Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281181/2/Re/Rd/Sta

Linz, 16.07.2010

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Werner Reichenberger über die Berufung des x, vertreten durch x, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 21. Juli 2009, Ge96-12-2009, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem Arbeitszeitgesetz  zu Recht erkannt:

 

 

I.       Anlässlich der Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.     Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z3 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG.

zu II.: § 66 Abs.1  VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 21. Juli 2009, Ge96-12-2009, wurden über den Berufungswerber Geldstrafen von 200  Euro, EFS 24 Stunden (Fakten 1 und 2), 100 Euro, EFS 12 Stunden (Fakten 3 und 4) und 110 Euro, EFS 12 Stunden (Faktum 5), wegen Verwaltungsübertretungen gemäß Art.8 Abs.4 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 iVm § 28 Abs.4 Z3 AZG, BGBl. Nr. 461/1969 idF BGBl. I Nr. 124/2008 (Faktum 1a), Art.6 Abs.1 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 iVm § 28 Abs.4 Z1 AZG (Faktum 1b), Art.6 Abs.3 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 iVm § 28 Abs.4 Z1 AZG (Faktum 1c), Art.6 Abs.1 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 iVm § 28 Abs.4 Z1 AZG (Faktum 2a) und Art.8 Abs.4 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 iVm § 28 Abs.4 Z3 AZG (Faktum 2b) verhängt.

 

Nachstehender Tatvorwurf wurde dem Berufungswerber im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses zur Last gelegt:

 

"Sie haben es als gewerberechtlicher Geschäftsführer der x, x, der Arbeitgeberin zu verantworten, dass wie im Zuge einer Überprüfung von digitalen Daten aus Kontrollgerät/Fahrerkarte durch ein Organ des Arbeitsinspektorates Linz am 03.03.2009 festgestellt wurde,

1) der Arbeitnehmer (Kraftwagenlenker) x

         a) vom 30.09.2008 bis 01.10.2008 eine tägliche Ruhezeit von 8 Stunden 25 Minuten und vom 03.10.2008 bis 04.10.2008 eine tägliche Ruhezeit von 8 Stunden 11 Minuten in  Anspruch genommen hat, obwohl die tägliche Ruhezeit ununterbrochen mindestens 9 Stunden zu betragen hat,

         b) vom 30.09.2008 bis 01.10.2008 zu einer Tageslenkzeit von 17 Stunden 10 Minuten, am 14.10.2008 zu einer Tageslenkzeit von 11 Stunden 03 Minuten, am 20.10.2008 zu einer Tageslenkzeit von 10 Stunden 58 Minuten herangezogen wurde, obwohl die tägliche Lenkzeit 9 Stunden bzw höchstens zweimal in der Woche 10 Stunden nicht überschreiten darf,

         c) vom 27.10. bis 09.11.2008 zu einer Gesamtlenkzeit von 96 Stunden 13 Minuten herangezogen wurde, obwohl die summierte Gesamtlenkzeit während zweier aufeinander folgender Wochen 90 Stunden nicht überschreiten darf und

2) der Arbeitnehmer (Kraftwagenlenker) x

         a) am 13.10.2008 zu einer Tageslenkzeit von 10 Stunden 28 Minuten, am 16.10.2008 zu einer Tageslenkzeit von 10 Stunden 52 Minuten, am 21.10.2008 zu einer Tageslenkzeit von 11 Stunden 20 Minuten herangezogen wurde, obwohl die tägliche  Lenkzeit 9 Stunden bzw höchstens zweimal in der Woche 10 Stunden nicht überschreiten darf,

         b) vom 21.10.2008 bis 22.10.2008 eine tägliche Ruhezeit von 7 Stunden 41 Minuten, vom 23.10.2008 bis 24.10.2008 eine tägliche Ruhezeit von 7 Stunden 59 Minuten, vom 20.11.2008 bis 21.11.2008 eine tägliche Ruhezeit von 7 Stunden 55 Minuten in Anspruch nehmen konnte, obwohl die tägliche Ruhezeit ununterbrochen mindestens 9 Stunden zu betragen hat."       

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und die Aufhebung des Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.

Begründend wurde hiezu im Wesentlichen ausgeführt, dass vom Lenker x das Umstellen auf den Modus "Ruhezeit" am Tachographen lediglich vergessen wurde. Durch Nachschau auf dem entsprechenden Schaublatt seitens der belangten Behörde hätte dieser Vorwurf jederzeit entkräftet werden können, zumal auf dem Schaublatt keine Fahrtbewegungen aufgezeichnet waren und vom Lenker auch keinerlei Arbeiten verrichtet wurden. Dies gilt auch für den Tatvorwurf der Lenkzeitüberschreitung durch den Lenker x. Im Übrigen verhält es sich bei den Tatvorwürfen betreffend den Lenker x ebenso. Auf Details zu den einzelnen Tatvorwürfen soll hier mangels Entscheidungsrelevanz nicht eingegangen werden.

