Linz, 30.08.2010
E r k e n n t n i s
I. Der Berufung wird mit der Maßgabe statt gegeben, als der Spruch bei identer Zeit- u. Örtlichkeit in Abänderung jedoch zu lauten hat: …..„Sie haben das Vorrangzeichen "Vorrang geben" durch Einfahren in die Kreuzung nicht beachtet und haben dadurch ein bevorrangtes Kraftfahrzeug zum unvermittelten Abbremsen genötigt.“
Als Strafnorm gelangt § 99 Abs.3 lit.a StVO zur Anwendung.
Der Strafausspruch wird bestätigt.
II. Der Antrag auf Streichung der Vormerkung im Führerscheinregister wird als unzulässig zurückgewiesen.
III. Für das Berufungsverfahren entfällt ein Verfahrenskostenbeitrag.
Rechtsgrundlagen:
Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009 – AVG iVm § 19, § 24, § 44a Z1u.2, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009 – VStG.
Zu II.: §30a FSG iVm § 66 Abs.4 AVG
Zu III.: § 65 VStG
Entscheidungsgründe:
1. Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach hat mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis über die Berufungswerberin wegen der Übertretungen nach § 19 Abs.7 iVm § 19 Abs.4 und § 99 Abs.2 lit.c Z5 StVO eine Geldstrafe von € 72 und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 21 Stunden verhängt, weil sie am 22.06.2010 um 19:55 Uhr in der Gemeinde Berg bei Rohrbach, Ortschaftsbereich X, B 38 bei Strkm. 151,490, Kreuzung Frindorfer Gemeindestraße und B 38, als wartepflichtige Lenkerin des PKW's behördliches Kennzeichen X (A) durch Einbiegen in die Kreuzung vor der sich das Vorschriftszeichen "HALT" befindet einem im Vorrang befindlichen Fahrzeug den Vorrang nicht gegeben und dieses dadurch zu unvermitteltem Bremsen und Ablenken genötigt habe, wodurch sie die Verkehrssicherheit gefährdet habe.
Die der Berufungswerberin in diesem Zusammenhang im Vorfeld übermittelte Strafverfügung enthielt den Hinweis, dass mit Rechtskraft dieses Tatvorwurfes eine Vormerkung im Führerscheinregister verbunden sei.
1.1. Begründend wird das Straferkenntnis mit folgenden Ausführungen:
2. Dem tritt die Berufungswerberin mit ihrer fristgerecht durch ihren Rechtsvertreter erhobenen Berufung mit folgenden Begründung entgegen:
3. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer Berufungsverhandlung war wegen der bestrittenen Faktenlage erforderlich (§ 51e Abs.1 VStG).
3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verfahrensakt. Im Vorbereitung der Berufungsverhandlung wurden Luftbilder von der fraglichen Örtlichkeit beigeschafft. Diese beinhalten die Verkehrszeichen im verfahrensrelevanten Bereich der B38, sowie den Höhenverlauf in Fahrtrichtung des Zeugen BI X. Ebenfalls wurden die Art des Vorrangzeichens (Halt oder Vorrang geben) des von der Berufungswerberin befahrenen Straßenzuges an der Kreuzung zur B38 erhoben. Unter Grundlegung der Anfahr- bzw. Gefahrensichtweite im fraglichen Kreuzungsbereich wurde die als Folge der Vorrangverletzung der Berufungswerberin erforderliche (unfallvermeidende) Bremsverzögerung berechnet.
Der Meldungsleger wurde zeugenschaftlich und die rechtsfreundlich vertretene und auch persönlich erschienene Berufungswerberin wurde als Beschuldigte einvernommen.
Auch ein Vertreter der Behörde erster Instanz nahm an der Berufungsverhandlung teil.
4. Folgender Sachverhalt ist erwiesen:
Die Situation wird anlässlich der Berufungsverhandlung übereinstimmend dahingehend geschildert, dass die Berufungswerberin mit ihrem Pkw vom Ortschaftweg X in die B38 nach links abzubiegen beachsichtigte. Diese Örtlichkeit habe sie bereits vielfach befahren.
Die Sichtweite nach links gibt sie mit 150 bis 200 m an. Das Gelände fält auf diese Sichtdistanz zumindest 20 m ab. Die Berufungswerberin hielt vor dem Kreuzungsbereich an und setzte die Fahrt links abbiegend fort nachdem sie links und rechts keinen Verkehr wahrgenommen zu haben glaubte.
Sie vermeinte ferner dort eine Stopptafel zu wissen, tatsächlich befindet sich dort jedoch nur das Verkehrszeichen „Vorrang geben.“ Etwa 80 m vor dem Kreuzungsbereich findet sich laut beigeschafftem Luftbildmaterial in Fahrtrichtung des Anzeigers eine Geschwindigkeitsbeschränkung mit 70 km/h. Die Annäherungsgeschwindigkeit an die Kreuzung wird vom Zeugen mit 70 bis 80 km/h angegeben, wobei ihm das Angezeigtenfahrzeug etwa im oder knapp nach der Beschränkungszone „70 km/h“ aufgefallen ist. Als der Zeuge die offenkundig drohende Vorrangverletzung dieses KFZ durch Einfahren in die Kreuzung realisierte, bremste er sein Fahrzeug scharf ab um dadurch eine drohende Kollission zu vermeiden.
Die Berufungswerberin bestreitet dies nicht, sondern erklärte den Pkw des Anzeigers erst bemerkt zu haben als dieser etwa zwei Meter vor ihrem rechten Seitenfenster zum Stillstand gekommen war. Sie hatte zu diesem Zeitpunkt die B38 erst zur Hälfte überquert und befand sich noch auf dem talwärts führenden Fahrstreifen.
