Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-522621/2/Kof/Th

Linz, 16.07.2010

 

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Josef Kofler über die Berufung des X,
geb. X, X gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 14. Juni 2010, VerkR21-860-2009, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheines und Aufforderung, ein amtsärztliches Gutachten beizubringen, zu Recht erkannt:

 

      I.       

Betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung für die Klasse B wird die Berufung als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass Herrn X die Lenkberechtigung für die Klasse B für den Zeitraum:

Zustellung des Berufungsbescheides bis einschließlich 17. November 2010 entzogen wird.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 24 Abs.1 Z1, 25 Abs.1 und 25 Abs.3  iVm.  §§ 7 Abs.1 Z2, 7 Abs.3 Z11 und
  7 Abs.4 FSG, BGBl. I Nr. 120/1997 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 93/2009.

 

 

  II.       

Betreffend die Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheines wird die Berufung als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 29 Abs.3 FSG.

 

 

 

 

III.       

Betreffend die Aufforderung, ein amtsärztliches Gutachten beizubringen, wird der Berufung stattgegeben und der erstinstanzliche Bescheid aufgehoben.

 

Rechtsgrundlage:

§ 24 Abs.4 FSG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Der nunmehrige Berufungswerber (Bw) wurde mit Urteil des Landesgerichtes
Wels vom 19. Jänner 2010, 25 Hv 176/09p wegen dem Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs.1 fünfter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten – welche unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren vorläufig bedingt nachgesehen wurde – verurteilt.

 

Grund für diese Verurteilung war, dass der Bw in den Orten V., G., S. und an anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen hat.

In der Zeit von etwa Juli 2009 bis etwa Mitte November 2009 hat der Bw – gemeinsam mit Herrn L.B. und teilweise mit Herrn V.Z. als Mittäter – insgesamt etwa 1.300 bis 1.400 Gramm Cannabiskraut an dreizehn namentlich bekannte Personen sowie an weitere unbekannte Konsumenten verkauft.

 

Die belangte Behörde hat daraufhin mit dem in der Präambel zitierten Bescheid dem/den Bw gemäß näher bezeichneter Rechtsgrundlagen nach dem FSG

-             die Lenkberechtigung für die Klasse B wegen mangelnder Verkehrs-zuverlässigkeit für die Dauer von sechs Monaten – gerechnet ab Rechtskraft dieses Bescheides – entzogen,

-             verpflichtet, den Führerschein unverzüglich nach Rechtskraft bei der belangten Behörde oder bei der Polizeiinspektion G. abzuliefern und

-             verpflichtet, vor Wiedererteilung der Lenkberechtigung ein amtsärztliches Gutachten über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen beizubringen.

 

Gegen diesen Bescheid – zugestellt am 24. Juni 2010 – hat der Bw innerhalb offener Frist die begründete Berufung vom 2. Juli 2010 erhoben.

 

 

 

 

Hierüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (UVS) durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied (§ 67a Abs.1 AVG) erwogen:

 

Gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

 

Gemäß § 25 Abs. 1 FSG ist bei der Entziehung auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird.

Dieser ist aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.

 

Gemäß § 25 Abs. 3 FSG ist bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrs-zuverlässigkeit (§ 7) eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen. 

 

Gemäß § 7 Abs.1 Z2 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht aufgrund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

 

Gemäß § 7 Abs.3 Z11 FSG hat als bestimmte Tatsache iSd Abs.1 leg.cit zu gelten, wenn jemand eine strafbare Handlung gemäß den §§ 28 Abs.2 bis 5 SMG begangen hat.

 

Gemäß § 7 Abs. 4 FSG sind für die Wertung der in Abs. 3 leg.cit. beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bilden bei der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit (allfällige) berufliche, wirtschaftliche, persönliche und familiäre Nachteile, welche mit der (Dauer der) Entziehung der Lenkberechtigung verbunden sind,  kein wie immer geartetes Beweisthema;

Erkenntnisse v. 30.5.2001, 2001/11/0081; vom 23.4.2002, 2000/11/0182;

vom 11.4.2002, 99/11/0328; vom 28.9.1993, 93/11/0142 mit Vorjudikatur;

vom 25.2.2003, 2003/11/0017; vom 4.10.2000, 2000/11/0176.

 

Bei der Entziehung der Lenkberechtigung handelt es sich um keine Strafe, sondern um eine administrative Maßnahme zum Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer oder sonstiger Rechtsgüter vor verkehrsunzuverlässigen KFZ-Lenkern;

VfGH v. 14.3.2003, G203/02; v. 11.10.2003, B1031/02; v. 26.2.1999, B 544/97

VwGH vom 18.3.2003, 2002/11/0062; vom 22.11.2002, 2001/11/0108;

vom 23.4.2002, 2000/11/0184; vom 22.2.2000, 99/11/0341 mit Vorjudikatur vom 6.4.2006, 2005/11/0214.

 

Die Begehung von Verbrechen nach dem Suchtmittelgesetz wird durch die Verwendung von Kraftfahrzeugen typischer Weise erleichtert.

Bei der Wertung einer derartigen bestimmten Tatsache kommt es nicht darauf an, ob konkret Kraftfahrzeuge verwendet worden sind oder nicht;

VwGH vom 07.10.1997, 96/11/0357 mit Vorjudikatur.

