Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-590248/3/WEI/Fu/Sta VwSen-590249/3/WEI/Fu/Sta

Linz, 29.07.2010

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufungen der Herren x, Ärzte für Allgemeinmedizin mit Hausapotheke in x beide vertreten durch Rechtsanwalt x, x, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung vom 17. Mai 2010, Zl. SanRB 10-10-2009-Ni/Par, mit welchem dem Antrag der Frau x auf Zurücknahme der Bewilligungen der genannten Berufungswerber zur Haltung von ärztlichen Hausapotheken mit Wirkung vom 2. August 2010 stattgegeben wurde, zu Recht erkannt:

 

 

Die Berufungen werden als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid wird bestätigt.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs 4 iVm § 67a Abs 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung vom 17. Mai 2010, GZ SanRB10-10-2009-Ni/Par, wurde dem Antrag der Frau x, vertreten durch Rechtsanwältin x, vom 13. Oktober 2009 betreffend die Zurücknahme der Hausapothekenbewilligungen der Berufungswerber (im Folgenden kurz: Bw) wie folgt stattgegeben:

 

S p r u c h:

 

I.    Zurücknahme der Bewilligung zur Haltung der ärztlichen Hausapotheke durch

      MR Dr. x:

      Die mit Bescheid des Amtes der Oö. Landesregierung vom 17.10.1977, SanRB-2131/10-77, Herrn MR Dr. x, x, erteilte Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke wird zurück genommen. Der Betrieb der ärztlichen Hausapotheke ist mit Wirksamkeit vom 02.08.2010 einzustellen.

 

      Rechtsgrundlage:

      §29 Abs. 4 und 5 des Apothekengesetzes, RGBl. Nr. 5/1907, in der Fassung

      BGBl. I Nr. 16/200, in Verbindung mit § 62a Abs. 2 des Apothekengesetzes, RGBl. Nr. 5/1907, i.d.F. BGBl. I Nr. 41/2006.

 

 

II.  Zurücknahme der Bewilligung zur Haltung der ärztlichen Hausapotheke durch

      Dr. x:

      Die mit Bescheid des Amtes der Oö. Landesregierung vom 20.03.1992, SanRB-20054/6-92/Ai, Herrn Dr. x, x, erteilte Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke wird zurück genommen. Der Betrieb der ärztlichen Hausapotheke ist mit Wirksamkeit vom 02.08.2010 einzustellen.

 

      Rechtsgrundlage:

      §29 Abs. 4 und 5 des Apothekengesetzes, RGBl. Nr. 5/1907, in der Fassung

      BGBl. I Nr. 16/200, in Verbindung mit § 62a Abs. 2 des Apothekengesetzes, RGBl. Nr. 5/1907, i.d.F. BGBl. I Nr. 41/2006.

 

Begründend führt die belangte Behörde zunächst zum Sachverhalt aus, dass Frau x mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr- Umgebung vom 22. März 2007, SanRB 10-4-2004-Tn, bestätigt durch das Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 26. Juli 2007, VwSen-590160/11/WEI/Ps, zugestellt am 1. August 2007, die Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke in x mit dem Standort x und der voraussichtlichen Betriebsstätte auf dem Grundstück Nr. x der KG x erteilt wurde.

 

Mit rechtsfreundlich vertretener Eingabe vom 13. Oktober 2009 habe Frau x die Zurücknahme der ärztlichen Hausapothekenbewilligungen der Bw mit 2. August 2010 gemäß § 29 Abs 5 Apothekengesetz (ApG) idF vor der Novelle BGBl I Nr. 41/2006 beantragt, da die Entfernung zwischen der Betriebsstätte ihrer neuen öffentlichen Apotheke und den Ordinationssitzen der genannten Hausapotheken führenden Ärzte jeweils weniger als vier Straßenkilometer betrage.

 

Nach Wiedergabe der Stellungnahmen der betroffenen Hausärzte, die sich im Wesentlichen auf die Bestimmung des § 62a Abs. 1 ApG berufen, und der Stellungnahmen der Antragstellerin sowie der x von Oberösterreich und der x, führt die belangte Behörde in rechtlicher Hinsicht nach Darstellung des § 62a Abs. 1, 2 und 4 ApG aus, dass entsprechend § 62a Abs. 2 leg. cit. hinsichtlich der Rücknahme der Bewilligungen zur Haltung der ärztlichen Hausapotheken die Rechtslage vor der Apothekengesetznovelle BGBl. I Nr. 41/2006 maßgeblich sei, da die Konzession zur Errichtung und zum Betrieb der öffentlichen Apotheke in x auf der Grundlage der Übergangsbestimmung des § 62a Abs. 4 ApG rechtskräftig erteilt wurde.