4.1. Diese an sich unstrittigen Darstellungen sind in sich schlüssig und lassen die Vorrangverletzung zweifelsfrei erwiesen gelten. Selbst unter der Annahme des Erkennens des Bremserfordernisses bereits 80 m vor der Kreuzung, folgt unter Grundlegung einer normalen Reaktionszeit von einer Sekunde aus 80 km/h eine Bremsverzögerung von 4,44 m/sek2. Dieser Verzögerungswert liegt deutlich über jenem einer üblichen Betriebsbremsung, der wie die sogenannte Fahrschulformel einen Verzögerungwert von etwa 3,9 m/sek2 zu Grunde liegt. Die Angaben des Meldungslegers sind sohin auch rechnersich gut und realistisch nachvollziehbar.
5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat wie folgt erwogen:
Nach § 19 Abs.7 StVO 1960 haben Fahrzeuglenker, wenn vor einer Kreuzung das Vorschriftszeichen “Vorrang geben” oder “Halt” angebracht ist, sowohl die von rechts als auch die von links kommenden Fahrzeuge den Vorrang.
Wer keinen Vorrang hat (der Wartepflichtige), darf durch Kreuzen, Einbiegen oder Einordnen die Lenker von Fahrzeugen mit Vorrang (die Vorrangberechtigten) weder zu unvermitteltem Bremsen noch zum Ablenken ihrer Fahrzeuge nötigen (Abs.7 leg.cit.).
Ein solches Bremserfordernis war hier, wie oben ausführlich dargelegt wurde, durch das nur 70 bis 80 m vor dem Polizeifahrzeug durchgeführte Abbiegemanöver zwingend.
Die Berufungswerberin hätte daher bei gehöriger Aufmerksamkeit vor dem Einbiegemanöver das Fahrzeug des Berufungswerbers wahrnehmen und dessen Vorfahrtsrecht beachten müssen. Somit ist ihr zumindest schuldhaftes Verhalten in Form von Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Durch ihr Verhalten hat sie den Zeugen zum unvermittelten Abbremsen und auch zum Ablenken des Fahrzeuges genötigt, wie dies der § 19 Abs.7 StVO 1960 als "Vorrangverletzung" definiert.
5.1. Gemäß §30a FSG ist die Vormerkung erst nach Rechtskraft eines ein Vormerkdelikt begründenden Regelverstoßes einzutragen.
Die zuletzt genannte Bestimmung verweist in deren Punkt 6. auf Übertretungen des § 19 Abs.7 i.V.m. Abs.4 StVO, wenn der Vorrangverletzung die Nichtbeachtung eines Vorschriftszeichens gemäß § 52 lit.c Z 24 StVO (= HALT) zu Grunde liegt und dadurch die Lenker anderer Fahrzeuge zu unvermitteltem Bremsen oder zum Ablenken ihrer Fahrzeuge genötigt werden. Das Gebotszeichen nach § 52 lit.c. Z23 StVO (=VORRANG GEBEN) ist demnach dem Vormerksystem nicht einbezogen.
Obwohl eine zum plötzlichen Bremsen und/oder Ausweichen führende Vorrangverletzung im Unwertgehalt keinen Unterschied erkennen lässt ob diese in der Mißachtung eines VZ „Halt“ oder „Vorrang geben“ begründet ist, mag die Nichtaufnahme des § 52 lit.c Z23 StVO in den Vormerkkatalog allenfalls auf eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes zurückzuführen sein.
Mit Blick darauf entbehrt der Antrag der Berufungswerberin auf Streichung der Vormerkung einer sachlichen Grundlage, da die Rechtskraft erst mit der Berufungsentscheidung eintritt und im gegenständlichen Fall ein Vormerktatbestand ex lege nicht vorliegt. Demnach war der diesbezügiche Antrag mangels Verfahrensrelevanz zurückzuweisen.
5.2. Da die Verfolgungsverjährungsfrist noch nicht abgelaufen ist, war der Oö. Verwaltungssenat als Berufungsbehörde verpflichtet eine entsprechende Spruchkorrektur nach § 44a Z1 u. Z2 VStG vorzunehmen (vgl. VwGH v. 25.2.2005, 2002/02/0216-12).
6. Zur Strafbemessung:
Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.
6.1. Hier schließt sich die Berufungsbehörde, um unnötige Wiederholungen zu vermeiden, im Wesentlichen den Ausführungen der Erstbehörde im angefochtenen Straferkenntnis an. Der Unwertgehalt einer Vorrangverletzung ist ob der daraus resultierenden hohen Unfallsneigung als durchaus schwerwiegend anzusehen.
Die Behörde hat in Befolgung des § 60 AVG (§ 24 VStG) in der Begründung des Bescheides die für die Ermessensausübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Ziel des Gesetzes erforderlich ist. Diese Ermessensentscheidung ist nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen (VwGH 4.4.2001, 99/09/0140, mit Hinweis auf Erk. VwGH [verst. Senat] 25. März 1980, Zl. 3273/78, VwSlg 10077 A/1980).
Trotz des Milderungsgrundes der strafrechtlichen Unbescholtenheit ist die Geldstrafe immer noch sehr milde bemessen. Mit Blick darauf konnte selbst bei nunmehr einer mit geringeren Strafsätzen anzuwenden gewesenen Strafnorm eine Reduzierung der Geldstrafe nicht in Betracht kommen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
H i n w e i s:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r