Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231102/2/SR/Sta

Linz, 30.07.2010

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des x, geboren am x, Staatangehöriger von Indien, vertreten durch Rechtsanwältin x, x, gegen das Straferkenntnis des Polizeidirektors von Linz vom 22. April 2010, GZ S-21.578/09-2, wegen einer Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes zu Recht erkannt:

I.       Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 2 Z. 2 VStG eingestellt.

II.     Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor der Behörde erster Instanz noch zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 24, 45 Abs 1 Z 2, 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm § 66 Abs 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrensgesetz 1991 – AVG;

zu II: § 66 Abs. 1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem Straferkenntnis des Polizeidirektors von Linz vom 22. April 2010, GZ S-21.578/09-2, wurde der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wie folgt für schuldig erkannt und bestraft:

 

"Wie vom Fremdenpolizeilichen Referat der BPD Linz am 16.04.2009 anlässlich einer fremdenpolizeilichen Überprüfung festgestellt wurde, sind Sie Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes und Sie halten sich seit 08.07.2008 unrechtmäßig im Bundesgebiet von Österreich auf, da Sie weder aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz noch aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind, Sie nicht im Besitze eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, Ihnen eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz nicht zukommt und Sie nicht Inhaber einer Beschäftigungsbewilligung, Entsendebewilligung oder Anzeigebestätigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz sind."

 

Dadurch habe der Bw eine Verwaltungsübertretung nach § 120 Abs. 1 Z. 2 FPG iVm § 31/1 Z. 2-4 u. 6 FPG begangen.

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Bw gemäß § 120 Abs. 1 FPG eine Geldstrafe von 80 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden, verhängt.   

 

Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensablaufes und der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen stand für die belangte Behörde fest, dass der Bw mangels österreichischer Staatsbürgerschaft Fremder iSd FPG sei und über keine Aufenthaltsberechtigung nach dem NAG verfüge. Weiters sei der Bw nicht Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels und es komme ihm kein Aufenthaltsrecht nach den asylrechtlichen Bestimmungen zu. Da für ihn auch keine Beschäftigungsbewilligung oder Anzeigebestätigung nach dem AuslBG ausgestellt worden sei, erfülle er keine der Voraussetzungen des § 31 Abs 1 FPG. Er halte sich somit nicht rechtmäßig im Bundesgebiet von Österreich auf.

 

Vom Fremdenpolizeilichen Referat der Bundespolizeidirektion Linz wurde daher mit Bescheid vom 24. April 2008 gegen den Bw die Ausweisung angeordnet.

 

Hinsichtlich der Zulässigkeit eines Verwaltungsstrafverfahrens sei festzustellen, dass der VwGH bereits eindeutig entschieden habe, dass der Aufenthalt eines Fremden erst mit der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung und nicht schon nach der Stellung eines darauf abzielenden Antrages rechtmäßig sei. Zu dem angeführten Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 44 Abs. 3 NAG werde ausgeführt, dass Anträge gemäß § 44b Abs. 3 nach § 44 Abs. 3 und 4 NAG kein Aufenthalts- und Bleiberecht begründen würden.

 

Für die belangte Behörde stehe daher fest, dass sich der Bw tatsächlich unrechtmäßig im Bundesgebiet von Österreich aufgehalten und somit gegen die angeführten Bestimmungen des FPG verstoßen habe, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

 

Wie der Verwaltungsgerichtshof in mehreren Erkenntnissen ausgesprochen habe, bestehe ein hohes Interesse der Allgemeinheit an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch die Normadressaten im Hinblick auf den Schutz der öffentlichen Ordnung (VwGH vom 19. Februar 1997, Zl. 96/21/0516, u. a.).

 

In diesem Sinne sei bei der Bemessung der Strafe das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung diene, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen habe, berücksichtigt worden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse seien ebenfalls beachtet worden.

