Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-522642/5/Bi/Kr

Linz, 24.08.2010

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn X, vertreten durch RAe X, vom 3. August 2010 gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Steyr vom 20. Juli 2010, 2/L-Fe-67/2010, wegen Entziehung der Lenkberechtigung ua, aufgrund des Ergebnisses der am 24. August 2010 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsver­hand­lung (samt mündlicher Verkündung der Berufungsentscheidung) zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde dem Berufungswerber (Bw) gemäß §§ 3, 7, 24, 25, 28, 29, 30, 32 FSG die von der BH Amstetten am 11. Mai 2007, Zl. 07117201, für die Klassen A und B erteilte Lenkberechtigung für den Zeitraum von 12 Monaten, gerechnet ab mündlicher Verkündung des Bescheides, entzogen und für den gleichen Zeitraum das Lenken eines Motorfahrrades, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeuges und Invalidenkraftfahrzeuges verboten und das Recht aberkannt, von einem im Ausland ausgestellten Führerschein, umfassend alle Klassen, in Österreich Gebrauch zu machen. Weiteres wurde er aufgefordert, den Führerschein unverzüglich bei der Behörde abzuliefern. Gemäß § 64 Abs.2 AVG wurde einer Berufung gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte am 20. Juli 2010.

 

2. Dagegen wendet sich die vom Bw fristgerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2.Satz AVG). Auf ausdrücklichen Antrag der Rechtsvertretung wurde am 24. August 2010 eine öffentliche mündliche Berufungs­verhandlung in Anwesen­heit des Bw, seines Rechtsvertreters Herrn RA X, und des Vertreters der Erstinstanz Herrn X durchgeführt. Die Berufungs­ent­scheidung wurde mündlich verkündet.

 

3. Der Bw macht unter Vorlage von Schriftverkehr zur Entlassung aus der Haftung gegen Zahlung bestimmter Summen im Wesentlichen geltend, da keine vollständige Urteilsausfertigung vorliege sondern nur ein PuV, sei darauf eine Entziehung de Lenkberechtigung für 12 Monate nicht zu stützen. Er bestreite nicht eine Verurteilung wegen § 84 StGB. Die bestimmte Tatsache habe sich aber bereits am 22.12.2008 ereignet und die Erstinstanz habe diesbezüglich keine Wertung vorgenommen, bei der seine bisherige Unbescholten­heit zu berück­sichtigen wäre, außerdem die bedingte Strafnachsicht für die gesamte Strafe. Das Gericht habe ein positive Prognoseentscheidung für die Zukunft getroffen. Seit 22.12.2008 ergebe sich eine derart lange Zeitspanne, dass sich darauf eine Verkehrsunzuverlässigkeit nach der Entscheidung der Erstinstanz am 20.7.2010 nicht mehr gründen lasse. Außerdem ergäbe sich daraus, dass er seit 22.12.2008 bis 20.7.2010 einen Führerschein besessen habe, also verkehrszuverlässig gewesen wäre, und nach mehr als 1,5 Jahren wäre ihm die Verkehrszu­verlässig­keit plötzlich abhanden gekommen – das sei nicht schlüssig nachvollziehbar. Er habe ein einwandfreies Vorleben geführt und sich auch nach der Tat wohl verhalten. Es habe sich um einen einzigen Vorfall gehandelt. Seine Verurteilung sei nicht Selbstzweck sondern diene der Spezial­prävention; deshalb habe das Gericht eine günstige Prognoseentscheidung treffen können. Er habe auch mit dem Verletzten eine Zahlungsvereinbarung für einen entsprechenden Schaden­ersatz getroffen und sich bemüht, diesbezüglich einen Ausgleich zu schaffen. Beim Waffenbesitz werde ihm Fahrlässigkeit angelastet. In der Zusammenschau sei die Entziehung der Lenkberechtigung nicht gerechtfertigt, in eventu seien bestenfalls noch drei Monate begründbar, mit Sicherheit aber nicht darüber hinausgehend.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der der Bw gehört und die Sach- und Rechts­lage ausführlich erörtert wurde.

