Linz, 17.08.2010
E r k e n n t n i s
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn X, gegen die Straferkenntnisse der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 29. Juni 2010, Zl. BauR96-143-2008/Va, wegen Übertretungen des KFG, zu Recht:
I. Die Berufung wird im Schuldspruch als unbegründet abgewiesen; im Strafausspruch wird der Berufung jedoch mit der Maßgabe Folge gegeben, dass die Geldstrafe auf 80 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 36 Stunden ermäßigt wird.
II. Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten ermäßigen sich im erstzitierten Verfahren auf 8 Euro. Für das Berufungsverfahren entfällt der Verfahrenskostenbeitrag.
Rechtsgrundlagen:
I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009 – AVG iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009 – VStG.
II.: § 66 Abs.1 VStG
Entscheidungsgründe:
2. Dem tritt der Berufungswerber mit der fristgerecht erhobenen Berufung entgegen und vermeint sinngemäß er habe per FAX die Umstände des der Anfrage zu Grunde liegenden Deliktes (fehlende Mautvignette) gegenüber der anfragenden Behörde geklärt. Die Sache sei ihm als erledigt signalisiert worden.
Dabei sei gegenüber der damaligen Kollegin klargestellt worden, dass er ein paar Tage auf die Bestätigung des Autohauses warten habe müssen, worauf diese gesagt habe das dies kein Problem sei.
Nachdem er der Behörde die Bestätigung des Autohauses X gefaxt habe, habe er mit der damals zuständigen Kollegin [gemeint Sachbearbeiterin der Behörde] abermals gesprochen. Diese habe ihm dann gesagt hat, dass die Sache erledigt wäre.
Diese Auskunft habe er von der Behörde am 03.06.2008 bekommen. Daher sei der Fall für ihn erledigt gewesen.
Es könne daher nicht sein, dass er fast zwei Jahre später eine Strafe in der Höhe von Euro 330,00 bezahlen müsse.
Er wolle eine Erklärung warum erst gesagt worden sei die Sache wäre erledigt und er nun dafür bezahlen sollte.
3. Die Behörde erster Instanz hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt; damit wurde die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates begründet. Dieser hat, da jeweils keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte angesichts der Beantwortung des h. Parteiengehörs unterbleiben (§ 51e Abs.1 Z1 VStG).
4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die von der Behörde erster Instanz vorgelegten Verfahrensakte in Verbindung mit ergänzenden Feststellungen anlässlich des Parteiengehörs.
5. Aktenlage:
Eingangs ist festzustellen, dass der Berufungswerber am 1.4.2008 zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers iSd § 103 Abs.2 KFG aufgefordert wurde. Dieses Schreiben wurde ihm gemäß Rückschein am 11.4.2008 bei eigenhändiger Übernahme zugestellt.
Diesem Schreiben lag die Anfrage zu Grunde wer am 14.1.2008 um 08:16 Uhr den Pkw X auf der A7 in Richtung Linz gelenkt hat.
Auf die Strafbarkeit einer Nicht- oder Falschauskunft war hingewiesen worden.
Dieser Aufforderung wurde jedoch erst am 2.6.2008 mit der Namhaftmachung seiner Person als Lenker nachgekommen.
Ebenso festzustellen gilt es, dass die der Anfrage zu Grunde liegende Verdachtslage gegen den Berufungswerber ausgeräumt werden konnte. Sich sohin die Nichtbeantwortung der Anfrage auf sich selbst reduziert, d.h. damit niemand der rechtmäßigen Strafverfolgung entzogen wurde.
Damit setzt sich die Behörde erster Instanz im wohl breit ausgeführten, jedoch sich nur abstrakte Aspekte beschränkenden Straferkenntnis nicht auseinander, nachdem aus sachlich nicht nachvollziehbaren Gründen der Akt fast zwei Jahre unbewegt gebliebenen ist.
6. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:
Die Behörde kann Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer – im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung – zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück (§ 103 Abs.2 KFG).
6.1. Der Berufungswerber übersieht in seinem Berufungsvorbringen wohl, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG 1967 die Absicht des Gesetzgebers zu Grunde liegt sicherzustellen, dass der verantwortliche Lenker eines Fahrzeuges bzw. die Person, die ein Fahrzeug zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort gelenkt oder abgestellt hat, jederzeit ohne langwierige und umfangreiche Erhebungen von der Behörde festgestellt werden kann (vgl. etwa das Erkenntnis vom 5. Juli 1996, Zl. 96/02/0075 mwN).