 

Nach Anführung des § 29 Abs. 4 und 5 ApG idF vor der Apothekengesetznovelle BGBl. I Nr. 41/2006 gelangt die Behörde zum Ergebnis, dass aufgrund der Tatsache, dass Frau x die Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke in x gemäß der Übergangsbestimmung des § 62a Abs. 4 ApG erteilt und der Bescheid am 1. August 2007 zugestellt wurde, die öffentliche Apotheke am 2. November 2009 in Betrieb genommen wurde und die Entfernung zwischen der Betriebsstätte der öffentlichen Apotheke und den Berufssitzen von Herrn MR x und Herrn x weniger als 4 Straßenkilometer beträgt, die Bewilligungen zur Haltung der ärztlichen Hausapotheken zurückzunehmen seien und deren Betrieb mit Wirksamkeit vom 2. August 2010 einzustellen sei.

 

2. Gegen diesen Bescheid, der dem Rechtsvertreter der Bw am 19. Mai 2010 zugestellt wurde, erhoben die Bw durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter das Rechtsmittel der Berufung, das am 1. Juni 2009 – und somit rechtzeitig – zur Post gegeben wurde.

 

Darin wird zunächst ausgeführt, dass in Bezug auf das Konzessionsverfahren weder im erstinstanzlichen, noch im zweitinstanzlichen Bescheid festgestellt worden sei, dass für die Apotheke x ein bestimmtes Potential an zu versorgenden Personen bestehe. Im angefochtenen Bescheid habe die Behörde erster Instanz zwar die Verfahrensschritte aufgelistet, indem sie die einzelnen Stellungnahmen zum Teil wörtlich wiedergibt, wobei es jedoch so sei, dass der dem Vertreter der Bw zugestellte Bescheid unvollständig sei, da die Seiten 2, 4, 6, 8 und 10 in der zugestellten Bescheidausfertigung nicht enthalten seien. Der zugegangene Bescheid enthalte lediglich die Seiten 1, 3, 5, 7, 9, 11 und 13. Die Seite 12 sei im Anschluss mit Schreiben der Behörde per Fax am 19. Mai 2010 nachgereicht worden. Die Bw stellen daher zunächst den Antrag auf Zustellung einer vollständigen Bescheidausfertigung und behalten sich weitergehende Berufungsausführungen vor.

 

Hinsichtlich des angefochtenen Bescheides wird ausgeführt, dass diesem zu entnehmen sei, dass die erstinstanzliche Behörde auf dem Standpunkt stehe, dass für die Zurücknahme der ärztlichen Hausapotheken die 3-jährige Frist des § 29 Abs 4 ApG in der Fassung vor der Novelle 2006 Anwendung findet. Dem wird jedoch rechtlich entgegengehalten, dass, wie auch der UVS in seiner zum Fall x ergangenen Entscheidung ausgesprochen habe, dann wenn eine öffentliche Apotheke unter Anwendung des § 62 Abs 4 ApG bewilligt wurde, eine Zurücknahme der ärztlichen Hausapotheke nur zulässig sei, wenn im Konzessionsbescheid ein Versorgungspotential von 5.500 Personen festgestellt worden sei.

 

Nach wörtlicher Wiedergabe der Begründung im Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Oberösterreich vom 3. Februar 2010, Zl. VwSen-590236/3/BP/Wb, wird ausgeführt, dass diese Ausführungen 1:1 auch auf den gegenständlich zu entscheidenden Fall zutreffen würden. Auch hier sei ein Versorgungspotential von 5.500 Personen für die bewilligte Apotheke nicht festgestellt worden und liege auch nicht vor. Die öffentliche Apotheke habe daher nur nach der am 29. März 2006 in Kraft getretenen Apothekengesetznovelle, konkret der Übergangsbestimmung des § 62a ApG, bewilligt werden können.

 

Im Übrigen wird die Berufung auch auf eine Mangelhaftigkeit gestützt, da der Bescheid nur unvollständig zugestellt worden sei.

