Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231068/2/WEI/Fu/Sta

Linz, 14.07.2010

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des x, geb. x, x, vertreten durch Rechtsanwalt x, x, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 29. Oktober 2009, Zl. S-7.641/09-2, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Fremdenpolizeigesetz zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

II.     Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz noch zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

§§ 24, 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm § 66 Abs 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG; § 66 Abs 1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 29. Oktober 2009, Zl. S-7.641/09-2, wurde der Berufungswerber (in der Folge: Bw) für schuldig befunden, sich als Fremder im Sinne des § 2 Abs 4 Z 1 des Fremdenpolizeigesetzes (FPG) seit 07. Februar 2009 unrechtmäßig im Bundesgebiet von Österreich aufzuhalten, da er weder aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) noch aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sei, er nicht im Besitze eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sei, ihm eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz (AsylG) nicht zukomme und er nicht Inhaber einer Beschäftigungsbewilligung, Entsendebewilligung oder Anzeigebestätigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) sei.

 

Dadurch erachtete die belangte Behörde "§ 120 Abs. 1 Z. 2 iVm § 31 Abs. 1 Z 2-4 u. 6 FPG als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung über den Bw gemäß § 120 Abs 1 FPG eine Geldstrafe in der Höhe von 80 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden.

 

Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensablaufes und der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen stand für die belangte Behörde fest, dass der Bw mangels österreichischer Staatsbürgerschaft Fremder iSd FPG sei und über keine Aufenthaltsberechtigung nach dem NAG verfüge. Weiters sei der Bw nicht Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels und es komme ihm kein Aufenthaltsrecht nach den asylrechtlichen Bestimmungen zu. Da für ihn auch keine Beschäftigungsbewilligung oder Anzeigebestätigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz ausgestellt worden sei, erfülle er keine der Voraussetzungen des § 31 Abs 1 FPG. Er halte sich somit nicht rechtmäßig im Bundesgebiet von Österreich auf.

 

Vom Fremdenpolizeilichen Referat der Bundespolizeidirektion Linz wurde daher mit Bescheid vom 20. Februar 2009 gegen den Bw die Ausweisung angeordnet.

 

Hinsichtlich der Zulässigkeit eines Verwaltungsstrafverfahrens sei festzustellen, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits eindeutig entschieden habe, dass der Aufenthalt eines Fremden erst mit der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung und nicht schon nach der Stellung eines darauf abzielenden Antrages rechtmäßig sei.

 

Für die belangte Behörde stehe daher fest, dass sich der Bw tatsächlich unrechtmäßig im Bundesgebiet von Österreich aufgehalten und somit gegen die angeführten Bestimmungen des FPG verstoßen habe, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

 

Wie der Verwaltungsgerichtshof in mehreren Erkenntnissen ausgesprochen habe, bestehe ein hohes Interesse der Allgemeinheit an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch die Normadressaten im Hinblick auf den Schutz der öffentlichen Ordnung (Hinweis auf Verwaltungsgerichtshof vom 19.02.1997, Zl. 96/21/0516).

 

In diesem Sinne sei bei der Bemessung der Strafe das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung diene, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen habe, berücksichtigt worden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse seien ebenfalls beachtet worden.

 

2. Gegen das Straferkenntnis, das dem Rechtsvertreter des Bw am 3. November 2009 zugestellt wurde, richtet sich die vorliegende, auf elektronischem Weg am 11. November 2009 – und damit rechtzeitig – bei der belangten Behörde eingebrachte Berufung.

In der Berufung stellt der Bw zunächst fest, dass sein Asylverfahren tatsächlich im Februar 2009 rechtskräftig negativ abgeschlossen worden sei. Da sich der Bw jedoch seit 27. Mai 2003 in Österreich aufhalte, habe er beim Magistrat der Landeshauptstadt Linz einen Antrag auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung gestellt, der bis dato keiner Erledigung zugeführt worden sei.