Das Aufforderungsschreiben ließ betreffend das Auskunftsbegehren die hierfür eröffnete Frist von zwei Wochen durch eintsprechende texliche Hervorhebung in zweifelsfreier Deutlichkeit erkennen (VwGH 16.12.1998, Zl. 98/03/0249, mit weiterem Judikaturhinweis).
Andererseits wertete hier die Behörde erster Instanz den offenkundig nachfolgenden Wegfall des Anfragegrundes nicht, sodaß im Ergebnis der weitgehend wegfallende Tatunwert die verspätet erteilte Auskunft auf einen reinen Formalverstoß reduzierte.
Das monatliche Einkommen des Berufungswerbers war nunmehr schätzungsweise mit nur € 1.200,-- anzunehmen.
6.2. Zur Strafzumessung:
Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, in wie weit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Nach § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechts sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Gemäß § 134 Abs.1 KFG beträgt die gesetzliche Höchststrafe für die gegenständliche Übertretung 5.000 Euro.
Mit der hier verspätet erteilten Auskunftsverweigerung wurde im Gegensatz zum Regelfall die Ahndung einer Verwaltungsübertretung offenkundig nicht vereitelt. Daher treffen insbesondere die von der Behörde erster Instanz ins Treffen geführten Überlegungen der Prävention nicht zu. In der Substanz wurde auch keinen öffentlichen Interessen zuwider gehandelt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides so weit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist. § 19 Abs.1 VStG enthält somit jene objektiven Kriterien, die Grundlage für jede Strafbemessung sind. Darüber hinaus normiert Abs.2 für das ordentliche Verfahren eine Reihe weiterer subjektiver Umstände.
Zutreffend wertete die Behörde erster Instanz die Unbescholtenheit des Berufungswerbers als strafmildernd.
Im Ermittlungsverfahren sind jedoch zusätzlich folgende mildernde Umstände zur Strafbemessung zutage getreten: Neben der Unbescholtenheit und der Tatsache, dass der Berufungswerber offenbar mit gutem Grund die Sache als erledigt glaubte und er letztlich die ohne nachteiligen Folgen bleibende Auskunft nicht fristgerecht erteilte.
Seitens des Unabhängigen Verwaltungssenates wird zusätzlich auch die überlange Dauer des Verwaltungsverfahrens als mildernd gewertet. Offenbar gelangte der Akt bei der Behörde erster Instanz vom 4.9.2008 [Parteiengehör über die Schätzung der wirtschaftlichen Verhältnisse] bis 29.6.2010 [Einholung einer Meldeauskunft] außer Evidenz.
Diesbezüglich hat der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 26. Juni 2008, Zl. B304/07 ausgesprochen, dass die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach der Rechtsprechung des EGMR nicht abstrakt, sondern im Lichte der besonderen Umstände jedes einzelnen Falles zu beurteilen ist. Die besonderen Umstände des Einzelfalles ergeben sich aus dem Verhältnis und der Wechselwirkung verschiedener Faktoren. Neben Faktoren, welche die Verfahrensdauer beeinflussen, nämlich die Schwierigkeit des Falles, das Verhalten des Beschwerdeführers und das Verhalten der staatlichen Behörden in dem bemängelten Verfahren, ist auch die Bedeutung der Sache für den Beschwerdeführer relevant (vgl. VfSlg. 17.307/2004; 17.582/2005, 17.644/2005). Nicht eine Verfahrensdauer schlechthin führt zu einer Verletzung, sondern nur eine Verzögerung, die auf Versäumnis der staatlichen Organe zurückzuführen ist. Der Rechtsprechung des EGMR ist daher keine fixe Obergrenze für die Angemessenheit der Verfahrensdauer zu entnehmen, ab deren Überschreitung jedenfalls eine Verletzung des Art.6 Abs.1 EMRK anzunehmen wäre (vgl. VfSlg. 16.385/2001 mH auf die Rechtsprechung des EGMR).
Die Strafe war demnach schuldangemessen zu reduzieren.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
H i n w e i s:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r