Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-720275/2/SR/Sta

Linz, 14.08.2010

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung der x, geboren am x, tschechische Staatsangehörige, x, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Braunau am Inn vom 1. Juni 2010, Sich40-28024, mit dem die Berufungswerberin nach dem Fremdenpolizeigesetz – FPG, BGBl. I Nr. 100/205, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 135/2009, aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich ausgewiesen worden ist, zu Recht erkannt:

Die Berufung wird abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 9 Abs. 1, 86 Abs. 1, 63 und 66 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 135/2009).

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1.1 Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Braunau am Inn vom 1. Juni 2010, GZ: Sich40-28024, wurde die Berufungswerberin (im Folgenden Bw) aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich ausgewiesen und ihr von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt.

 

Als Rechtsgrundlage werden die §§ 53 Abs. 1, 66 und 86 Abs. 2 FPG genannt.

 

Begründend führt die belangte Behörde an, dass die Bw, eine tschechische Staatsangehörige, seit 10. März 2010 in Österreich aufhältig und als Prostituierte im x, tätig sei. Lediglich in der Zeit 6. bis 14. April 2010 sei die Bw in Österreich weder gemeldet noch aufhältig gewesen.

 

Mit Schreiben vom 11. Mai 2010, Sich40-28024, habe die belangte Behörde die Bw davon in Kenntnis gesetzt, dass sie die Voraussetzungen für die Niederlassung nicht erfülle.

 

Nach Wiedergabe der einschlägigen Bestimmungen des NAG stellte die belangte Behörde fest, dass die Bw eine unselbständige Beschäftigung als Prostituierte ausübe und diese nach dem AuslBG beschäftigungsbewilligungspflichtig sei. Aus diesem Grund liege eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung in Bezug auf einen geregelten Arbeitsmarkt vor.

 

Bezüglich einer aufrechten Krankenversicherung habe die Bw einen entsprechenden Nachweis erbringen können, sodass davon auszugehen sei, dass sie vorläufig über einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz verfüge und zumindest nicht aktuell zu befürchten sei, dass im Falle einer Krankheit oder eines Unfall Mittel der öffentlichen Hand für sie aufgebracht werden müssten.  

Dabei müsse aber berücksichtigt werden, dass es sich hiebei um eine Momentaufnahme handle, da die Bw die Prämien für die Versicherung selbst zu bezahlen habe und ihr weit unter dem Sozialhilferichtsatz liegendes Einkommen sehr gering sei. Auf längere Sicht könne der Verlust des Krankenversicherungsschutzes nicht ausgeschlossen werden.

 

Die Vorschriften der gesundheitlichen Überwachung beachte die Bw.

 

Aufgrund der Feststellungen der belangten Behörde halte sich die Bw nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Die von der Bw ausgeübte Tätigkeit sei als arbeitnehmerähnlich zu qualifizieren und dafür sei eine arbeitsrechtliche Bewilligung erforderlich. So sei die Bw auch als ungarische (wohl gemeint tschechische) Bürgerin nicht berechtigt, am Arbeitsmarkt ohne arbeitsrechtliche Bewilligung unselbständig zu arbeiten. Der Verwaltungsgerichtshof habe ausgesprochen, dass die Ausübung einer Beschäftigung ohne im Besitz der nach dem AuslBG erforderlichen Berechtigung zu sein, im Hinblick auf das große öffentliche Interesse an der Verhinderung von Schwarzarbeit eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstelle, welche die Annahme rechtfertige, der weitere Aufenthalt werde die öffentliche Ordnung im Sinne des § 11 Abs. 2 Z. 1 NAG gefährden. Nach Darstellung der Einkommenssituation kam die belangte Behörde zum Ergebnis, dass die Bw nicht über ein erforderliches Einkommen verfüge und nicht auszuschließen sei, dass sie in absehbarer Zeit den inländischen Gebietskörperschaften zu Last fallen werde. Daher genieße die Bw über kein gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht für einen drei Monate übersteigenden Aufenthalt in Österreich. Durch das Verhalten der Bw in Österreich sei die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung in einem hohen Maße gefährdet. Laut ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stelle die Übertretung von fremdenpolizeilichen Vorschriften einen gravierenden Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung dar.

