Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401075/5/Gf/Mu

Linz, 20.07.2010

 

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof über die Beschwerde des x, vertreten durch die RAe x, wegen Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Schärding vom 2. Juli 2010, 14.30 Uhr, bis zum 5. Juli 2010, 6.45 Uhr, zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

 

II. Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Schärding) Kosten in einer Höhe von insgesamt 426,20 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsgrundlage:

 

§ 67c Abs. 3 AVG; § 79a AVG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 25. Juni 2010, GZ Sich41-125-2010, wurde über den Rechtsmittelwerber, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 und 3 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 135/2009 (im Folgenden: FPG), zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängt und durch Überstellung in das Polizeianhaltezentrum (PAZ) Steyr bis zum 5. Juli 2010, 6.45 Uhr, vollzogen.

1.2. Der dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit h. Erkenntnis vom 2. Juli 2010, GZ VwSen-401074, stattgegeben und die Rechtswidrigkeit der Anhaltung des Beschwerdeführers bis zu diesem Zeitpunkt festgestellt.

1.3. Dieses Erkenntnis wurde den Verfahrensparteien am 2. Juli 2010 um 13.24 Uhr per e-mail zugestellt.

2.1. Mit der nunmehr vorliegenden Beschwerde wendet sich der Rechtsmittelwerber dagegen, dass seine tatsächliche Enthaftung erst am 5. Juli 2010 erfolgt sei, obwohl seine Rechtsvertreter am 2. Juli 2010 nochmals explizit – und zwar sowohl per e-mail (um 16.13 Uhr) als auch per Telefax (um 16.17 Uhr) – dessen umgehende Freilassung begehrt hätten. 

Da der belangten Behörde ohne weiteres zuzumuten gewesen wäre, die Haftentlassung noch am 2. Juli 2010 zumindest bis 14.30 Uhr durchzuführen, sei er dadurch in seinem Recht auf persönliche Freiheit verletzt worden.

Daher wird die kostenpflichtige Feststellung seiner fortgesetzten Anhaltung vom 2. Juli 2010, 14.30 Uhr, bis zum 5. Juli 2010, 6.45 Uhr, begehrt.

2.2. Der Bezirkshauptmann von Schärding hat die Bezug habenden Akten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, mit der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Begründend wird dazu ausgeführt, dass die Amtsstunden der belangten Behörde am 2. Juli 2010, einem Freitag, bereits um 13.00 Uhr endeten. Außerdem sei bei der BH Schärding kein Journaldienst, sondern lediglich ein Rufbereitschaftstelefon eingerichtet, sohin außerhalb der Amtsstunden bloß eine mündliche Erreichbarkeit gegeben. Am 5. Juli 2010 sei sodann ohnehin noch vor dem Beginn der Amtsstunden dieses Tages (um 7.00 Uhr) und vor der behördeninternen Übermittlung des per e‑mail zugestellten Erkenntnisses des Oö. Verwaltungssenates von der Poststelle an die Aufgabengruppe "Sicherheitspolizei" (um 7.12 Uhr) die Enthaftung des Beschwerdeführers – nämlich um 6.45 Uhr – verfügt worden.

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der BH Schärding zu GZ Sich41-125-2010; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 83 Abs. 2 Z. 1 FPG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 82 Abs. 1 FPG hat ein Fremder, gegen den die Schubhaft ange­ordnet wurde, das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat u.a. mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit seiner Anhaltung in Schubhaft anzurufen.

Nach § 81 Abs. 1 Z. 2 FPG ist die Schubhaft durch Freilassung des Fremden formlos aufzuheben, wenn der Unabhängige Verwaltungssenat festgestellt hat, dass die Voraussetzungen für ihre Fortsetzung nicht vorliegen.

Gemäß § 83 Abs. 2 FPG hat u.a. die Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates über die Fortsetzung der Schubhaft binnen einer Woche zu ergehen; i.V.m. § 67c Abs. 3 letzter Satz AVG muss die belangte Behörde unverzüglich den der Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates entsprechenden Rechtszustand herstellen, wenn der für rechtswidrig erklärte Verwaltungsakt noch andauert.

3.2. Im gegenständlichen Fall steht allseits unbestritten fest, dass der Oö. Verwaltungssenat mit seinem h. Erkenntnis vom 2. Juli 2010, GZ VwSen-401074, i.S.d. § 81 Abs. 1 Z. 2 FPG festgestellt hat, dass die Voraussetzungen für eine weitere Anhaltung des Rechtsmittelwerbers nicht vorliegen.

