Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-330020/2/WEI/Sta

Linz, 31.08.2010

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des X, X, X, vertreten durch X Rechtsanwältin in X, X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 5. Februar 2010, Zl. N 96-13-2007-A/GAU, wegen eine Verwaltungsübertretung nach dem § 9 Abs 1 Z 1 Artenhandelsgesetz – ArtHG (BGBl I Nr. 33/1998 idF BGBl I Nr. 29/2006) zu Recht erkannt:

 

 

Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis wegen örtlicher Unzuständigkeit der belangten Behörde ersatzlos aufgehoben.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG iVm §§ 24, 27 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis hat die belangte Behörde den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"Sie haben am 08.08.2007 um 09:11 Uhr im Zollamt X, X, X, X, eine Paketsendung aus den USA (eingebracht über das Grenzzollamt Eisenstadt Flughafen Wien) mit nachstehendem Inhalt eingeführt, ohne eine entsprechende CITES-Bescheinigung bzw. Einfuhrgenehmigung gemäß Art 4 der Verordnung (EG) Nr. 338/97 über den Schutz von Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels eingeholt zu haben, obwohl es sich beim Inhalt um eine geschützte Art handelt:

 

60 Stück X (Inhaltsstoff: Hoodia spp.)

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

 

§ 9 Abs. 1 Z. 1 des Artenhandelsgesetzes – ArtHG, BGBl. I Nr. 33/1988 (Anm:. richtig: 1998), in der zum Tatzeitpunkt (8.8.2007) anzuwendenden Fassung, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 108/2001 und BGBl. I Nr. 29/2006, in Verbindung mit Artikel 3 Abs. 2 und Artikel 4 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 338/97 des Rates vom 9. Dezember 1996 über den Schutz von Exemplaren wild lebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels."

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung verhängte die belangte Strafbehörde gemäß § 9 Abs 1 ArtHG eine Geldstrafe von 1.450 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 36 Stunden. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahren wurden 145 Euro (10% der Geldstrafe) vorgeschrieben.

 

2.1. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw am 25. Februar 2010 eigenhändig zugestellt worden ist, richtet sich die rechtsfreundlich eingebrachte Berufung vom 11. März 2010, die rechtzeitig am gleichen Tag per Telefax bei der belangten Behörde eingebracht wurde. Die Berufung strebt die ersatzlose Aufhebung des Straferkenntnisses an.

 

Begründend wird ausgeführt, dass die Internet Plattform, die den Verkauf des Produkts "X" bewirbt (X) von einem unbedenklichen Gewichtsreduktionsmittel spreche, wobei im Unterordner "Questions" die Inhaltsstoffe von X wie folgt benannt werden: Phaseolus Vulgaris (White Bean Protein), Gymnema Sylvestre Extract, Fenugreek, Alpha Lipoic Acud, Korean Ginseng, Green Tea Extract, L-Carnitine. Es finde sich kein Hinweis, dass es sich bei den Inhaltsstoffen um geschützte Arten handeln könnte.

 

Die belangte Behörde habe auf die beschlagnahmte Pillendose mit dem Namen "X" verwiesen, auf der als Inhaltsstoff "Hoodia Blend", also eine Hoodia Mischung, zu lesen war. Der Bw habe auf Grund des Bestellvorganges keine Information darüber entnehmen können, dass es sich um CITES-pflichtige Inhaltsstoffe handeln handle. Eine weitere Internetwebseite X verweise darauf, dass die Behauptung, X enthalte Extrakte einer kaktusähnlichen Pflanze "X gordonii", falsch sei und dass es keine Pflanze mit diesem botanischen Namen gebe.

 

Es stehe lediglich fest, dass der Inhaltsstoff Hoodia auf der Pillendose ersichtlich war. Diese sei dem Beschuldigten aber nie zugestellt worden. Auf Grund der Bestellung habe er keinesfalls erkennen können, dass diese Nahrungsergänzungsmittel geschützte Pflanzen enthalten würde.