 

Die Interessensabwägung nach § 66 FPG habe ergeben, dass die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Ausweisung wesentlich schwerer wiegen würden als die Auswirkungen dieser Entscheidung auf die persönliche Lebenssituation der Bw. Die Bw halte sich über Monate unrechtmäßig in Österreich auf, sei ledig, kinderlos, die Eltern und Verwandten würden in Tschechien leben und sie habe das Abitur abgelegt und könne in verschiedenen Berufen arbeiten. In Österreich sei sie in keiner Weise integriert, könne weder legal am Arbeitsmarkt mitpartizipieren und verfüge auch nicht über ausreichende Mittel zum Unterhalt. Die Ausweisung sei daher dringend geboten und gemäß     § 66 FPG zulässig.

 

1.2. Mit Schriftsatz vom 28. Juni 2010 erhob die Bw innerhalb offener Frist Berufung gegen den in Rede stehenden und am 16. Juni 2010 durch Hinterlegung zugestellten Bescheid.

 

Begründend führt die Bw aus, dass sie seit dem 26. Mai 2010 im Club "x" in x arbeite. In diesem gebe es Hauspreise, die gleichzeitig ihre Preise seien. Das Entgelt werde von ihr selbst kassiert. An Miete zahle sie pro Monat 300 Euro. Eine Bestätigung über die Beantragung der Arbeitsbewilligung habe die belangte Behörde bereits. Abschließend legte die Bw eine handschriftlichte Aufzeichnung über ihre Einnahmen im Zeitraum 26.5 bis 27.6.2010 vor. 

 

2. Mit Schreiben vom 6. Juli 2010 übermittelte die belangte Behörde den Verwaltungsakt GZ Sich40-28024 samt Berufungsschrift. Von der Erlassung einer Berufungsvorentscheidung wurde Abstand genommen.

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil eine solche nicht erforderlich war, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt.

 

3.2. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.1. und 1.2. dieses Erkenntnisses dargestellten Sachverhalt aus.

 

4. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 86 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl I Nr. 135/2009 können EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige dann ausgewiesen werden (§ 53 Abs. 1), wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 1 NAG das gemeinschaftsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn sie haben bereits das Daueraufenthaltsrecht erworben; diesfalls ist eine Ausweisung unter den Voraussetzungen des § 56 zulässig.

 

Gemäß Abs. 3 leg cit ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise des Fremden wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

 

Gemäß § 53 Abs. 1 FPG können Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet der Republik Österreich aufhalten. 

 

Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist gemäß § 66 Abs. 1 leg.cit. die Ausweisung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 55 Abs. 1 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 135/2009, kommt EWR-Bürgern und ihren Angehörigen das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

 

Nach § 51 Abs. 1 NAG sind auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie

1. in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;

2. für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen müssen, oder

3. als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen.

 

4.2. Im vorliegenden Fall ist völlig unbestritten, dass die Bw als tschechische Staatsangehörige EWR-Bürger ist. 

 

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass EWR-Bürger bei einem Aufenthalt bis zu drei Monaten keines Aufenthaltstitels bedürfen, weshalb auch die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 NAG in diesem Zeitraum auch nicht geprüft werden müssen. Die Bw hält sich - wie sich aus der Aktenlage ergibt - seit 10. März 2010 in Österreich auf und seit diesem Zeitpunkt sind mehr als drei Monate verstrichen.

 

4.2.1. Der Bw kommt als EWR-Bürgerin ein Aufenthaltsrecht gemäß den §§ 51 bis 54 NAG solange zu, als sie die dort genannten Voraussetzungen erfüllt. Im vorliegenden Fall ist die zweite Alternative des § 55 Abs. 3 einschlägig, nämlich dass die Bw keine Nachweise über ausreichende Existenzmittel erbracht hat. Sollte dies zutreffen, ist eine Ausweisungsentscheidung nach dieser Bestimmung grundsätzlich zulässig.

 

