Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-590250/2/Sr/Sta

Linz, 13.07.2010

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des x, vertreten durch die Rechtsanwälte x und x, x, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 31. Mai 2010, GZ SanRB01-35-2009, betreffend die Zurückweisung des Einspruches vom 30. April 2009 gegen die Pflege-(Sonder-)Gebührenrechnung vom 20. Jänner 2009, Nr. 9000665861, zu Recht erkannt:

Aus Anlass der Berufung wird der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Rechtsgrundlage:

 

§ 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 31. Mai 2010, GZ SanRB01-35-2009, wurde der Einspruch des Berufungswerbers (im Folgenden: Bw) vom 30. April 2009 gegen die Pflege-(Sonder-)Gebührenrechnung des Landeskrankenhauses Bad Ischl (im Folgenden LKH) vom 20. Jänner 2009, Nr. 9000665861, als verspätet zurückgewiesen.

Begründend wird im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Bw mit Pflegegebührenrechnung des LKH vom 20. Jänner 2009, abgesandt am
30. Jänner 2009, spätestens zugestellt am 4. Februar 2009, die Kosten für den Krankenhausaufenthalt seines Sohnes x vorgeschrieben worden seien. Dagegen habe der Bw mit Schreiben vom 30. April 2009 Einspruch erhoben.

Nach Wiedergabe der einschlägigen gesetzlichen Bestimmung kam die belangte Behörde zum Ergebnis, dass der Bw keinen fristgerechten Einspruch erhoben habe. Im internen Protokoll des LKH sei vermerkt, dass die Rechnung am
30. Jänner 2009 abgesandt worden sei und Frau x (im Folgenden: Ehegattin) am 4. Februar 2009 telefonisch mitgeteilt habe, dass "die Rechnung von ihr leider nicht bezahlt werden könne". Im Schreiben vom 30. April 2009 habe der Bw mitgeteilt, dass er nicht bereit sei, den offenen Rechnungsbetrag zu bezahlen.

Der genaue Zeitpunkt der Zustellung der Gebührenrechnung vom 20. Jänner 2009 und der ersten Mahnung lasse sich anhand der Akten nicht nachvollziehen, zumal sich nur ein Zustellnachweis (Übernahmebestätigung vom 30. April 2009 – Angebot einer Ratenzahlung nach der 2. Mahnung) im Akt befinde. Aus dem Anruf, dem Einspruch und dem Aktenvermerk lasse sich schließen, dass der Bw die Gebührenrechnung bereits im Februar 2009 erhalten und keinen fristgerechten Einspruch erhoben habe.

1.2. Gegen den gegenständlichen Bescheid vom 31. Mai 2010 (Zustellnachweis befindet sich nicht im Vorlageakt) richtet sich die vorliegende, am 10. Juni 2010 – und damit rechtzeitig – bei der belangten Behörde eingelangte Berufung.

Darin bringt der Bw zusammengefasst vor, dass er bereits in der Stellungnahme vom 29. März 2010 darauf hingewiesen habe, dass er die Rechnung vom
20. Jänner 2009 nie erhalten habe. Am 24. März 2010 sei dem Rechtsvertreter der Verwaltungsakt in Kopie übermittelt worden. Darin habe sich weder ein internes Protokoll befunden, in dem vermerkt sei, dass die Rechnung am
30. Jänner 2009 abgesandt worden sei noch ein Aktenvermerk über ein Telefonat mit seiner Ehegattin vom 4. Februar 2009.

Abgesehen von der Verletzung des Parteiengehörs sei Tatsache, dass er die Rechnung vom 20. Jänner 2009 nie erhalten habe. Im Verwaltungsakt befinde sich auch kein Rückschein. Ein internes Protokoll bedeute aber nicht, dass die gegenständliche Rechnung auch tatsächlich abgesandt und zur Post gegeben worden ist. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens wäre die Einvernahme der zuständigen Sachbearbeiterin des LKH erforderlich gewesen. Die Ehegattin bestreite das Telefonat und hätte wie die angebliche Gesprächspartnerin als Zeugin befragt werden müssen. Auf die eingeschriebene Briefsendung des LKH vom 30. April 2009 habe er mit Schreiben vom 30. April 2009 reagiert.

Inhaltlich sei anzuführen, dass er nicht für die Krankenhauskosten seines großjährigen Sohnes hafte. Dafür gebe es keine Rechtsgrundlage. Er sei nicht Erbe nach seinem Sohn, da kein Aktivnachlass vorhanden gewesen sei.

Abschließend wird u.a. die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt. 