 

Über das Erfordernis einer CITES-Genehmigung sei der Bw auch nicht informiert gewesen. Er habe sich in den letzten 20 Jahren seines aktiven Tuns als Tierarzt ausschließlich mit Nutztieren, niemals aber mit dem Handel und der Zucht von Papageien befasst. Nur sein Sohn habe sich mit Letzterem befasst. Der Bw habe nie mit Artenhandelsbestimmungen zu tun gehabt. Nur auf Grund einer gemeinsamen Klinik darauf zu schließen, dass beide Kenntnis von der Tätigkeit des anderen haben müssten, sei völlig verfehlt. Vielmehr hätte es eine klare veterinärmedizinische Aufgabentrennung gegeben, wobei sich der Sohn X ausschließlich mit dem Kleintiersektor und der Bw mit dem Großtiersektor befasst hätte.

 

Selbst wenn die Kenntnis der Notwendigkeit einer CITES-Bescheinigung unterstellt werden müsste, wäre zu berücksichtigen, das auch die USA als Land des Produktherstellers ein Mitglied des Washingtoner Artenschutzübereinkommens ist, weshalb der Bw davon ausgehen hätte können, dass das Produkt in so einem Land legal hergestellt wurde. Die Behörde habe eine diesbezügliche Prüfung auch unterlassen. Den beschuldigten Bw treffen an der Übertretung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden iSd § 5 VStG.

 

2.2. Mit Vorlageschreiben vom 22. März 2010 hat die belangte Behörde die Berufung mit ihrem Verwaltungsstrafakt zur Entscheidung vorgelegt, ohne eine Gegenschrift zu erstatten.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, dass das angefochtene Straferkenntnis schon nach der Aktenlage aufzuheben ist.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 9 Abs 1 ArtHG idF BGBl I Nr. 33/1998 begeht eine Verwaltungsübertretung, wer

 

  1. ein Exemplar einer dem Geltungsbereich des Art 3 der Verordnung (EG) Nr. 338/97 unterliegenden Art entgegen diesem Bundesgesetz oder den Art 4, 5, 7, oder 11 der Verordnung (EG) Nr. 338/97 ausführt, wiederausführt, einführt oder durchführt oder
  2. ..."

 

Art 4 Absätze 1 und 2 der zitierten Verordnung sehen für die Einfuhr von Exemplaren der Arten des Anhangs A oder B in die Gemeinschaft Überprüfungen und die Vorlage einer Einzelgenehmigung der Vollzugsbehörde des Bestimmungsmitgliedsstaates vor, die der Einfuhrzollstelle vorzulegen ist.

 

Unter dem sehr weitgefassten Begriff "Handel" (Art 2 lit u der VO) wird die Einfuhr in die Gemeinschaft, einschließlich des Einbringens aus dem Meer, und die Ausfuhr und Wiederausfuhr aus dieser sowie die Verwendung, Beförderung oder Überlassung von Exemplaren, für die die Vorschriften der Verordnung gelten, in der Gemeinschaft einschließlich innerhalb eines Mitgliedsstaates, verstanden.

 

4.2. In den Begriffsbestimmungen des Art 2 der Verordnung wird zwar die "Wiedereinfuhr in die Gemeinschaft" erwähnt (vgl Art 2 lit o), dabei aber der Begriff "Einfuhr" selbst nicht definiert, sondern offenbar als bekannt vorausgesetzt.

 

Der Begriff der Einfuhr wird auch im ArtHG 1998 nicht definiert. Man wird wie in vergleichbaren Rechtsmaterien davon ausgehen können, dass mit Einfuhr ein tatsächlicher Vorgang gemeint ist, bei dem die Ware über die Grenze in das Bundesgebiet verbracht wird.

