Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-522604/2/Zo/Jo

Linz, 21.07.2010

 

                                                                                                                                                        

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung des X, geb. X, vertreten durch X vom 22.06.2010 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 08.06.2010, Zl. VerkR21-50-2010, wegen Entziehung der Lenkberechtigung zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm

§§ 7 Abs.1, Abs.3 Z9, Abs.4, 24 Abs.1, 25 Abs.3, 29 Abs.3, 30 Abs.1 und 32 FSG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding hat mit dem angefochtenen Bescheid dem Berufungswerber die Lenkberechtigung für die Dauer von 3 Monaten, gerechnet ab Rechtskraft des Bescheides, entzogen. Weiters wurde er aufgefordert, seinen Führerschein nach Rechtskraft des Bescheides abzuliefern und es wurde ihm das Recht aberkannt, von einer allenfalls bestehenden ausländischen Lenkberechtigung in Österreich Gebrauch zu machen. Außerdem wurde ihm das Lenken von vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen für den gleichen Zeitraum verboten.

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung führte der Berufungswerber aus, dass es zwar richtig sei, dass er bereits zweimal wegen vorsätzlicher leichter Körperverletzung verurteilt worden sei. Es seien aber in beiden Fällen nur Geldstrafen verhängt worden und die Taten seien am 24.11.2008 und am 01.11.2009 begangen worden. Das Gericht habe jeweils nur Geldstrafen verhängt und der Unrechtsgehalt der Taten sei im unteren Bereich des § 83 Abs.1 StGB gelegen.

 

Diese strafbaren Handlungen würden zwar eine bestimmte Tatsache iSd § 7 Abs.3 bilden, allerdings sei diese Tatsache auch zu werten. Bei der Wertung habe die Behörde eine Vorstrafe nach § 88 Abs.1 StGB sowie eine Diversionsmaßnahme zu Unrecht herangezogen. Bei der Vormerkung wegen § 88 Abs.1 und 3 StGB handle es sich um ein Fahrlässigkeitsdelikt, weshalb dieses nicht berücksichtigt werden dürfe. Die Diversionsmaßnahme erfülle den Tatbestand der Begehung einer strafbaren Handlung nach § 7 Abs.3 Z9 FSG nicht.

 

Bei der Wertung der beiden Körperverletzungsdelikte sei zu berücksichtigen, dass weder eine besondere Verwerflichkeit noch eine besondere Gefährlichkeit der Verhältnisse vorgelegen habe. Er habe die Taten bereits vor längerer Zeit begangen und sich seither gesetzeskonform verhalten, weshalb er zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr verkehrsunzuverlässig sei.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Schärding hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 AVG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt. Aus diesem ergibt sich der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt zur Gänze, weshalb eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung nicht erforderlich war. Eine solche wurde auch nicht beantragt.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

Der Berufungswerber wurde wegen einer Körperverletzung mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Schärding vom 15.02.2010, Zl. 1 U 189/09 v-16, zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen verurteilt. Diesem Urteil liegt zugrunde, dass er am 01.11.2009 in X einer zweiten Person mehrere Faustschläge in das Gesicht versetzt hatte, wodurch dieser eine Stirnprellung und eine Bindehautentzündung links erlitt. Anzuführen ist, dass auch die zweite am gegenständlichen Vorfall beteiligte Person wegen Körperverletzung zum Nachteil des Berufungswerbers verurteilt wurde.

 

Bereits mit Urteil vom 24.11.2008, Zl. U 110/08 z-28, war der Berufungswerber rechtskräftig zu einer Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen wegen einer Körperverletzung zum Nachteil des X verurteilt worden. Dieser Vorfall hatte sich am 10.02.2008 in Schärding ereignet. Am 11.12.2005 kam es in X zu einem Vorfall, in dessen Verlauf der Berufungswerber eines Gasthauses verwiesen wurde. In diesem Zusammenhang verletzte er den Gastwirt leicht, wobei das Verfahren von der Staatsanwaltschaft Ried im Innkreis mittels Diversion erledigt wurde.

 

Am 18.02.2005 hatte der Berufungswerber ein Kleinkraftrad in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (0,72 mg/l Alkoholgehalt der Atemluft) gelenkt und dabei einen Verkehrsunfall verursacht, bei welchem der Beifahrer leicht verletzt wurde. Wegen dieses Vorfalles wurde der Berufungswerber zu einer teilbedingten Geldstrafe verurteilt und es wurde ihm von der Bezirkshauptmannschaft Schärding ein Fahrverbot für Motorfahrräder bis 18.09.2005 erteilt.

 

5. Darüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 24 Abs.1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1.     die Lenkberechtigung zu entziehen oder

2.     die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diesfalls ist gemäß § 13 Abs. 5 ein neuer Führerschein auszustellen.

 

Gemäß § 7 Abs.1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht aufgrund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

1.       die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder

2.       sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

 

Als bestimmte Tatsache iSd Abs.1 hat gemäß § 7 Abs.3 Z9 FSG insbesondere zu gelten, wenn jemand eine strafbare Handlung gegen Leib und Leben gemäß den §§ 75, 76, 84 bis 87 StGB oder wiederholt gemäß dem § 83 StGB begangen hat.