2.1. Die belangte Behörde hat mit Schreiben vom 15. Juni 2010, beim Unabhängigen Verwaltungssenat eingelangt am 22. Juni 2010, den von ihr geführten Verfahrensakt zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist, da im Oberösterreichischen Krankenanstaltengesetz keine anderweitige Regelung getroffen wurde, gemäß § 67a AVG zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder zuständig.

2.3. Das Rechtsmittel ist – wie bereits im Punkt 1.2. dargestellt – rechtzeitig.

2.4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verfahrensakt. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 67d Abs 2 Z 1 AVG abgesehen werden.

2.5. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem entscheidungswesentlichem Sachverhalt aus:

2.5.1. Mit Schreiben vom 30. April 2009, adressiert an den Bw, nachweislich zugestellt an die Ehegattin des Bw am 30. April 2009, wurde unter dem Titel "Ratenzahlung" mitgeteilt, dass ihm bereits am "20. Jänner 2009" die "Rechnung von Herrn x" in der Höhe von 5.975,32 Euro und zweimal eine Mahnung vorgeschrieben worden sei. Mit dem Schreiben wollte das LKH dem Bw eine Ratenzahlung anbieten. Der Bw wurde gebeten, sich mit dem LKH in Verbindung zu setzen um eine Höhe der monatlichen Ratenzahlung zu vereinbaren. Sollte sich der Bw nicht bis 15. Mai 2009 melden, werde der Fall an das Inkassoinstitut weitergeleitet. Dem Schreiben wurde eine Zahlungserinnerung vom 21. April 2009 über 6.083,30 Euro angeschlossen.

2.5.2. Aufgrund der angebotenen Ratenzahlung teilte der Bw mit Schreiben vom 30. April 2009 dem LKH mit, dass er laut Auskunft der Oö. GKK nicht verpflichtet sei, den offenen Rechnungsbetrag (6.083,30 Euro) seines verstorbenen Sohnes x zu bezahlen. Für solche Fälle gebe es einen Sozialfond. Der vom Bw eigenhändig unterschriebene Schriftsatz langte am 5. Mai 2009 beim LKH ein.

Ein inhaltsgleiches Schreiben, ebenfalls datiert mit 30. April 2009, gerichtet an das LKH, z. Hd. Herrn x, eingelangt am 29. Mai 2009 im LKH, wurde jeweils vom Bw und seiner Ehegattin x unterfertigt. Auf dem Schreiben befindet sich nach den Unterschriften folgender Aktenvermerk: "AV: Telefonat mit AK GM, Rückruf Di, 2.6.09 Eltern sind"

2.5.3. Im Schreiben vom 13. Mai 2009 wurde dem Bw vom LKH mitgeteilt, dass er "lt Oö. KAG 1997 und ABGB" verpflichtet sei, für die Kosten des Krankenhausaufenthaltes seines Sohnes aufzukommen. Die Auskunft der Oö. GKK Gmunden sei nicht korrekt gewesen. Der Antrag der x, LKH, vom 5. Dezember 2008 auf Ersatz der aus Anlass der stationären Behandlung von Herrn x angefallenen Kosten in der Höhe von 6.111,30 Euro sei abgewiesen worden. Ein Ansuchen an den Unterstützungsfond der x stehe dem Bw zu. Falls der Bw bis zum 29. Mai 2009 keinen Zahlungsvorschlag unterbreite, sei das LKH gezwungen, die Forderung an das Inkassobüro weiterzuleiten. Dem Schreiben wurde eine Rechtsauskunft der "x" vom 22. Februar 2005 und der angesprochene Bescheid in Kopie beigelegt.

2.5.4. In der Verlassenschaftssache x hat das BG Bad Ischl im Schriftsatz vom 26. Jänner 2009, AZ 8 A 387/08d-6 , dem LKH mitgeteilt, dass die Abhandlung (§ 153 Abs. 1 AußStrG) unterbleibe, da kein Aktivnachlass vorhanden sei.