 

Fest steht, dass der Bw mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Linz vom 25. Jänner 2010, 33 Hv 22/09w, A) wegen des Vergehens der schweren Körper­verletzung nach §§ 83 Abs.1, 84 Abs.2 Z2 StGB, D) 1) des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs.1 und 2 StGB, 2) des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15 Abs.1, 105 Abs.1, 106 Abs.1 Z1 1.Fall StGB und 3) des Vergehens nach § 50 Abs.1 Z2 Waffengesetz nach dem Straf­satz des § 84 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten, bedingt nachgesehen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt wurde, weil er

A) zusammen mit O.Y., N.E., H.O., A.O. und V.Ü. in verabredeter Verbindung am 22.12.2008 in Mauthausen durch Einschlagen mit den Fäusten und mit einem Schlagstock sowie durch Treten mit den Füßen N.T. in Form einer Prellung des Schädels, einer Prellung der Schläfen rechts und links, einer Prellung der Nase samt Abschürfung, einer Prellung samt Abschürfung des Oberarms und des Ellen­bogens rechts, einer Anschürfung am Handrücken rechts, einer Prellung der Halswirbelsäule und des Schulterblattes, einer Zerrung des Handwurzelknochens links, einer Prellung des Oberschenkels mit Hämatom, einer Abschürfung der rechten Kniescheibe und eines Hämatoms am Wadenbein rechts und T.Y. in Form einer Prellung mit Hämatomabschürfung im Kopfbereich, einer Zerrung der Hals­wirbelsäule und einer leichten Prellung des Brustbeines vorsätzlich am Körper verletzt hat,

D) am 22.12.2008 in Mauthausen

1) durch nachstehende Äußerungen nachgenannte Personen mit dem Tode gefährlich bedroht hat, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar:

a) den am Boden liegenden N.T., welchem er einen Schlagstock gegen den Kehlkopf drückte, durch die Äußerung: "Ich bin X, ich bin das Oberhaupt hier, ich bin der Bruder von N., du Hurensohn hast die Ehre meiner Schwester ver­letzt, da du eine Entschuldigung von ihr verlangst. Du bist auch in ihre Wohnung eingedrungen und hast sie geschlagen. Wer glaubst du zu sein. Wenn ich will, setze ich deinem Leben hier und jetzt ein Ende!" bzw "Egal wer sich auch immer so gegenüber uns verhält, den metzle ich nieder!";

b) T. Y., nachdem er mit einem Schlagstock auf ihn eingeschlagen hat und dieser davonlaufen konnte, durch die Äußerung: "Komm her, damit ich dich umbringen kann!";

c) N.T. und T.Y. durch die Äußerung: "Ich bin der Boss dieser Gruppe und ich werde euch fertig machen.";

2) N.T. und T.Y. durch Drohung mit dem Tod, indem er sagte: "Wenn ihr die Polizei verständigt, werde ich euch umbringen.", zu einer Unterlassung, nämlich die Abstandnahme von der Verständigung der Polizei, zu nötigen versucht;

3) wenn auch nur fahrlässig, unbefugt eine verbotene Waffe, nämlich einen Teleskopschlagstock, besessen und geführt.

Laut PuV wurde beim Bw die Unbescholtenheit als mildernd und das Zusammen­treffen von Tathandlungen als erschwerend gewertet.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 24 Abs.1 Z1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4)  nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

Gemäß § 3 Abs.1 Z2 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt wer­den, die verkehrszuverlässig sind.

Gemäß § 7 Abs.1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraft­fahrzeugen 1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Sucht­mittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder 2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraft­fahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer straf­barer Handlungen schuldig machen wird.

Als bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs.1 FSG hat gemäß § 7 Abs.3 Z9 FSG zu gelten, wenn jemand eine strafbare Handlung gegen Leib und Leben gemäß den §§ 75, 76, 84 bis 87 StGB oder wiederholt § 83 StGB begangen hat. Gemäß § 7 Abs.4 FSG sind für die Wertung der in Abs. 1 genannten und in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

Gemäß § 25 Abs.3 FSG ist bei einer Entziehung der Lenkberechtigung wegen man­gelnder Verkehrszuverlässigkeit eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen.

Zu berücksichtigen ist, dass die Verkehrunzu­verlässigkeit ab dem Zeit­punkt der (letzten) Tat zu berechnen ist, dh im Fall des Bw ab 22. Dezember 2008.

 

Die Begehung der im rechtskräftigen Urteil genannten Straftaten hat der Bw nicht bestritten, sodass hinsichtlich der Begehung einer Straftat gemäß §§ 83 Abs.1 und 84 Abs.1 FSG vom Vorliegen einer bestimmten Tatsache gemäß § 7 Abs.3 Z9 FSG auszugehen war.

