Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281237/18/Kl/Pe

Linz, 08.09.2010

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn x, vertreten durch Rechtsanwalt x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 14.5.2010, Ge96-2556-2009, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 18.8.2010, zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II. Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z1 und 2 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 14.5.2010, Ge96-2556-2009, wurden über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wegen der Verwaltungsübertretungen zu 1) gemäß § 130 Abs.1 Z15 ASchG iVm § 25 Abs.5 Z2 Arbeitsstättenverordnung (AStV) und zu 2) gemäß § 130 Abs.1 Z15 ASchG iVm § 26 Abs.2 Z2 AStV Geldstrafen von jeweils 200 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 30 Stunden, verhängt, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 Abs.1 VStG 1991 zur Vertretung nach außen berufenes, verwaltungsstrafrechtlich verantwortliches Organ der x mit Sitz in x, Gemeinde x, nicht dafür Sorge getragen hat, dass die Vorschriften des ASchG in Verbindung mit der AStV eingehalten wurden.

Aufgrund einer am 30.9.2009 durch Herrn x vom Arbeitsinspektorat Vöcklabruck durchgeführten Erhebung in der Arbeitsstätte x, wurde Folgendes festgestellt:

1)    der Zubau wurde nicht entsprechend der Bestimmung des § 25 Abs.5 AStV mit einer Sichtverbindung ins Freie, die mindestens 5 % der Bodenfläche betragen muss, errichtet, obwohl als Arbeitsräume nur Räume verwendet werden dürfen, die eine Sichtverbindung zum Freien aufweisen und diese mindestens 5 % der Bodenfläche des Raumes betragen muss.

2)    Der Zubau weist keine Querlüftung auf, obwohl Lüftungsöffnungen als Querlüftung angeordnet sein müssen, sofern die Raumtiefe mehr als 10 m beträgt.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und das Straferkenntnis seinem gesamten Inhalt nach angefochten. Begründend wurde ausgeführt, dass die belangte Behörde von unrichtigen Feststellungen des Arbeitsinspektorates ausgehe, da die Lichteintrittsfläche nicht 2 % der Grundfläche der Halle sondern rund 24 % der Bodenfläche betrage. Auch seien die Öffnungsquerschnitte von der belangten Behörde unrichtig angegeben worden.

Weiters sei die Ansicht der Behörde, dass die umliegenden Wälder und Berge nicht die äußere Umwelt im Sinn des § 25 Abs.5 AStV darstellen würden, nicht nachvollziehbar, da der gesetzlichen Bestimmung nicht zu entnehmen sei, dass die „statischen Landschaftsteile“ nicht die Umwelt darstellten. Aus § 25 Abs.6 AStV ergäbe sich, dass jede nach außen gehende Sichtverbindung –außer Lichtkuppeln und Glasdächer – als dem Gesetz entsprechend angesehen werden müsse. Würde man der falschen Rechtsansicht der bescheiderlassenden Behörde folgen, würden im Übrigen bei Arbeitsplätzen in höheren Stockwerken die Bestimmungen der AStV in den seltensten Fällen eingehalten werden, da die um das Gebäude gelegenen Flächen nicht einsehbar sein würden. Nach der AStV würden nur Lichtkuppeln und Glasdächer nicht als Sichtverbindung nach außen gelten.

Die Querlüftung sei im gegenständlichen Fall gewährleistet und die Abwärme der Maschinen sei auch ausreichend, um in der Halle eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Temperatur zu erreichen. Die Halle sei weiters beheizbar. Zum Sektionaltor wurde ausgeführt, dass es in jeder beliebigen Öffnungsweite angehalten werden könne, weshalb die Ausführung der Behörde, dass das Tor nur in zwei Stellungen offen gehalten werden kann falsch sei.

Abschließend wurde die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Strafverfahrens beantragt.

 

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck als belangte hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme (insbesondere in die vorliegenden Projektspläne) sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentliche mündlichen Verhandlung am 18.8.2010, zu welcher der Bw und sein Rechtsvertreter geladen wurden und erschienen sind. Die belangte Behörde hat sich entschuldigt. Das geladene Arbeitsinspektorat Vöcklabruck ist unentschuldigt nicht erscheinen. Weiters wurden der Herr AI x geladen und zeugenschaftlich einvernommen.