2.5.5. Protokoll des LKH:

"[oberes Ende]

Heute die Meldung von der x erhalten, dass der Pat. zum Zeitpunkt des Aufenthaltes nicht versichert ist, Pat. ist verstorben, Mutter ist darüber informiert. Es besteht ev. die Möglichkeit die Rechnung über 6111,30 Euro beim Unterstützungsfond der x einzureichen, die Mutter muss sich darum kümmern. 28.11.08, lai

SZ-Re. wurde dzt. noch nicht ausgestellt, da lt. x ev. die Möglichkeit einer Nachversicherung besteht, 2.12.08, lai

Lt. Telefonat mit der Mutter (welche sich mit der x in Verbindung gesetzt hat) ist eine Nachversicherung möglich, die Mutter muss nur nachträgl. die notwendigen Unterlagen beim AMS Gmunden abgeben, dann wird der Pat. versichert über x, 5.12.08, lai

Lt Telefonat mit der x (Hr. x – x) werden die Kosten nicht übernommen, auch nicht vom Unterstützungsfond, 20.1.09, lai

SZ-Re. wird an den Vater geschickt, da Pat. verstorben ist, 20.1.09, lai

Anfrage wegen Verlassenschaftsabhandlung am 21.1.09 beim Bezirksgericht Bad Ischl, erst dann wird die Rechnung an den Vater geschickt, lai

Kein Aktivnachlass vorhanden lt. Bezirksgericht Bad Ischl, Re. an Vater geschickt am 30.1.09, lai

4.2.09, Anruf von Fr. x (Mutter) erhalten, die Rechnung kann von ihr leider nicht bezahlt werden. lai

[unteres Ende]"

 

Die Protokollierung wurde von Frau x vorgenommen.

 

2.5.6. Mit Schreiben des LKH vom 3. August 2009 wurde dem Bw zur Kenntnis gebracht, dass er laut Ansicht der Rechtsabteilung verpflichtet sei, die angefallenen Kosten zu begleichen. Daher werde ihm eine Frist bis zum
14. August 2009 eingeräumt.

 

2.5.7. Aufgrund dieser Mitteilung führte der nunmehrige Rechtsvertreter des Bw mit Schreiben vom 12. August 2009 aus, dass der Bw für die Krankenhauskosten seines Sohnes nicht hafte und es für die behauptete Haftung keine Rechtsgrundlage gebe. Der Bw werde daher keine Zahlung leisten.

 

2.5.8. Über Ersuchen der belangten Behörde übermittelte das LKH am
30. September 2009 ein Duplikat der Pflege-(Sonder-)Gebührenrechnung vom 20. Jänner 2009.

 

2.5.9. Im Schriftsatz vom 18. März 2010 teilte die belangte Behörde dem Rechtsvertreter des Bw mit, dass dem Bw mit Rechnung vom 20. Jänner 2009 die Kosten für den Krankenhausaufenthalt von x vorgeschrieben worden seien. Mit Schreiben vom 30. April 2009 habe der Bw Einspruch gegen die Kostenvorschreibung erhoben. Die Einspruchsfrist von zwei Wochen sei daher nicht eingehalten worden und es sei beabsichtigt, den Einspruch als verspätet zurückzuweisen. Sollten Umstände vorliegen, die die Zustellung mangelhaft machen würden bzw. sich auf den Zeitpunkt der bewirkten Zustellung auswirken, werde der Bw ersucht, entsprechende Nachweise beizubringen.

 

2.5.10. Innerhalb offener Frist brachte der Bw eine Stellungnahme ein. Darin bestritt er den Erhalt der Rechnung vom 20. Jänner 2009 und führte aus, dass sich im Verwaltungsakt kein Rückschein befinden würde. Unabhängig davon hafte er nicht für die Krankenhauskosten seines Sohnes, da es für die behauptete Haftung keine Rechtsgrundlage gebe. 

3. In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Oö. Krankenanstaltengesetzes 1997 - Oö. KAG 1997, LGBl 132 (WV) idF LGBl 2009/85, lauten wie folgt:

§ 55 (1) Zur Bezahlung der in einer Krankenanstalt aufgelaufenen Pflege-(Sonder-)gebühren ist in erster Linie der Patient selbst verpflichtet, sofern nicht eine andere physische oder juristische Person auf Grund sozialversicherungsrechtlicher Bestimmungen, sonstiger gesetzlicher Vorschriften oder vertraglich ganz oder teilweise dazu verpflichtet ist oder dafür Ersatz zu leisten hat.

§ 56 (1) Die Pflege-(Sonder-)gebühren sind mit dem Entlassungstag oder nach Bedarf mit dem letzten Tag des Monats abzurechnen und, soweit sie nicht im vorhinein entrichtet worden sind, ohne Verzug mittels Pflege-(Sonder-)
Gebührenrechnung zur Zahlung vorzuschreiben. Die Pflege-(Sonder-)gebühren sind mit dem Tag der Vorschreibung fällig. Nach Ablauf von sechs Wochen ab dem Fälligkeitstag sind Verzugszinsen in der Höhe von 8,5% zu berechnen. In der Pflege-(Sonder-)Gebührenrechnung ist der Verpflichtete aufzufordern, den ausgewiesenen Betrag binnen zwei Wochen zu bezahlen. Ferner ist ein Hinweis auf die Verzugszinsenregelung und auf die Regelung der Abs. 4 und 7 aufzunehmen.

