Linz, 06.09.2010
E r k e n n t n i s
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch seine I. Kammer (Vorsitzende: Maga. Bissenberger, Berichter: Dr. Bleier, Beisitzer: Dr. Keinberger), über die Berufungen des Herrn X, gegen die Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, vom 21.06.2010, Zl.: VerkR96-45052-2009-Hai, zu Recht:
I. Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis behoben.
II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.
Rechtsgrundlagen:
zu I: §§ 24 und 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG;
zu II: § 66 VStG.
Entscheidungsgründe:
1.1. Begründend führte die Behörde erster Instanz aus wie folgt:
2. In der dagegen fristgerecht durch ihren ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Berufung fürt der Rechtsvertreter der Berufungswerber folgendes aus:
3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde. Vorgängig wurde der Berufungswerber aufgefordert die in seinem Berufungsvorbringen erwähnten Dokumente nachzureichen, sowie grundsätzlich ergänzende Erklärungen zu den Berufungsausführungen und die Kontext stehenden UVS-Vorentscheidungen nachzureichen.
Ebenfalls wurde die Firmeneinträge im Internet recherchiert und eine Firmenbuchabfrage durchgeführt.
3.1. Da im angefochtenen Straferkenntnis 2.000 Euro übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, ist der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung durch die nach der Geschäftsverteilung zuständigen I. Kammer berufen (§ 51c VStG).
4. Entscheidungswesentlicher Sachverhalt:
Mit einem im Verantwortungsbereich des Berufungswerbers betriebenen Hubschrauber, Marke: „Bell Jet Ranger 206 B2, mit slowakischer Registration, X, musste dessen Pilot (Inhaber einer Hubschrauberberufspilotenlizenz) am 23.5.2009 im Gemeindegebiet von 4841 Ungenach, offenbar wegen eines technischen Gebrechens notlanden. Dabei wurde das Fluggerät zerstört. Die zwei neben dem Piloten an Bord befindlichen Personen wurden leicht verletzt.
Über die vom Piloten noch am Unfallstag pflichtgemäß von diesem Vorfall erstattete Unfalls- u. Störungsmeldung in der Zivilluftfahrt gelangte der Vorfall im Wege der X (Abteilungsleiter X) bei der Behörde erster Instanz, in dessen Sprengels sich der Flugunfall ereignete, als Verwaltungsübertretung zur Anzeige.
Der Berufungswerber war am 23.5.2009 gemeinsam mit dem weiteren Geschäftsführer X als handelsrechtlicher Geschäftsführer, unter der Firmenbuchnummer, FN X der „X Helicopter GmbH“ mit Sitz in X, Gemeinde X, mit Firmenanschrift X, eingetragen. Seit 25.1.2010 vertritt X die Gesellschaft alleine.
Als Geschäftszweig findet sich „Flugschule und Bedarfsflugunternehmen“ vermerkt.
Die Gesellschaft wird, wenn mehrere Geschäftsführer bestellt sind, durch zwei Geschäftsführer gemeinsam oder durch einen von ihnen gemeinsam mit einem Gesamtprokuristen vertreten.
Der Gesellschaftsvertrag ist mit 17.9.2004 vermerkt. Als Gesellschafter sind mit dem Berufungswerber und dem zweiten Geschäftsführer vier Personen registriert.
Der Halter des beim Unfall zerstörte Fluggerätes ist die slowakische „X mit einer X. Diese verfügt laut der im Akt befindlichen Korrespondenz (E-Mail an X vom 30.6.2009, 5:49 PM) über keine Betriebsbewilligung gemäß der EU-Richtlinie 1008/2008.
Der Unfallort vermag keine ausreichende Grundlage für die Zuständigkeit der Behörde erster Instanz als Strafbehörde, mit Blick auf den Sitz des Firmenverantwortlichen in einem anderen Bundesland begründen.
5. Rechtlich hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oö. erwogen:
Gemäß § 2 Abs.1 und 2 VStG sind nur im Inland begangene Verwaltungsübertretungen strafbar. Eine Übertretung ist im Inland begangen, wenn der Täter im Inland gehandelt hat oder hätte handeln sollen oder wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg im Inland eingetreten ist.
Gemäß § 27 Abs.1 VStG ist örtlich zuständig die Behörde, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.