 

So versteht man etwa im Suchtmittelrecht unter der Tathandlung "einführt" im § 27 Abs 1 Z 1 5. Fall SMG das Bringen von Suchtgift in das Hoheitsgebiet eines Staates, also das Überschreiten der Grenze, mag der Grenzübertritt mangels Kontrollen auch problemlos gewesen sein. Beim Straßentransport ist die Einfuhr mit Passieren der Grenzkontrollstelle des Einfuhrstaates und im Luftverkehr ist sie mit der Landung im Einfuhrland vollendet (vgl näher mwN Schwaighofer in Wiener Kommentar2 SMG § 27 Rz 29 ff). Unmittelbarer Täter der Einfuhr ist nach der Judikatur des OGH, wer das einzuführende Suchgift im Zug versteckt oder mit der Post versendet (Nachw bei Schwaighofer, aaO SMG § 27 Rz 31).

 

Der Verwaltungsgerichthof hat bei Einfuhr einer Funksendeanlage (unabhängig von der zollrechtlichen Behandlung) das Verbringen der Anlage über die Grenze ins Bundesgebiet (VwGH 29.04.2002, Zl. 2000/03/0016 = VwSlg 15824 A/2002) als maßgebliches Kriterium gesehen. Auch bei der Einfuhr von Arzneimitteln hat er dies so gesehen (VwGH 28.02.2005, Zl. 2001/10/0152 = VwSlg 16563 A/2005) und mit Hinweis auf Vorjudikatur (VwGH 02.07.1984, Zl. 84/10/0030) zum Konkretisierungsgebot des § 44a Z 1 VStG betont, dass bei der Einfuhr von Waren auch aus dem Spruch mit genügender Deutlichkeit hervorgehen müsse, worin das Einführen der Ware bestanden hat bzw durch welche Vorgangsweise dies geschehen sein soll.

 

Für den eigenständigen strafrechtlichen Begriff der Einfuhr kommt es nur auf den tatsächlichen Vorgang des Einführens, nicht aber auf zivilrechtliche Regeln über den Eigentumsübergang (vgl § 429 ABGB) oder sonst über die Gefahrtragung (vgl Art 8 Nr. 20 EVHGB) an, deren Regelungszweck am Risiko des zufälligen Untergangs und damit an nicht strafrechtsrelevanten Kriterien orientiert ist.

 

Dass bei einer Sendung aus den USA am Luftweg die Einfuhr in die Gemeinschaft mit der nach Österreich zusammenfällt und es nicht sinnvoll erscheint, auf das theoretische Überschreiten einer EU-Außengrenze in der Luft abzustellen, sollte bei vernünftiger Auslegung nicht zweifelhaft sein. Das bloße Überfliegen der Staatsgrenze kann noch nicht als Einfuhr gewertet werden (vgl Schwaighofer, Wiener Kommentar2 SMG § 27 Rz 30). Die Einfuhr durch Verbringen ins Bundesgebiet erfolgt vielmehr über die Einfuhrzollstelle, die sich gegenständlich am österreichischen Zielflughafen Wien/Schwechat befindet. Diese Auslegung folgt aus den Einfuhrbestimmungen des Art 4 der Verordnung (EG) Nr. 338/1997, die auf die der Einfuhrzollstelle bei der Einfuhr vorzulegende Einfuhrgenehmigung des Bestimmungsmitgliedsstaats abstellen.

 

4.3. Die belangte Behörde hat dem Bw vorgeworfen, dass er im X, X, X, X, eine Paketsendung aus den USA eingeführt hätte. Diese Anlastung ist schon deshalb verfehlt, weil nach Mitteilung des Magistratischen Bezirksamtes für den 23. Wiener Bezirk vom 5. Oktober 2007 sich nur das Konfiskat im Zollamt Wien befunden hat. Die beschlagnahmte Ware wurde offenbar zollbehördlich dorthin weitergeleitet. Dort wurde aber mit Sicherheit nicht eingeführt. Die Einfuhr selbst erfolgte vielmehr auf dem Luftweg über den Flughafen Wien. Dem wird von der belangten Behörde aber nur unzureichend nach der Wendung "Paketsendung aus den USA" durch die Klammerangabe "(eingebracht über das Grenzzollamt Eisenstadt Flughafen Wien)" Rechnung getragen. Der Tatvorwurf bleibt dabei unklar und missverständlich. Es wird nicht im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichthofs mit genügender Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, worin das Einführen der Ware bestanden hat und durch welche Vorgangsweise des Bw (!) dies geschehen sein soll (vgl dazu VwSlg 16563 A/2005).

