Linz, 20.07.2010
E r k e n n t n i s
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn X, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schärding, vom 23. Juni 2010, Zl. VerkR21-206-2010, zu Recht:
Der Berufung wird teilweise statt gegeben; das ausgesprochene Fahrverbot für Motorfahrräder gilt nicht für Fahrten an Werktagen im Rahmen der beruflichen Tätigkeit im Umkreis von maximal 20 Kilomter vom Sitz des Arbeitgebers[1] in X.
Rechtsgrundlagen:
§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 20/2009 – AVG iVm § 7 Abs.3 u. 4, § 24 Abs.1 und § 32 Abs.1 Führerscheingesetz 1997 – FSG, zuletzt geändert durch BGBl I Nr. 93/2009.
Entscheidungsgründe:
1.1. Die Behörde erster Instanz führte begründend Folgendes aus:
2. Dagegen wendete sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht erhobenen Berufung. Darin verweist er auf den Entzug seiner Lenkberechtigung in der Dauer von acht Monaten und verweist im Ergebnis auf die Problematik des Verlustes seines Arbeitsplatzes auf Baustellen wenn er diese(n) mangels jeglicher motorisierter Mobiltät nicht erreichen könne. Vor diesem Hintergrund ersucht er im Ergebnis um positive Erledigung.
3. Die Behörde erster Instanz hat den Verfahrensakt zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Dieser ist durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG).
Die Durchführung einer öffentliche mündliche Berufungsverhandlung war mangels Antrag und unstrittiger Tatsachen mit Blick auf das Berufungsvorbringen nicht erforderlich (§ 67d Abs.1 AVG).
3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verfahrensakt. Dieser beinhaltet die Anzeige der Polizeiinspektion Riedau vom 4.5.2010.
Dieser Anzeige zur Folge hat der Berufungswerber am 30.4.2010 um 17:58 Uhr als Lenker eines Pkw, offenbar in Folge seiner Alkoholbeeinträchtigung mit 0,78 mg/l Atemluftalkoholgehalt unangepassten Fahrgeschwindigkeit einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht. Er war mit dem Pkw ins Schleudern geraten und gegen einen Baum und Gartenzaun gestoßen.
Er zeigte sich im Rahmen des Verfahrens durchaus unrechtsbewusst und schuldeinsichtigt.
Mit Blick auf das Berufungsvorbringen wurde an den Arbeitgeber des Berufungswerbers eine Anfrage über den beruflichen Mobilitätsbedarf des Berufungswerbers gestellt.
Dieser teilt der Berufungsbehörde am 20.7.2010 schriftlich mit, dass es sich beim Berufungswerber um einen Mitarbeiter seines Betriebes handle, wobei die Anfahrt zum Arbeitsplatz und zu Baustellen im Umkreis von 15 bis 20 km auch an Samstagen unverzichtbar wäre. Mit Blick darauf erklärt der Arbeitgeber in diesem Bereich das Fahren mit Motorfahrrädern zu erlauben.
Gemäß dem im Akt erliegenden Auszug aus dem sogenannten Vormerkregister vom 4.5.2010 ist der Berufungswerber verwaltungsstrafrechtlich unbescholten.
5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:
Gemäß § 24 Abs.1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder
2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken.
Gemäß § 32 Abs.1 FSG hat die Behörde Personen, die nicht iSd § 7 verkehrszuverlässig oder nicht gesundheitlich geeignet sind, ein Motorfahrrad, ein vierrädriges Leichtkraftfahrzeug oder ein Invalidenkraftfahrzeug zu lenken, unter Anwendung der §§ 24 Abs.3 und 4, 25, 26 und 29 entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit das Lenken eines derartigen Kraftfahrzeuges
1. ausdrücklich zu verbieten,
2. nur zu gestatten, wenn vorgeschriebene Auflagen eingehalten werden oder
3. nur für eine bestimmte Zeit oder nur unter zeitlichen, örtlichen oder sachlichen Beschränkungen zu gestatten.
Der Gesetzgeber unterscheidet jüngst hinsichtlich des Lenkens von
- "führerscheinpflichtigen" KFZ sowie vierrädrigen Leicht-KFZ einerseits (§ 24 Abs.1 FSG) sowie
- Motorfahrrädern und Invalidenkraftfahrzeugen andererseits (§ 32 Abs.1 FSG). Vor diesem Hintergrund geht der Hinweis der Erstbehörde auf ein h. Erk. vom 28.10.2008 ins Leere.
Gemäß dem Erlass des Bundesministers für Verkehr vom 2.5.2006,
BMVIT-170.619/0001-II/ST4/2006 ist bei Begehung von Alkoholdelikten ein Lenkverbot nach § 32 Abs.1 Z1 FSG auszusprechen.
Bei einem Erlass handelt es sich im Übrigen nicht um eine Rechtsquelle iSd Art. 18 Abs.1 B-VG (VwGH vom 9.3.2005, 2001/13/0062).