 

Gemäß § 7 Abs.4 FSG sind für die Wertung der in Abs.1 genannten und in Abs.3 beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend, wobei in den in Abs.3 Z14 und 15 genannten bestimmten Tatsachen die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit nicht zu berücksichtigen sind.

 

5.2. Der Berufungswerber hat am 01.11.2009 eine vorsätzliche Körperverletzung iSd § 83 StGB begangen. Bereits am 10.02.2008 sowie am 11.12.2005 hat er ebenfalls jeweils eine Körperverletzung begangen. Es liegt daher eine wiederholte strafbare Handlung gemäß § 83 StGB vor, weshalb der Berufungswerber die bestimmte Tatsache iSd § 7 Abs.3 Z9 FSG verwirklicht hat. Zum Berufungsvorbringen, wonach der Vorfall vom Dezember 2005 nicht berücksichtigt werden dürfte, weil dieser von der Staatsanwaltschaft diversionell erledigt wurde, ist darauf hinzuweisen, dass auch für die Diversion Voraussetzung ist, dass der Täter die strafbare Handlung begangen hat. Für die Frage, ob eine bestimmte Tatsache iSd § 7 Abs.3 FSG vorliegt, kommt es ausschließlich darauf an, ob eine bestimmte strafbare Handlung begangen wurde, nicht jedoch auf die Reaktion der Strafbehörden. Der Vorfall vom Dezember 2005 ist daher ebenfalls zu berücksichtigen.

 

Das Verhalten des Berufungswerbers ist einer Wertung iSd § 7 Abs.4 FSG zu unterziehen. Vorsätzliche Körperverletzungen sind grundsätzlich als verwerflich anzusehen. Die Vorfälle zeigen auch, dass der Berufungswerber eine überdurchschnittlich hohe Bereitschaft hat, in Konfliktsituationen gewalttätig zu reagieren. Andererseits darf auch nicht übersehen werden, dass der Berufungswerber in allen drei Fällen den Geschädigten nur relativ geringfügige Verletzungen zugefügt hat, weshalb sein Verhalten nicht als außergewöhnlich gefährlich einzuschätzen ist.

 

Auch der Vorfall vom Februar 2005, bei welchem der Berufungswerber in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Motorfahrrad gelenkt und dabei einen Unfall verursacht hat, ist bei der Wertung zum Nachteil des Berufungswerbers zu berücksichtigen. Wesentlich zugunsten des Berufungswerbers spricht hingegen, dass der letzte Vorfall schon fast neun Monate zurückliegt und sich der Berufungswerber in dieser Zeit wohl verhalten hat. In dieser Zeit war der Berufungswerber im Besitz einer Lenkberechtigung und es sind weder schwerwiegende verkehrsrechtliche Übertretungen noch weitere Gewaltdelikte bekannt geworden. Der Berufungswerber war aufgrund seines Verhaltens nach der insgesamt dritten vorsätzlichen leichten Körperverletzung im November 2009 jedenfalls verkehrsunzuverlässig. Auch zum Zeitpunkt seiner gerichtlichen Verurteilung im Februar 2010 wäre eine Entziehung der Lenkberechtigung jedenfalls noch gerechtfertigt gewesen.

 

Zum jetzigen Zeitpunkt ist aber zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Lenkberechtigung nur dann entzogen werden darf, wenn anzunehmen ist, dass der Berufungswerber noch weitere drei Monate (die in § 25 Abs.3 FSG vorgesehene Mindestentzugsdauer) als verkehrsunzuverlässig anzusehen ist. Dies würde bedeuten, dass bei Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides dem Berufungswerber die Lenkberechtigung bis Ende Oktober 2010 entzogen werden müsste. Eine derart lange Verkehrsunzuverlässigkeit von beinahe 12 Monaten erscheint jedoch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht vertretbar. Dazu wird beispielshaft auf die Entscheidung des VwGH vom 30.06.1992, 91/11/0124, verwiesen. In diesem Fall hatte der Betroffene eine absichtliche schwere Körperverletzung unter Verwendung einer Schusswaffe begangen, dennoch hielt der Verwaltungsgerichtshof die Annahme einer Verkehrsunzuverlässigkeit in der  Dauer von 15 Monaten für überhöht. Wenn man berücksichtigt, dass der Berufungswerber in den ihm vorgeworfenen Fällen doch ein deutlich niedrigeres Aggressionspotential zeigte, ist eine Entziehung der Lenkberechtigung fast 9 Monate nach dem Vorfall nicht mehr vertretbar.

 

Der Berufungswerber ist jedoch nachdrücklich darauf hinzuweisen, dass aufgrund seines Verhaltens eine Entziehung der Lenkberechtigung grundsätzlich durchaus gerechtfertigt gewesen wäre. Hätte die Bezirkshauptmannschaft Schärding unverzüglich vom Gerichtsurteil erfahren und sofort einen Entzugsbescheid erlassen, so wäre dieser jedenfalls gerechtfertigt gewesen. Sollte der Berufungswerber auch in Zukunft weitere Aggressionsdelikte begehen, so wäre seine Verkehrszuverlässigkeit wohl ebenfalls anders zu beurteilen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

 

 

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen.

 

 

 

 

 

 

Mag. Gottfried  Z ö b l

 

 

 

 

 

 

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