Diese Entscheidung wurde – ebenfalls unstrittig – beiden Verfahrensparteien, nämlich den Rechtsvertretern des Beschwerdeführers und der belangten Behörde, noch am selben Tag und zudem zeitgleich, nämlich um 13.24 Uhr, per e-mail übermittelt.

Nach der Fiktion des § 37 Abs. 1 zweiter Satz ZustG – die nach h. Auffassung mangels eines gegenteiligen Hinweises im Gesetzestext analog auch für jene Fälle heranzuziehen ist, in denen einer Behörde die Funktion einer Verfahrenspartei zukommt und somit ihr selbst Schriftstücke zuzustellen sind – gilt diese Entscheidung somit zwar als mit diesem Zeitpunkt beiden Parteien zugestellt. Allerdings ist in diesem Zusammenhang zusätzlich auch die Bestimmung des § 13 AVG zu beachten. Danach können einer Behörde schriftliche ("Anbringen", also auch) Erledigungen grundsätzlich in jeder technisch möglichen Form – und damit prinzipiell auch per e-mail – übermittelt werden (§ 13 Abs. 2 AVG); die Behörde ist jedoch nur während der Amtsstunden verpflichtet, schriftliche Anbringen entgegen zu nehmen und ihre Empfangsgeräte empfangsbereit zu halten, wobei die Amtsstunden im Internet und durch Anschlag an der Amtstafel bekannt zu machen sind (§ 13 Abs. 5 AVG). Bei Anbringen, die außerhalb dieser Amtsstunden eingebracht werden, beginnen behördliche Entscheidungsfristen gemäß § 13 Abs. 5 letzter Satz AVG erst mit dem Wiederbeginn der Amtsstunden zu laufen.

Diese Bestimmungen – wie bereits ausgeführt: mangels eines gegenteiligen gesetzlichen Hinweises – auf die Konstellation einer Behörde als Verfahrenspartei analog angewendet führen im gegenständlichen Fall nun dazu, dass die Amtsstunden der belangten Behörde im Internet wie folgt kundgemacht waren (und sind):

 

 

            Montags und Donnerstags von 7.00 Uhr bis 12.00 Uhr sowie von 12.30 Uhr bis 17.00 Uhr;

            Dienstags von 7.00 Uhr bis 17.00 Uhr;

            Mittwochs von 7.00 Uhr bis 12.30 Uhr; und

            Freitags von 7.00 Uhr bis 13.00 Uhr

            (vgl. http://www.bh-schaerding.gv.at/ [Homepage > Verwaltung > Bezirkshauptmannschaft > BH           Schärding > Kommunikation mit der Bezirkshauptmannschaft Schärding]).

Das am Freitag den 2. Juli 2010 der belangten Behörde per e-mail zugestellte h. Erkenntnis zu GZ VwSen-401074 ist bei dieser um 13.24 Uhr und damit erst nach dem Ende der do. Amtsstunden (um 13.00 Uhr) eingelangt. Dies hatte nach § 13 Abs. 5 letzter Satz AVG die Konsequenz, dass die in § 67c Abs. 3 letzter Satz positivierte Frist, den dem vorzitierten Erkenntnis des UVS entsprechenden Rechtszustand "unverzüglich" herzustellen, erst mit dem Wiederbeginn der Amtsstunden und sohin am Montag, den 5. Juli 2010 um 7.00 Uhr zu laufen begonnen hat.

Dem entsprechend erweist sich daher die ohnehin bereits zuvor, nämlich um 6.45 Uhr des letztgenannten Tages verfügte formlose Freilassung des Beschwerdeführers auch nicht als rechtswidrig.

3.3. Entgegen der Auffassung des Rechtsmittelwerbers enthalten weder das AVG noch auch (im Wege einer allfälligen, auf Art. 11 Abs. 2 B-VG gegründeten Sonderbestimmung) das FPG eine generelle oder zumindest eine spezifische Verpflichtung für die Fremdenpolizeibehörden, einen Journaldienst zu dem Zweck einzurichten, dass in dem Fall, dass vom Unabhängigen Verwaltungssenat die Anhaltung eines Fremden festgestellt wurde, dieser umgehend freigelassen werden kann; auch aus Art. 5 Abs. 4 EMRK (Anspruch auf Beantragung eines Verfahrens, "in dem ehetunlich über die Rechtmäßigkeit der Haft entschieden und im Falle der Widerrechtlichkeit seine Entlassung angeordnet wird") und aus Art. 6 Abs. 1 PersFrSchG (Recht auf ein Verfahren, in dem über die Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges entschieden und im Falle der Rechtswidrigkeit die Freilassung angeordnet wird, wobei die Entscheidung binnen einer Woche zu ergehen hat) lässt sich Derartiges nicht ableiten.