 

Abschließend stellen die Bw den Antrag, der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich möge nach Abhaltung einer mündlichen Berufungsverhandlung dem vorliegenden Rechtsmittel Folge geben, den angefochtenen Bescheid auf Zurücknahme der ärztlichen Hausapothekenbewilligungen abändern und den eingebrachten Antrag auf Zurücknahme der ärztlichen Hausapothekenbewilligungen abweisen.

 

3.1. Mit Schreiben vom 9. Juni 2010 übermittelte die belangte Behörde ihren Bezug habenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit dem Hinweis, dass eine vollständige Ausfertigung des Bescheides mit 9. Juni 2010 dem Rechtsvertreter der Bw nochmals zugestellt wurde.

 

Mit Schreiben vom 13. Juli 2010 legte die Antragstellerin zum Beweis dafür, dass im konkreten Fall die Frist für die Zurücknahme der ärztlichen Hausapotheken drei Jahre betragen würde, das jüngst ergangene Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Juni 2010, B 411/10, vor. Dieses Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ist auch dem Rechtsvertreter der Bw im gleichgelagerten h. Berufungsverfahren VwSen-590236 und 590237/2010 bekannt geworden.

 

3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die Berufung und den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von dem folgenden, im Verfahren  unbestritten gebliebenen Sachverhalt aus:

 

Frau x wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 22. März 2007, SanRB 10-4-2004-Tn, bestätigt durch das Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 26. Juli 2007, Zlen. VwSen-590160und 590161/11/WEI/Ps, zugestellt am 1. August 2007, gemäß der Übergangsbestimmung des § 62a Abs 4 ApG idF BGBl I Nr. 41/2006 die Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke in x mit dem Standort x und der voraussichtlichen Betriebsstätte auf dem Grundstück Nr. x der KG x erteilt. Die Konzession wurde damit rechtskräftig erteilt.

 

Mit rechtsfreundlich vertretener Eingabe vom 13. Oktober 2009 teilte Frau x mit, die bewilligte Apotheke am 2. November 2009 an der Adresse x, x, in Betrieb zu nehmen und stellte den Antrag auf Zurücknahme der ärztlichen Hausapothekenbewilligungen der Bw mit 2. August 2010 gemäß § 29 Abs 5 ApG idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 41/2006. Die Entfernung zwischen der Betriebsstätte der neuen öffentlichen Apotheke, die seit 2. November 2009 in Betrieb genommen ist, und den Ordinationssitzen der genannten Hausapotheken führenden Ärzte beträgt jeweils weniger als vier Straßenkilometer.

 

Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung vom 17. Mai 2010, Zl. SanRB 10-10-2009-Ni/Par, wurde dem Antrag der Frau x stattgegeben und sind die Bewilligungen zur Haltung der ärztlichen Hausapotheken der Bw mit 2. August 2010 zurückgenommen worden. Gegen diesen Bescheid erhoben die Bw jeweils durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung.

 

3.3. Von einer Berufungsverhandlung war im Hinblick auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 14. Juni 2010, Zl. B 411/10-9, wegen mittlerweile vollständig geklärten Sach- und Rechtslage abzusehen, weil diese nur zu unberechtigten Verzögerungen bei der Zurücknahme der Bewilligungen geführt hätte. Nach der Rechtsprechung des EGMR sind die Anforderungen des Art 6 EMRK auch bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung erfüllt, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder technische Fragen betrifft (vgl mit Nachw VwGH 18.01.2005, Zl. 2002/05/1519; EGMR MRK 2004/15). Diese Voraussetzung liegt gegenständlich vor.

 

4. In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

 

4.1. Die mit BGBl I Nr. 41/2006 eingeführten Übergangsbestimmung des § 62a ApG lautet auszugsweise (Abs 6 betrifft die Novelle BGBl I Nr. 75/2008 und ist gegenständlich nicht relevant) :

 

"§ 62a. (1) Wurde eine Konzession für eine öffentliche Apotheke nach dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 41/2006 für eine Betriebsstätte erteilt, in deren Gemeinde zum Zeitpunkt der Antragstellung gemäß § 9 zwei Vertragsstellen nach § 342 Abs. 1, die von Ärzten für Allgemeinmedizin besetzt sind, vorhanden waren, so ist abweichend von § 29 Abs. 3 und 4 die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke dann zurückzunehmen, wenn der Inhaber der Bewilligung zur Haltung der ärztlichen Hausapotheke das 65. Lebensjahr vollendet hat, sofern die Bewilligung zur Haltung der ärztlichen Hausapotheke zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Bundesgesetzes bereits rechtskräftig erteilt war. Die Frist für die Zurücknahme und die Einstellung des Betriebes der ärztlichen Hausapotheke darf dabei insgesamt jedoch zehn Jahre ab Rechtskraft der Konzession nicht übersteigen.