 

Betreffend die "Suchtgiftkriminalität" ist auf die ständige Rechtsprechung des VwGH zu verweisen, wonach

-  es sich dabei um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität handelt,

-  bei dieser die Wiederholungsgefahr erfahrungsgemäß besonders groß ist  und

-  an deren Verhinderung ein gewichtiges öffentliches Interesse besteht;

   VwGH vom 24.09.2009, 2009/18/0317;  vom 09.11.2009, 2007/18/0537;

             vom 02.10.2008, 2007/18/0515;  vom 20.04.2006, 2006/18/0074;

             vom 15.12.2005, 2005/18/0653;  vom 07.11.2003, 2003/18/0250  sowie

-  strafbares Verhalten oft nur zufällig entdeckt wird;

   VwGH vom 13.10.2009, 2009/17/0196

 

Betreffend die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung ist auf folgende Rechtsprechung des VwGH zu verweisen:

Die jahrzehntelange Rechtssprechung des VwGH, wonach Haftzeiten in die Entziehungsdauer nicht einzurechnen sind, ist mittlerweile überholt.

In den letzten Jahren hat der VwGH wiederholt im Ergebnis ausgesprochen, dass Haftzeiten in die Entziehungsdauer miteinzubeziehen sind;

Erkenntnisse vom 29.4.2003, 2002/11/0161; vom 21.2.2006, 2003/11/0025;

vom 21.2.2006, 2004/11/0129; vom 21.11.2006, 2005/11/0168;

vom 21.3.2006, 2005/11/0196;  vom 18.12.2006, 2006/11/0076.

 

Die Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit ist ab Tathandlung bzw. Beendigung des strafbaren Verhaltens zu bemessen;

VwGH vom 17.10.2006, 2006/11/0120;  vom 21.3.2006, 2005/11/0196; vom 22.2.2007, 2005/11/0190; vom 21.11.2006, 2005/11/0168; vom 21.3.2006, 2005/11/0153; vom 27.3.2007, 2005/11/0115; vom 18.12.2007, 2007/11/0194

 

 

Zu Gunsten des Bw ist zu werten:

-     dass Cannabis eine sogenannte "weiche Droge" ist

    (vgl. VwGH vom 14.03.2000, 99/18/0261)

-     seine bisherige Unbescholtenheit,

-     das reumütige und umfassende Geständnis,

-     dass das Gericht die verhängte Freiheitsstrafe zur Gänze nachgesehen hat.

 

Zum Nachteil des Bw ist zu werten:

-     Die Menge von insgesamt etwa 1,3 bis 1,4 kg Cannabiskraut und

-     insbesondere dass der Bw das Cannabis an eine Vielzahl von Personen

   (dreizehn namentlich bekannte sowie weitere unbekannte Konsumenten)

    weiterverkauft hat.

 

Der VwGH hat – Erkenntnis vom 25.05.2004, 2003/11/0291 – bei Suchtgifthandel von ca. 3,4 kg Cannabiskraut eine Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit von
18 Monaten – im Beschwerdefall: Ende des strafbaren Verhaltens (September 1999) bis Ablauf der Entziehungsdauer (März 2001) – als rechtmäßig bestätigt bzw. die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

 

Der Bw hat – wie dargelegt – insgesamt "nur" ca. 1,3 bis 1,4 kg Cannabis in Verkehr gesetzt, allerdings an mehr als dreizehn verschiedene Personen.

 

Aus diesem Grund ist – als gerade noch vertretbare Untergrenze – die Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit mit 12 Monaten – gerechnet ab Beendigung des strafbaren Verhaltens = 17. November 2009 – zu bemessen. –

Die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung wird daher bis einschließlich
17. November 2010 festgesetzt.

 

Die Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheines ist in der zitierten Rechts-grundlage (§ 29 Abs.3 FSG) begründet.

 

Betreffend die Aufforderung, ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten beizubringen, ist auszuführen:

"Sache" des Berufungsverfahrens ist der Gegenstand des Verfahrens in der
I. Instanz, dh jene Angelegenheit, welche den Inhalt des Spruchs des angefochtenen Bescheides der I. Instanz gebildet hat;

Hengstschläger-Leeb, AVG-Kommentar, RZ 59 zu § 66 AVG (Seite 954) mit zahlreichen Judikaturhinweisen;  VwGH vom 12.11.2008, 2008/12/0008 ua.  –

Im gegenständlichen Berufungsverfahren somit die an den Bw ergangene Aufforderung, ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten beizubringen.

 

 

 

§ 24 Abs.4 FSG lautet auszugsweise:

Bestehen Bedenken, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ist ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 leg.cit. einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen. Leistet der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Bescheid mit der Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen … keine Folge, ist ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.

 

Ein Aufforderungsbescheid nach § 24 Abs.4 FSG hat somit zu enthalten,
der Betreffende habe "sich amtsärztlich untersuchen zu lassen".

Für eine Aufforderung zur Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens besteht – seit der 5. FSG-Novelle, BGBl. I Nr. 81/2002 – keine gesetzliche Grundlage;

VwGH vom 24.05.2005, 2004/11/0016;  vom 17.03.2005, 2004/11/0014 ua.

vgl. auch betreffend die "Formalentziehung" nach § 24 Abs.4 FSG:

VwGH vom 28.06.2005, 2005/11/0052;  vom 20.10.2005, 2005/11/0158 ua.

         

Betreffend die Aufforderung, ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten beizubringen, war daher der Berufung stattzugeben und der erstinstanzliche Bescheid aufzuheben. 

 

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben werden;  diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden.

Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren von 13,20 Euro angefallen.

 

 

 

 

 

 

Mag. Josef Kofler

 

 

 

  

Beschlagwortung:

Dauer der Verkehrszuverlässigkeit

 

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