2. Gegen das Straferkenntnis, das der Rechtsvertreterin des Bw am 26. April 2010 zugestellt wurde, richtet sich die vorliegende, per Fax am 10. Mai 2010 – und damit rechtzeitig – bei der belangten Behörde eingebrachte Berufung.

In der Berufung behauptete der Bw zunächst wesentliche Verfahrensfehler (mangelhafte Konkretisierung der Tat; fehlender Hinweis auf die angewendete Fassung des FPG; Verletzung des Bw in seinem Recht nach § 1 Abs. 1 VStG). In der Folge bezog sich der Bw auf die Judikatur der Höchstgerichte, wonach einer Person zugestanden werden müsse, das Ergebnis eines Antrages auf Niederlassungsbewilligung im Bundesgebiet abwarten zu dürfen. Der diesbezügliche Antrag sei bereits 2008 beim Magistrat der Landeshauptstadt Linz eingebracht worden. 

Vor diesen Hintergründen erweise sich die Bestrafung des Bw durch die Bundespolizeidirektion Linz als rechtswidrig und einer Aufhebung zugänglich. Das Strafverfahren sei daher zur Einstellung zu bringen.

Schließlich stellt der Bw die Anträge, der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich möge den bekämpften Bescheid ersatzlos beheben, in eventu den Bescheid aufheben und zur neuerlichen Entscheidung an die Bundespolizeidirektion Linz zurückverweisen, in eventu nach § 21 VStG eine Ermahnung aussprechen, in eventu die Strafe herabsetzen.

3.1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat den Verwaltungsstrafakt, GZ S-21.578/09-2, samt Berufungsschrift ohne vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung Gebrauch zu machen – dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 25. Mai 2010 zur Entscheidung vorgelegt.

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt und die Berufung. Gemäß § 51e Abs 2 Z 1 VStG konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der mit der Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

3.2.  Aus den genannten Beweismitteln ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich folgender Sachverhalt, der seiner Entscheidung zugrunde liegt:

Der Bw, indischer Staatsangehöriger, reiste illegal nach Österreich ein und hält sich durchgehend seit 2. September 2003 im Bundesgebiet auf. Der von ihm gestellte Asylantrag wurde mit 20. Februar 2008 rechtskräftig abgewiesen.

Das Fremdenpolizeiliche Referat der Bundespolizeidirektion Linz erstattete am 16. April 2009 Anzeige gegen den Bw, weil er sich seit der rechtkräftigen negativen Abweisung des Asylantrags rechtswidrig im Bundesgebiet aufhalte.

Der Polizeidirektor von Linz erließ am 30. Juni 2009 gegen den Bw eine Strafverfügung, in der ihm vorgeworfen wurde, sich seit 8. Juli 2008 rechtswidrig im Bundesgebiet aufzuhalten, und verhängte über den Bw eine Geldstrafe von 80 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden).

Gegen diese Strafverfügung, die dem Bw am 4. Juli 2009 durch Hinterlegung zugestellt wurde, erhob der Bw mit Schreiben vom 15. Juli 2009 Einspruch. Darin führte der Bw aus, dass der in der Strafverfügung dargelegte Sachverhalt nicht mit dem tatsächlichen Lebenssachverhalt übereinstimme und er die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung nicht begangen.

Mit Schreiben vom 5. August 2009 wurde der Bw von der Bundespolizeidirektion Linz geladen und aufgefordert, sich zu dem ihm zur Last gelegten Vorwurf der Übertretung des § 120 FPG zu rechtfertigen. Innerhalb offener Frist brachte die Rechtsvertreterin eine Äußerung ein und führte aus, dass der Bw bereits im März 2008 angeregt habe, dass ihm ein Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen verliehen werde. Durch die seit 1. April 2009 geltende Rechtslage habe der Bw seine Anregung auf Gewährung eines humanitären Aufenthaltstitel auf einen Antrag auf Erlassung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 44 Abs. 4 NAG umgestellt. Dieser Antrag werde vom Magistrat Linz zu GZ 304-3-AEG/37419 bearbeitet. Beinahe während des gesamten Aufenthaltes sei der Bw einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgegangen.