Dass Art. 6 Abs. 1 letzter Satz PersFrSchG insofern lediglich eine Maximalfrist festlegt, und zwar dergestalt, dass dem Fremden die Entscheidung darüber, ob seine Anhaltung rechtmäßig ist oder nicht, jedenfalls innerhalb dieser einen Woche zugestellt sein muss (vgl. z.B. VfGH vom 4. Oktober 1994, B 1847/93 = VfSlg 13893/1994 und vom 29. Juni 1995, B 83/95 = VfSlg 14193/1995), woraus umgekehrt folgt, dass dies i.d.R. tunlichst schon früher, d.h. grundsätzlich raschestmöglich zu erfolgen hat, bedeutet dem gegenüber aber keinen verfassungsrechtlichen Auftrag, der so weit geht, dass auch die Enthaftung selbst noch innerhalb dieser Woche vorzunehmen ist und davon ausgehend die Behörde auch außerhalb der von ihr festgelegten Amtsstunden eine dementsprechende Handlungspflicht trifft.

Auch § 80 Abs. 1 FPG, wonach die Behörde dazu angehalten ist, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wir möglich dauert, steht einer derartigen Sichtweise nicht entgegen. Zudem wird in der Praxis die Maximalfrist des Art. 6 Abs. 1 letzter Satz PersFrSchG i.V.m. § 83 Abs. 2 Z. 2 FPG regelmäßig (wie auch hier) ohnehin gerade dadurch unterschritten, dass für den Fall, dass sich eine Anhaltung in Schubhaft als offenkundig rechtswidrig erweist, eine der postalischen vorangehende (Vorab‑)Zustellung per e-mail erfolgt, um auch die faktische Freilassung des Fremden tatsächlich zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu gewährleisten. (So wurde hier die Schubhaft seitens der Behörde am 25. Juni 2010 angeordnet, die Beschwerde am 1. Juli 2010 eingebracht, die Entscheidung über die Rechtswidrigkeit der Anhaltung am 2. Juli 2010 zugestellt und der Rechtsmittelwerber – nur wegen des dazwischen liegenden Wochenendes – am 5. Juli enthaftet, wobei offensichtlich ist, dass dessen tatsächliche Freilassung naturgemäß bereits früher erfolgt wäre, wenn er seine Schubhaftbeschwerde nicht erst an einem Donnerstag, also kurz vor Beginn des Wochenendes, sondern [zumindest einen Tag] früher eingebracht hätte.)

3.4. Aus den zuvor genannten Gründen liegt daher die vom Rechtsmittelwerber monierte Rechtswidrigkeit nicht vor; die gegenständliche Beschwerde war daher gemäß § 67c Abs. 3 AVG abzuweisen.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Beschwerdeführer dazu zu verpflichten, dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Schärding) nach § 79a Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 Z. 3 AVG i.V.m. § 1 Z. 3 und 4 der UVS-Aufwandersatzverordnung, BGBl.Nr. II 456/2008, Kosten in Höhe von insgesamt 426,20 Euro (Vorlageaufwand: 57,40 Euro; Schriftsatzaufwand: 368,80 Euro) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in einer Höhe von 24 Euro entstanden; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

Dr.  G r o f

 

 

Rechtssatz:

 

VwSen-401075/5/Gf/Mu vom 20. Juli 2010

 

Art. 5 Abs. 4 EMRK; Art. 6 Abs. 1 PersFrSchG; § 81 FPG; § 82 FPG, § 83 FPG; § 13 AVG; § 67c AVG

* Im Falle der Zustellung eines UVS-Erkenntnisses, mit dem die Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft festgestellt wird, nach dem Ende der Amtsstunden beginnt die Verpflichtung der Behörde, den Fremden unverzüglich freizulassen, erst nach dem Wiederbeginn der Amtsstunden;

* Wenn der Behörde die Funktion einer Verfahrenspartei zukommt, dann gelten die Vorschriften des AVG über Anbringen (§ 13 AVG) und des ZustG über die elektronische Zustellung (§ 37 Abs. 1 ZustG) mangels eines gegenteiligen Hinweises im Gesetzestext analog;

* Keine verfassungsmäßige oder einfachgesetzliche Verpflichtung für die Behörde, einen Journaldienst einzurichten.

Beachte:

vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben;

VfGH vom 02.05.2011, Zl.: B 1220/10-9

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