 

4.1. Auf Grund der Aktenlage und des durchgeführten Beweisverfahrens, insbesondere auch aufgrund der Erörterung in der öffentlichen mündlichen Verhandlung steht als erwiesen fest, dass die gegenständliche Halle ca. 235 Grundfläche und eine Raumtiefe von ca. 12,10 m aufweist. Weiters weist sie an der Südseite ein Lichtband bestehend aus vier Fenstern auf. An der Westseite befindet sich ein aus drei Fenstern bestehendes Lichtband. Diese Lichtbänder befinden sich jeweils in einer Innenhöhe von ca. 2,5 m und sind alle Fenster kippbar. An der Nordseite der Halle befindet sich das Sektionaltor mit einer Höhe von 4 m und einer Breite von 4,70 m, welches als Rolltor mit Fenster ausgeführt ist und in jeder beliebigen Öffnungsweite angehalten werden kann. Neben dem Sektionaltor befindet sich eine Gehtüre, welche nicht verglast ist. Sonstige Fenster an der Nordseite gibt es nicht. Weiters ist in der Halle eine mechanische Lüftung installiert, welche auch im September 2009 installiert und betriebsbereit war. Sie war allerdings zum September 2009 noch nicht durch eine Betriebsanlagengenehmigung genehmigt. Im September 2009 gab es für den Neubau noch keine Betriebsanlagengenehmigung, lediglich eine Baugenehmigung lag vor. Das Sektionaltor öffnet ins Freie und wird für Zu- und Abfahrten verwendet. Durch die Fensterbänder an der Südseite bzw. Südwestseite sieht man Wald und die umliegenden Berge. In der Halle befinden sich zwei ständige Arbeitsplätze. Bereits im Frühjahr 2009 wurde eine gewerbebehördliche Genehmigung des Zubaus beantragt. Der Zubau wurde vom Frühjahr bis Oktober ohne Genehmigung betrieben.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ist im Grunde der vorliegenden Pläne sowie der Parteienausführungen erwiesen und auch nicht durch die Aussagen des zeugenschaftlich einvernommenen Arbeitsinspektors widerlegt.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 130 Abs.1 Z15 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG, BGBl. Nr. 450/1994 idF BGBl. I Nr. 147/2006, begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber entgegen diesem Bundesgesetz oder den dazu erlassenen Verordnungen die Verpflichtungen betreffend die Einrichtung und den Betrieb von Arbeitsstätten oder Baustellen einschließlich der Sozial- und Sanitäreinrichtungen verletzt.

 

Gemäß § 25 Abs.5 Z2 Arbeitsstättenverordnung – AStV, BGBl. II Nr. 368/1998, dürfen als Arbeitsräume nur Räume verwendet werden, die eine Sichtverbindung zum Freien aufweisen. Diese muss mindestens 5% der Bodenfläche des Raumes betragen.

 

Gemäß § 26 Abs.2 Z2 AStV müssen Arbeitsräume, die ausschließlich natürlich be- und entlüftet werden, direkt ins Freie führende Lüftungsöffnungen aufweisen. Diese Lüftungsöffnungen müssen sofern die Raumtiefe mehr als 10 m beträgt, so angeordnet sein, dass eine Querlüftung möglich ist.

 