Ferner sei gegen den Bw ein Ausweisungsverfahren eingeleitet worden, welches sich derzeit beim Verwaltungsgerichtshof befinde, welcher der Beschwerde durch Beschluss vom 4. August 2009, Zlen. AW 2009/21/0120 bis 0124-3, aufschiebende Wirkung zuerkannt habe. Der Aufenthalt des Bw sei daher nicht rechtswidrig.

Darüber hinaus habe der Bw berechtigte Erfolgsaussichten, dass seinem Antrag vom 18. Februar 2009 auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung stattgegeben werde.

Vor diesen Hintergründen erweise sich die Bestrafung des Bw durch die Bundespolizeidirektion Linz als rechtswidrig und einer Aufhebung zugänglich. Das Strafverfahren sei daher zur Einstellung zu bringen.

In Kopie hat der Bw den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 4. August 2009, Zlen. AW 2009/21/0120 bis 0124-3, sowie seinen Antrag auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung beigelegt.

Schließlich stellt der Bw die Anträge, der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich möge das angefochtene Straferkenntnis vom 29. Oktober 2009 ersatzlos beheben und das wider den Bw zur Einleitung gebrachte Verwaltungsstrafverfahren zur Aufhebung bringen, in eventu das angefochtene Straferkenntnis dahingehend abändern, dass von einer Bestrafung Abstand genommen und gemäß § 21 VStG bloß eine Ermahnung ausgesprochen wird, sowie jedenfalls eine mündliche Berufungsverhandlung anberaumen und durchführen.

3.1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat den Verwaltungsstrafakt, Zl. S-7.641/09-2, samt Berufungsschrift ohne vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung Gebrauch zu machen – dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 18. November 2009 zur Entscheidung vorgelegt.

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt und die Berufung. Gemäß § 51e Abs 2 Z 1 VStG konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der mit der Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

3.2. Aus den genannten Beweismitteln ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich folgender wesentliche S a c h v e r h a l t:

Der Bw, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste im Juni 2002 illegal nach Österreich ein und stellte einen Asylantrag, der mit 6. Februar 2009 rechtskräftig abgewiesen wurde.

Das Fremdenpolizeiliche Referat der Bundespolizeidirektion Linz erstattete am 23. Februar 2009 Anzeige gegen den Bw, weil er sich seit der rechtskräftigen negativen Abweisung des Asylantrags rechtswidrig im Bundesgebiet aufhalte.

Die Bundespolizeidirektion Linz erließ am 14. April 2009 gegen den Bw eine Strafverfügung, in der ihm vorgeworfen wurde, sich seit 7. Februar 2009 rechtswidrig im Bundesgebiet aufzuhalten, und verhängte über den Bw eine Geldstrafe von 80 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden). Gegen diese Strafverfügung, die dem Bw am 22. April 2009 durch Hinterlegung zugestellt wurde, erhob der Bw mit Schreiben vom 27. April 2009 Einspruch. Darin führte der Bw aus, dass die Bestrafung rechtswidrig sei, da gegen ihn keine rechtskräftige Ausweisung vorliege und er sämtliche Voraussetzungen erfülle, um in den Genuss einer humanitären Niederlassungsbewilligung zu gelangen. Dies auch im Zusammenhang mit einer Berechtigung zur Antragstellung im Inland.

Mit Schreiben vom 22. Mai 2009 wurde der Bw von der Bundespolizeidirektion geladen und am 19. August 2009 aufgefordert, sich zu dem ihm zur Last gelegten Vorwurf der Übertretung des § 120 FPG zu rechtfertigen. Dieser Aufforderung, die dem Rechtsvertreter des Bw am 21. August 2009 zugestellt wurde, ist der Bw nicht nachgekommen.

Daraufhin erließ die belangte Behörde das angefochtene Straferkenntnis, mit dem der Bw für schuldig befunden wurde, § 120 Abs 1 Z 2 FPG übertreten zu haben. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende Berufung.