(2) […]

(3) In berücksichtigungswürdigen Fällen kann über Ersuchen des zur Bezahlung der Pflege-(Sonder-)gebühren Verpflichteten ein Zahlungsaufschub eingeräumt oder gestattet werden, dass der ausgewiesene Betrag in Teilbeträgen bezahlt wird. Wurde die Zahlungsfrist erstreckt oder Teilzahlung gewährt, sind die gesetzlichen Verzugszinsen für die Dauer des Aufschubes nicht zu berechnen.

(4) Die in der Pflege-(Sonder-)Gebührenrechnung ausgewiesene Forderung ist vollstreckbar

1. entweder nach Ablauf der zweiwöchigen Zahlungsfrist (Abs. 1)

2. oder nach Ablauf von zwei Wochen, gerechnet vom Tag des Ablaufes der erstreckten Zahlungsfrist (Abs. 3)

3. oder bei Nichtbezahlung von Teilbeträgen (Abs. 3) bezüglich des gesamten aushaftenden Betrages nach Ablauf von zwei Wochen nach Fälligkeit eines Teilbetrages.

(5) Auf Grund von Rückstandsausweisen der Rechtsträger öffentlicher Krankenanstalten für Pflege-(Sonder-)gebühren ist die Vollstreckung im Verwaltungsweg zulässig, wenn die Vollstreckbarkeit von der Bezirksverwaltungsbehörde bestätigt wurde. Die Pflege-(Sonder-)
Gebührenrechnung, auf der im Fall des Abs. 4 Z. 3 vom Rechtsträger der Krankenanstalt der aushaftende Betrag zu verzeichnen ist, gilt als Rückstandsausweis.

(6) […]

(7) Gegen die Vorschreibung (Abs. 1) steht demjenigen, gegen den sie sich richtet, der Einspruch zu, der binnen zwei Wochen nach Zustellung schriftlich bei der Stelle einzubringen ist, die die Pflege-(Sonder-)Gebührenrechnung ausgestellt hat. Wird innerhalb dieser Frist nicht Einspruch erhoben, so gilt die in der Pflege-(Sonder-)Gebührenrechnung festgehaltene Zahlungsverpflichtung als endgültig festgelegt. Ansuchen um Gewährung eines Zahlungsaufschubes oder von Teilzahlung (Abs. 3) gelten nicht als Einspruch. Falls dem Einspruch vom Rechtsträger der Krankenanstalt nicht voll Rechnung getragen wird, ist er vom Rechtsträger der Bezirksverwaltungsbehörde vorzulegen, die die Pflege-(Sonder)gebühren dem Verpflichteten mit Bescheid vorzuschreiben hat. Dem Rechtsträger der Krankenanstalt kommt im Verfahren Parteistellung zu. Ergibt sich bei der behördlichen Vorschreibung eine Differenz gegenüber dem mit der Pflege-(Sonder-)Gebührenrechnung vom Rechtsträger der Krankenanstalt vorgeschriebenen Betrag und wurde ein Betrag bereits erlegt oder die Forderung gemäß Abs. 3 und 4 vollstreckt, so ist im Bescheid zwar die Höhe der Pflege-(Sonder-)gebühren zu bestimmen, jedoch lediglich die Differenz zur Zahlung vorzuschreiben.

3.3.1. Im gegenständlichen Fall hat das LKH dem Bw mit Rechnung vom
20. Jänner 2009 Behandlungskosten in Höhe von 5.975,32 Euro vorgeschrieben.

