Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281283/2/Kl/Pe

Linz, 19.08.2010

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn x, vertreten durch x GmbH, x, gegen das Straferkenntnis (Spruchpunkt B) der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 28.4.2010, Ge96-92-2009, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird stattgegeben und das angefochtene Straferkenntnis zu Spruchpunkt B (Übertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz) aufgehoben.

 

II. Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 9, 27 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 28.4.2010, Ge96-92-2009, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden Bw) zu Spruchteil B eine Geldstrafe von 150 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 18 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 130 Abs.2 ASchG iVm Auflage 8 des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 31.1.2007, Ge20-2718-35-2007-Sir/Re, verhängt, weil er (wie von einem Organ des Arbeitsinspektorates Linz anlässlich einer Überprüfung festgestellt wurde) als zur Vertretung nach außen berufener handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit Verantwortlicher gemäß § 9 Abs.1 VStG der Arbeitgeberin x GmbH mit Sitz in x, Dienstort: x, zu verantworten hat, dass am 13.10.2009 in der Arbeitsstätte in x, in der Arbeitnehmer beschäftigt wurden, beim Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 31.1.2007, Ge20-2728-35-2007-Sir/Re, der Auflagenpunkt 8. der dem Arbeitnehmerschutz dienenden Auflagen [die Sauerstoff-Messeinrichtungen (Raumluft-Messgerät, Warngeräte) mindestens einmal jährlich durch ein befugtes Fachunternehmen auf ihre bestimmungsgemäße Funktion zu überprüfen sind. Nachweise über die erfolgten Prüfungen sind im Betrieb zur Einsichtnahme bereitzuhalten.], nicht eingehalten wurde, da für das stationäre Sauerstoffmessgerät im Hochregallager kein Prüfnachweis vorgelegt werden konnte.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und die ersatzlose Aufhebung des Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die x GmbH – wie in der Stellungnahme vom 26.1.2010 dargelegt und durch Vorlage der Atteste nachgewiesen – Überprüfungen, die dann näher ausgeführt wurden, vorgenommen hat. Die Erstbehörde habe sich mit diesen vorgelegten Unterlagen nicht näher auseinandergesetzt und zu Unrecht angenommen, dass der Auflagenpunkt nicht eingehalten wurde. Die Sauerstoffreduktionsanlage sei im März 2008 in Betrieb genommen und am 10.12.2008 überprüft worden. Auch für das Jahr 2009 seien nachweislich am 29.5.2009 Überprüfungen durchgeführt worden und durch einen Überwachungsbericht vom 14.7.2009, welcher anlässlich der Überprüfung am 13.10.2009 vorgelegt wurde, nachgewiesen. Im Übrigen sei auszuführen, dass die jährliche Vorlage der Funktionsüberprüfung nicht klar erkennen lässt, innerhalb welcher Intervalle die Überprüfung vorzunehmen ist, nämlich ob ab dem Zeitpunkt der Inbetriebnahme gerechnet wird oder ab Rechtskraft des erstinstanzlichen Bescheides oder ob das Kalenderjahr maßgeblich ist. Auch sei dem Auflagenpunkt nicht ausreichend zu entnehmen, welche Messgeräte konkret gemeint seien. Im Übrigen sei der Bw unbescholten und erst seit dem Jahr 2007 handelsrechtlicher Geschäftsführer. Es wäre daher die Voraussetzung des § 21 VStG gegeben und hätte der Bw Anspruch auf Anwendung dieser Bestimmung. Auch sei die Strafe zu hoch bemessen.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Weiters wurde ein aktueller Firmenbuchauszug eingeholt. Daraus ist ersichtlich, dass die x GmbH ihren Sitz in x, hat. Zum handelsrechtlichen Geschäftsführer ist der Bw bestellt. Weitere Zweigniederlassungen sind nicht eingetragen. Für die x GmbH besteht eine Gewerbeberechtigung für das reglementierte Gewerbe „Bäcker“ sowie für das freie Gewerbe „Herstellung von Grundstoffen und Hilfsmitteln für die Nahrungs- und Genussmittelerzeugung“, jeweils am Standort x. Für das letztgenannte Gewerbe ist der Bw weiter als gewerberechtlicher Geschäftsführer eingetragen.

 

Weil bereits aus der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfällt die öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG.

 

Da zu Spruchpunkt A laut Geschäftsverteilung ein anderes Mitglied des Oö. Verwaltungssenates zuständig ist, ergeht diesbezüglich eine gesonderte Entscheidung.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

Gemäß § 2 Abs.1 und 2 VStG sind nur im Inland begangene Verwaltungsübertretungen strafbar. Eine Übertretung ist im Inland begangen, wenn der Täter im Inland gehandelt hat oder hätte handeln sollen oder wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg im Inland eingetreten ist.

 

Gemäß § 27 Abs.1 VStG ist örtlich zuständig die Behörde, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.