Nach weitergehenden behördlichen Erhebungen und der Gewährung des Parteiengehörs brachte der Bw in der weiteren schriftlichen Äußerung vom 29. Jänner 2010 vor, dass er sich momentan ohne gültigen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufhalte und wies auf den gestellten Antrag gemäß § 44 Abs. 3 NAG hin. Die Bestimmung des § 44 Abs. 3 NAG sei vom Gesetzgeber vor allem deshalb geschaffen worden, damit Fremde, die bereits längere Zeit im Bundesgebiet leben und im Zeitpunkt der Antragstellung über keinen aktuell gültigen Aufenthaltstitel verfügen, einen Antrag auf Erlassung eines Aufenthaltstitels stellen können. Genau das treffe auch auf den Bw zu. Deshalb könne dem Bw bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag nach § 44 Abs. 3 NAG im Bundesgebiet nicht der Vorwurf gemacht werden, da er einen Anspruch darauf habe, dass über seinen Antrag eine Entscheidung getroffen werde. 

Daraufhin erließ die belangte Behörde das Straferkenntnis, mit dem der Bw für schuldig befunden wurde, § 120 Abs 1 Z 2 FPG übertreten zu haben. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende Berufung.

Der Polizeidirektor von Linz ordnete mit Bescheid vom 24. April 2008, Zl. 1047183/FRB, die Ausweisung des Bw aus dem Bundesgebiet an, da er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Die dagegen erhobene Berufung hat die Sicherheitsdirektion Oberösterreich abgewiesen.

Mit Schreiben vom 3. Juni 2009 beantragte der Bw beim Magistrat der Landeshauptstadt Linz die Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung. Über diesen Antrag (GZ des Magistrates der Stadt Linz: AEG/37419) wurde bis dato noch nicht entschieden.

4. In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

4.1. Gemäß § 120 Abs 1 Z 2 FPG, BGBl. I. Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 135/2009, begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 1.000 Euro bis zu 5.000 Euro zu bestrafen, der sich als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

Nach § 31 Abs 1 FPG, BGBl. I. Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 135/2009, halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

1. wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;

2. wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes  nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;

3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Tätigkeit nachgehen,

4. solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zukommt;

6. wenn sie eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, eine Entsendebewilligung, eine EU-Entsendebestätigung, eine Anzeigebestätigung gemäß § 3 Abs. 5 AuslBG oder eine Anzeigebestätigung gemäß § 18 Abs. 3 AuslBG mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, innehaben oder

7. soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.

4.2.1. Bis zum 20. Februar 2008, also bis zur rechtskräftigen negativen Abweisung seines Asylantrags, war der Bw aufgrund des AsylG zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Die gegen ihn verfügte Ausweisung gemäß § 53 Abs. 1 FPG ist seit dem 7. Juli 2008 rechtskräftig. Der Aufenthalt des Bw seit dem 8. Juli 2008 (Anlastung im Spruch) lässt sich auf keine Bestimmung des § 31 Abs. 1 FPG stützen. Auch begründet nach § 44b Abs. 3 NAG, BGBl. I. Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 122/2009, der Antrag auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Damit hat der Bw tatbestandsmäßig gehandelt.

4.2.2. Das FPG enthält keine eigene Regelung hinsichtlich des Verschuldens, weshalb § 5 Abs. 1 VStG zur Anwendung kommt, wonach zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (Ungehorsamsdelikt).

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar. Es genügt daher fahrlässige Tatbegehung. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringung von Beweismitteln oder Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht.

Der Bw bringt diesbezüglich insbesondere die Stellung eines Antrags auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung am 3. Juni 2009 (zuvor Anregung bereits am 13. März 2008) vor.