 

Aus der Aktenlage (Anzeige des Zollamts Wien vom 26.09.2007) ergibt sich, dass die Ware (60 Stück X mit Hoodia spp.) im Postverkehr zwischen USA und Österreich ohne Vorliegen einer Bewilligung nach dem Artenhandelsgesetz über das Grenzzollamt Eisenstadt am Flughafen Wien eingeführt und von der Zollverwaltung beschlagnahmt wurde.

 

4.4. Zum Sachverhalt sind die wesentlichen aktenkundigen Umstände darzulegen. Der angeschlossenen Kopie des Paketumschlages mit dem in Canada aufgeklebten Aufgabeschein "Small Packet" ergibt sich, dass von einer Cybermed Industries Inc., Box 8842, Victoria BC Canada V8W 3Z1, ein kleines Paket mit der (vorgedruckten) Deklaration "HERBAL VITAMINS" an den Bw auf dem Luftweg abgesendet worden war. Der handschriftliche Vermerk "Artenschutz Hoodia" wurde offenbar nachträglich von der Zollverwaltung angebracht. Einer weiter angeschlossenen Kopie eines Formblattes über die Bestellung ist zu entnehmen, dass das Produkt "X Lose fat FAST!", offenbar ein Schlankheitsmittel, vermutlich vom Bw per Internet bestellt worden war. Angaben zum Erzeuger, Lieferanten oder zu Inhaltsstoffen des Produkts finden sich nicht. Es werden lediglich das Produkt "X" (74,95 $), die Kosten der Übersendung (10,00 $), die Postadresse und E-Mail-Adresse des Bw, Kreditkarte Visa und "Expiration Date: Month 01" angegeben. Gesendet und beschlagnahmt wurde allerdings das Produkt "X", worauf der Bw in seiner Stellungnahme vom 24. November 2007 zur Aufforderung zur Rechtfertigung unter Vorlage des Bestellformulars, das der oben beschriebenen Kopie entspricht, hingewiesen hat. Dieser Umstand wurde der Zollverwaltung zur Kenntnis gebracht. In weiterer Folge übermittelte das Zollamt Wien am 5. Februar 2008 ein Farbfoto des beschlagnahmten Produkts "X - Advanced Weight Loss Formula" mit dem angebrachten Vermerk "Pure Hoodia Blend 60 CAPSULES". Herr X vom Zollamt Wien meinte, dass in X die Inhaltsstoffe wie in X enthalten seien. Diese Meinung teilte auch der beigezogene Amtssachverständige für Natur- und Landschaftsschutz nach Internetrecherchen in seiner Stellungnahme vom 1. April 2008.

 

4.5. Zur Frage der örtlichen Zuständigkeit hat das Magistratische Bezirksamt für den 23. Wiener Gemeindebezirk unter Hinweis auf Entscheidungen des Unabhängigen Verwaltungssenats (UVS) Wien aus dem Jahre 2007 auf den Wohnort des Beschuldigten verwiesen, der danach als Tatort in Betracht komme. Zum Beleg wurde der Berufungsbescheid des UVS Wien vom 7. September 2007, Zl. UVS-06//42/7914/2007-1, in anonymisierter Form angeschlossen. In dieser Entscheidung werden zur gegenständlich vergleichbaren Frage der Zuständigkeit folgende begründende Aussagen getroffen:

 