Der UVS wäre somit, abgesehen vom der explizit geänderten Gesetzestext, an diesen Erlass nicht gebunden!
Zu Gunsten des Berufungswerbers ist zu berücksichtigen, dass er unbescholten war und somit diese Alkofahrt im Gegensatz zu seinem sonstigen Verhalten steht (s. h. Erk. 4.4.2010, VwSen-522535/3/Kof/Th, sowie 11.09.2007 VwSen-521729/2/Kof/Be).
Wenngleich nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes berufliche, wirtschaftliche, persönliche und familiäre Nachteile, welche mit der Entziehung der Lenkberechtigung verbunden sind, kein rechtlich beachtliches Kriterium darstellen (VwGH v. 30.5.2001, 2001/11/0081) bleibt betreffend ein derartiges Fahrverbot mit Blick auf das Sachlichkeitsgebot sehr wohl ein Raum für Interessenabwägung, einerseits das Fahren mit einem Motorfahrrad zur Erreichung des Arbeitsplatzes und der beruflichen Aufgabenerfüllung am Arbeitsplatz und dem öffentlichen Interessen der Verkehrssicherheit abzuwägen.
Nach § 24 Abs.1 FSG, dritter Satz (idF BGBl. Nr. 93/2009 – 12. FSG-Novelle) differenziert der Gesetzgeber zwischenzeitig offenbar nicht ohne Grund zwischen vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen und Motorrfahrrädern. Geht doch von einem Zweirad ein deutlich geringeres empirisches Gefahrenpotenzial aus als dies bei einem mehrspurigen Kraftfahrzeug der Fall ist.
So vermag der Ausführung der Behörde erster Instanz, wonach der Berufungswerber sich bereits vor der gegenständlichen Trunkenheitsfahrt, in Kenntnis seines Mobiltätsbedarfes eines Alkohokonsums enthalten hätte müssen, nicht gefolgt werden. Diese Feststellung würde gleichsam jegliche Einzelfallbeurteilung a priori ausschließen, weil das von der Behörde unterstellte Unrechtswissen letztlich von jedem gegen eine derartige Normen verstoßenden Menschen erwartet werden muss. Dies ist jedenfalls keine sachliche bzw. taugliche Begründung um den Umfang der gesetzlichen Möglichkeit nicht einmal in Betracht zu ziehen.
Es scheint ferner auch nicht wirklich stichhaltig worin in einem eingeschränkten Absehen vom Lenkverbot für Motorfahrräder empirisch die Gefahr begründet sein sollte, auch mit einem solchen Kraftfahrzeug just während der Phase der entzogenen Lenkberechtigung, selbst im beruflichen Kontext, alkoholisiert zu fahren und so die Verkehrssicherheit abermals zu beeinträchtigen. Vielmehr liegt nahe, dass sich der Berufungswerber des ihm dadurch im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeit geschenkten Vertrauens, und während der bevorstehenden Rehabilitationsmaßnahme in Verbindung mit dem Wiedererlangen seiner Lenkberechtigung, jegliche Alkofahrt tunlichst vermeiden wird. Das Risiko kann demnach realistisch besehen eher geringer als bei jenen Fahrzeuglenkern eingeschätzt werden, bei denen ein Entzugsereignis noch nicht vorlag oder bereits länger zurückliegt.
Im Falle des Entzuges einer Lenkberechtigung der Klassen A, B oder F ist ein Fahrverbot für die Entzugsdauer letztlich zwingend nur mehr für vierrädrigen Leichtkraftfahrzeuge auszusprechen, weil das Lenken solcher lt. Gesetzestext unzulässig ist.
Nach § 32 Abs.1 FSG ist ein derartiges Verbot ferner „entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit“ auszusprechen. Vor diesem rechtlichen Hintergrund wird das Fahrverbot in Abwägung der Rechtsgüter, nämlich dem Interesse der Verkehrssicherheit und jenem Interesse den Berufungswerber Erreichung des Arbeitsplatzes weiterhin zu ermöglichen und dem Interesse des Arbeitgebers den Mitarbeiter mobil zu haben, eingeschränkt (vgl. auch h. Erk. v.24.11.2009, VwSen-522435/5/Br/Th).
Insgesamt gesehen ist es daher gerechtfertigt und vertretbar, betreffend das Verbot des Lenkens von Motorfahrrädern der Berufung zumindest teilweise stattzugeben und den erstinstanzlichen Bescheid diesbezüglich abzuändern.
Zur Visualisierung und Präszisierung des Verbots- bzw. Ausnahmeumfanges (Einkreisung) wird ein entsprechend markierter Landkartenauszug beigeschlossen (Seite 8).
Es wird darauf hingewiesen, dass im gegenständlichen Fall Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen sind.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r
[1] Kartenauszug Seite 8 als integrierender Bestandteil dieses Bescheides