  

3. Die Bezirkshauptmannschaft Perg als belangte Behörde  hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2) die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, dh, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass  er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Gemäß  § 31 Abs.1 und 2 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von sechs Monaten (gemäß § 28 Abs.4 AZG von einem Jahr) von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung.

 

Es muss  daher die Tat unter Anführung aller wesentlicher Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, Seite 1522 ff).

 

4.2. Im gegenständlichen Fall entspricht die Individualisierung der Tat im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses nicht dem Bestimmtheitsgebot des § 44a Z1 VStG. Dies aus folgenden Gründen:

 

Zum Tatzeitraum 30.9.2008 bis 21.11.2008 stand die Verordnung (EG) Nr. 561/2006 bereits seit 11.4.2007 in Geltung. Gemäß Artikel 2 Abs.1 gilt diese Verordnung:

lit.a: für Güterbeförderung mit Fahrzeugen, deren zulässige Höchstmasse einschließlich Anhänger oder Sattelanhänger 3,5t übersteigt oder

lit.b:  für Personenbeförderung mit Fahrzeugen, die für die Beförderung von mehr als neun Personen einschließlich des Fahrers konstruiert oder dauerhaft angepasst und zu diesem Zweck bestimmt sind.

 

Dem Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses fehlen sowohl die Angabe des Tatbestandsmerkmales des höchstzulässigen Gesamtgewichtes des gegenständlichen Fahrzeuges von über 3,5 Tonnen als auch der Umstand der stattgefundenen "Güterbeförderung" mit Fahrzeugen. Beide Angaben stellen sohin essentielle Tatbestandselemente im Grunde des § 44a VStG dar und hätten daher in den Spruch des nunmehr angefochtenen Straferkenntnisses Eingang zu finden gehabt.

Ausdrücklich hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die aktuelle Formulierung des Geltungsbereiches der anzuwendenden, oben zitierten Verordnung  (EG) Nr. 561/2006 gegenüber der entsprechenden Formulierung der Vorgängerverordnung EG 3820/85, Art.4 Z.1, wo diese Elemente noch als - ein gesetzliches Verbot einschränkende - Ausnahmeregelungen normiert waren.

 

Entsprechende fristgerechte Verfolgungshandlungen in Bezug auf diese Elemente konnten dem vorgelegten Verwaltungsstrafakt nicht entnommen werden, sodass es dem Oö. Verwaltungs­senat verwehrt war, eine entsprechende Spruchergänzung durchzuführen.

 

Unbeschadet dessen ist noch anzuführen, dass der Spruch mit noch weiteren – wenngleich einer Verbesserung zugänglichen – Mängeln behaftet ist:

 

So wurde der Berufungswerber im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses in seiner Funktion als gewerberechtlicher Geschäftsführer der x , nicht jedoch als handelsrechtlicher Geschäftsführer dieser Gesellschaft zur Verantwortung gezogen. Der gewerberechtliche Geschäftsführer jedoch ist nur für die Einhaltung gewerberechtlicher, nicht aber auch für die anderer Verwaltungsvorschriften – wie etwa arbeitnehmerschutzrechtliche Bestimmungen - verantwortlich (vgl. VwGH 27.5.1993, 93/18/0054).

 

Weiters gilt die oben bereits zitierte Verordnung (EG) Nr. 561/2006 gem. Art.2 unabhängig vom Land der Zulassung des Fahrzeugs für Beförderungen im Straßenverkehr:

a) ausschließlich innerhalb der Gemeinschaft oder

b) zwischen der Gemeinschaft, der Schweiz und den Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum.

In diesem Zusammenhang ist es entsprechend der Rechtssprechung erforderlich, in den Spruch des Straferkenntnisses das Tatbestandselement "nationaler oder internationaler (innergemeinschaftlicher) Straßenverkehr" aufzunehmen. Diese Spruchergänzung wäre im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erforderlich und auch zulässig, weil die Frage "nationaler oder internationaler Straßenverkehr" die rechtliche Beurteilung der Tat betreffe (VwGH vom 21.3.2006, Zl. 2003/11/0028). Demnach stellt diese Frage zwar kein notwendiges Element der Verfolgungshandlung dar, muss jedoch  im Spruch des Strafbescheides sehr wohl zum Ausdruck kommen.

Diese Spruchkorrekturen durch den Oö. Verwaltungssenat wären aber nur im falle einer sonstigen Bestätigung des angefochtenen Straferkenntnisses zu veranlassen gewesen.

 

Auf Grund der dargestellten Sach- und Rechtslage war der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

5. Auf Grund dieses Ergebnisses des Berufungsverfahrens entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge gemäß § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro  zu entrichten.

 

 

 

Dr. Reichenberger

 

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