 

Zur Auslegung des im Sinn des § 27 Abs.1 VStG maßgebenden Begriffes des „Ortes der Begehung“ muss die Bestimmung des § 2 Abs.2 VStG herangezogen werden. Daraus ergibt sich, dass eine Verwaltungsübertretung regelmäßig als dort begangen anzusehen ist, wo der Täter gehandelt hat oder (bei Unterlassungsdelikten) hätte handeln sollen.

 

Für den Bereich des VStG kommt es auch in Sachen, die sich auf den Betrieb einer Unternehmung beziehen – und dies wird auch für in Filialen gegliederte Unternehmen angenommen –, für die örtliche Zuständigkeit der einschreitenden Strafbehörde grundsätzlich nicht auf den Ort an, an dem das Unternehmen betrieben wird. Gemäß § 27 Abs.1 VStG ist vielmehr nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Arbeitnehmerschutz, zur Ausländerbeschäftigung, zum Arbeitsrecht und zur LMKV 1993 sowie auch zum Öffnungszeitengesetz der Tatort grundsätzlich der Sitz des Unternehmens, für welches der zur Vertretung nach außen Befugte gemäß § 9 VStG gehandelt hat. Im Hinblick auf § 2 Abs.2 VStG ist der Verwaltungsgerichtshof in zahlreichen Verwaltungsmaterien (z.B. ASchG, AuslBG, AZG, LMKV 1993, Öffnungszeitengesetz) zum Ergebnis gekommen, dass der Tatort dort liege, wo die Dispositionen und Anweisungen zur Vermeidung der Verstöße gegen die Verwaltungsvorschriften hätten gesetzt werden müssen. Ob in derartigen Fällen ein zur Vertretung nach außen befugtes Organ, ein verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 VStG oder ein gewerberechtlicher Geschäftsführer zur Verantwortung gezogen wird, spielt für die Frage der Tatortbestimmung keine Rolle. Für die örtliche Zuständigkeit ist grundsätzlich allein entscheidend, wo der Täter gehandelt hat oder hätte handeln sollen. Wird ein zur Vertretung nach außen befugtes Organ zur Verantwortung gezogen, wird als Tatort im Regelfall der Sitz der Unternehmensleitung anzunehmen sein. Wird ein zur Vertretung einer juristischen Person nach außen befugtes Organ gemäß § 9 Abs.1 VStG verwaltungsstrafrechtlich zur Verantwortung gezogen, so ist im Bereich des Arbeitnehmerschutzrechtes der Tatort der Verwaltungsübertretung der Sitz der Unternehmensleitung, weil an diesem Ort die Dispositionen und Anordnungen zur Verhinderung der Verstöße gegen Arbeitnehmerschutzbestimmungen zu treffen gewesen wären (Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, Seite 1423 ff mit Judikaturnachweisen).

 

Im Sinne dieser Judikatur ist daher der Beschuldigte als handelsrechtlicher Geschäftsführer und daher als nach außen vertretungsbefugtes Organ der x GmbH mit Sitz in x, vor dem 3.12.2009 und daher zum Tatzeitpunkt 13.10.2009 in x, strafbar geworden, weil am Unternehmenssitz jene Vorsorgehandlungen hätten getroffen werden müssen, die zur Hintanhaltung der Verwaltungsübertretung erforderlich gewesen wären. Es hat daher der Beschuldigte die gesetzlich geforderten Vorsorgehandlungen am Unternehmenssitz in Wien unterlassen und ist daher gemäß § 27 VStG Wien als Tatort anzusehen. Die das angefochtene Straferkenntnis erlassende belangte Behörde ist hingegen nicht zuständig. Es war daher das angefochtene Straferkenntnis mangels Zuständigkeit der belangten Behörde ersatzlos aufzuheben.

 

5.2. Was jedoch den weiteren Ausspruch im Spruchteil B des angefochtenen Straferkenntnisses „Dienstort: x“ anlangt, so ist daraus nicht zu entnehmen, dass die tatsächliche Leitung des Unternehmens an dieser Anschrift stattfindet und sohin der Tatort an dieser Anschrift anzunehmen war. Darüber hinaus ist aber anzumerken, dass das angefochtene Straferkenntnis mit 28.4.2010 datiert und am 7.5.2010 zugestellt wurde. Mit diesem Straferkenntnis wurde erstmalig dem Bw der Tatort x, vorgeworfen und liegt daher dieser Tatvorwurf außerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist gemäß § 31 Abs.1 und 2 VStG. Die im Strafverfahren erster Instanz vorgenommene erste und einzige Verfolgungshandlung innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist ist die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 23.11.2009, welche jedoch lediglich auf den Sitz in x, und daher auf einen Tatort in Wien abzielt.

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte, waren gemäß § 66 Abs.1 VStG keine Verfahrenskostenbeiträge aufzuerlegen.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro  zu entrichten.

 

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

Beschlagwortung:

Tatort, Unternehmenssitz

 

Beachte:

vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben;

VwGH vom 12.07.2012, Zl.: 2011/02/0029-6
 

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