"Im gegenständlichen Verfahren fallen der Ort, an welchem der Berufungswerber gehandelt hat und der Ort, an welchem der tatbildliche Erfolg, daher die Einfuhr eines Produktes, eingetreten ist (eingetreten sein soll), auseinander. Es liegt daher ein typischer Fall eines Distanzdelikts vor. Bei Distanzdelikten ist aber als Tatort nicht der Ort anzusehen, an welchem der tatbildliche Erfolg eingetreten ist, sondern der Ort, an dem die Handlung, durch welche der tatbildliche Erfolg ausgelöst worden ist, vollendet worden ist (vgl. VwGH 29.11.1977, 2112/76; 5.2.1964, 453/62; 18.9.1992, 91/12/0159). Dies ist in Anbetracht des Umstandes, dass der Berufungswerber das gegenständliche Produkt per Internet, und daher wohl von seinem Wohnort aus und nicht von einem in Wien befindlichen Computer aus, bestellt hat, der Wohnort; keinesfalls ein Ort in Wien.

 

Da der Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 23. Bezirk, somit jedenfalls als örtlich unzuständige Behörde eingeschritten ist, war auf die Frage, ob als Ort der Einfuhr i.S.d. Artenhandelsgesetzes nicht der Ort des Grenzübertritts, daher im gegenständlichen Verfahren der Flughafen Wien, anzusehen wäre (sodass auch aus dieser Überlegung die örtliche Zuständigkeit der Erstbehörde jedenfalls zu verneinen wäre), nicht mehr einzugehen."

 

4.6. Unrichtig ist zunächst schon die Annahme des UVS Wien, dass es sich bei der Einfuhr von Waren um einen Erfolg handeln würde. Wie oben im Punkt 4.2. zum Begriff "Einführen" bzw "Einfuhr" näher dargelegt wurde, geht es dabei um den tatsächlichen Vorgang des Verbringens einer Sache über die Grenze in das Bundesgebiet. Die Tathandlung selbst besteht in der Einfuhr, welche somit nicht auch ein Erfolg sein kann.

 

Der UVS Oberösterreich teilt die oben wiedergegebene Darstellung zum sog. Distanzdelikt nicht. Wie noch im Folgenden näher auszuführen ist, hat der UVS Wien die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs nicht richtig ausgewertet und zitiert.

 

Beim sog. Distanzdelikt in der Judikatur des Verwaltungsgerichthofes geht es um die Bestimmung des Ortes der Tathandlung. So hat der Verwaltungsgerichthof im Falle von verwaltungsstrafrechtlichen Ehrenkränkungen, die ohne die Publizitätserfordernisse der §§ 111 ff StGB (vgl mwN Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB3 Vorbem § 111 Rz 12) durch den Inhalt eines Briefes begangen werden, als Tatort jenen Ort angesehen, an dem die Tathandlung vollendet wurde, was bei Briefen oder schriftlichen Eingaben der Ort der Übergabe des Schriftstückes zur Beförderung oder Präsentation war (vgl VwSlg 9443 A/1977 = VwGH 29.11.1977, Zl. 2112/76; VwGH 5.2.1964, Zl. 453/62, zitiert nach Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2 [2000] E 4 zu § 27 VStG).

 

In VwSlg 13698 A/1992 (= VwGH 18.9.1992, Zl. 91/12/0159) ging es um die Feststellung des Tatorts des (unberechtigten) Führens eines akademischen Grades nach dem Tatbestand der Verwaltungsübertretung des § 109 Abs 2 UOG. Dabei betonte der Verwaltungsgerichtshof die entscheidende Bedeutung für die Beurteilung der inländischen Strafbarkeit der Tathandlung und meinte, das bloße Verfassen eines Schreibens, in dem der akademische Grad geführt wird, könne als solches den Tatbestand noch nicht erfüllen. Wird ein solches Distanzdelikt durch einen Brief begangen, so ist als Tatort jener Ort anzusehen und im Spruch anzuführen, an dem der Brief zur Post gegeben wurde. Wurden Deliktshandlungen teils im Inland, teils im Ausland begangen, gilt bei rechtlicher Einheit des Gesamtgeschehens die Einheitstheorie und können die Auslandsteile auch im Inland bestraft werden.

 

Es kommt bei solchen Delikten immer auf die gesetzlich vorgesehene Art der Tathandlung an. Im Falle des Anbietens einer den Gegenstand eines Gewerbes bildenden Tätigkeit in Zeitungsinseraten (Kundenwerbung durch Insertion) hat der Verwaltungsgerichthof den Tatort des § 366 Abs 1 Z 1 GewO 1973 unter Hinweis auf Vorjudikatur jedenfalls auch dort gesehen, wo die Zeitung verbreitet wird (VwGH 22.02.1979, Zl. 2435/76). Nach dem Oö. Polizeistrafgesetz ist gemäß § 2 Abs 3 lit b) das Anbahnen der Prostitution durch öffentliche Ankündigung u.A. in Druckwerken verboten. Vom verbotenen Anbahnen durch öffentliche Ankündigung kann bei Zeitungsannoncen erst gesprochen werden, wenn die Zeitung ihren Abnehmern zugänglich ist. Der Täter handelt dort, wo die Zeitung verbreitet wird, wobei nach Meinung des Verwaltungsgerichtshofs als Tatzeit der Beginn der Verbreitung des periodischen Druckwerkes in Oberösterreich und als Tatort jener Ort anzusehen ist, von dem aus die Verbreitung in Oberösterreich ihren Ausgang nimmt. Wo die Annonce geschrieben und aufgegeben wurde, spielt keine Rolle (vgl VwGH 27.03.1991, Zl. 90/10/0189).

 

4.7. Wie die Auswertung der Judikatur gezeigt hat, kann sich der UVS Wien für seine Ansicht nicht auf den Verwaltungsgerichtshof berufen. Dieser hat nämlich nie mit einem angeblich tatbildlichen Erfolgseintritt argumentiert, der vom Ort der Handlung zu unterscheiden wäre. Vielmehr hat der Verwaltungsgerichtshof durch Auslegung der Tathandlung der jeweiligen Ungehorsamsdelikte (nicht Erfolgsdelikte!) den maßgeblichen Ort des Handelns bestimmt. Dabei kam es bei Begehung des Delikts durch einen Brief auf den Abschluss des körperlichen Verhaltens des Täters und damit auf die Übergabe an die Post als Beförderer an, weil der Täter damit unwiderruflich alles aus seiner Sicht getan hatte, um mit dem Schriftstück den Empfänger zu erreichen. In anderen Fällen, in denen es für die Begehung einer Verwaltungsübertretung auf die öffentliche Ankündigung oder Kundenwerbung in Zeitungsinseraten und damit auf eine öffentliche Art und Weise des Handelns ankam, hat der Täter folgerichtig dort gehandelt, wo die Zeitung verbreitet wird.

 

Für den gegenständlichen Fall der Einfuhr eines Nahrungsergänzungsmittels folgt aus der vom UVS Wien herangezogenen Judikatur keineswegs, dass mit der Bestellung des Produkts im Internet die Tathandlung der Einfuhr nach Österreich bzw in die Europäische Gemeinschaft begangen wurde oder gar abgeschlossen worden wäre. Abgesehen davon, dass der Bw "X" und nicht das gesendete "X" bestellt hatte, geht aus dem Bestellschein eine Lieferzeit von einem Monat hervor. Die Bestellung hätte in dieser Zeit wohl auch storniert werden können, wenn der Bw gewusst hätte, dass eine sog. CITES-Bescheinigung erforderlich ist, die nicht beigeschafft werden kann.