Die Begehung der im § 7 Abs.3 Z9 FSG genannten strafbaren Handlungen weist zweifellos auf eine Sinnesart hin, auf Grund der anzunehmen ist, dass der Betreffende im Sinne des § 7 Abs. 1 FSG beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit gefährden werde, insbesondere durch rücksichtsloses Ver­halten im Straßenverkehr (vgl VwGH 23.4.2002, 2001/11/0346).

Von Kraft­fahr­­zeuglenkern muss wegen der im Straßenverkehr häufig auftreten­den Konfliktsituationen eine nicht zu Gewalttätigkeiten neigende Geisteshaltung erwartet werden. Unbeherrschte Aggressivität lässt befürchten, dass die betreff­ende Person entweder mit betont aggressiver Fahrweise oder aggressivem Verhalten nach einem allfälligen Verkehrsunfall auf vermeintliches oder tatsächliches Fehlverhalten anderer Verkehrsteilnehmer reagiert. Daher kommt es bei Gewaltdelikten nicht darauf an, dass sie im Zusammenhang mit dem Lenken von Kraftfahrzeugen begangen wurden. Zu berücksichtigen ist aber auch, dass der Bw, wie auch vom Gericht erschwerend gewertet wurde, mehrere strafbare Handlungen in Tateinheit verwirklicht hat. Dabei stellt weder eine gefährliche Drohung nach § 107 StGB noch eine schwere Nötigung gemäß § 105 StGB noch der unbefugte Besitz verbotener Waffen gemäß § 50 WaffG für sich genommen eine bestimmte Tatsache dar, jedoch fließt das Zusammentreffen verschiedener der­­artiger Straftaten in die Wertung mit ein (vgl VwGH 26.2.2001, 2001/11/0379; 28.6.2001, 2001/11/0114; uva), sodass ohne jeden Zweifel eine Verkehrsunzuverlässigkeit für eine wesentlich längere als die in § 25 Abs.3 FSG angeführte Mindestdauer zum Tragen kommt.

 

Der 1981 geborene und nach eigenen Angaben in der Verhandlung mit 9 Jahren nach Österreich gekommene Bw war bei Tatbegehung immerhin bereits 27 Jahre alt und damit erwachsen. Als österreichischer Staatsbürger (wenn auch türki­scher Herkunft) und seit 1999 Inhaber einer in Österreich erworbenen Lenk­berechtigung musste ihm wohl bewusst sein, dass derartige Selbstjustiz-Exzesse der österreichischen Rechts­ordnung gänzlich fremd sind und selbst­verständlich strafgerichtlich verfolgt werden, wobei eine rechtskräftige Verurteilung zusätz­liche Folgen nach sich zieht, wie zB die Entziehung der Lenkberechtigung für einen längeren Zeitraum.

Der Bw hat die (bislang erste und einzige) bestimmte Tatsache am 22. Dezember 2008 verwirklicht, aber erst am 25. Jänner 2010 erging das Urteil des Landes­gerichtes Linz. Bestimmte Tatsachen im Sinne des § 7 Abs.4 FSG sind strafbare Handlungen, nicht aber die Verurteilung wegen dieser Straftaten, sodass es nicht darauf ankommt, zu welchem Zeitpunkt nach der Tat das Urteil erging oder dieses rechtskräftig wurde, sondern wann die als bestimmte Tatsache zu wertende Straftat begangen wurde. Mit dieser beginnt nämlich die Verkehrs­unzuverlässigkeit und ab dem Zeitpunkt ihrer Begehung ist deren Dauer im Sinne einer Prognose zu berechnen, ab wann die Behörde das Wieder­bestehen der Verkehrszuverlässigkeit beim Straftäter annimmt. Da der Bw die bestimmte Tatsache bereits am 22. Dezember 2008 verwirklicht hat, war bei Erlassung des angefochtenen Bescheides am 20. Juli 2010 bereits von einer Dauer der Verkehrs­unzu­ver­lässigkeit von 19 Monaten und laut Spruch noch weiteren 12 Monaten, dh bis 20. Juli 2011 und somit von 31 Monaten auszugehen.