 

(2) Wurde eine Konzession für eine öffentliche Apotheke vor dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 41/2006 oder gemäß Abs. 3 oder 4 rechtskräftig erteilt, so gilt hinsichtlich der Rücknahme der Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke die Rechtslage vor dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 41/2006 weiter.

 

(3) Auf im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Bundesgesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 41/2006 anhängige Verfahren ist bis zum Ablauf des 31. Oktober 2006 die Rechtslage vor dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 41/2006 weiterhin anzuwenden.

 

(4) Auf im Zeitpunkt der Kundmachung BGBl. I Nr. 1/2006 anhängige Konzessionsverfahren, die bis zum Ablauf des 31. Oktober 2006 nicht rechtskräftig abgeschlossen sind, ist § 10 Abs. 2 Z 1 in der Form anzuwenden, dass ein Bedarf dann nicht besteht, wenn sich in der Gemeinde der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke eine ärztliche Hausapotheke befindet und in der Gemeinde oder im Umkreis von vier Straßenkilometern um die in Aussicht genommene Betriebsstätte zum Zeitpunkt der Antragstellung weniger als zwei Vertragsstellen nach § 342 Abs. 1 [ASVG], die von Ärzten für Allgemeinmedizin besetzt sind, bestehen.

 

(5) § 8 Abs. 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 41/2006 tritt mit 1. Jänner 2008 in Kraft.

 

(6) ..."

 

4.2. Wie der Oö. Verwaltungssenat im Erkenntnis vom 13. Juli 2010, Zlen, VwSen-590236/15 und 590237/12/BP/Wb/Gr, in einem vergleichbaren Fall schon näher dargelegt hat, ist beim vorliegenden Sachverhalt der § 62a Abs 2 ApG als einschlägige Norm anzusehen, wobei nach den allgemeinen Auslegungsregeln der § 62a Abs. 1 leg. cit. auch dann keine Anwendung finden kann, wenn die Voraussetzungen des Absatz 2 nicht erfüllt sind. Dazu ist Folgendes auszuführen:

 

Aus der Formulierung der Abs. 1 und 2 ergibt sich, dass bei manchen Sachverhalten, wie auch im vorliegenden Fall, grundsätzlich beide Normen – also in konkurrierender Weise – Anwendung finden könnten. Diese Konkurrenz ist mit Hilfe der allgemeinen Auslegungsregeln aufzulösen, wobei besonders auf die Regelung "lex spezialis derogat legi generali" Bedacht zu nehmen ist.

 

Unbestritten ist im vorliegenden Fall, dass gemäß § 62a Abs 1 ApG die Konzessionserteilung nach dem In-Kraft-Treten der Novelle BGBl. I Nr. 41/2006 erfolgte und dass in x zwei Hausapotheken führende Allgemeinmediziner niedergelassen sind, deren Bewilligungen schon vor rechtskräftiger Konzessionserteilung für die öffentliche Apotheke bestanden hatten. Klar ist aber auch, dass gemäß § 62a Abs 2 ApG eine der dort angeführten Alternativen vorliegt, nämlich die Konzessionserteilung auf Basis des § 62a Abs 4 ApG.

 

Bei oberflächlicher Betrachtung könnte man nun aufgrund der Tatsache, dass § 62a Abs 1 ApG zwei Tatbestandselemente für seine Anwendung aufweist, wohingegen § 62a Abs 2 ApG nur je eine von drei Alternativen fordert, zu dem Schluss kommen, dass der Absatz 1 die speziellere Norm darstellt. Dem ist aber nicht so, denn Absatz 1 ist wohl so zu verstehen, dass er generell die Verfahren in 2-Arztgemeinden regeln soll, die Konzessionen nach dem In-Kraft-Treten der Novelle BGBl. I Nr. 41/2006, also ab dem 29. März 2006 betreffen. Absatz 2 soll jedoch generell die Fälle erfassen, die vor dieser Novelle entschieden wurden, und dazu speziell jene Fälle, in denen die Apothekenkonzession auf Basis der Absätze des § 62a Abs 3 oder 4 ApG erteilt wurde. Diese Einschränkung des Anwendungsbereiches des Absatz 1 gilt somit auch für die dort angeführten Fälle der 2-Arztgemeinden. Der Anwendungsbereich des Absatz 1 besteht sohin lediglich für jene Fälle, in denen Apothekenkonzessionen nach In-Kraft-Treten der Novelle in 2-Arztgemeinden nicht auf Basis der Absätze 3 oder 4 erteilt wurden.