Am 26. April 2010 beantragte die Bw bei der belangten Behörde die Ausstellung einer Anmeldebescheinigung für EWR-Bürger und eine Aufenthaltskarte und teilte mit, dass sie als Selbständige in Österreich tätig sei. Als Beweismittel legte die Bw einerseits eine handschriftliche Aufstellung vor, wonach sie als Prostituierte im März 680 Euro und im April 555 Euro verdient habe und andererseits eine Auftragsbestätigung über die Einzahlung von 98,34 Euro an die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Versicherungsnummer 5975 020573. Bei der anschließenden niederschriftlichen Befragung schilderte die Bw ausführlich die Abläufe im "Club", die Preis- und Arbeitsgestaltung und ihre Zahlungsverpflichtungen. Mit der Beilage zur Berufungsschrift (handschriftliche Aufzeichnung über Einnahmen in der Zeit vom 26. Mai bis 27. Juni 2010) zeigt die Bw auf, dass sie vom 26. bis zum 28. Mai 2010 insgesamt 480 Euro und vom 7. bis zum 27. Juni 2010 insgesamt 1650 Euro verdient habe. Für die nicht angesprochenen Zeiträume hat die Bw keinerlei Aufzeichnungen und auch keine Aufstellung vorgelegt. Es ist daher davon auszugehen, dass sie während dieser Zeit keine Einkünfte hatte. Ihrem Vorbringen folgend, hatte die Bw pro Monat Fixkosten in der Höhe von mindestens 648,34 Euro (300 Euro Miete, 250 Euro Steuer und 98,34 Euro Sozialversicherung).

 

Zur Berechnung der ausreichenden Existenzmittel kann der Sozialhilferichtsatz als Anhaltspunkt herangezogen werden.

In den Materialen (Regierungsvorlage – 330 der Beilagen XXIV.GP [Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009 – FrÄG 2009]) wird zu Z. 60 (§ 51 NAG) wie folgt ausgeführt:

"Wie bisher lässt die neue Z 2 des Abs. 1 für EWR-Bürger und deren Angehörige, die ihr gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch nehmen, auf Grund von `EU-Vorgaben´ weniger `strenge Regeln´ betreffend die ausreichenden Existenzmittel gelten. Da sich hier das Aufenthaltsrecht direkt aus dem Gemeinschaftsrecht ergibt, werden keine Aufenthaltstitel rechtsbegründend erteilt, sondern vielmehr Dokumentationen ausgestellt.

 

Zwar müssen auch gemeinschaftsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger nachweisen, dass sie über ausreichende Existenzmittel zur Bestreitung des Lebensunterhaltes verfügen (es dürfen keine Sozialhilfeleistungen in Anspruch genommen werden), jedoch dürfen keine diesbezüglichen festen Richtsätze (direkt oder indirekt) festgelegt werden 8aRT (Art 8 Abs. 4 Freizügigkeitsrichtlinie).

 

Aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 2006/18/0032 vom 13. März 2007) ergibt sich dazu nach wie vor, dass zur Berechung der ausreichenden Existenzmittel für gemeinschaftsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger die Sozialhilferichtsätze als Anhaltspunkte herangezogen werden können, wobei die Berechnung der erforderlichen Unterhaltsmittel selbst, unter Berücksichtigung und Abwägung der individuellen konkreten Umstände einzelfallbezogen zu erfolgen hat (siehe auch C-408/03 Kommission gg. Belgien para 40 ff).

 

Konkretisierend legen nun erneut die Leitlinien der Europäischen Kommission zur Auslegung und Umsetzung der Freizügigkeitsrichtlinie vom 3. Juli 2009 (COM[2009] 313 final) klar, dass zur Beurteilung der Frage, ob ausreichende Existenzmittel zur Verfügung stehen, primär darauf abzustellen ist, ob der EWR-Bürger (und die Familienangehörigen, die ihre Rechte auf Aufenthalt von diesem ableiten), die nationalen Kriterien für den Bezug von Sozialhilfe erfüllen würde.

 

EWR-Bürger verfügen demnach nur dann über ausreichende finanzielle Mittel, wenn das Ausmaß dieser Mittel höher ist, als der Grenzwert, unter welchem Sozialhilfe gewährt wird. Die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel müssen dabei nicht periodisch sein und können auch in der Form von akkumuliertem Kapital vorhanden sein. Für die durchzuführende `Verhältnismäßigkeitsprüfung´ bezüglich der Feststellung der erforderlichen finanziellen Mittel sind als maßgebliche Kriterien `Dauer, persönliche Situation und Summe´ vorgesehen."

 

Zutreffend hat sich die belangte Behörde auf den Sozialhilferichtsatz in der Höhe von 577,50 Euro bezogen, die Kosten für die Miete dazugerechnet und so die Summe von 877,50 Euro errechnet. Für den Fall der Überschreitung dieses Wertes wäre die belangte Behörde von ausreichenden Existenzmitteln ausgegangen, wenn auch diese auf Dauer gesichert wären und die persönliche Situation der Bw nicht dagegen gesprochen hätte.