Zur Auslegung des im Sinn des § 27 Abs.1 VStG maßgebenden Begriffes des "Ortes der Begehung" muss die Bestimmung des § 2 Abs.2 VStG herangezogen werden. Daraus ergibt sich, dass eine Verwaltungsübertretung regelmäßig als dort begangen anzusehen ist, wo der Täter gehandelt hat oder (bei Unterlassungsdelikten) hätte handeln sollen.
Das der Flugunfall dem Berufungswerber nicht in seinem „luftfahrtgewerbsmäßigen“ Verantwortungsbereich zuzurechnen ist, bedarf wohl keiner weiteren Ausführung.
5.1. Gemäß § 27 Abs.1 VStG ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes – wie etwa auch zum Arbeitnehmerschutz, zur Ausländerbeschäftigung, zum Arbeitsrecht und zur LMKV 1993 sowie auch zum Öffnungszeitengesetz - der Tatort grundsätzlich der Sitz des Unternehmens, für welches der zur Vertretung nach außen Befugte gemäß § 9 VStG gehandelt hat. Im Hinblick auf § 2 Abs.2 VStG ist der Verwaltungsgerichtshof in zahlreichen Verwaltungsmaterien (z.B. ASchG, AuslBG, AZG, LMKV 1993, Öffnungszeitengesetz) zum Ergebnis gekommen, dass der Tatort dort liege, wo die Dispositionen und Anweisungen zur Vermeidung der Verstöße gegen die Verwaltungsvorschriften hätten gesetzt werden müssen. Ob in derartigen Fällen ein zur Vertretung nach außen befugtes Organ, ein verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 VStG oder ein gewerberechtlicher Geschäftsführer zur Verantwortung gezogen wird, spielt für die Frage der Tatortbestimmung keine Rolle.
Für die örtliche Zuständigkeit ist grundsätzlich allein entscheidend, wo der Täter gehandelt hat oder hätte handeln sollen. Wird ein zur Vertretung nach außen befugtes Organ zur Verantwortung gezogen, wird als Tatort im Regelfall der Sitz der Unternehmensleitung anzunehmen sein (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, Seite 1423ff mit Judikaturnachweisen).
In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf die Bestimmung des § 32 Abs.3 VStG hinzuweisen. Im Hinblick auf die örtliche Zuständigkeit der belangten Behörde ist auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, dass, wenn für einen Filialbetrieb ein verantwortlicher Beauftragter im Sinn des § 9 Abs.2 zweiter Satz VStG bestellt ist, der Tatort einer von diesem zu verantwortenden Übertretung nicht am Sitz der (zentralen) Unternehmensleitung liegt. In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wurde in diesem Zusammenhang zum Ausdruck gebracht, dass der Tatort dort liegt, wo die Dispositionen und Anweisungen zur Vermeidung der Verstöße gegen die Verwaltungsvorschriften hätten gesetzt werden müssen. Dies ist aber bei einem verantwortlichen beauftragten Filialleiter der Standort dieser Filiale (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Seite 1427, Anmerkung 12 mit Judikaturnachweisen).
Im Sinne dieser Judikatur wäre der Beschuldigte als handelsrechtlicher Geschäftsführer und daher als nach außen vertretungsbefugtes Organ jener Gesellschaft für die der Hubschrauber betrieben wurde, allenfalls verwaltungsstrafrechtlich schuldig, weil er vom Unternehmenssitz aus jene Handlungen vorzunehmen gehabt hätte, die zur Hintanhaltung der – hier nicht zu beurteilenden - Verwaltungsübertretung erforderlich gewesen wären. Die Unterlassung dieser Handlungen ist jedenfalls dem Unternehmenssitz zuzurechnen. Daher ist gemäß § 27 VStG die für diesen Behördensprengel vorgesehene Behörde zuständig.
Daher war das angefochtene Straferkenntnis mangels Zuständigkeit der Behörde erster Instanz – ohne sich inhaltlich mit dem Tatvorwurf auseinanderzusetzen und ohne Verfahrenseinstellung aufzuheben.
6. Weil die Berufung letztlich Erfolg hatte, waren gemäß § 66 Abs.1 VStG keine Verfahrenskostenbeiträge aufzuerlegen.
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
H i n w e i s:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Maga. Bissenberger