 

§ 62a Abs. 2 verweist hinsichtlich der Rücknahme von Hausapotheken auf die Rechtslage vor In-Kraft-Treten der Novelle des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 41/2006 und somit auf BGBl. I Nr. 16/2001 und Nr. 5/2004.

 

§ 29 Abs. 4 ApG in der Fassung BGBl Nr. I Nr. 16/2001 lautete:

 

"Die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke ist bei Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke zurückzunehmen, wenn die Wegstrecke zwischen Berufssitz des Arztes und Betriebsstätte der neu errichteten öffentlichen Apotheke vier Straßenkilometer nicht überschreitet und in dem rechtskräftigen Bescheid zur Konzessionierung der neuen öffentlichen Apotheke ein Versorgungspotential im Sinne des § 10 von zumindest 5.500 Personen für die neue öffentliche Apotheke festgestellt wurde."

 

4.3. Der Verfassungsgerichthof hatte mit Erkenntnis vom 14. Oktober 2005, G 13/05 ua. Zlen. (vgl VfSlg 17.682/2005), in § 10 ApG idF BGBl I Nr. 16/2001 den Absatz 2 Z 1, den Absatz 3 und in Absatz 5 die Wortfolge "3 und", in § 29 ApG idF BGBl I Nr. 16/2001 die Absätze 2 und 3 sowie in § 29 Abs 4 ApG idF BGBl I Nr. 16/2001 die Wortfolge "und in dem rechtskräftigen Bescheid zur Konzessionierung der neuen öffentlichen Apotheke ein Versorgungspotential im Sinne des § 10 von mindestens 5.500 Personen für die neue öffentliche Apotheke festgestellt wurde" als verfassungswidrig aufgehoben. Dabei sprach er aus, dass die Aufhebung mit 31. Oktober 2006 in Kraft tritt und frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten. Diese Entscheidung wurde mit BGBl I Nr. 1/2006 am 10. Jänner 2006 kundgemacht.

 

Der Verfassungsgerichthof sah eine Verletzung der Erwerbsausübungsfreiheit durch Verneinung des Bedarfs an einer öffentlichen Apotheke bei Existenz einer ärztlichen Hausapotheke in einem Umkreis von vier Straßenkilometern und Abstellen auf ein Mindestversorgungspotential von 5.500 Personen. Eine solche Zutrittsschranke für Konzessionswerber mit dem Ziel bestehende ärztliche Hausapotheken zu sichern, erachtete der Verfassungsgerichthof als unverhältnismäßig. Die verfassungsrechtliche Frage sei im Ergebnis nicht anders als im Erkenntnis VfSlg 15.103/1998 zu beurteilen.

 

Offenbar aus Anlass dieser Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs hat der Bundesgesetzgeber die Apothekengesetznovelle BGBl I Nr. 41/2006 erlassen. Der § 10 ApG (RGBl Nr. 5/1907, geändert mit der am 29.03.2006 in Kraft getretenen Novelle BGBl I Nr. 41/2006) regelt nunmehr die Bedarfsfrage neu. Nach VfSlg 17.682/2005 sollte auch bei Rücknahme einer Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke im § 29 Abs 4 ApG das vormals enthaltene Erfordernis des festgestellten Vorliegens eines zumindest 5.500 Personen umfassenden Versorgungspotentials ebenso entfallen.

 

4.4. In seinem jüngst ergangenen Erkenntnis vom 14. Juni 2010, B 411/10-9, hat der Verfassungsgerichtshof dazu betont, dass die Verweisung im § 62a Abs 2 ApG auf die Rechtslage vor In-Kraft-Treten des BGBl I Nr. 41/2006 nicht so gedeutet werden dürfe, dass es wieder auf ein solches Versorgungspotential von zumindest 5.500 Personen ankäme, weil man dem Gesetzgeber damit unterstellte, dass er für bestimmte Apothekenkonzessionsverfahren im § 62a Abs 4 ApG idF BGBl I Nr. 41/2006 neue Konzessionsvoraussetzungen eingeführt hat, jedoch hinsichtlich der Rücknahme ärztlicher Hausapotheken weiterhin auf eine in diesem Zeitpunkt schon als verfassungswidrig erkannte Voraussetzung abgestellt habe. Die fraglichen Apotheken müssten nämlich kein Versorgungspotential mehr nachweisen, wohl aber würde die Rücknahme der Hausapothekenbewilligung von einem solchen Versorgungspotential abhängen. Da der Konzessionsbescheid nach § 62a Abs 4 ApG ein solches Versorgungspotential gar nicht mehr feststellen könne, käme es für diese Apotheken in keinem Fall zu einer Zurücknahme der ärztlichen Hausapotheke. Dieses verfassungswidrige Ergebnis könne dem Gesetzgeber nicht zugesonnen werden.