5.2. Aufgrund des erwiesenen Sachverhaltes steht fest, dass in der gegenständlichen Halle, die einen Neu- bzw. Zubau darstellt, zwei ständige Arbeitsplätze eingerichtet sind und daher ein Arbeitsraum iSd § 1 Abs.4 AStV gegeben ist. Es ist daher der 3. Abschnitt der Arbeitsstättenverordnung anwendbar und muss daher gemäß § 25 Abs.5 AStV der Arbeitsraum eine Sichtverbindung zum Freien aufweisen, die mindestens 5 % der Bodenfläche des Raumes beträgt. Aufgrund der Sachverhaltsfeststellungen ist bei einer vorliegenden Bodenfläche von ca. 235 m² daher eine Sichtverbindung in der Größe von ca. 12 m² erforderlich. Aufgrund der Feststellungen liegen Lichtbänder in Form von vier bzw. drei Fenstern an der Südseite und Südwestseite vor. Die Fensterbänder haben eine Sichtverbindung zum Freien in der Größe von ca. 52,5 m². Weiters weist das Sektionaltor an der Nordseite der Halle eine Verglasung auf, welche eine Größe von ca. 4,8 m² hat. Es kann daher aufgrund der Fläche der Fensterbänder als Sichtverbindung nicht gefunden werden, dass die Anforderung von mindestens 5 % der Bodenfläche nicht erfüllt wäre. Wenn hingegen das Arbeitsinspektorat die gegebenen Fensterbänder nicht als Sichtverbindung zum Freien gemäß § 25 Abs.5 AStV anerkennen will, so ist dem entgegenzuhalten, dass zwar nach § 25 Abs.5 Z1 AStV geregelt ist, dass ein „Sichtkontakt mit der äußeren Umgebung“ möglich sein muss, es wird aber nicht in der Arbeitsstättenverordnung definiert, was unter äußerer Umgebung zu verstehen ist. Da nach den Feststellungen durch die Fensterbänder die Umwelt, nämlich Bäume und Berge gesehen werden, kann mangels einer gesetzlichen Definition nicht die Nichterfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen festgestellt werden. Schließlich hält § 25 Abs.6 AStV fest, dass nur Lichtkuppeln und Glasdächer nicht als Sichtverbindung nach Abs.5 gelten. Fensterbänder sind hier ausdrücklich nicht erwähnt. Im Übrigen ist auch festzuhalten, dass dem Bw in Spruchpunkt 1 des angefochtenen Straferkenntnisses die Nichterfüllung der mindestens 5 % der Bodenfläche des Raumes vorgeworfen wurde, nicht die Nichterfüllung eines Sichtkontaktes mit der äußeren Umgebung gemäß § 25 Abs.5 Z1 AStV. Es war daher gemäß dem Tatvorwurf zu Spruchpunkt 1 des Straferkenntnisses die Erfüllung des objektiven Tatbestandes nicht bewiesen und nicht erfüllt.

 

5.3. Hinsichtlich Spruchpunkt 2 des angefochtenen Straferkenntnisses hat das Beweisverfahren ergeben und wurde als erwiesen festgestellt, dass die Fenster des Fensterbandes kippbar sind und daher zu Lüftungszwecken dienen. An der, dem Fensterband an der Südseite gegenüberliegenden Nordseite befindet sich eine Gehtür und ein Sektionaltor. Beide führen ins Freie. Das Sektionaltor dient dem Zu- und Abfahren, es ist als Rolltor ausgestaltet, es kann nach oben hin aufgezogen werden und in verschiedener Höhe geöffnet werden. Da Rolltor und Gehtüre gegenüberliegend von den Fensteröffnungen sind, entsteht eine Querlüftung iSd § 26 Abs.2 Z2 AStV. Eine solche muss bei einer Raumtiefe von mehr als 10 m, also bei der konkreten Raumtiefe von ca. 12,10 m gegeben sein.

Dem Argument, dass die Tore bzw. Türen nicht als Lüftungsöffnung gelten, ist § 26 Abs.4 AStV entgegenzuhalten, wonach Türen dann als Lüftungsöffnungen gelten, wenn sie direkt ins Freie führen und die Möglichkeit des Offenhaltens zu Lüftungszwecken im Vergleich zu Fenstern nicht eingeschränkt ist. Sowohl die Gehtür, als auch das Rolltor führen ins Freie und ist ein uneingeschränktes Offenhalten möglich. Darüber hinaus ist aber auch festzuhalten, dass eine mechanische Be- und Entlüftung vorgesehen und installiert ist und daher bei der Lüftung mitzuberücksichten ist. Auf die entsprechende Bestimmung gemäß § 27 Abs.2 Z1 und 2 AStV ist Bedacht zu nehmen.

Auch zu Spruchpunkt 2 des angefochtenen Straferkenntnisses ist daher festzustellen, dass die mangelnde Querlüftung vorgeworfen wurde, die aber nach den Beweisaufnahmen sehr wohl gegeben ist und es ist daher auch der objektive Tatbestand zu § 26 Abs.2 Z2 AStV nicht gegeben.

 

Es war daher gemäß § 45 Abs.1 Z1 und 2 VStG das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens zu verfügen.

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte, waren gemäß § 66 Abs.1 VStG keine Verfahrenskostenbeiträge aufzuerlegen.

 

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro  zu entrichten.

 

 

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

x

 

 

 

Beschlagwortung: Definition „äußere Umgebung“, „Sichtverbindung“, „Querlüftung“

 

 

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