansprüche ausgehen, weil der ursächlich am Verkehrsunfall beteiligte Lenker und Zulassungsbesitzer ihr gegenüber keinen solchen abgegeben hat. Selbst wenn der beim anschließenden Gespräch anwesende Vater des Zeugen ihr gegenüber etwaige Äußerungen gemacht hat, ist dieser nicht als Vertreter seines volljährigen Sohnes anzusehen, wobei nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates von einem Verzicht nur dann gesprochen werden kann, wenn beide Unfallgegner sich über das Ausmaß des Schadens völlig im klaren sind.

Von einem an der Unfallstelle durch den Unfallgegner abgegebenen eindeutigen Verzicht im Sinne des Vorbringens der Rechtsmittelwerberin kann nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates nicht ausgegangen werden, da ein solcher vom Zeugen W weder beabsichtigt noch abgegeben wurde, was sich auch darin zeigt, daß dieser bei einem tatsächlichen Verzicht keinen Grund gehabt hätte, im Anschluß daran die Identität der Unfallgegnerin beim Gendarmerieposten O zu eruieren.

Die Rechtsmittelwerberin hat aus den oben angeführten Überlegungen den ihr zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und ihr Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten.

4.3. Zur Strafbemessung ist auszuführen, daß die verhängte Geldstrafe insofern als überhöht anzusehen ist, als sich aus der Begründung des Straferkenntnisses ergibt, daß zwar die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit der Rechtsmittelwerberin zutreffend berücksichtigt, erschwerend aber die Tatsache gewertet wurde, daß sie den Unfall nicht nur nicht ohne unnötigen Aufschub gemeldet habe, sondern ausgeforscht werden mußte. Darin vermag der unabhängige Verwaltungssenat keinen Erschwerungsgrund zu erblicken, zumal dieser Umstand schon im Tatbestand der Bestimmung des § 4 Abs.5 StVO 1960 enthalten ist.

Die nunmehr verhängte Strafe entspricht unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des § 19 VStG vor allem dem Unrechtsund Schuldgehalt der Übertretung als auch den Einkommens-, Vermögen- und Familienverhältnissen der Rechtsmittelwerberin (ca. 5.000 S monatlich Arbeitslosengeld, kein Vermögen, keine Sorgepflicht). Beim vorgegebenen Strafrahmen (§ 99 Abs.3 StVO 1960 sieht Geldstrafen bis 10.000 S vor) hält die verhängte Strafe auch general- sowie vor allem spezialpräventiven Überlegungen stand.

Die Voraussetzungen des § 21 VStG waren deshalb nicht gegeben, weil selbst wenn die Rechtsmittelwerberin irrtümlich von einem Verzicht des Unfallgegners ausgegangen wäre, die Folgen dieses Verhaltens nicht als unbedeutend anzusehen sind, zumal ihre Identität laut Schilderungen des Zeugen W auch nicht über das notierte PKW-Kennzeichen eruiert werden konnte, sondern ihr PKW zufällig zu einem späteren Zeitpunkt von einem Gendarmeriebeamten gesehen wurde, der daraufhin die Rechtsmittelwerberin als Lenker vom 6. Oktober 1991 ermittelte.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Bissenberger

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum