Linz, 06.09.2010
E r k e n n t n i s
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn X, vertreten durch Dr. X, Rechtsanwalt, X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 9. Juli 2010, Zl. VerkR96-3546-2010, nach der am 6.9.2010 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, zu Recht:
I. Der Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben, dass beim zur Last liegenden Lenken von einem Alkoholisierungsgrad von mehr als 0,6 mg/l, jedoch weniger als 0,8 mg/l auszugehen ist.
Die Strafnorm hat § 99 Abs.1a StVO 1960 zu lauten hat.
Die Geldstrafe wird unter Anwendung des § 20 VStG auf 600 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf sieben Tage ermäßigt.
II. Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten ermäßigen sich demnach auf 60 Euro. Für das Berufungsverfahren entfällt ein Verfahrenskostenbeitrag
Rechtsgrundlagen:
Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009 – AVG iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 20, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009 – VStG.
Zu II.: § 65 VStG.
Entscheidungsgründe:
1. Wider den Berufungswerber wurde mit dem o.a. Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen, wegen der Übertretung nach § 5 Abs.1 iVm § 99 Abs.1 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 1.600 Euro und im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafe von siebzehn (17) Tagen verhängt, weil er am 24.04.2010, 23:45 Uhr, den Pkw Ford Focus, mit dem Kennzeichen X, in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe wobei seine mit geeichten Alkomaten gemessene Atemluft einen Alkoholgehalt von 0,83 mg/l betragen habe.
1.1. Die Behörde erster Instanz begründete den Schuldspruch mit folgenden Erwägungen:
2. Der Berufungswerber tritt dem angefochtenen Straferkenntnis mit seiner fristgerecht durch den ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Berufung entgegen und führt aus:
3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Verlesung der inhaltsgleichen erstinstanzlichen Aktenlage im Verfahren zu VwSen-522631. Der den Atemlufttest durchführende Polizeibeamte GI X wurde auch im Rahmen des Berufungsverfahrens als Zeuge einvernommen. Im Vorfeld wurde die der Nachtrunkerantwortung zu Grunde liegende Alkoholsubstanz mittels sogenannten Alkorechner errechnet.
Der Berufungswerber wurde als Beschuldigter gehört. Ebenfalls nahm eine Vertreterin der Behörde erster Instanz an der Berufungsverhandlung teil.
4. Sachverhaltslage:
Der Berufungswerber verursachte zu dem im Spruch genannten Zeitpunkt einen geringfügigen Parkschaden, nachdem er sein Fahrzeug von einem Parkplatz des Heimbringerdienstes wegstellte, nachdem er dazu im Lokal persönlich vom Lenker eines Fahrzeuges des Heimbringerdienstes, auf dessen Parkplatz er sein Fahrzeug abgestellt hatte, aufgefordert wurde. Dabei kam es zu einer von ihm offenbar unbemerkt gebliebenen leichten Streifung (Beschädigung) eines dort ebenfalls geparkten Fahrzeuges. Anlässlich dieses „Umparkvorganges“ legte der 500 m von diesem Lokal entfernt wohnende Berufungswerber insgesamt nur 30 m zurück. Auf dem Rückweg ins Lokal wurde er von einer ihm unbekannten Person auf den verursachten Parkschaden angesprochen. Dies ignorierte er jedoch.
Im Lokal kosumierte er dann noch zwei Achtel Wein, ehe er, diesmal über Lautsprecher, abermals aus dem Lokal gebeten wurde.
Vor dem Lokal erwartete ihn die Polizei. Er wurde mit dem Vorwurf des Pakrschadens konfrontiert und es wurde vor Ort ein sogenannter Vortest und anschließend um 0:38 Uhr auf der Polizeiinspektion Schallerbach ein Alkotest – mit dem bekannten Ergebnis - durchgeführt.
4.1. Die Behörde erster Instanz folgte dem bereits im Rahmen einer schriftlichen Stellungnahme vorgetragenen Einwand eines weiteren Alkoholkonsums mit dem Hinweis auf die Judikatur nicht, weil dieser nicht auch bereits gegenüber dem einschreitenden Polizeibeamten erwähnt und exakt bewiesen worden sei. Diesbezüglich verwies die Behörde erster Instanz im nunmehr angefochtenen Straferkenntnis auch auf die einschlägige Judikatur.
Aus der Sicht der Berufungsbehörde ist der Verantwortung des Berufungswerbers aber durchaus zu folgen gewesen. So ist es einerseits nicht wirklich gesichert, dass der Berufungswerber überhaupt über sein Konsumverhalten nach dem Vorfall dezidiert gefragt wurde. Dies vermochte der Meldungsleger, wie auch schon in seiner Zeugenaussage vor der Behörde erster Instanz am 7.6.2010, auch anlässlich der Berufungsverhandlung nicht mit Sicherheit darzustellen. Er vermeinte wohl eher schon danach gefragt zu haben, aber sicher konnte er dies nicht sagen. Der Meldungsleger erinnerte sich über die eher geringe Auskunftsfreudigkeit des Berufungswerbers anlässlich der Amtshandlung.
Das die exakten Zeiten und Quanten eines Alkoholkonsums anlässlich eines ganzen Abends, insbesondere bei einer nicht unerheblichen Alkohohlbeeinträchtigung nicht evident sind, ist wohl nicht zu verleugnen. Vielmehr erscheint es vor dem Hintergrund des bloß kurzzeitigen Verlassens des Lokals zum Wegstellen des Fahrzeuges durchaus logisch, das am Tisch befindliche Getränk nach der Rückkehr weiterkonsumiert und noch Getränke nachbestellt zu haben.
Der bisher gänzlich unbescholtene Berufungswerber machte im Rahmen der Berufungsverhandlung auch einen durchaus soliden Eindruck, wobei im auch darin gefolgt werden kann, dass er im Wissen seines Alkoholkonsums den Heimweg über 500 m nicht mehr mit dem Pkw, sondern zu Fuß tätigen hätte wollen. Ebenfalls konnte er angesichts des ihm nicht evident gewordenen Parkschadens nicht mit einer polizeilichen Konfronation rechnen, sodass die nur vage beantworteten Fragen zu seinem Alkoholkonsum vor und nach dem Vorfall um 23:45 Uhr, seiner Glaubwürdigkeit, über den Konsum von Alkohol auch noch nach der bloß ganz kurzen Unterbrechung seines Lokalbesuches, keinen Abbruch tun.
So ist es auch durchaus realistisch, dass er, nachdem er von einer ihm bekannten Person [dem Lenker des Heimbringerdienstes] zum Wegstellen seines Pkw´s aufgefordert wurde, sein Getränk am Tisch stehen ließ und anschließend dieses wieder weiter genossen hat. Vielmehr wäre es eher lebensfremd, hätte er im Gegensatz zu seinem offenkundig bis dahin als wohl offensiv bezeichenbaren Trinkverhalten nichts mehr getrunken.
Wollte die Behörde erster Instanz dem vom Berufungswerber eingewendeten Konsum von Wein nach dem Umstellen seines Fahrzeuges, lediglich mit dem Hinweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinen glauben schenken, würde sie den Sinn dieser Judikatur verkennen. Diese besagt im Ergebnis, dass es keinen Verfahrensmangel darstellt, wenn einem Nachtrunkeinwand nicht gefolgt wird, der nicht ehest und nicht in einer nachvollziehbaren Deutlichkeit erhoben wird.
Dem kann jedoch nicht der Inhalt einer bindenden Beweisregel der Gestalt zugesonnen werden, dass die Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung nicht den Denkgesetzen folgend im Sinne des Grundsatzes eines „fair trial“ auf den Einzelfall bezogen die Beweislage zu würdigen hätte und sich bloß auf die Judikatur berufen bräuchte.
Hier gab doch der Meldungsleger selbst im Rahmen seiner zeugeschaftlichen Befragung vor der Behörde erster Instanz an, er könne zu den Angaben des Berufungswerbers über den Nachtrunk „nicht mehr mit Sicherheit sagen, ob diesbezüglich der Proband gefragt wurde.“
Die zitierte Judikatur besagt auch nicht, dass ein Nachtrunk völlig exakt erfasst werden müsste um überhaupt anerkennbar zu sein. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn – so wie hier – ein Trinkverhalten noch keinen Bezug zu einem verfahrensrelevanten Ereignis herstellen lässt. Sonst müsste letztlich im Ergebnis jeder nach einer Fahrereignis stattfindende Alkoholkonsum gleichsam vorsichtshalber notiert werden um nicht Gefahr zu laufen diesen gegebenenfalls nicht mehr exakt benennen zu können.
Es kann daher nur der Beweiswürdigung im Einzelfall obliegen, ob ein Nachtrunk mit den realen Lebensabläufen in Einklang zu bringen und letztlich glaubwürdig ist oder nicht.
Demnach ergibt sich unter der Annahme des im Rahmen der Berufungsverhandlung vom Berufungswerber eingeräumten Alkoholkonsums eine zum Lenkzeitpunkt erwiesene Beeinträchtigung durch Alkohol lediglich im Umfang von mehr als 0,6 mg/l aber weniger als 0,8 mg/l.
Dieses Ergebnis wurde mit einem sogenannten Alkoholrechner unter Berücksichtigung der physischen Parameter des Berufungswerbers (93 kg Körpergewicht, 175 cm Körpergröße, in einer Zeit von knapp einer Stunde) rückgerechnet.
Der dem Berufungswerber nach dem Umstellen seines Fahrzeuge geglaubte Konsum von noch zwei Achtel Wein führt bei ihm nach gesamter Resorption zu einer Blutalkoholkonzentration von 0,27 Promillen. Dieses Ergebnis ist vom Messergebnis abzuziehen, wobei der zwischenzeitig innherhalb einer knappen Stunden wiederum erfolgte Abbau von zumindest 0,1 Promille zum Messergebnis hinzuzurechnen ist. Daraus folgt letztlich, dass nur von einem als gesichert geltenden Blutalkoholwert von 1,53 Promillen [entspricht ~ 0,765 mg/l] ausgegangen werden kann.
Dem Berufungswerber war daher in seiner Verantwortung zu folgen gewesen. Sein Beweisantrag auf Beiziehung eines Sachverständigen zwecks Rückrechnung wurde letztlich nicht mehr aufrecht erhalten. Angesichts der vom Messergebnis her unbestrittenen Faktenlage waren keine weiteren Beweise zu führen.
5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:
Der Strafrahmen des nunmehr zu Anwendung gelangenden § 99 Abs.1a StVO 1960 reicht von 1.200 Euro bis 4.400 Euro Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit von zehn Tagen bis sechs Wochen Ersatzfreiheitsstrafe.
5.1. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Gemäß § 19 Abs.2 leg.cit. sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen und auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
5.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich stellt zunächst fest, dass den sogenannten "Alkohol- und Drogendelikten" ein besonderer Unrechtsgehalt, welcher in aller Regel im hohen Potential der Gefährdung der Gesundheit und des Lebens anderer Menschen durch Lenken eines Fahrzeuges in einem alkohol- oder drogenbeeinträchtigten Zustand zu Grunde liegt, beizumessen ist. Der Gesetzgeber hat diesbezüglich einen entsprechend strengen Strafrahmen vorgesehen.
Für den Fall des beträchtlichen Überwiegens der Milderungsgründe kann nach § 20 VStG die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden. Bei der Beurteilung der Frage des "beträchtlichen Überwiegens der Milderungsgründe" kommt es nicht auf die Zahl, sondern auf das Gewicht der Milderungsgründe an (VwGH 15.12.1989, 89/01/0100).
Zusammenfassend wird festgestellt, dass die nunmehr verhängte Strafe den Kriterien des § 19 VStG entspricht, generalpräventiven Überlegungen standhält und vor dem Hintergrund, dass hier der Tatunwert weit hinter dem mit einer derartigen Übertretung in aller Regel verbundenen Unwertgehalt zurückblieb, auch mit dieser Geldstrafe das Auslangen gefunden werden kann. Der Berufungswerber zeigte sich nicht zuletzt auch unrechtseinsichtig.
Im Gegensatz zur offenkundigen Annahme der Behörde erster Instanz, sah sich die Berufungsbehörde angesichts des bloß über fremde Internvention erfolgten Umparkens des Pkw und der damit verbundenen Bewegung am Parkplatz von 30 m ohne jede weitere Lenkabsicht, ist unter Bedachtnahme auf das Sachlichkeitsgebot eine volle Ausschöpfung der gesetzlichen Möglichkeiten der Reduzierung des Strafausmaßes unter Anwendung des § 20 VStG durchaus geboten (vgl. h. Erk. v. 08.02.2005, VwSen-160237/5/Br/Wü, sowie v. 9.2.1998, VwSen-105157/5/BR).
Die Anwendung des § 20 VStG steht seit Aufhebung des § 100 Abs.5 StVO 1960 durch den Verfassungsgerichtshof (VfGH 9. Oktober 1997, G 216/96) auch für sogenannte Alkoverfahren offen. Diese Rechtsnorm darf daher für Alkoholverfahren nicht gleichsam als totes Recht gelten.
Bei vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen besteht darauf insbesondere ein Rechtsanspruch (vgl. etwa VwGH vom 31.1.1990, 89/03/0027, VwGH 21.5.1992, 92/09/0015 und VwGH 2.9.1992, 92/02/0150).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r