Dem unter Punkt 2.5.5. wiedergegebenen Protokoll ist zu entnehmen, dass die Rechnung am 30. Jänner 2009 abgeschickt worden ist. Die Zusendung der Rechung an den Bw erfolgte weder mit Rsa noch mit Rsb. Obwohl § 56 Abs. 7 Oö. KAG eine "Zustellung" der Pflege-(Sonder-)Gebührenrechnung vorsieht und nur die "Zustellung" die Einspruchsfrist von zwei Wochen auslöst, hat es das LKH unterlassen, eine nachweisliche Zustellung vorzunehmen. Auch wenn eine "nachweisliche" Zustellung nicht ausdrücklich gefordert ist, wäre eine solche Vorgangsweise zu wählen gewesen, um die vorliegenden Beweisprobleme hintanzuhalten. In diesem Sinn hat auch der Verwaltungsgerichtshof (VwSlg 15.157 A/1928) erkannt und wie folgt ausgeführt: "Hat die Behörde einen Zustellnachweis für entbehrlich gefunden, so muss sie auch die Folgen auf sich nehmen, wenn sie späterhin der Behauptung der Partei, sie hätte ein amtliches Schriftstück nicht empfangen (und daher von der amtlichen Mitteilung keine Kenntnis erlangt), nicht wirksam entgegenzutreten vermag". Im Fall einer Zustellung ohne Zustellnachweis muss der Beweis der erfolgten Zustellung gegenüber der Bestreitung eines Empfängers von der Behörde auf eine andere Weise erbracht werden. Gelingt dies nicht, so muss die Behauptung der Partei über die nicht erfolgte Zustellung als richtig angenommen werden (VwGH vom 24.6.964, 2187/63).

Aus dem Vorlageakt kann der "Zustellzeitpunkt" nicht erschlossen werden. So hat auch die belangte Behörde im Schreiben vom 18. März 2010 allgemein gehalten auf die "Rechnung vom 20.1.2009" Bezug genommen, unerwähnt gelassen, dass diese laut Protokollierung (siehe Punkt 2.5.5.) erst am 30. Jänner 2010 abgeschickt worden ist, trotz der gegenteiligen Behauptung den tatsächlichen Zustellzeitpunkt nicht ermittelt und den Einspruch als verspätet betrachtet.

Dass der Bw die Pflege-(Sonder-)Gebührenrechnung vom 20. Jänner 2009 vor dem 30. April 2009 "zugestellt" bekommen hat, lässt sich dem Vorlageakt nicht entnehmen. Auch wenn man der Lebenserfahrung folgend davon ausgehen könnte, dass Ehepartner sich über den Eingang von Rechnungen gegenseitig informieren und an den Ehegatten adressierte Postsendungen diesem auch ausfolgen, kann im vorliegenden Fall nicht von einer "ordnungsgemäßen" Zustellung ausgegangen werden. Bedingt durch die Bestreitung des Bw hätte die belangte Behörde den Zeitpunkt der Zustellung nachweisen müssen. Wie bereits dargelegt, hat sie sich nur auf Vermutungen gestützt, die bei der vorliegenden Aktenlage einer Schlüssigkeitsprüfung nicht standhalten. Aus der Protokolleintragung vom 4. Februar 2009 ergibt sich eindeutig, dass wiederum nur die Ehefrau mit dem LKH in Kontakt getreten ist und sie die Rechnung auf sich bezogen hat (argum.: "..., die Rechnung kann von ihr leider nicht bezahlt werden."). Mit dem Hinweis auf diesen Telefonanruf konnte die belangte Behörde nicht den Nachweis erbringen, dass die Pflege-(Sonder-)Gebührenrechnung dem Bw tatsächlich zugestellt worden ist. 

Wie dem Vorlageakt, im besonderen dem Protokoll (siehe Punkt 2.5.5.), zu entnehmen ist, fand die Kommunikation des LKH ausschließlich mit der Ehegattin des Bw statt. Obwohl die Pflege-(Sonder-)Gebührenrechnung und die (nicht aktenkundigen) Mahnungen an den Bw adressiert waren, hat darauf ausschließlich die Ehegattin des Bw reagiert. Ein Hinweis, dass sie dies im Auftrage oder in Vertretung des Bw gemacht hat, lässt sich nicht einmal ansatzweise erkennen. Ein Nachweis, dass dem Bw die Pflege-(Sonder-) Gebührenrechnung zugestellt worden ist, kann daher nicht erbracht werden.

3.3.2. Das Schreiben des Bw vom 30. April 2010, das am 5. Mai 2010 beim LKH eingelangt ist und in dem der Bw zum Ausdruck bringt, dass er den offenen Rechnungsbetrag über 6.083,30 Euro mangels Verpflichtung nicht bezahlen werde, ist im Hinblick auf das Ratenzahlungsangebot des LKH vom 30. April 2010 als rechtzeitiger Einspruch zu werten.

3.4. Aus den genannten Gründen war von der Rechtzeitigkeit des Einspruches auszugehen, der Berufung stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

  1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

2.     Im gegenständlichen Verfahren sind Eingabegebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

Mag. Stierschneider

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VwGH vom 23.05.2013, Zl.: 2010/11/0154-6

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