 

Wie der UVS Oberösterreich schon zum Arzneiwareneinfuhrgesetz 2002 (StF BGBl I Nr. 28/2002) im Falle der Bestellung einer Ware in den Niederlanden im Wege eines Versendungskaufes erkannt hatte, konnte allein durch die Bestellung noch nicht der Tatbestand der Einfuhr iSd § 2 Abs 2 2. Fall Arzneiwareneinfuhrgesetz 2002 durch Verbringen aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union erfüllt sein, weil der Besteller nicht als Lieferant, sondern lediglich als Empfänger der Ware anzusehen ist (vgl u.a. VwSen-240462/2/Gf/Ka vom 02.09.2003 und VwSen-240464/2/WEI/Pe vom 05.03.2004).

 

Der gegenständliche Fall, der insofern vergleichbar ist, als es für die Tathandlung begrifflich auf den Vorgang der Einfuhr durch Verbringen nach Österreich ankommt, bietet Anlass zu weiteren Überlegungen. Zum Unterschied von den Tathandlungen in den vom UVS Wien zitierten "Distanzdelikten" aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs, war mit der gegenständlichen Bestellung im Wege des Internets und der dabei vereinbarten Lieferung zum Wohnort des Bw als Erfüllungsort noch nicht alles geschehen, um die Einfuhr der Ware nach Österreich zu bewirken. Einerseits musste die bestellte Ware beim Verkäufer in den USA noch vorhanden sein (vgl etwa Lieferung von X statt X) und andererseits bedurfte es noch der Übersendung durch den Verkäufer. Dieser organisierte eigenverantwortlich die Versendung per Flugpost ab Canada und übergab die Ware dort dem Beförderer (gegenständlich im Postverkehr) für den Transport zum Erfüllungsort. Das Verbringen der Ware über die Grenze nach Österreich auf dem Luftweg wurde zwar faktisch durch den Luftpostverkehr bewirkt, die Post fungierte dabei aber nur als ein tendenzloser Erfüllungsgehilfe des Versenders. Ihre Dienstleistung ist daher dem zuzurechnen, der die Versendung organisiert und beauftragt hat. Anders wäre der Fall nur zu betrachten, wenn der Besteller auch den Transport selbst organisiert und in Auftrag gegeben hätte, weil dann das Tun des Beförderers ihm zugerechnet werden müsste.

 

Nach Ansicht des UVS Oberösterreich ist daher in einem Versendungsfall wie dem vorliegenden der Verkäufer der Ware als unmittelbarer Täter und damit als derjenige zu betrachten, der eingeführt hat. Dieser Verkäufer hatte auch die verharmlosende Deklaration "HERBAL VITAMINS" am Paket vorgenommen, ohne dass der Bw als Besteller darauf irgendeinen Einfluss ausgeübt hat. Zumindest kann dies nach der vorliegenden Aktenlage nicht angenommen werden. Bei Vorliegen eines entsprechenden Beweisergebnisses, das gegenständlich allerdings nicht aktenkundig geworden ist, könnte sich ein Besteller als Anstifter gemäß dem § 7 VStG an der Tat beteiligen.

 

4.8. Selbst wenn man diese Ausführungen nicht teilt und den Besteller pauschal als Importeur betrachten wollte, wäre die maßgebliche Tathandlung des Einführens nicht schon durch die Bestellung, sondern erst durch den Beförderer als Erfüllungsgehilfen im Wege des Grenzübertritts am Flughafen Wien/Schwechat bewirkt worden. Wie der UVS Wien im 2. Absatz seiner Begründung (vgl oben unter Punkt 4.5) selbst zum Ausdruck bringt, könnte als Ort der Einfuhr iSd Artenhandelsgesetzes der Ort des Grenzübertritts am Flughafen Wien in Betracht kommen, worauf er bei seinem Ansatz allerdings nicht mehr einzugehen brauchte. Dabei wird die Einfuhr im Land Niederösterreich und nicht in Wien bewirkt, weil der Flughafen Wien in Niederösterreich liegt. Der UVS Wien hat insofern auch mit Recht die örtliche Zuständigkeit einer Wiener Erstbehörde, nämlich des Magistratischen Bezirksamtes für den 23. Bezirk, verneint.