 

Wie der Regierungsvorlage zu entnehmen ist, müssen die Mittel nicht periodisch zur Verfügung stehen, sondern sie könnten auch in Form von akkumuliertem Kapital vorhanden sein. Nach der Aktenlage und den unbestritten gebliebenen Feststellungen der belangten Behörde verfügt die Bw – abgesehen von dem noch nicht zur Auszahlung heranstehenden Bausparvertrag – über kein Sparguthaben und keine nennenswerte Barschaft (40 Euro am 26. April 2010; Schulden bei Prostituierten im Club, die kurzfristig beglichen werden). Im Gegenteil, sie hat noch Schulden in x, wobei sie bei Zahlungsverzug von der Familie unterstützt wird. Da mangels eines zur Verfügung stehenden Kapitals größere Einkommensschwankungen nicht ausgeglichen werden können, müssen die "periodischen Einnahmen" einer genaueren Beurteilung unterzogen werden. Die vorgelegten und nicht überprüfbaren Aufstellungen über die großteils unregelmäßigen und stark schwankenden Einnahmen liegen überwiegend unter den als ausreichend angesehenen Existenzmitteln (März 2010: 680 Euro, April 2010: 555 Euro; Mai 2010: 480 Euro und Juni 2010: 1650 Euro). Auch wenn nunmehr im Juni 2010 ein deutlich höheres Einkommen behauptet wurde, kann im Hinblick auf die beabsichtigte berufliche Änderung (Saisonarbeit ab Juli 2010 in der Hotel Pension Haus x) ein dauerhaftes Einkommen in dieser Höhe nicht als gesichert angesehen werden, zumal die Bw weder die zukünftigen Einkommensverhältnisse bekannt gegeben hat noch feststeht, ob sie diese Arbeitsstelle auch tatsächlich antreten kann.

 

4.2.2. Zur dargelegten Einkommenssituation ist überdies anzumerken, dass die Bw das derzeitige Einkommen nicht aus einer legalen Beschäftigung bezogen hat. 

 

Dem Vorbringen der Bw – Selbständige - steht die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entgegen, wonach eine Tätigkeit als Prostituierte in einem Bordell in der Regel in ähnlicher wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit erbracht wird wie in einem Arbeitsverhältnis. In einem solchen Fall ist die Behörde berechtigt, von einem Dienstverhältnis oder einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis, somit von einer Beschäftigung iSd § 2 Abs. 2 AuslBG auszugehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegen stehen (vgl. VwGH 2007/09/0231 v. 29.11.2007).

 

In den von der Bw genannten "Clubs" bieten Prostituierte ihre Dienste an. Der Geschäftszweck des Lokals besteht neben dem Barbetrieb in der Vermietung von Zimmern an die Prostituierten. Aus beiden Komponenten erwirtschaftet der Lokalbetreiber seinen Umsatz. Kunden die ein derartiges Lokal betreten, erwarten erfahrungsgemäß Kontakt mit Prostituierten aufnehmen zu können. Ohne die Anwesenheit von Prostituierten würde daher der Geschäftszweck des Lokals nicht verwirklicht. Trotz des Umstandes, dass der Lokalbetreiber zusätzlich Umsätze aus dem Barbetrieb erwirtschaftet und für die Prostituierten keine Anwesenheit im Lokal gefordert wurde sondern diese während der Betriebszeiten des Lokals die Möglichkeit hatten, die Prostitution nach von ihnen bestimmten (auf Hauspreise abgestimmten) Preisen auszuüben, ist doch im weitesten Sinn im Hinblick auf den oben geschilderten Zweck dieser Clubs von einer planmäßigen Eingliederung der Bw in die Betriebsorganisation des bezeichneten Lokals auszugehen. Fest steht auch, dass der Bw im Clubbereich eine Wohnmöglichkeit zur Verfügung gestellt worden ist.