 

Dem stehen aber mehrere Argumente gegenüber, die nach der Rechtsprechung des VwGH für eine wesentlich geringere Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit sprechen. Die vom Gericht ange­nommene günstige Zukunftsprognose führte beim Straf­rahmen bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe zur Verurteilung zu einer nur sechs­monatigen Freiheitsstrafe, die unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde – gemäß § 43 Abs.1 StGB ist das nur zulässig, wenn zusätzlich zu general­präventiven Überlegungen aufgrund der Täter­persönlichkeit, der Umstände der Tatbegehung und  des sonstigen Verhaltens vor und nach der Tat anzunehmen ist, dass die bloße Androhung der Vollziehung allein oder in Verbindung mit anderen Maßnahmen genügen werde, um ihn von weiteren strafbaren Hand­lungen abzuhalten.

 

Nach der Rechtsprechung des VwGH führt eine vom Strafgericht ausgesprochene bedingte Strafnachsicht zwar noch nicht zwingend dazu, dass der Betreffende bereits als verkehrszuverlässig anzusehen wäre, da sich die bei der Beurteilung der Verkehrzuverlässigkeit zu berücksichtigenden Gesichtspunkte nicht mit jenen zur Gänze decken, die für das Gericht bei der Entscheidung gemäß § 43 Abs.1 StGB von Bedeutung sind. Jedoch können die Kriterien für den Ausspruch einer bedingten Strafnachsicht im Einzelfall auch für die Wertungskriterien gemäß § 7 Abs.4 FSG maßgebend sein (vgl VwGH 25.11.2003, 2003/11/0240, mit Hinweis auf Vorjudikatur).

  

In einem vergleichbaren Fall – schwere Körperverletzung durch Faustschläge sowie versuchte schwere Nötigung, Unbescholtenheit, Verurteilung unter Ausspruch einer bedingten Strafnachsicht – hat der VwGH die für 18 Monate angenommene Dauer der Verkehrsunzuver­lässigkeit für zu lang befunden (vgl E 28.6.2001, 2001/11/0114); ebenso war in einem anderen Fall eine für 16 Monate ab der Tat angenommene Dauer der Verkehrsunzuver­lässigkeit zu lang - schwere Körper­ver­letzung durch Faustschläge und Fußtritte, mildernd war ein untadeliger Lebens­wandel und ein nicht auszuschließendes Mitverschulden des Verletzen, Verhängung einer Geldstrafe (vgl E 14.9.2004, 2004/11/0119).

 

Bei der Entziehung der Lenkberechtigung handelt es sich um eine Administrativ­maßnahme zum Schutz der Öffentlichkeit vor verkehrsunzu­verlässigen Personen, nicht aber um eine Nebenstrafe mit dem Zweck, vom Besitzer der Lenk­berechtigung begangene Straftaten zu sühnen oder durch die abschreckende Wirkung der Entziehungsmaßnahme der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken (vgl VwGH 18.3.2003, 2002/11/0062).

 

Eine Entziehung der Lenkberechtigung mangels Verkehrszuverlässigkeit ist nur dann rechtmäßig, wenn die Behörde auf Grund der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides mit Recht annehmen durfte, es liege Verkehrsunzuverlässigkeit vor und es werde die Verkehrszuverlässigkeit nicht vor Ablauf von drei Monaten eintreten (vgl E 23.11.2001, 2000/11/0017; 14.9.2004, 2004/11/0119, mit Vorjudikatur).

 

Mit der Entziehung der Lenkberechtigung für die von der Erstinstanz ausge­sprochene Dauer von 12 Monaten, gerechnet ab Bescheiderlassung am 20. Juli 2010, ergibt sich eine Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit von insgesamt 2 Jahren und 7 Monaten, zumal im angefochtenen Bescheid die aufschiebende Wirkung der Berufung ausgeschlossen wurde. Im Hinblick auf die Wertung iSd § 7 Abs.4 FSG, die für die der Festsetzung der Entziehungsdauer zugrundeliegende Prognose, wann der Bw die Verkehrszu­verlässigkeit wieder erlangen wird, maßgebend ist, vertritt der UVS unter Berücksichtigung dieser Überlegungen die Ansicht, dass die Annahme eines derart langen Zeitraumes der Verkehrsunzuver­lässigkeit, wie sie die Erstinstanz vorsieht, wesentlich überhöht ist.