Die Bundespolizeidirektion Linz ordnete mit Bescheid vom 20. Februar 2009, Zl. 1045732/FRB, die Ausweisung des Bw aus dem Bundesgebiet an, da er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Diesen Ausweisungsbescheid hat der Bw im Instanzenzug bekämpft und schließlich gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion vom 9. Juli 2009 auch Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben. Dieser hat der Beschwerde mit Beschluss vom 4. August 2009, Zlen. AW 2009/21/0120 bis 0124-3, aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Mit elektronisch übermitteltem Schreiben vom 18. Februar 2009 beantragte der Bw durch seinen Rechtsvertreter beim Magistrat der Landeshauptstadt Linz die Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung. Über diesen Antrag wurde bis zur Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses nicht entschieden.

4. In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

4.1. Gemäß § 120 Abs 1 Z 2 FPG (BGBl. I. Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 29/2009), begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 2.180 Euro zu bestrafen,

 

wer sich als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

Nach § 31 Abs 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

 

1. wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;

2. wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes  nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;

3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind;

4. solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zukommt;

5. soweit sie nicht auf Grund eines Rückübernahmeabkommens (§ 19 Abs. 4) oder internationaler Gepflogenheiten rückgenommen werden mussten oder nicht auf Grund einer Durchbeförderungserklärung, sonstiger zwischenstaatlicher Abkommen oder auf Ersuchen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union um Durchbeförderung (§ 48 Abs. 1) oder aufgrund einer Durchlieferungsbewilligung gemäß § 67 ARHG eingereist sind;

6. wenn sie eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, eine Entsendebewilligung, eine EU-Entsendebestätigung, eine Anzeigebestätigung gemäß § 3 Abs. 5 AuslBG oder eine Anzeigebestätigung gemäß § 18 Abs. 3 AuslBG mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, innehaben oder

7. soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.

4.2. Bis zur rechtskräftigen negativen Abweisung seines Asylantrags am 6. Februar 2009, war der Bw aufgrund des AsylG zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Der Aufenthalt des Bw seit dem 7. Februar 2009 lässt sich jedoch auf keine Bestimmung des § 31 Abs 1 FPG stützen. Auch begründet nach § 44b Abs 3 NAG (BGBl. I. Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 29/2009) der Antrag auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Damit hat der Bw objektiv tatbestandsmäßig gehandelt, woran auch der noch nicht rechtskräftige Ausweisungsbescheid nichts ändert.

4.3. Das FPG enthält keine eigene Regelung hinsichtlich des Verschuldens, weshalb § 5 Abs 1 VStG zur Anwendung kommt, wonach zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (Ungehorsamsdelikt).

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar. Es genügt daher fahrlässige Tatbegehung. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringung von Beweismitteln oder Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht.

Der Bw bringt diesbezüglich insbesondere die Stellung des Antrags auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung am 18. Februar 2009 vor.

Im Beschluss vom 14. September 2009, Zl. AW 2009/21/0149-5, hat der Verwaltungsgerichtshof dargelegt, dass eine Abschiebung während eines anhängigen Verfahrens nach § 44 Abs 4 NAG nicht in Betracht kommt. Dabei führte der Verwaltungsgerichtshof begründend aus:

 