 

Der Verfassungsgerichtshof führt zu der maßgeblichen Auslegung der Rechtslage weiter wörtlich aus:

 

                 "Bei systematischer Interpretation ist die Rechtslage daher so zu deuten, dass sich der Inhalt der Verweisung (wie auch schon der Inhalt des Absatzes 1) darauf beschränkt, unter Berücksichtigung des erwähnten Erkenntnisses eine nach Fallgruppen differenzierende Regelung für die Rücknahme ärztlicher Hausapotheken zu treffen, und es für die Anwendung dieser Regelung unbeachtlich ist, ob im Bescheid über die Konzession der öffentlichen Apotheke ein bestimmtes Versorgungspotential festgestellt wurde oder nicht. Aus den einschlägigen Gesetzesmaterialien (AA-202 22. GP, 4) ergibt sich jedenfalls kein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber die von der belangten Behörde angenommenen Konsequenzen seiner Anordnungen beabsichtigt oder in Kauf genommen hätte.

 

                   Die belangte Behörde kann sich zur Stützung ihrer Auffassung auch nicht auf (eine 'grammatikalische Interpretation' des) Art. 140 Abs. 7 B-VG stützen, geht es doch hier nicht um die Frage, auf welche Tatbestände eine vom Verfassungsgerichtshof (mit Fristsetzung) aufgehobene Norm noch anzuwenden ist, sondern wie eine auf Grund eines aufhebenden Erkenntnisses des Verfassungsgerichthofes vom Gesetzgeber neu geschaffene (einfachgesetzliche) Rechtslage, und insbesondere die in ihr enthaltenen Übergangsvorschriften, zu interpretieren sind."

 

4.5. Aus diesen Ausführungen des Verfassungsgerichtshofs folgt, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die Zurücknahme der Bewilligungen zur Haltung von ärztlichen Hausapotheken auf Grund und im Sinne der durch den Verfassungsgerichtshof bereinigten Fassung des § 29 Abs 4 ApG mit Recht verfügt hat, zumal die Wegstrecke zwischen den Berufssitzen der Ärzte und der Betriebsstätte der öffentlichen Apotheke vier Straßenkilometer nicht überschreitet, und das früher enthaltene weitere Erfordernis des festgestellten Vorliegens eines zumindest 5.500 Personen umfassenden Versorgungspotentials bei verfassungskonformer Auslegung unberücksichtigt bleiben muss.

 

Gemäß § 29 Abs 5 ApG idF vor BGBl I Nr. 41/2006 zweiter und dritter Satz hat die Behörde die Zurücknahme der Hausapothekenbewilligung auf Antrag des Inhabers der öffentlichen Apotheke mit Bescheid so rechtzeitig auszusprechen, dass die Einstellung des Hausapothekenbetriebes drei Jahre nach Rechtskraft des Bescheides erfolgt, mit dem die Konzession für die öffentliche Apotheke erteilt wurde. Wird die öffentliche Apotheke nach diesem Zeitpunkt in Betrieb genommen, ist die Hausapothekenbewilligung so zurückzunehmen, dass die Inbetriebnahme der öffentlichen Apotheke und die Einstellung des Hausapothekenbetriebes zum selben Zeitpunkt erfolgen.

 

Im vorliegenden Fall erfolgte die rechtskräftige Konzessionserteilung mit 1. August 2007, weshalb die Zurücknahme der Hausapothekenbewilligungen der Bw mit 2. August 2010 zu verfügen ist, da die Apotheke bereits in Betrieb genommen wurde.

 

Die Berufung war damit als unbegründet abzuweisen und der angefochtene Bescheid zu bestätigen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Im Berufungsverfahren sind Bundesstempelgebühren in der Höhe von je 13,20 Euro für die Berufungswerber, insgesamt daher 26,40 Euro, angefallen.

 

 

D r. W e i ß

 

 

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