 

Dabei hat der VwGH in einem mit dem des Bw vergleichbaren Fall (schwere Körperverletzung gemäß §§ 83 Abs.1 und 84 Abs.1 StGB, versuchte schwere Nötigung nach §§ 15, 105 Abs.1 und 106 Abs.1 Z1 StGB und unbefugter Besitz einer Faustfeuerwaffe nach § 50 Abs.1 Z1 WaffG; Unbescholtenheit, Strafe wie der Bw) ausgesprochen, dass der dortige Beschwerdeführer seine Verkehrszu­verlässigkeit deutlich früher als 18 Monate nach seiner strafbaren Handlung wieder erlangen werde (vgl E 27.5.1999, 98/11/0198, ua).

 

Der Bw war vor dem 22. Dezember 2008 unbescholten und hat sich auch seither bislang wohlverhalten, wobei aber zu berücksichtigen ist, dass die Hauptver­handlung im Strafverfahren erst am 25. Jänner 2010 stattfand, wobei sein Verhalten auch einer strafgerichtlichen Würdigung zu unterziehen war. Relevantes Wohlverhalten kann daher erst ab der Gerichtsverhandlung, dh immerhin in den letzten sieben Monaten, angenommen werden. Die Tat war auf ein (quantitativ) einmaliges Ereignis bezogen und damit nicht von einem längeren Begehungszeitraum auszugehen. Der Bw hat sich mit den beiden Geschädigten auf die jeweilige Zahlung einer Geldsumme geeinigt und in der Verhandlung auch den Über­weisungs­schein vorgewiesen. Er hat seine Einsicht und sein Bedauern über die Tat ausgedrückt. Aufgrund des weiterhin bestehenden Vertrauens seines Arbeit­gebers hat er seine Arbeit nicht verloren, dh er lebt in geregelten Verhältnissen.  

 

Selbst bei Herabsetzung der Entziehungsdauer auf die gesetzliche Mindestdauer von drei Monaten wäre von einer seit 22.12.2008 bis 20.10.2010, sohin insge­samt 22 Monate, bestehenden Verkehrsunzuverlässigkeit auszugehen. Auch  dieser Zeitraum ist im Lichte der oben zitierten VwGH-Judikatur überhöht (vgl E 27.5.1999, 98/11/0198; 23.4.2002, 2001/11/0346 – hier wurde der Beschwer­de­­führer des Verbrechens der absicht­lichen schweren Körperverletzung als Beteiligter nach § 12 2.Fall iVm § 87 Abs. 1 StGB und der Vergehen der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs.1 StGB, der Körperverletzung nach § 83 Abs.1 StGB, der Nötigung nach § 105 Abs.1 StGB und des Vergehens nach § 50 Abs.1 Z1 und 4 Waffengesetz schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten, davon 14 Monate bedingt nachgesehen, verurteilt, wobei aber zwei bestimmte Tatsachen gemäß § 7 Abs.3 Z9 FSG gegeben waren und ein längerer Tatzeitraum und besondere Brutalität in die Wertung miteinbezogen wurden. Laut VwGH war nach der Lage des Beschwerde­falles (erstmalige Entziehung der Lenkberechtigung, Unbescholtenheit, Wohlver­halten) mit der Wiedererlangung der Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerde­führers in einer erheblich kürzeren Frist (die nicht das Erlöschen der Lenk­berechtigung gemäß § 27 Abs. 1 Z.1 FSG zur Folge hat) zu rechnen, dh die Entziehungsdauer auf unter 18 Monate herabzusetzen).

 

Unter Berücksichtigung all dieser Überlegungen war im Fall des Bw im Ergebnis auch eine Entziehung der Lenkberechtigung für drei Monate ab 20. Juli 2010 nicht zu rechtfertigen, somit der Berufung Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 20,40 Euro angefallen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

Beschlagwortung:

 

Verurteilung wegen §§ 83, 84, 105, 106 Z. 1 1. Fall StGB + § 50 WaffG = bestehende Tatsache, § 7 Abs.3 Z.9 FSG, Entziehungsbescheid 12 Monate ergäbe Verkehrsunzuverlässigkeit von 2 Jahren + 7 Monaten, lt. Judikatur zu lang, (Tat 22.12.2008, Bescheid 20.07.2010). Selbst Entziehung von 3 Monaten würden 22 Monate Verkehrsunzuverlässigkeit bedeuten -> zu lang -> Aufhebung

 

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