 

Diese Umstände zeigen, unabhängig davon, dass die Bw in ihrer Zeiteinteilung teilweise frei gewesen ist, in ihrer Gesamtheit eine wirtschaftliche und organisatorische Verknüpfung mit dem Betrieb des Lokalbetreibers. In diesem Sinne ist daher festzuhalten, dass im gegenständlichen Fall nicht jene atypischen Umstände dargelegt wurden, die zur Annahme gereichen würden, dass die Bw nicht in ähnlicher wirtschaftlicher oder persönlicher Abhängigkeit tätig wurde, wie dies in der Regel bei Arbeitnehmern der Fall ist. Die Tätigkeit der Bw, die laut eigenen Angaben im vorliegenden Lokal der Prostitution nachgegangen ist, stellt sich daher für den Unabhängigen Verwaltungssenat in Anlehnung an die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes als eine bewilligungspflichtige, arbeitnehmerähnliche Tätigkeit iSd § 2 Abs.2 lit.b AuslBG dar. Gegen die Qualifikation als arbeitnehmerähnliche Tätigkeit kann nicht die Entgeltleistung durch Dritte, das Fehlen eines Provisionsanspruchs für Animation zu Getränken, und die Bezahlung einer fixen Zimmermiete eingewendet werden (vgl. VwGH 2005/09/0086 v. 9.10.2006). Die Weisungsunabhängigkeit der Bw stünde der Annahme eines Arbeitsverhältnisses, nicht jedoch der Feststellung eines arbeitnehmerähnlichen Verhältnisses entgegen. Die Zurverfügungstellung eines Zimmers nicht nur zu Wohn- sondern auch zur Nutzung zu Prostitutionszwecken stellt eine atypische Konstruktion für eine Zimmervermietung dar, wodurch eine Bindung iS einer wirtschaftlichen Abhängigkeit gegeben ist. Gleichgültig, wie man diese Konstruktion auffasst, ist festzuhalten, dass die Zurverfügungstellung des Zimmers für Prostitutions- und Wohnzwecke der wirtschaftlichen Interessenslage folgend die Dauer der Geschäftsbeziehung zwischen dem Vermieter und der Bw bestimmt. Eine untätige Prostituierte wird sich nicht lange ihrer Position als Mieterin erfreuen. Auch dies ist als Moment wirtschaftlicher Abhängigkeit zu werten. Darüber hinaus ist festzustellen, dass diese Konstruktion, ebenfalls typisch für ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis, auf Regelmäßigkeit des Tätigwerdens der Bw angelegt ist.   

 

4.3. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Ausweisung der Bw in § 86 Abs. 2 FPG und § 55 Abs. 1 NAG Deckung findet. Ein Daueraufenthaltsrecht hat die Bw bisher nicht erworben.

 

Die vorgesehene Ausweisung ist auch unter den Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit und des gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleisteten Grundrechts auf den Schutz des Privat- und Familienlebens zu beurteilen.

 

4.4.1. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist allerdings ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK sind gemäß der mit 1. April 2009 novellierten Fassung des § 66 Abs. 2 FPG insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3. die Schutzwürdigkeit des Privat- und Familienlebens;

4. der Grad der Integration;

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren.

 

Nach Abs. 3 leg. cit. ist über die Zulässigkeit der Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Ausweisung schon allein aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein gemeinschaftsrechtliches oder unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

4.4.2. Die Verhängung der Ausweisung greift im vorliegenden Fall, wenn überhaupt, dann nur am Rande in das Privat- und Familienleben der Bw ein.

 

Die Bw hält sich laut Aktenlage seit 10. März 2010 in Österreich auf und ist als Prostituierte tätig, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Die Anwesenheit in Österreich dient ausschließlich diesem Zweck. Abgesehen von den berufsbedingten Beziehungen verfügt die Bw in Österreich über keinerlei soziale Anknüpfungspunkte. Zeiten, in denen sie nicht ihrer beruflichen Betätigung nachgeht, verbringt sie bei ihrer Familie in x.

 

Da die Bw den Aufenthalt in Österreich nur zur Berufsausübung nützt, augenscheinlich darüber hinaus keine Integrationsschritte gesetzt hat und sich ihr privates und familiäres Umfeld in x befindet, kann auch im Hinblick auf den weniger als ein halbes Jahr andauernden Aufenthalt ein Eingriff in das Familien- und Privatleben nicht erkannt werden.

 

Die Ausweisung hat für die Bw keine einschneidenden Auswirkungen zur Folge, da die Sperrfrist des § 73 FG auf EWR-Bürger keine Anwendung findet, sie im Falle der Bewilligung des von ihr angestrebten Antrages (Saisonarbeitsbewilligung) in Salzburg und bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen (z.B.: §§ 51ff NAG) ihr Aufenthaltsrecht wieder in Anspruch nehmen kann.

 

Der belangten Behörde folgend erachtet das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Verhängung einer Ausweisung als bedeutender.

 

4.5. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigen Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Eingabegebühren in Höhe von 16,80 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

Mag. Christian Stierschneider

 

 

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