Bereits im Beschluss vom 14. September 2009, Zl. AW 2009/21/0149-5, hat der VwGH dargelegt, dass eine Abschiebung während eines anhängigen Verfahrens nach § 44 Abs. 4 NAG nicht in Betracht kommt. Im Folgenden hat der VwGH ausgeführt:

"§44 Abs. 4 NAG sieht die quotenfreie Erteilung einer 'Niederlassungsbewilligung – beschränkt' unter den in dieser Bestimmung genannten weiteren Bedingungen nur für solche Drittstaatsangehörige vor, die sich im Bundesgebiet aufhalten. Daraus ist zwingend abzuleiten, dass ihnen einerseits die Befugnis zur Inlandsantragstellung zukommt und dass sie andererseits – wenn ihr Antrag nicht zurückzuweisen ist – aber auch die Entscheidung über ihren Antrag im Inland abwarten dürfen, würde doch ein Verlassen  des Bundesgebietes, sei es auch in Befolgung einer Rechtspflicht, als Konsequenz stets die Abweisung eines Antrags nach § 44 Abs. 4 NAG zur Folge haben. Damit wäre indes die durch die genannte Bestimmung bezweckte Regelung für 'Altfälle' – auch wenn gemäß den Kriterien des § 11 Abs 3 NAG ein Aufenthaltstitel nicht zu erteilen wäre (siehe dazu ErläutRV 88 BlgNR 24. GP 11) – völlig 'ausgehebelt', was dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden kann. § 44b Abs. 3 NAG, wonach Anträge – u.a. – nach § 44 Abs. 4 NAG kein Aufenthalts- oder Bleiberecht nach diesem Bundesgesetz begründen und woraus sich ergibt, dass gegen Antragsteller nach dieser Bestimmung eine Ausweisung zulässig ist, kann demnach nicht in dem Sinn verstanden werden, dass ein Drittstaatsangehöriger während eines anhängigen Verfahrens nach § 44 Abs .4 NAG zum Verlassen des Bundesgebietes verpflichtet wäre oder bei Bestehen einer Ausweisung – abgeschoben werden könnte."

Dieser Rechtsansicht folgend hat der VwGH im Erkenntnis vom 22. Oktober 2009, 2009/21/0293, ausgeführt, dass Anträge nach den §§ 43 Abs. 2, 44 Abs. 3 und 4 NAG den Aufenthalt im Bundesgebiet voraussetzen und daraus zwingend das Recht abzuleiten ist, die Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung im Inland abzuwarten zu dürfen.

Dem Bw kann ein schuldhaftes Verhalten nicht vorgeworfen werden, weil dem vom Verwaltungsgerichtshof postulierten "Bleiberecht nach dem NAG" zwangsläufig auch ein über den bloßen Abschiebeschutz hinausgehender Inhalt zukommt. Für den Bw liegt nämlich eine entschuldigende Notstandsituation iSd § 6 VStG mit einem unauflöslichen Interessenkonflikt vor, wenn er einerseits zur Ausreise verpflichtet ist und andererseits aber im Inland bleiben muss, damit sein Antrag auf Verleihung eines humanitären Aufenthaltsrechtes überhaupt eine positive Erledigungschance hat (vgl. VwSen-231070/2/WEI/Fu/Sta vom 14. Juli 2010).

Da der Bw im vorliegenden Fall berechtigt war, die Entscheidung über seinen Antrag auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung im Inland abwarten zu dürfen, kann ihm ab dem Zeitpunkt der Antragstellung (Anregung) nicht mehr der im angefochtenen Straferkenntnis zum Ausdruck kommende Vorwurf der Schuld gemacht werden. Daran ändert auch der Ausweisungsbescheid vom 24. April 2008 nichts.

Damit liegt für den Beurteilungszeitraum kein Verschulden des Bw vor, weshalb der Berufung stattzugeben und das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben war.

4.2.3. Darüber hinaus ist gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG das Strafverfahren gegen den Bw einzustellen, da der Bw die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat.

5. Vor diesem Hintergrund war dem Bw gemäß § 66 Abs 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich noch ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde vorzuschreiben.

 Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Stierschneider

 

 

 

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