"§44 Abs. 4 NAG sieht die quotenfreie Erteilung einer 'Niederlassungsbewilligung – beschränkt' unter den in dieser Bestimmung genannten weiteren Bedingungen nur für solche Drittstaatsangehörige vor, die sich im Bundesgebiet aufhalten. Daraus ist zwingend abzuleiten, dass ihnen einerseits die Befugnis zur Inlandsantragstellung zukommt und dass sie andererseits – wenn ihr Antrag nicht zurückzuweisen ist – aber auch die Entscheidung über ihren Antrag im Inland abwarten dürfen, würde doch ein Verlassen  des Bundesgebietes, sei es auch in Befolgung einer Rechtspflicht, als Konsequenz stets die Abweisung eines Antrags nach § 44 Abs. 4 NAG zur Folge haben. Damit wäre indes die durch die genannte Bestimmung bezweckte Regelung für 'Altfälle' – auch wenn gemäß den Kriterien des § 11 Abs 3 NAG ein Aufenthaltstitel nicht zu erteilen wäre (siehe dazu ErläutRV 88 BlgNR 24. GP 11) – völlig 'ausgehebelt', was dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden kann. § 44b Abs. 3 NAG, wonach Anträge – u.a. – nach § 44 Abs. 4 NAG kein Aufenthalts- oder Bleiberecht nach diesem Bundesgesetz begründen und woraus sich ergibt, dass gegen Antragsteller nach dieser Bestimmung eine Ausweisung zulässig ist, kann demnach nicht in dem Sinn verstanden werden, dass ein Drittstaatsangehöriger während eines anhängigen Verfahrens nach § 44 Abs .4 NAG zum Verlassen des Bundesgebietes verpflichtet wäre oder bei Bestehen einer Ausweisung – abgeschoben werden könnte."

Dieser Rechtsansicht folgend hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 22. Oktober 2009, Zl. 2009/21/0293, ausgeführt, dass Anträge nach den §§ 43 Abs 2, 44 Abs 3 und 4 NAG den Aufenthalt im Bundesgebiet voraussetzen und daraus zwingend das Recht abzuleiten sei, die Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung im Inland abwarten zu dürfen. Der Antragsteller darf daher während dieses Verfahrens grundsätzlich nicht abgeschoben werden.

4.4. Dem Bw kann ein schuldhaftes Verhalten nicht vorgeworfen werden, weil dem vom Verwaltungsgerichtshof postulierten "Bleiberecht nach dem NAG" zwangsläufig auch ein über den Abschiebeschutz hinausgehender Inhalt zu kommt. Für den Bw liegt nämlich eine entschuldigende Notstandssituation iSd § 6 VStG mit einem unauflöslichen Interessenkonflikt vor, wenn er einerseits zur Ausreise verpflichtet ist und andererseits aber im Inland bleiben muss, damit sein Antrag auf Verleihung eines humanitären Aufenthaltsrechtes überhaupt eine positive Erledigungschance hat.

Da der Bw im vorliegenden Fall ab dem 18. Februar 2009 berechtigt war, die Entscheidung über seinen Antrag auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung im Inland abwarten zu dürfen, kann ihm jedenfalls spätestens ab dem Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr der im angefochtenen Straferkenntnis zum Ausdruck kommende Schuldvorwurf gemacht werden. Daran ändert auch der Ausweisungsbescheid vom 20. Februar 2009 nichts. Was den übrigen Zeitraum vom 7. bis zum 18. Februar 2009 betrifft, vertritt der erkennende Verwaltungssenat die Ansicht, dass den Bw insoweit ebenfalls kein Verschulden trifft, weil es dem Bw auch nicht zumutbar war, noch am selben Tag, mit dem die Abweisung des Asylantrages rechtskräftig wurde, aus dem Bundesgebiet auszureisen. Vielmehr muss ihm auch zur Erfüllung der Ausreiseverpflichtung ein gewisser angemessener Zeitraum zur Regelung seiner Verhältnisse und zum Organisieren der Ausreise zugebilligt werden. Innerhalb dieser angemessenen Zeit kann der Bw auch einen Antrag auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung einbringen. Da der Bw gegenständlich innerhalb der kurzen Frist von bloß 12 Tagen einen solchen Antrag gestellt hatte, war nicht davon auszugehen, dass er den Zeitraum einer angemessen Überlegungsfrist überschritten hat.

Damit liegt für den gesamten Tatzeitraum vom 7. Februar 2009 bis zum 29. Oktober 2009 kein Verschulden des Bw vor, weshalb der Berufung stattzugeben und das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben war. Das Strafverfahren gegen den Bw war gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen, weil entschuldigende Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen.

5. Bei diesem Ergebnis war dem Bw gemäß 66 Abs 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich noch ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr. W e i ß

 

 

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