 

5. Im Ergebnis ist festzustellen, dass der Wohnort des Bestellers eines Versendungskaufes im Internet jedenfalls nicht als Ort der Einfuhr und damit der Tathandlung der gegenständlichen Verwaltungsübertretung angesehen werden kann. Die Einfuhr und damit das Verbringen der Ware über die Grenze nach Österreich erfolgte vielmehr im Wege des Zielflughafens Wien/Schwechat. Die belangte Behörde konnte als oberösterreichische Bezirksverwaltungsbehörde nicht örtlich zuständig sein, zumal nach dem § 27 Abs 1 VStG jene Behörde zuständig ist, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist.

 

Da auch eine Übertragung der Zuständigkeit durch die örtlich zuständige Behörde an die Wohnsitzbehörde gemäß § 29a VStG im vorliegenden Verfahren aktenkundig nicht erfolgt ist, war die Unzuständigkeit der belangten Behörde gemäß dem § 6 Abs 1 AVG (iVm § 24 VStG) von Amts wegen aufzugreifen und das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos aufzuheben.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. W e i ß

 

 

 


 

Rechtssatz zu VwSen-330020 vom 31. August 2010

 

§ 27 Abs 1 VStG; § 9 Abs 1 Z 1 ArtHG 1998; Art 4 Verordnung (EG) Nr. 338/97

 

Die Einfuhr von Waren ist kein Erfolg, sondern eine Tathandlung. Unter Einfuhr iSd Art 9 Abs 1 Z 1 ARtHG 1998 ist das Verbringen der Ware in das Bundesgebiet bzw Gebiet der Europäischen Gemeinschaft über die Einfuhrzollstelle zu verstehen. Die Einfuhrbestimmungen des Art 4 der Verordnung (EG) Nr. 338/1997 stellen nämlich auf die der Einfuhrzollstelle bei der Einfuhr vorzulegende Einfuhrgenehmigung des Bestimmungsmitgliedsstaats ab. Bei Beförderung im Luftverkehr mit Zielflughafen Wien/Schwechat erfolgt die Einfuhr durch Passieren der Kontrollstelle des Einfuhrzollamts. Das Abstellen auf eine Grenzüberschreitung des Flugzeugs in der Luft erscheint nicht sinnvoll.

 

Bei den sog. Distanzdelikten in der Judikatur des Verwaltungsgerichthofs geht es um die Feststellung des Ortes der Tathandlung und damit um die Frage der örtlichen Zuständigkeit nach § 27 Abs 1 VStG, wo eine Verwaltungsübertretung begangen wird.

 

Bei Distanzdelikten, die durch den Inhalt eines Briefes oder Schriftstückes begangen werden, kommt es auf den Abschluss des Täterverhaltens durch Übergabe zur Beförderung oder Präsentation an. Erfordert eine Tathandlung auch die öffentliche Ankündigung eines Inserates oder einer Annonce, so liegt der Ort der Handlung dort, wo die Zeitung verbreitet wird.

 

Durch die bloße Bestellung von Waren zum Versendungskauf im Wege des Internets wird nicht der Begriff der Einfuhr erfüllt, weil damit noch nicht unmittelbar die Einfuhr der Ware bewirkt wird. Importeur ist vielmehr derjenige, der die Versendung der Ware organisiert und dem (tendenzlosen) Beförderer, mit dessen Hilfe die Ware ins Bundesgebiet verbracht wird, übergibt. Hat der Verkäufer die Versendung der Ware zum Wohnort des Bestellers als Erfüllungsort übernommen, so führt er die Ware ein. Ein Besteller kann sich aber an einer verbotenen Einfuhr als Anstifter iSd § 7 VStG mitschuldig machen.

 

 

 

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